552/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 26.05.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ausweitung der Budgetkontrolle des Nationalrates über das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)

 

Vorbermerkungen:

In der Entwicklungsgeschichte des Parlamentarismus ist der Budgethoheit der Volksvertretung von Anfang an eine besonders wichtige Bedeutung zugekommen.

Durch diese aus dem Steuerbewilligungsrecht hervorgegangene Kompetenz kann das Parlament den Staatshaushalt entscheidend mitgestalten und damit Einfluss auf das wichtigste politische Steuerungsinstrument im modernen Staat nehmen.

Die jährlichen Budgetdebatten im Plenum des Nationalrats geben der Regierung darüber hinaus auch die Möglichkeit zur umfassenden Darstellung ihrer Leistungen, während die Opposition die Gelegenheit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Regierungspolitik erhält. Das Budget folgt dem Grundsatz der Transparenz, der verlangt, dass die maßgeblichen budgetären Umstände nachvollziehbar dargestellt werden. Dazu gehört auch der Grundsatz der Budgetwahrheit, gemäß dem die Budgetmittel möglichst genau zu veranschlagen sind.

Das Budgetbewilligungsrecht des Nationalrates ist Teil des Haushaltsrechts des Bundes, das verfassungsrechtlich in den Artikeln 51 bis 51c B-VG geregelt ist.

Das Budget ist die vorausschauende Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben des Bundes für das Finanzjahr. Das Budget wird in Form des Bundesfinanzgesetz in Form eines einfachen Gesetzes auf der Grundlage einer Vorlage der Bundesregierung vom Nationalrat genehmigt. Neben der Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben des Bundes für das kommende Finanzjahr, enthält es ferner den Personalplan sowie weitere, für die Haushaltsführung wesentliche, Grundlagen. Mit diesen Grundlagen ist es den Volksvertreter_innen möglich, sich ein umfassendes Bild über die Finanzgebarung der einzelnen Ressorts zu verschaffen.

Doch nicht nur bei der Erstellung des Budgets kommt dem Parlament eine entscheidende Rolle zu. Auch der Budgetvollzug steht unter ständiger Kontrolle des Parlaments, der schlussendlich im vom Nationalrat zu genehmigenden Bundesrechnungsabschluss gipfelt.

Über sämtliche Ressorts hinweg hat das Parlament und damit die Abgeordneten die Möglichkeit, sowohl im Zuge der Erstellung des Budgets, als auch im Vollzug, ihrer Kontrollfunktion gerecht zu werden. Dass dies der Fall ist, zeigen die lebhaften Budgetdebatten dieser Wochen ganz eindrücklich.

 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT):

Als polizeiliche Staatsschutzbehörden fungieren in Österreich das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und die neun Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT).

Das BVT ist Teil einer Sicherheitsbehörde und organisationsrechtlich in der Sektion II, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, des Bundesministeriums für Inneres (BMI) eingegliedert. Die LVT sind organisatorisch den jeweiligen Landespolizeidirektionen (LPD) zugehörig und somit auch Teil einer Sicherheitsbehörde.

Der polizeiliche Staatsschutz ist zuständig für den Schutz verfassungsmäßiger Einrichtungen und deren Handlungsfähigkeit, den Schutz von Vertreter_innen ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten, nach Maßgabe völkerrechtlicher Verpflichtungen, sowie für den Schutz kritischer Infrastrukturen.

Zu den Kernaufgaben des BVT zählen die Bekämpfung

·        extremistischer und terroristischer Phänomene,

·        von Spionage,

·        des internationalen Waffenhandels,

·        des Handels mit Kernmaterial

·        und der organisierten Kriminalität in diesen Bereichen.

Darüber hinaus obliegt dem BVT die Veranlassung und Koordination bzw. im Wege der LVT auch die Umsetzung von Personen- und Objektschutzmaßnahmen, der Schutz von Vertreter_innen ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten.

Die Lagebeurteilungen und Gefährdungseinschätzungen der im BVT angesiedelten Analyseeinheit, bilden eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die strategische Leitung, sowie für die Steuerung und Koordination der daraus resultierenden Personen- und Objektschutzmaßnahmen. Dadurch können präventiv potenzielle Gefahren erkannt und rasch und flexibel der jeweiligen Situation angepasste Entscheidungen zur Gefährdungsreduzierung getroffen werden.

Die Arbeit der Staatsschutzbehörden stützt sich auf die Tätigkeit und die Unterstützung der Polizeibehörden und ihrer Bediensteten in ganz Österreich.

Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT):

Die Arbeit des BVT unterliegt verschiedensten Formen der Kontrolle:

Der Nationalrat und der Bundesrat haben das Recht, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen [Art. 52 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)]. Dieses Kontrollrecht besteht gegenüber der Bundesregierung und ihren Mitgliedern und somit auch gegenüber dem Bundesminister für Inneres. Das Fragerecht wird durch schriftliche, mündliche und Dringliche Anfragen sowie die Aktuelle Stunde ausgeübt.

Zur Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz verfassungsmäßiger Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit, wählt der Ausschuss für innere Angelegenheiten (Innenausschuss) einen ständigen Unterausschuss. Der ständige Unterausschuss ist befugt, vom Bundesminister für Inneres alle einschlägigen Auskünfte und Einsicht in Unterlagen zu verlangen (Art. 52a B-VG).

Der Rechnungshof ist für die Überprüfung der gesamten Verwendung der Budgetmittel zuständig (Art. 121 B-VG). Daraus ergibt sich eine Kontrollfunktion des Rechnungshofes für den Bereich des Staatsschutzes im Rahmen der Überprüfung der Gebarung des Bundesministeriums für Inneres. Die Überprüfung erstreckt sich dabei auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Rechtmäßigkeit, die Sparsamkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit.

Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT):

Die Ereignisse der letzten Jahre rückten das BVT in beispielloser Weise in den Fokus medialer und politischer Beobachtung.

In Zusammenhang mit den hinlänglich bekannten Vorkommnissen der letzten Jahre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hat sich die amtierende Bundesregierung das ehrbare Ziel gesetzt, das Bundesamt umfassend zu reformieren und auf stabile Beine zu stellen. Aus der avisierten Reform soll ein Bundesamt hervorgehen, das sowohl das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung, der österreichischen staatlichen Institutionen als auch das Vertrauen der internationalen Partner genießt und somit imstande ist, seinem gesetzlichen Auftrag vollumfänglich und effektiv für unsere österreichische Demokratie nachzukommen.

Die ersten Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen. Erste Entwürfe für gesetzliche Maßnahmen im Bereich der Ausbildung der Beamt_innen des Bundesamtes sowie besondere Vorkehrungen im Bereich der Personalrekrutierung gingen bereits in Begutachtung.

Budgetäre Kontrolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT):

Genauso wie es einer strukturellen, organisatorischen, wie personellen Neuausrichtung des Bundesamtes bedarf, um die oben angeführten Ziele zu erreichen, bedarf es auch einer stetigen Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrollrechte, die ausreichend Gewähr dafür bieten, dass die verliehenen umfassenden Machtbefugnisse entsprechend der gesetzlichen Grundlagen ausgeübt werden.

Eines diese parlamentarischen Kontrollrechte, die es fortzuentwickeln und angemessen zu stärken gilt, betrifft die Kontrolle über die Finanzgebarung des Bundesamtes. Diese ist zum derzeitigen Zeitpunkt in keinster Weise sichergestellt.

Während sämtliche Organisationseinheiten des Innenministeriums in der Untergliederung 11 des Bundesfinanzgesetzes gesondert, transparent und bis auf Kontenebene ausgewiesen sind, ist die budgetäre Ausstattung des Bundesamtes hinsichtlich des Bundesfinanzgesetz, als auch des Budgetvollzugs mehr als unklar.

Derzeit wird die Finanzgebarung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) (im Unterschied etwa zum Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung BAK) nicht gesondert ausgewiesen, sondern findet sich viel mehr lediglich als Teilmenge im Detailbudget 11.02.08 „Zentrale Sicherheitsaufgaben“ wieder. Daraus wird deutlich, dass aus dieser Grundlage keine Informationen über die finanzielle und personelle Ausstattung des BVT zu gewinnen sind.

Aus Perspektive der mit Budgethoheit ausgestatteten Volksvertretung „Nationalrat“ ist dies ein in höchstem Maße unbefriedigender Zustand.

Freilich vollzieht das Bundesamt einen mitunter höchst sensiblen Bereich der Sicherheitsverwaltung, der nicht unbedingt einer vollständigen Veröffentlichung zugänglich sein sollte. Dennoch muss in irgendeiner Weise sichergestellt werden, dass die zuständigen Gremien innerhalb des österreichischen Parlaments Zugang zu diesen, zur Ausübung der Kontrollfunktion essentiellen Informationen, gelangen, um ihren Aufgaben tatsächlich nachkommen zu können.

Dass dies grundsätzlich möglich ist, zeigt der internationale Vergleich mit anderen europäischen Staaten, die ihrerseits über ernstzunehmende international tätige Nachrichtendienste verfügen.

So ist in Frankreich ein eigener parlamentarischer Unterausschusses des Kontrollausschusses eingerichtet, welcher die Mittelverwendung im nachrichtendienstlichen Bereich (die sog. fonds spéciaux) kontrolliert. Dieser Ausschuss wurde durch ein Gesetz eingerichtet (https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexteArticle.do?idArticle=LEGIARTI000037200990&cidTexte=JORFTEXT000000592233&dateTexte=20180715).

Diese Commission de vérification des fonds spéciaux gibt Berichte über die Mittelverwendung heraus und hat selbst Zugang zu allen Informationen die nötig sind, um ihrer Aufgabe nachzukommen (http://www2.assemblee-nationale.fr/content/download/69746/711688/version/1/file/rapport_CVFS_2017.pdf). Außerdem kontrolliert dieser Ausschuss alle Nachrichtendienste. 

Auch die Schweiz stellt eine parlamentarische Kontrolle der Finanzen der Nachrichtendienste sicher. Die Finanzdelegation übt im Auftrag der eidgenössischen Räte die Oberaufsicht über den Finanzhaushalt des Bundes aus (Art. 26 Abs. 2 ParlG). Ihr obliegt insbesondere die nähere Prüfung und Überwachung des gesamten Finanzhaushalts im Bereich von Artikel 8 des Finanzkontrollgesetzes (Art. 51 Abs. 2 ParlG), inklusive der finanziellen Aspekte des Staatsschutzes und der Nachrichtendienste gemäß Vereinbarung der FinDel und der GPDel vom August 2009, betreffend die Oberaufsicht über den Staatsschutz und die Nachrichtendienste (https://www.parlament.ch/de/organe/delegationen/finanzdelegation).

Mit dem ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten besteht in Österreich bereits ein parlamentarisches Gremium in dem Angelegenheiten des Bundesamtes in einem vertraulichen Rahmen eingesehen und diskutiert werden können, der sowohl dem Anliegen parlamentarischer Kontrolle und Aufsicht, als auch legitimen Interessen der Geheimhaltung im Sinne der nationalen Sicherheit gerecht wird.

In diesem Gremium soll es neben der derzeit schon stattfindenden Kontrolle und Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit in Zukunft auch die Möglichkeit geben, Angelegenheiten der Haushaltsplanung, wie insbesondere die finanzielle und personelle Ausstattung (Bundesfinanzgesetz), sowie den fortlaufenden Budgetvollzug, regulär und auf gesetzlicher Grundlage zu adressieren.

Der vorliegende Antrag schlägt daher vor, das Thema der parlamentarischen Kontrolle der Budgetmittel des Bundesamtes in den derzeit stattfindenden Reformprozess einzubeziehen.

Die Bundesregierung wird daher zu entsprechenden Überlegungen und Vorlage eines entsprechenden Gesetzesentwurfes aufgefordert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, das Thema der parlamentarischen Mitwirkung und Kontrolle der Finanz- und Personalgebarung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in den derzeit stattfindenden Reformprozess einzubeziehen,

sowie dem Nationalrat im Zuge der Reformgesetzgebung einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, mit dem dem ständigen Unterausschuss des Ausschusses für innere Angelegenheiten angemessene Informations- und Mitwirkungsrechte hinsichtlich der Haushaltsplanung, sowie des Haushaltsvollzugs des Bundesamtes im Sinne der Budgethoheit unter Berücksichtigung legitimer Geheimhaltungsinteressen eingeräumt werden."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.