Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz zur Einhaltung unternehmerischer Sozialverantwortung (Sozialverantwortungsgesetz – SZVG) erlassen wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Ziel

§ 1. Ziel dieses Bundesgesetzes ist es, das Inverkehrbringen und den Vertrieb von Produkten gemäß § 3 Z 1 zu verhindern, bei denen es entlang der Produktions- und Lieferketten zu Verstößen gegen das Zwangs- und Kinderarbeitsverbot kommt.

Geltungsbereich

§ 2. Dieses Bundesgesetz regelt die Sorgfaltspflichten von Unternehmern (§ 1 KSchG), die ein in § 3 Z 1 definiertes Produkt erstmalig auf dem österreichischen Markt in Verkehr bringen (Importeur, § 3 Z 3), und die Verpflichtung von Händlern (§ 3 Z 4), die diese zum Verkauf in Österreich anbieten, in Hinblick auf die Einhaltung des Verbots von Zwangs- und Kinderarbeit entlang der Produktions- und Lieferkette.

Begriffsbestimmungen

§ 3. Für die Zwecke dieses Gesetzes bezeichnet der Begriff

           1. Produkt: Bekleidungsartikel einschließlich Schuhe und Textilien,

           2. Inverkehrbringen: jede erstmalige Abgabe von Produkten iSd Z 1 auf dem österreichischen Markt zum Vertrieb.

           3. Importeur ist, wer im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit ein Produkt iSd Z 1 nach Österreich einführt, um es im Inland in Verkehr zu bringen, sofern allein oder in konsolidierter Betrachtungsweise mindestens zwei der in § 221 Abs. 1 UGB genannten Größenmerkmale überschritten werden. Als Importeur gilt auch, wer als erster Unternehmer in der Produktions- und Lieferkette seinen satzungsmäßigen Sitz, seine Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder Niederlassung in Österreich hat, sofern allein oder in konsolidierter Betrachtungsweise mindestens zwei der in § 221 Abs. 1 UGB genannten Größenmerkmale überschritten werden; als Inverkehrbringen iSd Z 2 gilt diesfalls die Abgabe durch diesen.

           4. Händler ist, wer nicht Importeur ist und in der Lieferkette im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit ein Produkt iSd Z 1, das bereits iSd Z 2 in Verkehr gebracht ist, auf dem österreichischen Markt verkauft oder zum Vertrieb ankauft.

2. Abschnitt

Pflichten des Importeurs

Sorgfaltspflicht

§ 4. (1) Der Importeur von Produkten gemäß § 3 Z 1 hat die Sorgfaltspflicht des Abs. 2 zu erfüllen.

(2) Die Sorgfaltspflicht umfasst folgende Elemente:

                a) Risikoanalyse: Der Importeur hat eine Risikoanalyse durchzuführen, in deren Rahmen in angemessener Weise zu ermitteln und zu bewerten ist, ob und welche Risiken bestehen, dass es entlang der Produktions- und Lieferkette zu Verstößen gegen das Zwangs- und Kinderarbeitsverbot kommt. Die Angemessenheit richtet sich insbesondere nach den länder- und sektorspezifischen Risiken, der typischerweise zu erwartenden Schwere und Wahrscheinlichkeit möglicher Verletzungen, der Komplexität der Produktions- und Lieferkette, der Unternehmensgröße des Importeurs, der Art und Unmittelbarkeit seines Beitrags sowie seinen tatsächlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten auf den unmittelbaren Verursacher. Werden dem Importeur aufgrund der Risikoanalyse oder in sonstiger Weise Anhaltspunkte für Verletzungen bekannt, hat er anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls eine vertiefte Analyse vorzunehmen, in deren Rahmen gegebenenfalls auch die Betroffenen miteinzubeziehen sind; Satz 2 gilt entsprechend. Die Risikoanalyse ist neu durchzuführen oder zu aktualisieren, soweit dazu Anlass besteht; Satz 2 gilt entsprechend. Anlassunabhängig ist sie zumindest jedes Jahr durchzuführen.

               b) Folgemaßnahmen: Kann nach der Risikoanalyse gemäß lit. a ein Risiko nicht ausgeschlossen werden, sind gegebenenfalls geeignete und angemessene Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen. Außer in Fällen, in denen die Risikoanalyse gemäß lit. a ergibt, dass keine Risiken bestehen oder diese vernachlässigbar sind, sind unverzüglich geeignete und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um der Verwirklichung der festgestellten Risiken entgegenzuwirken. Lit. a Satz 2 gilt entsprechend.

Dokumentationspflicht

§ 5. (1) Die Einhaltung der Pflichten gemäß § 4 Abs. 2 ist zu dokumentieren. Die Dokumentation ist für mindestens 5 Jahre aufzubewahren.

(2) Die Dokumentation ist den nach § 29 Abs. 1 KSchG klagebefugten Verbänden auf deren Verlangen binnen vier Wochen auszufolgen.

(3) Ist der Importeur gemäß § 243b oder § 267a UGB zur Offenlegung verpflichtet, muss die nichtfinanzielle Erklärung bzw. der gesonderte nichtfinanzielle Bericht auch Angaben über die zur Einhaltung der Pflichten nach § 4 Abs. 2 getroffenen Maßnahmen enthalten.

3. Abschnitt

Pflichten der Händler

§ 6. Ein Händler von Produkten gemäß § 3 Z 1 hat den nach § 29 Abs. 1 KSchG klagebefugten Verbänden auf deren Verlangen binnen vier Wochen den Importeur oder seinen jeweiligen Vormann, der das Produkt geliefert hat (Händler oder Importeur), zu benennen.

4. Abschnitt

Verbandsklage

Unterlassungsanspruch

§ 7. (1) Verstößt der Importeur gegen § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 1 oder Abs. 3, kann er von den in § 29 Abs. 1 KSchG genannten Einrichtungen auf Unterlassung geklagt werden. Sofern der Importeur, der gegen die in Satz 1 genannten Pflichten verstößt auch ein Produkt in Verkehr bringt oder vertreibt, bei dem es entlang der Produktions- und Lieferkette zu Verstößen gegen das Zwangs- und Kinderarbeitsverbot kommt, kann er auf Unterlassung des Inverkehrbringens und Vertriebs geklagt werden. Behauptet ein Unternehmer, dass er nicht als Importeur gehandelt hat, obliegt ihm der Beweis. Die §§ 24 und 25 Abs. 3 bis 7 UWG 1984 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Vertreibt der Händler, der gegen § 6 verstößt, auch ein Produkt, bei dem es entlang der Produktions- und Lieferkette zu Verstößen gegen das Zwangs- und Kinderarbeitsverbot kommt, kann er von den in § 29 Abs. 1 KSchG genannten Einrichtungen auf Unterlassung des Vertriebs geklagt werden. Die §§ 24 und 25 Abs. 3 bis 7 UWG 1984 sind sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Gefahr eines Verstoßes besteht nicht mehr, wenn der Unternehmer nach Abmahnung durch eine gemäß § 29 Abs. 1 KSchG klageberechtigte Einrichtung binnen angemessener Frist eine mit angemessener Konventionalstrafe (§ 1336 ABGB) besicherte Unterlassungserklärung abgibt.

Gewinnabschöpfungsanspruch

§ 8. (1) Der Unternehmer, der ein Produkt in Verkehr bringt oder vertreibt, bei dem es entlang der Produktions- und Lieferkette zu Verstößen gegen das Zwangs- und Kinderarbeitsverbot kommt, kann von den in § 29 Abs. 1 KSchG genannten Einrichtungen auf Leistung des nach Maßgabe von Abs. 2 ermittelten Gewinns an den Fonds für soziale Verantwortung von Unternehmen geklagt werden. Als Streitwert iSd §§ 54 ff JN gilt höchstens ein Betrag in Höhe von € 31.000. § 25 Abs. 3 bis 7 UWG 1984 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Als Gewinn gilt die Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis des verkauften Produkts. Zur Ermittlung des Gewinns trifft den Unternehmer eine Auskunftspflicht gegenüber den nach § 29 Abs. 1 klagebefugten Einrichtungen.

(3) Der Anspruch entfällt durch den Nachweis, dass der Unternehmer die ihn treffenden Sorgfaltspflichten gemäß § 4 Abs. 2 beziehungsweise die ihn treffende Benennungspflicht gemäß § 6 eingehalten hat, oder ihn an deren Verletzung kein oder ein nur leichtes Verschulden trifft.

(4) Behauptet ein Unternehmer, dass er nicht als Importeur gehandelt hat, obliegt ihm der Beweis.

(5) Die Verbindlichkeit kann vom Richter gemäßigt oder auch ganz erlassen werden, wenn der Unternehmer seine Pflichten nicht vorsätzlich verletzt hat und ihn die Vorteilsabschöpfung unbillig hart träfe. Für das Vorliegen dieser Umstände ist der Unternehmer behauptungs- und beweispflichtig.

(6) Der Anspruch verjährt fünf Jahre nach Inverkehrbringen oder Vertrieb des Produkts.

§ 9. (1) Die Gerichtsbarkeit in Rechtsstreitigkeiten nach § 7 und § 8 wird durch die Handelsgerichte ausgeübt. § 51 Abs. 2 Z 10 und § 83c JN finden sinngemäß Anwendung.

(2) § 7 Abs. 2 Satz 1 und § 8 Abs. 2 JN sind nicht anzuwenden.

§ 10. (1) Zur besonderen Anerkennung und Förderung von Engagement im Bereich Corporate Social Responsibility sowie zur Förderung der Rechtsdurchsetzung nach diesem Bundesgesetz wird ein Fonds errichtet. Dieser Fonds trägt die Bezeichnung „Fonds für soziale Verantwortung von Unternehmen“. Zuwendungen aus dem Fonds können natürlichen und juristischen Personen gewährt werden, die zur Entwicklung oder tatsächlichen Durchführung von innovativen Maßnahmen, besonderen Aktivitäten oder Initiativen zu Corporate Social Responsibility in Österreich beitragen.

(2) Empfänger/innen von Zuwendungen aus dem Fonds können

           1. österreichische Staatsbürger/innen oder Menschen, die ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, oder

           2. inländische juristische Personen sein.

(3) Der Fonds ist beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz angesiedelt, dient ausschließlich gemeinnützigen Zwecken und besitzt eigene Rechtspersönlichkeit.

5. Abschnitt

Schlussbestimmungen

Vollziehung

§ 11. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betraut.

Inkrafttreten

§ 12. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1.1.2021 in Kraft.