625/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 29.05.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abg. Peter Wurm, Dr. Dagmar Belakowitsch, Christian Ries  

und weiterer Abgeordneter

betreffend Preismonitoring und Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten

 

Die COVID-19-Krise hat zu einer nachhaltigen Störung der österreichischen Wirtschaft geführt. Die COVID-19-Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung haben zur Folge, dass 1,3 Millionen Arbeitnehmer sich mit Ende Mai 2020 in Kurzarbeit befinden, weit mehr als eine halbe Million Arbeitnehmer beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos gemeldet sind und hunderttausende kleine und mittlere Unternehmer in ihrer Existenz massiv bedroht sind.

Zu den COVID-19-Maßnahmen und ihren Resultaten für Wirtschaft und Inflationsentwicklung schreibt die Österreichische Nationalbank (OENB) in ihrer Quartalsanalyse auszugsweise:

Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurden in Österreich – wie auch in anderen Ländern – Maßnahmen gesetzt, die das öffentliche und private Leben stark einschränken: Ausgangsbeschränkungen, Absagen von Großveranstaltungen, das Schließen von Geschäften, Dienstleistungsunternehmen (Bars, Restaurants, Handelsbetrieben, Museen, Theater) und Produktionsbetrieben (z. B. Magna Steyr, Teile der Voestalpine) bis hin zur Quarantäne ganzer Regionen. (OeNB)

Gleichzeitige Nachfrage- und Angebotsschocks beeinflussen Inflation in unterschiedliche Richtungen

Der private Konsum wird auf das Notwendigste eingeschränkt, weshalb in vielen Branchen die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen deutlich zurückgeht. Am stärksten betroffen sind Tourismus, Freizeit, Gastronomie, Teile des Handels (z. B. Bekleidung, Einrichtungsgegenstände, Elektronikgeräte), Verkehr, das Bildungswesen sowie andere Waren und Dienstleistungen (z. B. Friseurdienstleistungen). Diese Waren und Dienstleistungen belaufen sich auf rund 64 % des österreichischen HVPI-Warenkorbs (Tabelle K1). Von den Nachfragerückgängen nicht betroffen sind Nahrungsmittel einschließlich Tabak und Alkohol, Wohnung, Wasser und Energie, Post und Telekommunikation sowie das Gesundheitswesen, die zusammengenommen rund 36 % des HVPI-Warenkorbs ausmachen. In einigen dieser Bereiche (Gesundheitswesen, Telekommunikation und Nahrungsmittel) ist mit einer verstärkten Nachfrage zu rechnen, die unter Umständen an die Kapazitätsgrenze oder sogar darüber hinaus gehen kann. Preise für pharmazeutische Erzeugnisse, Medikamente oder Preise mancher Nahrungsmittel könnten als Konsequenz der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus steigen. Insgesamt dürften die beschriebenen Nachfrageeffekt die Inflationsentwicklung jedoch dämpfen. (OeNB)

Neben den Nachfragerückgängen resultieren die Maßnahmen zur Bekämpfung der Virusausbreitung in Angebotsausfällen. Arbeitsfreisetzungen und steigende Krankenstände im In-und Ausland führen in der Warenproduktion zu Einschränkungen. Diese Ausfälle können mit Dauer der Pandemie und der Erkrankungsrate rasch ansteigen. Dadurch werden heimische und globale Wertschöpfungsketten empfindlich gestört, sodass das Angebot mancher Waren knapp werden kann. Diese Produktionseinschränkungen können in den betroffenen Branchen preistreibend wirken. (OeNB)

Schwierige Inflationsmessung aufgrund fehlender Preise und eines während der COVID-19-Krise unzutreffenden Warenkorbs

Die beschriebenen Maßnahmen, vor allem die angeordneten Geschäfts- und Betriebsschließungen, haben aber auch Auswirkungen auf die Inflationsmessung. Viele der üblicherweise lokal, in Geschäften in verschiedenen Städten in Österreich gemessenen Preise werden aufgrund der geschlossenen Geschäfte nicht mehr erhebbar sein. Dies kann, wie ausgeführt, bis zu zwei Drittel des gesamten Warenkorbs betreffen. Laut Handbuch zur Erstellung des HVPI2 werden vorübergehend nicht verfügbare Produkte in der Preiserhebung bis zu zwei Monate lang mit dem letzten erhobenen Preis dieser Produkte fortgeschrieben. Dies würde bedeuten, dass in den ersten beiden Monaten nach den Geschäftsschließungen bei den betroffenen Produkten weder ein preistreibender noch -dämpfender Effekt abgebildet wird.3 Wenn das Produkt im dritten Monat nach wie vor nicht verfügbar ist, müsste es laut Handbuch durch ein anderes, vergleichbares Produkt ersetzt werden. Wenn aber auch letzteres nicht verfügbar ist, muss der Preis geschätzt bzw. imputiert werden. Dies würde frühestens in der Inflationserhebung im Mai 2020 schlagend werden. Da es eine vergleichbare Situation nach dem 2. Weltkrieg noch nicht gab, ist aus heutiger Sicht unklar, wie die erhebenden Statistik-Institute auf diese Situation reagieren werden und wie sie zahlreiche fehlende Preisbeobachtungen imputieren werden. (OeNB)

Denkbar ist beispielsweise, dass verstärkt Online-Preise für die fehlenden lokalen Preisbeobachtungen herangezogen werden. Dies kann aber auch nur ein Teil der Lösung sein, denn viele der betroffenen Produkte und Dienstleistungen, beispielsweise personenbezogene Dienstleistungen wie Friseur, Bewirtungsdienstleistungen (mit Ausnahme von Lieferservice), werden nicht online angeboten. Ein weiteres Problem der Inflationsmessung in den kommenden Monaten ergibt sich aus der Verschiebung des Konsums von Dienstleistungen und langlebigen Konsumgütern zu Nahrungsmitteln und Drogerie- sowie Gesundheitsprodukten. Dies bedeutet, dass der bestehende Verbraucherpreis-Warenkorb, der auf den Konsumgewohnheiten in der Vergangenheit beruht, die erzwungene Substitution innerhalb des Konsums nicht abbildet. Teilweise Abhilfe könnte auch hier die stärkere Einbindung des Online-Handels bieten, aber dies wird nicht ausreichen, um der Veränderung der Konsumstruktur gerecht zu werden. Aus diesen beiden Gründen – Preisimputationen auf breiter Basis und unzutreffender Warenkorb – wird die Inflationsmessung in den nächsten Monaten (und möglicherweise darüber hinaus) mit größter Unsicherheit behaftet sein. (OeNB)

Die weitreichenden staatlichen Maßnahmen zur Verringerung der Sozialkontakte, insbesondere die angeordneten Geschäftsschließungen und die Beschränkungen des Freizeitverhaltens sowie im Verkehr, bewirken einen massiven Konsumeinbruch, der sich dämpfend auf Konsumgüter- und Dienstleistungspreise auswirken könnte. In wenigen Bereichen, wie beispielsweise im Nahrungsmittelhandel und bei Gesundheitsprodukten, ist ein Anstieg der Nachfrage denkbar. Der Nettoeffekt auf die Teuerung ist derzeit kaum abzuschätzen. (OeNB)

 

In diesem Zusammenhang könnten überfallsartig Teuerungssprünge kommen und große Teile der Bevölkerung, die durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder eine schwindende Existenzgrundlage ohnehin bereits unter Druck geraten sind, weiter in eine soziale Notlage bringen.

Ein staatliches Preismonitoring und damit ein Inflationsstopp muss daher insbesondere zum Schutz von Konsumenten eingeführt werden. Damit gilt es zu verhindern, dass Preiserhöhungen und eine entsprechende Inflation diese Gruppen, die bedingt durch COVID-19-Maßnahmen mit fehlendem Teuerungsausgleich bei Lohnanpassungen, Lohn- und Gehaltsreduktionen durch Kurzarbeit oder Einkommenseinbußen in Folge von Arbeits- und Beschäftigungslosigkeit besonders benachteiligt und damit in soziale Existenzbedrohung gebracht werden.  

Es soll daher ein Preismonitoring angeführt werden, angelehnt an die Lohn- und Preiskommission (1957-1994), aber in einer modernen Art und Weise. Das heißt, der Ausschuss Konsumentenschutz hat hier eine politische Agenda und die Sozialpartner arbeiten auf Expertenebene mit.

Grund für eine solche Maßnahmen ist, dass COVID-19-Maßnahmen zu Marktverzerrungen führen können, die zu Lasten von Arbeitnehmer und Konsumenten gehen. Aber auch Produzenten können Opfer sein, wenn etwa einige wenige Handelsunternehmen die Preise bestimmen. Wenn sie etwa der Landwirtschaft wenig für ein Produkt bezahlen, aber als Monopolisten oder Oligopolisten die Macht haben, den Konsumenten hohe Endverbraucherpreise zu diktieren.

Es braucht daher einen Maßnahmenmix, um einen Inflations- bzw. Teuerungsstopp zu gewährleisten. Das heißt, Maßnahmen des Staates, beschlossen vom Ausschuss für Konsumentenschutz, bei denen die Preise für ausgewählten Güter in einem bestimmten Zeitraum behördlich festgelegt und nicht erhöht werden dürfen.

Im Focus dieser Maßnahmen soll ein abzubildender COVID-19-Warenkorb sein, der die Preise für Waren und Dienstleistungen, wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

Die abzubildenden Daten für den COVID-19-Warenkorb liefert die Statistik Austria einmal pro Monat.

Ergeben sich hier deutliche Abweichen bei einzelnen Endverbraucherpreisen, das heißt mehr als zehn Prozent bei einzelnen Waren und Dienstleistungen, dann hat der zuständige Konsumentenschutzminister den Konsumentenschutzausschuss des Nationalrats damit zu befassen.

Der Konsumentenschutzausschuss des Nationalrats hat dann entsprechende Beschlüsse zu fassen, um den Konsumentenschutzminister mit der Erlassung eines Preisstopps zu beauftragen.

Als Varianten für diesen zu beschließenden Preisstopp soll eine Befristung von 30, 60, 90 bzw. 120 Tagen je nach Anlassfall möglich sein.

Im Zeitraum des befristeten Preisstopps sollen COVID-19-Maßnahmen, die in Österreich aber auch im Verhältnis zu anderen relevanten Handels- und Wirtschaftspartnern zur Inflation geführt haben, nach Maßgabe ausgesetzt bzw. gänzlich abgeschafft werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die Regelungen für ein Maßnahmenpaket zu einem Preismonitoring und einem Inflationsstopp in COVID-19-Zeiten beinhaltet:

·        Schaffung eines COVID-19-Warenkorbs, der die Preise für Waren und Dienstleistungen wie etwa Lebensmittelpreise, Hygieneartikelpreise, Mietpreise, Heizkostenpreise, Spritpreise, Fahrtkostenpreise im öffentlichen Verkehr usw. beinhaltet.

·        Bereitstellung der Daten zur Schaffung des COVID-19-Warenkorbs durch die Statistik Austria.

·        Schaffung eines COVID-19-Preisbandes, das beim Abweichen einzelner Endverbraucherpreise, d.h. mehr als zehn Prozent, beim zuständigen Konsumentenschutzminister eine Informationspflicht an den zuständigen Konsumentenschutzausschuss des Nationalrats auslöst.

·        Schaffung eines beschlussmäßigen Beauftragungsmechanismus durch den zuständigen Konsumentenschutzausschuss gegenüber dem zuständigen Konsumentenschutzminister, die Erlassung eines Preisstopps für einzelne Waren und Dienstleistungen mit einer Befristung von 30, 60, 90 bzw. 120 Tagen je nach Anlassfall vorzunehmen.“

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Konsumentenschutz zuzuweisen.