676/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 17.06.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Verlust der österreichischen und Unions(staats)bürgerschaft

 

Von den etwa 580.000 Österreicher_innen, die ihren Lebensmittelpunkt temporär oder permanent im Ausland haben, leben etwa 180.000 außerhalb der Europäischen Union. Österreichisches Recht in Bezug auf Doppelstaatsbürgerschaften ist restriktiv und viele Österreicher_innen verlieren bei Verleihung einer ausländischen Staatsbürgerschaft die österreichische. Da zahlreiche, aus der Unionsbürgerschaft gemäß Art 20 ff AEUV resultierende europäische Bürgerrechte und Grundfreiheiten an den Besitz der Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaates geknüpft sind, verliert ein/e Unionsbürger_in mit der österreichischen Staatsbürgerschaft auch unionsrechtlich gewährleistete Rechte.

Mit Urteil vom 12.03.2019 in der Rechtssache C-221/17 (Tjebbes u.a.) verlangt der Europäische Gerichtshof nun eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, wenn mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft eines Mitgliedsstaates auch die Unionsbürgerschaft und damit Bürgerrechte in der Europäischen Union verloren gehen würden (also wenn die neue Staatsbürgerschaft der betroffenen Person die eines nicht-EU-Staates ist bzw. wenn die betroffene Person nach dem Verlust nicht – etwa durch Mehrfachstaatsangehörigkeit – Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedsstaates bleibt). Das geltende österreichische Staatsbürgerschaftsrecht sieht eine derartige Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht vor und ist damit auf Grundlage der zitierten EuGH-Judikatur nicht unionsrechtskonform. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf reagiert und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung trotz gegenteiligen Wortlauts von § 27 Abs 1 StbG vorgeschrieben, die letztlich keine Grundlage im Gesetz hat. Da diese Anpassung an europäische Rechtsprechung derzeit nur aus der Judikatur des VwGH abzuleiten ist, wäre eine Anpassung des geltenden Rechts geboten. 

Ein weiteres, unbedingt zu regelndes Rechtsproblem besteht, wenn jemand über lange Zeit ohne Eigenverschulden fälschlicherweise von einer österreichischen Behörde als Staatsbürger_in behandelt wurde, sich jedoch herausstellt, dass er oder sie die Staatsbürgerschaft tatsächlich nicht besitzt. Ein Beispiel dafür ist der Verlust der Staatsbürgerschaft im Kindesalter durch eine Handlung der Eltern, deren Folgen unbekannt waren. 

Mit BGBl I Nr. 136/2013 wurde in § 57 StbG die sogenannte „Putativösterreicherregelung“ in das Gesetz aufgenommen, um solche Härtefälle aufzufangen. Obgleich der Gesetzestext keine Einschränkungen vorsieht, legt der VwGH in seinem Erkenntnis Ra 2017/01/0331-3 vom 25.09.2018 die Bestimmung dahingehend aus, dass die Putativösterreicherregelung nur für Personen anwendbar sei, die noch niemals österreichische Staatsbürger waren. Alle Österreicher_innen, die ihre Staatsbürgerschaft unwissentlich und unverschuldet irgendwann in ihrem Leben verloren haben, jedoch über einen längeren Zeitraum weiterhin von den Behörden als Staatsbürger_in behandelt und beispielsweise zum Grundwehr- oder Zivildienst eingezogen wurden, sind laut VwGH von der vom Gesetzgeber beabsichtigten Rettungsregelung ausgeschlossen, was weder im Wortlaut des Gesetzes Deckung findet, noch der Intention des historischen Gesetzgebers entsprechen kann, da somit letztlich kaum denkmögliche praktische Anwendungsfälle für diese Regelung verbleiben. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, österreichisches Recht mit Bezug auf Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft an geltende europäische Rechtsprechung anzupassen, und insbesondere eine vom EuGH vorgeschriebene Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Verlust der Unionsbürgerschaft im Zusammenhang mit einer Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft gesetzlich vorzuschreiben und Kriterien für die Prüfung zu erarbeiten.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, die Putativösterreicherregelung dahingehend klarzustellen, dass die Bestimmung zu § 57 StbG auch dann anwendbar ist, wenn die betroffene Person bereits irgendwann zuvor einmal Staatsbürger_in war."  


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.