697/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 17.06.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend Ethikunterricht für alle

 

Je rasanter sich eine Gesellschaft im globalen Kontext verändert, desto wichtiger ist es, Orientierung zu finden. Fragen zu Weltanschauungen, Grundwerten, Menschenrechten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Normsetzungen erfordern die Fähigkeit zu differenzierten, individuellen Beurteilungen und eigenverantwortlichem, prinzipiengeleitetem Handeln. Es geht auch um die Fähigkeit Toleranz zu entwickeln, also andere Standpunkte und Lebensweisen zu akzeptieren und andere Meinungen zu zulassen. Toleranz ist ein Schlüssel für eine funktionierende Demokratie.

Der Ethikunterricht soll einen Rahmen für eine qualifizierte Auseinandersetzung über diese Fragestellungen bieten und wäre auch ein Beitrag zur politischen Bildung und Entwicklung einer soliden Wertehaltung. Schule ist der geeignete Raum, um die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen in einem geordneten Umfeld zu führen. Die Coronakrise zeigt, wie wichtig es ist, dass sich alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit gesellschaftlichen Herausforderungen und Fragestellungen auseinandersetzen: "Ist es wirklich so, dass Sicherheit und Gesundheitsschutz die Einschränkung der Freiheitsrechte der Menschen rechtfertigen? Ist es wirklich so, dass Gesundheitsschutz es rechtfertigt, dass man ältere Menschen wegsperrt, sie isoliert?" Diese Themen bräuchten ethische Reflexion genauso wie Migration, Klimakrise, Digitalisierung oder künstliche Intelligenz. Der Ethikunterricht wirkt auch als wichtige Präventionsmaßnahme vor Fundamentalismus und Extremismus.

In der von der Regierung in Begutachtung geschickten Variante werden lediglich SchülerInnen erreicht, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben bzw. konfessionslos sind. Eingeführt wird der Ethikunterricht lediglich in der Sekundarstufe II (Oberstufe), UnterstufenschülerInnen und auch BerufsschülerInnen sind damit nicht umfasst. Das Ministerium rechnet folglich mit rund 100.000 SchülerInnen, die dann den Ethikunterricht besuchen werden. Mit einem Anteil von nicht einmal 10% der SchülerInnen wird hier lediglich ein „Minderheitenprogramm“ verwirklicht.

Mit der vorgeschlagenen Variante kann es nun nicht mehr zu einer Diskussion von SchülerInnen verschiedener Glaubensrichtungen kommen. Dabei hat der Ethikunterricht eigentlich nichts bzw. nur wenig mit Religion zu tun. Es geht um Fragestellungen, die uns alle betreffen – unabhängig vom religiösen Bekenntnis. Warum also der Ethikunterricht nur für jene SchülerInnen eingerichtet wird, die sich von Religion abmelden, und nicht für alle SchülerInnen, konnte bisher sachlich nicht ausreichend gerechtfertigt werden.

 

Außerdem zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Umfrage des Gallup Instituts, dass der Großteil der österreichischen Bevölkerung sich für einen allgemeinen Ethikunterricht ausspricht. 70,1% stimmen dafür. Das von der Regierung forcierte Modell eines Pflichtethikunterrichtes ausschließlich für Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, genoss hingegen sehr geringe Zustimmungswerte (16% der Befragten). Lediglich 13,5% der Befragten lehnten die Einführung eines Ethikunterrichtes grundsätzlich ab.

Neben den inhaltlichen Kritikpunkten ist auch die von der Regierung gewählte Vorgangsweise im Gesetzwerdungsprozess eine demokratiepolitische Zumutung. Parallel zum Entwurf des Bildungsministeriums wurde eine Änderung des Forstgesetzes durch das BMLRT vorgeschlagen, die die Einführung des Ethikunterrichts an landwirtschaftlichen Schulen beinhaltet. Die Begutachtungsfrist dieser Ministerialvorlage endete bereits am 04. Juni, während die Frist für die Begutachtung des Schulorganisationsgesetzes mit 3. Juli endet. Dies löste auch Kopfschütteln bei Verfassungs- und Verwaltungsexperte Heinz Mayer aus: „Dass die diskriminierende Einführung eines Ethikunterrichtes in einem Atemzug mit dem Verkauf von Schadholz genannt wird, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die dringliche Behandlung dieser Gesetzesänderung. Dieses Verfahren ist reine Frotzelei“. (APA 04.06.2020)

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung möge dem Nationalrat eine Novelle vorlegen, in der der Ethikunterricht flächendeckend und verpflichtend für alle SchülerInnen ab der Sekundarstufe I umgesetzt wird. All jene SchülerInnen, die den Religionsunterricht besuchen wollen, sollen diesen - wie bisher - besuchen können.“

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Unterrichtsausschuss