777/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 08.07.2020
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend Einrichtung eines Grünen Netzes von 200.000 Hektar zusätzlich geschützter Waldfläche in ganz Österreich

 

„Biologische Vielfalt, die Vielfalt von Mikroorganismen, Pilzen, Pflanzen und Tieren ist für die Menschheit unentbehrlich“[1] - so beginnt die Biodiversitäts-Strategie-2020+ aus dem Jahr 2014. Ein Rückgang an Biodiversität bedeutet einen Verlust an Arten, aber auch eine wachsende Instabilität von Lebensräumen und Biotopen gegenüber Stressfaktoren. Eben diese Stressfaktoren werden durch die Klimakrise und ihre Auswirkungen immer stärker. Daher sind weitere Anstrengungen zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität notwendig. Mit rund vier Millionen Hektar sind 47 Prozent der Fläche Österreichs von Wald bedeckt. Der Faktor Wald ist daher auch hinsichtlich Biodiversität in Österreich wichtig. Das anerkennt auch die Biodiversitäts-Strategie und nennt die Erhöhung von „Totholzanteil und Altbäume(n), besonders in den bisher gering ausgestatteten Naturräumen des Alpenvorlandes, insbesondere des Mühl- und Waldviertels und des sommerwarmen Ostens“[2] als Ziel.

 

Naturwaldreservate-Ziel erreichen

 

Mit der Unterzeichnung der Resolution H2 der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa 1993 in Helsinki verpflichtete sich die Republik Österreich zur Einrichtung eines Netzwerks von Naturwaldreservaten. Diese Naturwaldreservate werden als Waldflächen definiert, die für die natürliche Entwicklung des Ökosystems Wald bestimmt sind und in denen jede unmittelbare Beeinflussung unterbleibt - beispielsweise forstwirtschaftliche Nutzung, die Totholzaufarbeitung sowie das künstliche Einbringen von Waldbäumen, nicht aber die Jagd. Welche Flächen als Naturwaldreservate in Frage kommen hängt von strengen Kriterien ab. Ziel des Naturwaldreservate-Programms sind 10.000 Hektar im gesamten Bundesgebiet, von denen bisher fast 8.400 Hektar erreicht wurden[3]. Hier gilt es die fehlenden Flächen rasch einzurichten und damit besonders wertvolle Waldflächen zu schützen.

 

Grünes Netz in ganz Österreich

 

Einzelne Naturwaldreservate oder andere bereits bestehende geschützte Flächen reichen jedoch nicht, um die Biodiversität in den Wäldern ganz Österreichs zu erhalten und zu stärken. Lokale und regionale Maßnahmen müssen mittels eines Grünen Netzes in ganz Österreich miteinander verbunden und verknüpft werden. Zusätzlich zu den bereits bestehenden geschützten Waldflächen sollen daher in den nächsten 10 Jahren als wesentlicher Punkt einer neuen Biodiversitäts-Strategie 200.000 Hektar Waldfläche unter Schutz gestellt werden. Davon sollen 50.000 Hektar von forstwirtschaftlicher Nutzung und von unmittelbarer Beeinflussung völlig freigestellt und 150.000 Hektar Waldfläche unter absoluter Vorrangstellung von Erhalt und Verbesserung der Biodiversität bewirtschaftet und betreut werden. Das sind insgesamt rund fünf Prozent der gesamten Waldfläche Österreichs, die gemeinsam einen Lebensraumverbund bilden und so einen großen Schritt hin zu mehr Naturschutz in Österreich setzen.

 

Neue Flächen einrichten

 

Naturschutz und der Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität sind, wie die Biodiversitäts-Strategie richtig anführt, „für die Menschheit unentbehrlich“. Die Einrichtung neuer Flächen ist daher in unser aller Interesse. Waldflächen die von ihrer forstwirtschaftlichen Nutzung und anderer unmittelbarer Beeinflussung freigestellt werden oder wo Biodiversität den Vorrang erhält, sollen daher auch entsprechend finanziell gegenüber ihren EigentümerInnen abgegolten werden. Deshalb ist bei der Einrichtung neuer Flächen auf den Vertragsnaturschutz zurückzugreifen, über den auch schon der Großteil der Naturwaldreservate[4] eingerichtet wurde. Das gilt sowohl für die Einrichtung geschützter Flächen auf privatem als auch öffentlichem Grund.

 

Mit gutem Beispiel vorangehen

 

Das Grüne Netz soll anteilig auf sowohl privatem als auch öffentlichem Grund eingerichtet werden. Ein wesentlicher Waldanteil, rund 510.000 Hektar, sind im Besitz der Österreichischen Bundesforste (ÖBf). Das sind über 12 Prozent der gesamten Waldfläche. Die Österreichische Bundesforste AG befindet sich im Eigentum der Republik Österreich und sollte daher bei der Errichtung des Grünen Netzes mit gutem Beispiel vorangehen. Unter Berücksichtigung des Verhältnisses zur Gesamtwaldfläche bedeutet das 24.000 Hektar geschützte Fläche auf dem Boden der ÖBf. Diese Flächen sind zusätzlich zu den bereits bestehenden Waldschutzgebieten wie Nationalparks oder Biosphärenreservate einzurichten. Auch bei den neuen geschützten Flächen der ÖBf soll mindestens ein Viertel von forstwirtschaftlicher Nutzung und unmittelbarer Beeinflussung freigestellt und drei Viertel unter dem Vorrang der Biodiversität bewirtschaftet werden. Der Vertragsnaturschutz soll auch für die Österreichischen Bundesforste angewendet werden.

 

Mit gutem Beispiel vorangehen heißt aber auch, nicht zwangsläufig bei 24.000 Hektar stehen zu bleiben. Darüberhinausgehende neue geschützte Flächen auf dem Grund der Österreichischen Bundesforste sollen zu den 200.000 Hektar hinzuaddiert werden und nicht den Anteil anderer öffentlicher EigentümerInnen sowie privater EigentümerInnen reduzieren. Denn durch die starke regionale Konzentration der Flächen der Österreichischen Bundesforste ist die Einrichtung eines bundesweiten Grünen Netzes allein durch die Österreichischen Bundesforste gar nicht möglich.

 

Bund und Länder gemeinsam für mehr Biodiversität

 

Angelegenheiten und Finanzierung des Naturschutzes fallen in den Aufgabenbereich der Bundesländer. Zugleich gibt es neben der bundesweiten Biodiversitäts-Strategie auch die internationale Ebene mit beispielsweise der bereits angeführten Helsinki-Resolution oder auch der EU Biodiversity Strategy. Zur erfolgreichen Umsetzung sowohl nationaler als auch europäischer Biodiversitäts-Strategien benötigt es daher eine engere Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Dafür kommt eine Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG in Frage. Diese Bund-Länder-Vereinbarung muss auch die Finanzierung umfassen. Das Naturwaldreservate-Programm wird zu 100% durch den Bund finanziert. Im Sinne einer bundesweiten Biodiversitätsstrategie soll beim Grünen Netz eine Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern erreicht werden, bei neuen Flächen auf dem Boden der ÖBf soll der Bund 100% der Kosten tragen.

 

Dringend benötigt: eine starke Gesamtkoordination

 

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass sowohl das Erreichen der 10.000 Hektar Naturwaldreservate als auch das Einrichten des Grünen Netzes eine starke österreichweite Gesamtkoordination nötig macht, die über die bestehende „Nationale Biodiversitätskommission“ hinausgeht. Diese Gesamtkoordination soll Teil der Bund-Länder-Vereinbarung sein und mit der Erreichung des Ziels eines Grünen Netzes von 200.000 Hektar betraut werden. Die Gesamtkoordination soll unter wissenschaftlicher Anleitung Kriterien für die Auswahl neuer Flächen festlegen, welche sich an den bestehenden Kriterien für Naturwaldreservate orientieren. Durch Monitoring, wissenschaftliche Untersuchungen und Erhebung aktueller Zahlen wird so auch eine objektive Bewertung und Weiterentwicklung auf dem Weg zum Grünen Netz in ganz Österreich möglich.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, wird aufgefordert

-    sich für die rasche Erreichung des 10.000 Hektar Zieles im Naturwaldreservate-Ziel einzusetzen,

-    im Rahmen der Biodiversitätsstrategie für die Jahre nach 2020 darauf hinzuwirken, dass das Ziel eines Grünen Netzes von 200.000 Hektar innerhalb von 10 Jahren festgelegt wird. Davon sollen 50.000 Hektar von forstwirtschaftlicher Nutzung und sonstiger Beeinflussung freigestellt und 150.000 Hektar unter Vorrang des Erhalts und der Verbesserung der Biodiversität bewirtschaftet und betreut werden. Die Verteilung dieser Fläche auf öffentliche und private Gründe soll sich am jeweiligen Anteil an der Gesamtwaldfläche orientieren. Das Prinzip des Vertragsnaturschutzes gilt dabei für private und öffentliche Flächen, explizit auch für Flächen der Österreichischen Bundesforste AG. Die Flächen sollen über das gesamte Bundesgebiet verteilt eingerichtet werden,

-    die Österreichischen Bundesforste AG mit einer vorbildhaften Erreichung des anteiligen Zieles von 24.000 Hektar oder mehr an neuen geschützten Flächen zu beauftragen.  Bereits bestehende geschützte Flächen wie Nationalparks oder Biodiversitätsreservate sind in die 24.000 Hektar nicht einzurechnen. Falls dafür eine Novellierung des Bundesforstegesetzes 1996 notwendig ist, ist dem Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage zuzuleiten,

-    für die Einrichtung dieser zusätzlichen geschützten Flächen eine Bund-Länder-Vereinbarung, vorzugsweise als Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, anzustreben, die sowohl die Finanzierung als auch die bundesweite Gesamtkoordination zur Erreichung dieser Zielsetzung festlegt.

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft



[1] Biodiversitäts-Strategie-2020+ des Ministeriums für ein lebenswertes Österreich, 2014, Seite 6

[2] ebd. Seite 12

[3] https://bfw.ac.at/rz/bfwcms.web?dok=4614 (8. Juni 2020)

[4] https://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/naturschutz/sg/nwr/ (8. Juni 2020)