818/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 14.09.2020
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Aufnahme von 100 besonders notleidenden Kindern aus Moria

 

Die Zustände in den Lagern für Asylwerber_innen und Migrant_innen auf den griechischen Inseln sind schon seit Jahren nicht mehr menschenwürdig. Mittlerweile sind sie aufgrund der Untätigkeit der EU-Mitgliedsstaaten, die auch nach 2015 keine gemeinsame, effiziente Asyl- und Migrationspolitik umgesetzt haben, unerträglich (https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-coronavirus-pandemic-eu-bulletin-1_en.pdf). Anfang Februar forderte der UNHCR die Räumung des Lagers Moria auf Lesbos (https://www.theguardian.com/global-development/2020/feb/11/un-calls-for-urgent-evacuation-of-lesbos-refugee-camp). In diesem Lager herrschten die schlimmsten Bedingungen, mit 1.300 Menschen pro Wasserhahn und ohne Seife. Seit Mitte März appelliert das EU-Parlament angesichts der COVID-19-Pandemie an Griechenland, die Lager auf den Inseln zu evakuieren (https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200323IPR75632/refugees-on-greek-islands-urgent-evacuation-to-prevent-spread-of-covid-19).

Dass es in den Lagern auf den griechischen Inseln zu einer Ausbreitung des Coronavirus kommen wird, war aufgrund der dort herrschenden Bedingungen vorprogrammiert: die rund 40.000 Geflüchteten und Migrant_innen fristeten ihr Dasein in unwürdigen Zuständen, ohne genügend medizinische Versorgung oder die Möglichkeit, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Alleine im Lager Moria lebten zuletzt etwa 12.600 Menschen, das überschreitet die eigentliche Kapazität von 2.800 Plätzen um ein Vielfaches. Um eine humanitäre Katastrophe auf dem Terrain der Europäischen Union zu verhindern, hätten die Lager schon längst geräumt werden müssen. Die Eindämmung eines tödlichen Virus und die Verhinderung explosiver gesellschaftlicher Spannungen ist auch ein europaweites Interesse.

Im März startete die Europäischen Kommission angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Situation ein freiwilliges Programm zur Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Menschen, insbesondere unbegleiteter Minderjähriger, von den Lagern auf den griechischen Inseln (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_20_1291). Die EU-Kommission koordiniert die Umsiedlung gemeinsam mit dem griechischen Sonderbeauftragten für unbegleitete Minderjährige und unterstützt Griechenland und die teilnehmenden Mitgliedstaaten sowohl in operativer als auch finanzieller Hinsicht. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), die Internationale Organisation für Migration (IOM), der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und das Internationale Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) begleiten die Umsetzung des Programms. Die im Rahmen des Programms aus den Elendslagern ausgewählten Kinder werden in spezielle und sichere Unterkünfte nahe Athen gebracht, wo dann die Kommission deren Ausreise in andere EU-Mitgliedstaaten organisiert und finanziert.

Dieses Programm gewährt den Kindern Schutz, Sicherheit, adäquate Gesundheitsversorgung sowie eine positive Lebensperspektive, trägt zur Entspannung der Lage auf den griechischen Inseln bei und entlastet auch das griechische Gesundheitssystem. Am 31. März appellierte der Vorsitzende des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres an alle EU-Staaten, sich solidarisch mit Griechenland zu zeigen und sich bei der Verteilung der Schutzbedürftigen zu beteiligen (https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20200330IPR76106/refugees-in-greece-meps-demand-solidarity-warn-about-impact-of-health-crisis). Bislang erklärten sich 11 Mitgliedstaaten bereit, insgesamt über 2.000 Kinder und Jugendliche aus den griechischen Lagern aufzunehmen: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Portugal, Slowenien. Auch Norwegen und Serbien möchten sich am Relocation-Programm der EU-Kommission beteiligen. Nach Angaben der EU-Kommission wurden bisher gut 640 Menschen durch sieben EU-Länder aufgenommen (Deutschland, Luxemburg, Irland, Portugal, Finnland, Belgien, Frankreich). Darunter sind neben Kindern und Jugendlichen auch erwachsene Familienangehörige kranker Kinder. Die österreichische Bundesregierung hat sich bislang geweigert, auch nur ein einziges Kind im Rahmen des Programms der EU-Kommission aus Griechenland aufzunehmen.

In der Nacht auf den 9. September ist das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos völlig abgebrannt. Rund 12.600 Menschen, darunter hunderte Kinder, sind nun obdachlos und müssen auf Straßen oder in Wäldern schlafen. Das Lager Moria war aufgrund der COVID-19-Pandemie schon seit Monaten unter Quarantäne gestellt. Als vergangene Woche dort der erste Corona-Fall bekannt wurde, wurde der Lock-down noch einmal verschärft. Die Zahl der Infizierten im Lager stieg bis 8. September auf 35. Angesichts der verheerenden Zustände scheint eine Gesundheitskatastrophe ohne rasches Handeln unausweichlich.

In Moria drohen nach einem Lager auch die europäischen Werte zu verbrennen, die wir so gerne beschwören und von anderen einfordern. Die Tragödie lässt sich darauf zurückführen, dass eine gemeinsame Asylpolitik innerhalb der EU an den Hauptstädten Europas scheitert. Die bisherigen - z.T. bescheidenen - Anstrengungen mancher Mitgliedstaaten im Rahmen des Umsiedlungsprogramms der EU-Kommission haben nicht ausgereicht. Österreich darf angesichts brennender Elendslager nicht länger tatenlos zusehen, jetzt gilt es zu handeln und schnellstmöglich Kinder aus Moria aufzunehmen. So wie andere EU-Mitgliedsstaaten das bereits angekündigt haben. 

Die Ausrede des Außenministers, dass damit ein Pull-Effekt beginnen würde, ist zynisch und empirisch nicht belegbar. Die bisherigen Umsiedlungen von Betroffenen innerhalb der EU haben auch keine stärkere Fluchtbewegung nach Europa ausgelöst. Zudem besteht in Österreich von Seiten der Städte und Gemeinden durchaus Bereitschaft zur Unterbringung und Versorgung von besonders Schutzbedürftigen. Der Landtag in Wien hat sich erst vergangene Woche in einem von NEOS, SPÖ und Grünen unterstützen Antrag bereit erklärt, hundert Kinder von den griechischen Inseln aufzunehmen und die Bundesregierung aufgefordert zu handeln. Zeigen wir endlich Menschlichkeit und leisten einen Beitrag, der Betroffenen hilft, Griechenland unterstützt und Europa durch gelebte Solidarität stärkt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich am Programm der Europäischen Kommission zu beteiligen und 100 besonders notleidende Kinder aus Lagern auf den griechischen Inseln aufzunehmen."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.