880/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.09.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Mag.a Dr.in Sonja Hammerschmid, Genossinnen und Genossen,

 

betreffend Maßnahmen gegen Kinderarmut

 

Je länger die Corona-Krise dauert, desto deutlicher treten die massiven Versäumnisse der Bundesregierung beim Corona-Krisenmanagement zu Tage. Der Vorsprung aus dem Frühling wurde leichtfertig verspielt, die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle. Wie immer in Krisenzeiten sind Kinder die besonders Leidtragenden.

Bereits vor Ausbruch der Corona-Krise waren mehr als 300.000 Kinder - also jedes fünfte Kind in Österreich - von Armut betroffen. Die Corona-Pandemie verschärft die Probleme vor allem von AlleinerzieherInnen und kinderreiche Familien noch zusätzlich. Die Volkshilfe Österreich hat im Juni 2020 eine Umfrage unter armutsbetroffenen Familien in ganz Österreich durchgeführt[1]. Die Ergebnisse zeigen eine eklatante Verschlechterung der Lebensqualität von armutsbetroffenen Familien in Zeiten der Pandemie.

Zum Beispiel haben rund 50 Prozent der Befragten ihre aktuelle Lebensqualität aufgrund von COVID mit einer Schulnote 4 bis 5 bewertet und auf die Hälfte der befragten Familien hat die Krise finanziell negative Auswirkungen - wobei man bedenken muss, dass diese bereits vorher schon von Armut betroffen waren. Zusätzlich darf nicht vergessen werden, dass während der Lockdown-Phase Home Schooling, keine Treffen mit Freundinnen und Freunden, keine sozialen Kontakte außerhalb des Familienverbandes - eine enorme Belastung für Kinder und Jugendliche darstellte.

Die Corona-Krise hat auch emotional Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen. 57 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass ihre Kinder einsamer, 53 Prozent aggressiver und sogar 74 Prozent trauriger waren. 82 Prozent der Befragten meinten hingegen, dass sich ihr Kind wieder auf den Schulbesuch gefreut hat.

Auch der Kinder- und Jugendnotruf "Rat auf Draht", der telefonisch rund um die Uhr sieben Tage die Woche erreichbar ist und die Beratung anonym sowie kostenlos durchführt, berichtete besorgniserregende Entwicklungen seit Beginn der Corona‑Pandemie bzw. der Lockdown-Phase.

Unter anderem verzeichneten sie einen starken Anstieg bei Schlafproblemen (240 Prozent), Anfragen zu psychischen Erkrankungen wie Panikattacken oder Depressionen (146 Prozent), Suizidgedanken und Autoaggression wie etwa Ritzen (jeweils 54 Prozent) sowie physischer Gewalt in der Familie (88 Prozent). Die "klassischen" Teeny-Probleme - wie z. B. die erste Liebe oder Taschengeld - werden vom Thema psychischer und physischer Gesundheit größtenteils verdrängt.[2] 

Die Bundesregierung hat bisher nur kaum oder wenig getan, um diese Kinder und Familien zu unterstützen. Dabei braucht es nicht nur leere Versprechen, sondern endlich entschiedene Maßnahmen gegen Kinderarmut. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben wesentlich geringere Chancen auf ein gutes Leben. Von Armut betroffene Kinder sind die chronisch kranken Menschen von morgen, oft mit schlechter Ausbildung und oft ohne Job. Um sicherzustellen, dass aus Kindern auch gesunde Erwachsene werden, müssen ausreichend Therapieangebote wie Logopädie, Ergotherapie oder Psychotherapie vorhanden sein. Derzeit sind ganze Regionen ohne psychotherapeutische Angebote für Kinder, woraus sich unverhältnismäßig lange Wartezeiten ergeben. Hier gilt es gesundheitspolitisch gegenzusteuern!

Schuld daran ist auch unser Bildungssystem. Bildung hängt noch immer viel zu stark von den Eltern ab: Mehr als ein Viertel der SchülerInnen brauchte bereits vor Ausbruch der Corona-Krise externe Nachhilfe. Unser Schulsystem ist also geprägt von privater Nachhilfe und Hausübungen – und damit sind Kinder, die Hilfe brauchen, unmittelbar davon abhängig, wie gut sie zu Hause unterstützt werden. Dabei wäre gerade Bildung die beste Schutzimpfung gegen Armut. So lange unser Schulsystem sich aber auf die Eltern, anstatt die Kinder konzentriert, wird sich wenig an der Situation ändern.

Auch wenn die Schule an sich entgeltfrei ist, müssen Eltern immer mehr Geld privat zu schießen. Neben Hefte, Kopierkosten und anderes Unterrichtsmaterial, müssen auch digitale Endgeräte angeschafft werden. Wir fordern gratis Tablets und Laptops für alle SchülerInnen. Was unter Kreisky das gratis Schulbuch war, ist heute die gratis Ausstattung mit einem digitalen Endgerät.

Damit nicht noch mehr Familien durch die Corona-Krise in die Armut rutschen, braucht es eine Vielzahl an Maßnahmen!

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend Maßnahmen gegen Kinderarmut umzusetzen:

·         Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 Prozent des Netto-Einkommens auf 70 Prozent. Damit erhöht sich das Einkommen aller Arbeitslosen und damit auch jener Menschen, die aufgrund der Corona-Krise unverschuldet in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind, um fast 30 Prozent.

·         Erhöhung des Familienzuschlages zum Arbeitslosengeld auf 100 Euro statt 29 Euro im Monat für jedes Kind.

·         Unterhaltsgarantie: Das Ausbleiben von Unterhaltszahlungen stellt eine echte Armutsfalle für Kinder und Alleinerziehende dar. Die Lücken im österreichischen Unterhaltsrecht müssen endlich geschlossen werden, um Kinder, die keinen oder einen sehr geringen Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss erhalten, finanziell abzusichern.

·         Ausbauoffensive für ausreichende Kinder-Therapieplätze.

·         Flächendeckenden Förderunterricht: Kinder, die mehr Unterstützung brauchen oder in einem Fach Schwierigkeiten haben, sollen ein entsprechendes Unterstützungsangebot und gratis Nachhilfe an den Schulen bekommen – flächendeckend und österreichweit in allen Hauptgegenständen zwei zusätzliche Förderstunden.

·         Weg von der „Hausübungsschule“ – Ausbau der Ganztagsschule: Wien ist hier Vorreiterin: für die verschränkte Ganztagsschule müssen Eltern nun keine Beiträge mehr bezahlen, auch für ein kostenfreies Mittagessen wird gesorgt. Eine solche Ausbauoffensive braucht es bundesweit.  

·         Gratis Tablets: Was unter Kreisky das gratis Schulbuch war, ist heute die gratis Ausstattung mit einem digitalen Endgerät.

·         Bundesweiter Ausbau von Schulsozialarbeit und die Bereitstellung finanzieller Mittel hierfür.

·         Aufstockung von mindestens 100 zusätzlichen SchulpsychologInnen.

·         Eine armutssensible Pädagogik in allen Kindergärten und Schulen implementieren, mit Konzentration auf Ermächtigung und Teilhabe.

·         Erhebung zum konkreten Wissensstand von Kindern und Jugendlichen, um gezielte Angebote setzen zu können und zu wissen, wie der Corona-Lockdown sich im Detail ausgewirkt hat.

·         Inklusive Angebote, um die Einzementierung der Bildungsungleichheit zu verhindern.“

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie und Jugend



[1] https://www.volkshilfe.at/wer-wir-sind/aktuelles/newsaktuelles/umfrage-zu-corona-und-kinderarmut/

[2] https://wien.orf.at/stories/3050410/