887/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.09.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Christian Ragger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Rücklagen auflösen und Kammerumlagen aussetzen

 

 

In den letzten Monaten haben sich viele Betriebe und Unternehmen in Folge von COVID-19 massiv verschuldet und befinden sich nach wie vor, wenn auch mit branchenabhängigen Unterschieden, in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage. Die WKO-Bundessparte Gewerbe und Handwerk geht in der „Presse“ vom 8. September 2020 davon aus, dass die rund 230.000 Unternehmen in Gewerbe und Handwerk bis Jahresende einen Umsatzverlust von mindestens 11 Mrd. Euro hinnehmen werden müssen. Besonders hart trifft es Betriebe im Kreativ- und Designbereich, wie die Eventbranche bzw. Unternehmen im Gesundheits- und Wellnesssektor.

Stark in Mitleidenschaft gezogen wurde auch die Reisebürobranche, die für das Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang rund um die 80 Prozent rechnen müsse, so Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbandes Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) im Ö1-Journal am 25. August 2020.

Äußerst prekär ist darüber hinaus auch die Situation im Gastronomie- und Tourismusbereich: „Wir werden in vielen Unternehmen als Konsequenz der Krise mehr Schulden bei geringeren Umsätzen und Erträgen haben - das ist sicher kein Erfolgsmodell“, bringt ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann die Lage im Tourismus auf den Punkt.

Weiter verschärft wurde die Situation für die heimische Wirtschaft unter anderem durch die Wiedereinführung der Maskenpflicht im Handel sowie die massiven Einschränkungen im Gastronomiebereich, die mit Montag, den 21. September 2020 in Kraft getreten sind.

 

Dennoch ist die Wirtschaftskammer Österreich nicht bereit, ihrer ureigensten Aufgabe – nämlich die Unterstützung der Unternehmen – ausreichend nachzukommen.

 

Im März dieses Jahres wurde zwar von den Wirtschaftskammern angekündigt, die Einhebung der Grundumlagen für das Jahr 2020 auszusetzen: „Als Wirtschafts-kammerorganisation setzen wir die Vorschreibung der Grundumlagen für dieses Jahr bis auf Weiteres aus“, informierten damals WKÖ-Präsident Harald Mahrer und Generalsekretär Karlheinz Kopf.

 

Die Realität ist jedoch mittlerweile eine andere. Die Pflichtmitglieder, die aufgrund der Ankündigungen der Wirtschaftskammer glaubten, darauf vertrauen zu dürfen, in diesem Jahr keine Grundumlagen zahlen zu müssen, werden wieder zur Kasse gebeten, wie nachfolgend beispielhaft bestätigt wird:

Es werde nur die Grundumlage eingefordert und diese betrage durchschnittlich 245 Euro. Die Fachgruppen bestimmen die Höhe selbst. Meinrad Höfferer von der Wirtschaftskammer (WK) sagte, für diese Grundumlage sei sehr viel geleistet worden: „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten schon sehr ausführlich von unseren Reserven Gebrauch gemacht. Wir haben neben der normalen Arbeit zusätzliche Fonds für Unternehmer eingerichtet, wir haben allein in Kärnten 22.000 Anträge für den Härtefallfonds abgearbeitet und 33 Millionen Euro ausbezahlt.“ Es gehe darum, die Grundfinanzierung für das Kammersystem aufrecht zu erhalten, sagte Höfferer.

orf.at 7. September 2020

Die von den Unternehmern geleisteten Kammerbeiträge, Grundumlage aber auch KU 1, können sich diese zwar in der Folge über den Fixkostenzuschuss wieder zurückholen, zahlen muss diese letztlich jedoch wieder der Steuerzahler!

 

Auf der homepage des BMF wird unter „Fragen und Antworten zum Fixkosten-zuschuss“ in der Fassung vom 21. Juli 2020 wie folgt ausgeführt:

„Sind Kammerumlagen unter Punkt 4.1.1 lit k der Richtlinien zu subsumieren?

Kammerumlagen begründen begünstigungsfähige Fixkosten, sofern eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Zahlungsverpflichtung besteht (zur Definition der "sonstigen vertraglichen betriebsnotwendigen Zahlungsverpflichtungen, die nicht das Personal betreffen", siehe Punkt B.II.35.) und diese keinen Bestandteil der Lohnnebenkosten darstellen. Begünstigt sind daher als Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessenvertretungen beispielsweise –insoweit sie nicht Bestandteil der Lohnnebenkosten sind -die WKO-Beiträge sowie Pflichtbeiträge für Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater.“

 

Mit diesem „Deal“ zwischen Kammer und Finanzministerium wird sichergestellt, dass die Kammern nicht auf Einnahmen verzichten geschweige denn ihre Rücklagen antasten müssen.

„Statt Beiträge zu senken und die immensen Rücklagen aufzulösen", kritisiert Sabine Jungwirth von der Grünen Wirtschaft, "füllen die Parteifreunde im Finanzministerium die Kammerkasse mit Steuergeld". (Standard 1.7.2020)

„Ich bin wirklich fassungslos, mit welcher Unverfrorenheit der türkise Finanzminister seine Parteifreunde in der Wirtschaftskammer bedient! Die Quersubventionierung der WK über Steuermittel ist ein starkes Stück!“, legt Sabine Jungwirth in einer Aussendung in diesem Zusammenhang noch nach.

 

Die Aussage von Präsident Mahrer und Generalsekretär Kopf in einer Aussendung vom 18.03.2020, wonach „die Wirtschaftskammerorganisation selber einen Beitrag leistet, um Liquiditätsengpässe und Zahlungsschwierigkeiten ihrer Mitglieder aufgrund der Corona-Krise zu lindern“, ist vor dem Hintergrund der dargelegten Fakten wohl nicht ganz den Tatsachen entsprechend.

 

Während die Wirtschaftskammer somit nicht daran denkt, ihren Mitgliedern zu helfen, auf Kammerbeiträge zu verzichten und auf das aus Kammerbeiträgen der Zwangsmitglieder entstandene Vermögen zuzugreifen, sehen sich aber in der aktuellen Krisensituation viele Unternehmer gerade gezwungen, auf ihre Rücklagen zuzugreifen oder bestehendes Vermögen aufzulösen.

Bereits am 17. April 2020 forderten in diesem Zusammenhang die Österreichische Hoteliervereinigung, der Handelsverband, der Gewerbeverein und der Senat der Wirtschaft eine sofortige Liquiditätsoffensive:

„Seit einem Monat befindet sich Österreich im Corona-Krisenmodus. Immer mehr heimische Betriebe, darunter zahlreiche KMU, bekommen Liquiditätsprobleme. Viele können ihren Zahlungsverpflichtungen kaum noch nachkommen und stehen vor dem Ende ihrer Existenz.“

„Die Wirtschaftskammern sitzen zurzeit auf rund 1,4 Mrd. Euro an Finanzvermögen, finanziert durch Pflichtbeiträge der österreichischen Unternehmen. 700 Mio. davon sind Wertpapiere, 400 Mio. Bankguthaben. Aus Sicht der Unternehmerverbände könnten diese Rücklagen sofort an die betroffenen EPU, KMU und sonstigen Betriebe ausgeschüttet werden. Immerhin wurden die Kammerrücklagen von den Unternehmen genau für derartige Krisenfälle jahrzehntelang bezahlt. Wertpapiere lassen sich jederzeit liquidieren. Lieber jetzt ein kleiner Abschlag, als in wenigen Wochen ein unternehmerischer Kahlschlag, muss das Motto lauten.“

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

 

Entschließungsantrag

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die regelt, dass die Wirtschaftskammern Österreich für die Dauer der COVID-19 Krise auf die Einhebung von Kammerumlagen verzichten und Rücklagen aufzulösen, um mit diesen Mitteln die heimischen Unternehmen zur Bewältigung der COVID-19 Krise unmittelbar zu unterstützen.“

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht ersuchen die unterfertigten Abgeordneten um Zuweisung dieses Antrages an den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie.