898/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.09.2020
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Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Reinhold Lopatka, Pamela Rendi-Wagner, Ewa Ernst-Dziedzic, Helmut Brandstätter

 

betreffend die aktuelle politische Situation in der Republik Belarus (Weißrussland)

 

Seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen am 9. August kommt es in Belarus zu Massenprotesten gegen das Regime Lukaschenko. Europa und viele Menschen weltweit verfolgen die Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit und zunehmender Sorge. Die Fälschung der Wahlergebnisse und die bereits im Vorfeld erfolgte Verdrängung bzw. Verhaftung von oppositionellen Kandidatinnen und Kandidaten werden von der Bevölkerung nicht mehr länger hingenommen. Demonstrationen mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allen Gesellschaftsschichten sowie Streiks in staatlichen Betrieben sind die Folge. Vor allem in Minsk demonstrieren Zehntausende mittlerweile täglich gegen den amtierenden Präsidenten. Der höchst umstrittene Staatschef Alexander Lukaschenko hat in der Folge ein Kundgebungsverbot verhängt und die Armee und Polizei gegen die Demonstrierenden in Stellung gebracht, um die Protestbewegung mit allen Mitteln zu unterbinden. Medienberichte sowie umfassende Bild- und Videoaufnahmen dokumentieren, wie die belarussischen Sicherheitskräfte brutal gegen die friedlichen Protestierenden vorgehen: Warnschüsse werden abgegeben, Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt; friedliche Demonstrierende werden geschlagen und willkürlich festgenommen; es gibt glaubhafte Berichte, wonach die festgenommenen Demonstrantinnen und Demonstranten in den Gefängnissen missbraucht und gefoltert werden.  Bereits am 12. August verurteilte die VN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, in einer Stellungnahme das brutale Vorgehen des Lukaschenko Regimes gegen die friedlichen Demonstrierenden.  Zudem werden Oppositionelle in Belarus nun vermehrt Repressalien ausgesetzt: sie werden inhaftiert oder aus dem Land gedrängt.

 

Ebenso spitzt sich für Journalistinnen und Journalisten aus dem In- und Ausland die Lage massiv zu. Mehreren Vertretern von westlichen Medien wurde die Akkreditierung entzogen, etliche von ihnen wurden des Landes verwiesen. Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten verurteilte diese Vorgänge am 29. August als Angriff auf die Medienfreiheit und Versuch der Behörden, objektive Berichterstattung zu unterdrücken.

 

Trotz dieser gezielten gewaltsamen Repressalien gegen die belarussische Opposition und Zivilbevölkerung, lassen sich die Belarussen nicht einschüchtern.  Im Gegenteil, Medienberichten und Videomaterial zufolge versammeln sich auch weiterhin hunderttausende weißrussische Bürgerinnen und Bürger, um ihrem Protest für Freiheit und Demokratie und gegen das autokratische Regime Lukaschenko, friedlich Ausdruck zu verleihen.   

 

Die Menschen in Belarus setzen sich für Veränderung ein. Sie fordern in erster Linie den Rücktritt Lukaschenkos, Freiheit und echte demokratische Mitbestimmung. Vor allem von Seiten zahlreicher Frauen wird immer wieder zu friedlichen Demonstrationen aufgerufen. Frauen spielen in der Demokratiebewegung von Belarus eine überaus wichtige Rolle. Insbesondere drei Frauen wurden zum Symbol der Opposition: Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja, Veronika Zepkalo und Maria Kolesnikowa.

 

Tichanowskaja beansprucht den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen für sich und bildet die Speerspitze des friedlichen Protests. Sie hatte bereits während des Wahlkampfs angekündigt, faire und freie Neuwahlen auszurufen.

 

Aus Sicht der Abgeordneten bedarf es in Bezug auf die aktuelle Situation in Belarus einer klaren solidarischen Haltung mit der belarussischen Bevölkerung sowie einer überaus aktiven Rolle von Seiten der Europäischen Union; die bereits getätigten Schritte, nämlich ein Austausch auf Ebene der Staats- und Regierungschefs, zahlreiche Diskussionen auf Ebene der Außenministerinnen und Außenminister sowie von Seiten der EU vorbereitete Sanktionen werden unterstützt. Europa muss auch in den kommenden Wochen engagiert bleiben und die Bevölkerung in Belarus bestmöglich unterstützen. Die Europäische Union sollte zudem die Vermittlungsbemühungen des aktuellen albanischen Vorsitzes der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) weiterhin aktiv unterstützen, um einen nationalen inklusiven Dialog zu ermöglichen. Der albanische Vorsitz hatte gemeinsam mit dem künftigen schwedischen Vorsitz der Organisation angeboten, nach Minsk zu reisen, um einen Dialogprozess zwischen den Seiten zu fazilitieren.

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht, auf europäischer Ebene die Sanktionen gegen Personen, die für Gewalt, Unterdrückung und Wahlbetrug in Belarus verantwortlich sind, zu unterstützen, laufend genau zu evaluieren/überprüfen und gegebenenfalls auch für eine Erweiterung einzutreten.

 

Zudem wird die Bundesregierung ersucht, in Einklang mit der Europäischen Union die Zivilgesellschaft bestmöglich zu unterstützen und sich für einen sofortigen Stopp von Ausweisungen von ausländischen Journalistinnen und Journalisten aus Belarus sowie gegen jegliche Behinderung von kritischem Journalismus im Land einzusetzen.

 

Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, weiterhin für ein sofortiges Ende der nicht hinnehmbaren Gewalt gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten, die unverzügliche Freilassung aller willkürlich Verhafteter und die Rechenschaftspflicht der Verantwortlichen einzutreten.

 

Zudem wird die Bundesregierung ersucht, die Einsetzung einer Experten-Mission der OSZE, die möglichen Wahlbetrug und Menschenrechtsverletzungen in Weißrussland untersuchen soll, auch weiterhin zu unterstützen und sich innerhalb der Europäischen Union für ein Stipendienprogramm z.B. im Bildungsbereich einzusetzen, mit welchem die EU geflüchtete Oppositionelle – darunter viele junge Frauen – nach der Flucht aus Weißrussland unterstützen kann.

 

Weiters wird der zuständige Bundesminister ersucht, sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass es rasch zu einem inklusiven nationalen Dialog kommt, die Bedingungen für eine freie und faire Wiederholung der Präsidentschaftswahlen, die auch von internationalen Wahlbeobachtungskommissionen beobachtet werden können, geschaffen werden und die belarussische Bevölkerung somit von ihrem demokratischen Wahlrecht Gebrauch machen kann.“

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss vorgeschlagen.