955/A XXVII. GP

Eingebracht am 14.10.2020
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Antrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG) geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das  Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG), BGBl. Nr. 111/2003, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2019, wird wie folgt geändert:

1.    Nach § 94 Abs. 3 wird folgender Absatz 4 angefügt:

"Im Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen, sowie über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse beträgt die Frist für den Rekurs (§ 45), die Rekursbeantwortung (§ 48 Abs 1), die Zulassungsvorstellung (§ 63 Abs 2), den Revisionsrekurs (§ 65 Abs 2) und die Revisionsrekursbeantwortung (§ 68 Abs 1) jeweils vier Wochen."

1.    § 185 lautet:

„(1) Im Verlassenschaftsverfahren findet – außer im Verfahren über das Erbrecht – kein Ersatz von Vertretungskosten und keine öffentliche Verhandlung statt.

(2) Die Frist für den Rekurs (§ 45), die Rekursbeantwortung (§ 48 Abs 1), die Zulassungsvorstellung (§ 63 Abs 2), den Revisionsrekurs (§ 65 Abs 2) und die Revisionsrekursbeantwortung (§ 68 Abs 1) beträgt in Verlassenschaftsverfahren jeweils vier Wochen.“

      2. Nach §207o wird folgender neuer §207p samt Überschrift angefügt:

„Inkrafttreten und Übergangsbestimmung zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/20xx

§207p. § 94 Abs. 4 und § 185 Abs 2 treten mit XX.XX.XXXX in Kraft. Sie sind auf Verfahren anzuwenden, in denen der anzufechtende Beschluss nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erlassen worden ist."

 

Begründung

 

Rechtsmittelfristen im nachehelichen Abgeltungs- bzw. Aufteilungsverfahren

Verfahren über die Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen sowie über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse fallen nicht durch überdurchschnittlich hohe Anfallszahlen auf. Wenn derartige Verfahren aber zu führen sind, zeichnen sie sich sehr häufig durch hohe Komplexität aus. Insbesondere sind zumeist umfangreiche Beweisverfahren unter Beiziehung von Sachverständigen erforderlich, mit denen über lange Zeiträume geschaffene Sachverhalte zu klären sind, um die für die Entscheidung nötige Tatsachengrundlage zu schaffen. Dies bringt es mit sich, dass die in diesen Verfahren ergehenden Entscheidungen oft sehr umfangreich sind, sodass auch die Verfassung von Rechtsmitteln dagegen sehr aufwändig ist und einen zeitintensiven Informationsaustausch zwischen der Partei und ihrer Rechtsvertretung voraussetzt. Andererseits ist in diesen Verfahren, in denen durchaus streitige Ansprüche abzuklären und die aufgrund ihrer Eigenart schon in erster Instanz nicht in aller Kürze abzuwickeln sind, für die Parteien regelmäßig kein existentieller Zeitdruck gegeben, sodass die Angleichung der Rechtsmittelfristen an jene des streitigen Verfahrens durchaus sachgerecht erscheint. Jedenfalls entspricht diese Angleichung der Rechtsmittelfristen einem langgehegten Anliegen der Praxis. 

 

Rechtsmittelfristen im Verlassenschaftsverfahren

Mit der Verlagerung des Erbrechtsstreites vor Einantwortung vom streitigen Verfahren in das außerstreitige Verlassenschaftsverfahren durch das Außerstreitgesetz BGBl. I Nr. 111/2003 wurden die Rechtsmittelfristen für Sachentscheidungen in Verfahren über strittige Erbrechte im Rahmen des außerstreitigen Verlassenschaftsverfahrens von 4 Wochen auf 14 Tage verkürzt.

Die Entscheidung strittiger Erbfälle ist fallweise sehr komplex. Häufig sind umfangreiche Beweisverfahren mit zahlreichen Zeugen und Sachverständigen über Erbunwürdigkeits- oder Enterbungsgründe, die Echtheit und Auslegung letztwilliger Verfügungen, die Erforschung der Absichten des Erblassers oder der Erblasserin, die Anfechtung letztwilliger Verfügungen wegen Irrtums, die Einhaltung von Formvorschriften oder die Testierfähigkeit und den Gesundheitszustand des oder der Verstorbenen abzuführen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die seit der Reform des Außerstreitgesetzes auf 14 Tage reduzierten Rechtsmittelfristen viel zu kurz bemessen sind und eine sorgfältige Ausarbeitung von Rechtsmitteln im Erbrechtsstreit vor der Einantwortung faktisch verunmöglichen.

Wird der Streit über das Erbrecht erst nach der Einantwortung im Wege einer Erbschaftsklage nach § 823 ABGB ausgetragen, betragen die Rechtsmittelfristen weiterhin 4 Wochen. Diese Differenzierung ist nicht sachgerecht.

Der OGH hat in einem Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof diese Unzulänglichkeit unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes als unsachlich kritisiert. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass für andere Rechtsmaterien, deren Verhandlung in das außerstreitige Verfahren verwiesen ist (z.B. Streitigkeiten nach § 37 Abs 3 Z 15 und Z 16 MRG, gegebenenfalls iVm § 52 Abs 2 WEG, § 22 Abs 4 WGG sowie § 12 Z 6 Landpachtgesetz im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren, § 30 Abs 3 EisbEG bei Beschlüssen über Enteignungsentschädigungen, § 49 Abs 2 KartellG 2005 bei Endentscheidungen im Kartellverfahren), wegen ihrer Komplexität auch jeweils 4-wöchige Rechtsmittelfristen vorgesehen sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Gesetzesprüfungsantrag des OGH dennoch mit formalen Argumenten verworfen, ohne sich vertieft mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Verkürzung der Rechtsmittelfristen in Erbrechtsverfahren vor Einantwortung auf 14 Tage wirklich vernünftig und sachgerecht ist (VfGH 12. 3. 2019, G 329/2018). Der Verfassungsgerichtshof hat diese Frage in den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verwiesen, sodass nun der Gesetzgeber gefordert ist, den schon vom OGH erkannten legistischen Mangel zu beheben.

 

In formeller Hinsicht wird vorgeschlagen‚ diesen Antrag unter Verzicht auf die erste Lesung dem Justizausschuss zuzuweisen.