1002/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 17.11.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ermöglichung von Online-Psychotherapie

 

In der Internetrichtlinie für psychotherapeutische Beratung per Internet, basierend auf Grundlage eines Gutachtens des Psychotherapiebeirates, veröffentlicht im "Psychotherapie Forum" im Jahr 2005, sowie in den Mitteilungen der Sanitätsverwaltung desselben Jahres, wurden Kriterien zur Ausgestaltung der psychotherapeutischen Beratung via Internet festgelegt. So dürfe diese beispielsweise nur "synchron", also in Chatform erfolgen, nicht per Mail (die Option einer Videoberatung wird nicht erwähnt). Begründet wird dies unter anderem mit der gesetzlichen Pflicht von Psychotherapeut_innen, den Beruf unmittelbar durchzuführen. Psychotherapeut_innen dürften ebenso "keine psychotherapeutische Beratung via Internet übernehmen", für die "Kenntnisse und Erfahrungen nicht ausreichen". Tue ein Therapeut "dies dennoch, haftet er dafür, und zwar nicht, weil er die übernommene Beratung nicht ordnungsgemäß ausführen konnte, sondern weil er sich trotz mangelnder Fähigkeit auf diese eingelassen hatte". Ein explizites gesetzliches Verbot von Online-Psychotherapie gibt es zwar nicht, aber laut Internetrichtlinie müsse eine klare Abgrenzung zwischen klassischer "Behandlung" und "Beratung per Internet" getroffen werden. Daraus folgt ein "Ausschluss von psychotherapeutischer Behandlung als zulässige Form psychotherapeutischer Tätigkeit via Internet". Es liegt "in der Verantwortung des Psychotherapeuten zu entscheiden, ob die psychotherapeutische Beratung via Internet für den Betroffenen ein adäquates Hilfsangebot darstellt, bzw. in welchen Situationen das adäquate Hilfsangebot nicht mehr adäquat ist". https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:48e371db-49fe-403f-b27f-c35dc949b21b/Internetrichtlinie_(BMSGPK),_Stand__03.03.2020.pdf

Viele Psychotherapeut_innen wünschen sich allerdings klare rechtliche Vorgaben für Psychotherapie per Telemedizin, weil die bestehende Rechtslage in der Praxis für einige Unklarheiten sorgt, der Bedarf aber insbesondere wegen der COVID-19-Krise und regionaler Unterschiede in der Verfügbarkeit einer Psychotherapie steigt. Jetzt, wo die gesetzlichen Krankenkassen das Angebot für Psychotherapie als Kassenleistung ausbauen und während der Corona-Krise laut ÖBVP "alle psychotherapeutischen Behandlungen, die notwendigerweise via Internet oder Telefon nach den Regeln durchgeführt werden, die für die Standard-Psychotherapie in den Praxen gültig sind, in gleicher Form von den meisten Krankenkassen honoriert werden, als wenn diese Therapien in den Praxen durchgeführt worden wären", steht diese Rechtsunsicherheit der Nutzung in, aber auch nach Krisenzeiten entgegen.

Wie man Online-Psychotherapie einfach ermöglichen kann zeigt das Beispiel Deutschland. Seit Ende 2019 gibt es dort ein Gesetz, das das Fernbehandlungsverbot aufhebt. Nach einem persönlichen Erstgespräch können Therapeut_innen 20 Prozent ihrer Therapie digital durchführen und ihre Arbeit den Krankenkassen in Rechnung stellen. Dies wurde unter anderem deswegen möglich, weil der aktuelle Stand der Wissenschaft zeigt, dass digitale Psychotherapie ähnlich wirksam ist wie die klassische (doi: 10.1080/16506073.2017.1401115; https://www.derstandard.at/story/2000107329170/ersetzen-digitale-angebote-bald-die-psychotherapie). Aufgrund der Corona-Pandemie erschwert die Infektionsgefahr es Therapeut_innen derzeit und noch auf absehbare Zeit, ihre Patient_innen zu treffen. Die Regeln für Online-Angebote wurden in Deutschland daher weiter gelockert. Aktuell dürfen Therapeut_innen die gesamte Behandlung digital durchführen. https://www.businessinsider.de/wissenschaft/gesundheit/die-online-psychotherapie-ist-in-der-corona-krise-fuer-viele-ein-rettender-anker/

Die Corona-Pandemie ist selbstverständlich auch für die österreichische Bevölkerung eine enorme psychische Belastung, deren Auswirkungen sich in vollem Ausmaß in den kommenden Monaten und Jahren manifestieren werden. Sie wäre daher auch für die österreichische Politik der ideale Anlassfall, Psychotherapie per Telemedizin gesetzlich klar zu regeln. Wir alle erleben derzeit, wie sich ein neuartiges pathogenes Virus in rasantem Tempo international verbreitet, gegen das es zum derzeitigen Stand weder wirksame Therapien noch Schutzimpfungen gibt. Die Maßnahmen, die notwendig wurden, um das Infektionsgeschehen möglichst rasch und nachhaltig einzudämmen, haben eine Wirtschaftskrise zur Folge, deren tatsächliches Ausmaß sich noch nicht in vollem Umfang abschätzen lässt. Nicht nur die arbeitende Bevölkerung ist betroffen: Österreichische Schulen wurden geschlossen, Distance Learning in oft verminderter Qualität fortgeführt. Neben negativen Auswirkungen auf die Bildung der Schüler_innen wird und wurde das Sozialleben von Kindern und Jugendlichen dadurch massiv eingeschränkt. Besuchsverbote in Alten-, Pflege- und Behindertenheimen sowie Krankenhäusern trieben auch alte und kranke Menschen in teils vollständige Isolation. Hinzu kommt noch die besonders große psychische Belastung für Personen, die zu einer Risikogruppe zählen. Jede Form der Psychotherapie, die zum einen wissenschaftlich anerkannt und zum anderen so niederschwellig wie möglich zugänglich gemacht wird, ist daher wünschenswert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, zu evaluieren, inwiefern bzw. in welchem Umfang die bestehende Rechtslage Psychotherapie mittels Telemedizin (Online-Psychotherapie) erlaubt und diese gegebenenfalls entsprechend zu adaptieren."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.