1080/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.11.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Bösch, Mag. Loacker, Ing. Reinhold Einwallner
und weiterer Abgeordneter

betreffend Rettung der direkten Demokratie in Vorarlberg

Am 23. April 2019 wurde in der Gemeinde Ludesch gemäß § 58 Vbg. Landes-Volks- abstimmungsgesetz bei der Gemeindewahlbehörde die Durchführung einer Volksab­stimmung über die "Widmung von Flächen im Neugut" beantragt. Diese wurde am 10. November 2019 durchgeführt.

Bei der Volksabstimmung ging es um die Umwidmung von rund 6,5 Hektar landwirt­schaftlicher Fläche zur Expansion des Fruchtsaftherstellers Rauch, die abgelehnt wurde. Von 1.745 gültigen Stimmen entfielen 982 auf „Ja“ (gegen die Umwidmung) und 763 auf „Nein“ (für die Umwidmung). Etwa einen Monat nach der Volksabstim­mung wurde sie von 15 Privatpersonen angefochten, darunter auch von Eigentümern der Grundstücke, die für die Erweiterung umgewidmet werden sollten. Sie verlangten aus verschiedenen Gründen die Aufhebung der Volksabstimmung.[1]

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 6. Oktober 2020 jene Bestimmungen des Vbg. Ge­meindegesetzes und des Vbg. Landes-Volksabstimmungsgesetzes als verfassungs­widrig aufgehoben, die festlegen, dass Volksabstimmungen mit bindender Wirkung auf Verlangen einer gewissen Zahl von Stimmberechtigten der Gemeinde auch ohne Zustimmung des Gemeinderates durchzuführen sind.

Der VfGH führt bezugnehmend auf die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung der Landesgesetzgebung gemäß Art. 117 Abs. 8 B-VG, eine „unmittelbare Teilnahme und Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten“ vorzusehen, aus:

Diese Überlegungen sind im Hinblick darauf, dass im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art. 118 Abs. 5 B-VG letztlich alle Gemeindeorgane dem Gemein­derat verantwortlich, diesem gegenüber also weisungsgebunden sind, generell auf verbindliche Entscheidungen des Gemeindevolkes anstelle von Gemeindeorganen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu übertragen. Die Verbindlichkeit einer Volksabstimmung für das jeweils zuständige Gemeindeorgan konkurriert mit der Bindung dieses Organs an Weisungen des Gemeinderates nach Art. 118 Abs. 5 B-VG. Daher hat Art. 117 Abs. 8 B-VG auch keine Grundlage dafür geschaffen, dass ein Gemeindeorgan, das an Weisungen des Gemeinderates ge­bunden ist, auch gegen dessen Willen durch eine vom Gemeindevolk eingeleitete Volksabstimmung zur Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes und zur Unterlas­sung entgegenstehender Rechtsakte verpflichtet werden kann. (Rz 35)[2]

Im Ergebnis entscheidet der VfGH, dass das Vorarlberger Gemeindegesetz und das Vorarlberger Landes-Volksabstimmungsgesetz in seinen Augen gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie verstoßen würde. Im Vbg. Landes-Volksabstim­mungsgesetz ist derzeit vorgesehen, dass eine derartige Entscheidung des Volkes die Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ersetzt. Ein solches Modell aber widerspreche „dem repräsentativ-demokratischen System der Gemeindeselbst­verwaltung“.

Im Mittelpunkt des repräsentativ-demokratischen Systems stehe nämlich die Gemein­devertretung, die vom Gemeindevolk gewählt wird und der alle anderen Gemeindeor­gane für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde verantwortlich sind.

Dass die Gemeindevertretung auch gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung gebunden werden könne, stehe im Widerspruch zum repräsentativ-demokratischen System.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zu­zuleiten, welcher eine Rechtsgrundlage für die Durchführung von Volksabstimmungen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auf Verlangen des Gemeindevolkes, wie im Vorarlberger Landes-Volksabstimmungsgesetz vorgesehen, schafft.“

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Verfassungsausschuss gebeten.



[1]     https://vorarlberg.orf.at/stories/3072783/

[2]      https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH_Erkenntnis_G_166_2020_vom_6._Oktober_2020.pdf