1108/A XXVII. GP

Eingebracht am 20.11.2020
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Antrag

 

der Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Mag. Eva Blimlinger

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 – VolksanwG, BGBl. Nr. 433/1982, zuletzt geändert durch das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG, BGBl. I Nr. 61/2018, wird wie folgt geändert:

1. § 12 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Die Einsetzung der Kommissionen sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen, sind der Gesetzgebung zuzurechnen.“

2. § 23 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) § 12 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2020 in Kraft.“


Begründung

Zu Z 1 (§ 12 Abs. 1):

Die Frage, in welcher Form die Mitglieder der von der Volksanwaltschaft eingesetzten Kommissionen (Art. 148h Abs. 3 B-VG) gemäß § 12 Abs. 4 des Volksanwaltschaftsgesetzes 1982 – VolksanwG, BGBl. Nr. 433/1982, abzuberufen sind, hat in der Praxis zu einer Judikaturdivergenz zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof geführt.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH 24.11.2017, E 1641/2017) ging zunächst davon aus, dass die von der Volksanwaltschaft nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einzusetzenden Kommissionen – wie die Volksanwaltschaft – als deren Hilfsorgan der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen seien. Behördliche Befugnisse kämen der Volksanwaltschaft – abgesehen von der Ausübung der Diensthoheit durch ihren Vorsitzenden nach Art. 148h Abs. l und 2 B-VG – nicht zu, weshalb das Bundesverwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen sei, dass die Abberufung eines Kommissionsmitgliedes durch das Kollegium der Volksanwaltschaft nach § 12 Abs. 4 VolksanwG keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand nach Art. 130 Abs. l B-VG bilde. In einem später ergangenen Beschluss (VfGH 24.2.2020, E 7/2020) ließ der Verfassungsgerichtshof offen, wie der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Akt der Abberufung eines Kommissionsmitgliedes zu beurteilen ist, weil dem Kollegium der Volksanwaltschaft in keiner Konstellation – weder als Verwaltungsorgan noch als (Hilfs-)Organ der Gesetzgebung – eine Beschwerdelegitimation an den Verfassungsgerichtshof zukomme.

Der Verwaltungsgerichtshof dagegen (VwGH 26.6.2019, Ro 2018/03/0009; 25.2.2020, Ra 2020/03/0003) deutete den Akt der Abberufung als Bescheid, im Wesentlichen unter Berufung auf eine völkerrechtskonforme Interpretation (vgl. das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 18. Dezember 2002 – OPCAT), rechtsstaatliche (subjektives Recht auf Abberufung nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen) und gleichheitsrechtliche (im Hinblick auf die Bediensteten der Volksanwaltschaft) Überlegungen.

Um diese Judikaturdivergenz zu beseitigen, soll im Sinn der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gesetzlich ausdrücklich klargestellt werden, dass die Einsetzung der Kommissionen sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen, der Gesetzgebung zuzurechnen sind. Während das B-VG nämlich für den Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, der in bestimmten Personalangelegenheiten, wie der Ernennung der Beamten, der Anstellung von Bediensteten und der Diensthoheit, oberstes Verwaltungsorgan ist (vgl. Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG sowie dazu Thienel/Leitl-Staudinger, Art. 148h B‑VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 18. Lfg. [2017] Rz. 2-4), ausdrücklich eine sachliche Ausnahme von der Zurechnung der (aller) Akte der Volksanwaltschaft zur Staatsfunktion Gesetzgebung statuiert, normiert es für die Volksanwaltschaft selbst – also für das aus drei Mitgliedern bestehende Kollegialorgan (vgl. Art. 148g Abs. 1 zweiter Satz B-VG) – keine solche Ausnahme, weshalb es insoweit eben bei der allgemeinen Regel der Zurechnung (aller) ihrer Akte zur Staatsfunktion Gesetzgebung zu bleiben hat. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis wird in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch verkannt.

Den völkerrechtlichen funktionalen Unabhängigkeitsgarantien des Nationalen Präventionsmechanismus gemäß Art. 18 OPCAT ist durch die gesetzliche Festlegung von Bestellungs- und Abberufungsvoraussetzungen und einer rechtsförmlichen Vorgangsweise entsprochen: Die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen unterliegen der kollegialen Beschlussfassung (vgl. § 1 Abs. 2 Z 6 VolksanwG) der – in Ausübung ihres Amtes unabhängigen – Volksanwaltschaft nach vorheriger Anhörung des Menschenrechtsbeirates, wobei eine vorzeitige Abberufung von Kommissionsmitgliedern nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. § 12 Abs. 4 VolksanwG und § 19 Abs. 5 der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen, des Menschenrechtsbeirates und der Rentenkommission – GeO der VA 2018, BGBl. II Nr. 240/2018).

Da die Kommissionen der Volksanwaltschaft staatliche Funktionen ausüben und ihre Mitglieder keine öffentlich Bediensteten sind, erscheinen auch die vom Verwaltungsgerichtshof angestellten rechtsstaatlichen und gleichheitsrechtlichen Überlegungen nicht zielführend.

 

Zu Z 2 (§ 23 Abs. 5):

Die vorgeschlagene Ergänzung des § 12 Abs. 1 soll zwar erst mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft treten. Da die (Verfassungs-)Rechtslage durch sie nur klargestellt, aber nicht geändert werden soll, können daraus jedoch keinerlei e-contrario-Schlüsse gezogen werden: Die Einsetzung der Kommissionen der Volksanwaltschaft sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen, sind nämlich schon nach geltender (Verfassungs-)Rechtslage der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen. Daraus folgt insbesondere, dass die Mitglieder der Kommissionen von Verfassung wegen schon bisher nicht mit Bescheid bestellt oder abberufen zu werden brauchten (derartige Bescheide wurden in der Vergangenheit auch nicht erlassen).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag unter Verzicht auf eine erste Lesung dem Volksanwaltschaftsausschuss zuzuweisen.