1176/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 11.12.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend Aus- und Fortbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt

 

Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie häusliche Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das einer ganzheitlichen Betrachtung bedarf. Österreich war im europäischen Vergleich immer unter den Vorreitern, wenn es um die Verbesserung des Gewaltschutzes ging.

Dennoch ist das eigene Zuhause für Frauen immer noch der gefährlichste Ort.

Im Jahr 2019 wurden in Österreich 39 Frauen ermordet, im Jahr 2018 waren es 41. Seit dem Jahr 2014 kam es zu einer Verdoppelung der Frauenmorde. Die Täter sind häufig (Ex)Partner oder Familienmitglieder.

Im europaweiten Vergleich ist die Zahl der Frauenmorde in Österreich am höchsten. Diese Zahl gilt es mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu senken.

 

Um ein geschlechterbasiertes Verständnis von Gewalt gegen Frauen zu fördern und die Ursachen des Problems zu erkennen, muss die Ausbildung von StaatsanwältInnen und RichterInnen dieses Thema in umfassendem Ausmaß behandeln. Die Ausbildung, Fortbildung und Sensibilisierung von RichterInnen und StaatsanwältInnen kann also einen wichtigen Beitrag im Gewaltschutz leisten.

 

Die Konsequenzen seien anhand eines Beispiels erläutert: Anti-Gewalt-Trainings für Täter gelten als effektives Mittel, um Rückfälle zu verhindern. Leider werden diese Anti-Gewalt-Trainings aktuell nur selten angeordnet. Schätzungen zufolge besuchen in Fällen geschlechterbasierter Gewalt weniger als 1 % der Täter ein Täterprogramm.[1]

Genaue Zahlen, wie viele dieser Trainings angeordnet werden, gibt es laut Auskunft des Justizministeriums leider nicht. Das Justizministerium bestätigt allerdings, dass die Anordnung dieser Trainings seitens der Justiz restriktiv gehandhabt wird. [2] 

 

Der Grevio-Schattenbericht kritisiert diesbezüglich:

 

"Das größte Problem ist die Tatsache, dass zurzeit nur wenige Täter an entsprechende Täterprogramme verwiesen werden. Der von der BAG OTA erstellten Übersicht zufolge ist das auf die besorgniserregende Tatsache zurückzuführen, dass das Strafjustizsystem seine Verantwortung nicht wahrnimmt: Selbst, wenn Gewalt zur Anzeige gebracht wird, bleibt diese in der Mehrzahl der Fälle ohne Konsequenzen, wie Daten des Bundesministeriums für Justiz von 2013 zeigen"[3]

 

Im Zuge der Ausbildung der RichteramtsanwärterInnen werden in Zusammenarbeit mit staatlich anerkannten Opferschutzeinrichtungen und Gewaltschutzzentren Veranstaltungen zum Themenbereich „Gewalt gegen Frauen“ und „Traumatisierung“ angeboten, deren Teilnahme verpflichtend ist.

Zudem enthält das Richter-und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz einen verpflichtenden Ausbildungsdienst bei einer Opferschutz-oder Fürsorgeeinrichtung mit einer Mindestdauer von zwei Wochen.

 

Der GREVIO-Schattenbericht kritisiert dies allerdings als nicht ausreichend:

„Gewalt gegen Frauen und Kinder ist in Österreich nicht Teil des universitären Lehrplans für Rechtswissenschaften. Im richterlichen Vorbereitungsdienst sind zwar Seminare zum Thema enthalten, diese sind allerdings nicht ausreichend, um ein umfassendes Verständnis von komplexen Themen wie struktureller Ungleichheit, geschlechtsspezifischen Vorurteilen und der Traumatisierung von Betroffenen zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die Auswahl an Einrichtungen, an denen zweiwöchige praktische Schulungen belegt werden können, nicht nur Opferschutzorganisationen, sondern auch solche Organisationen umfasst, die sich mit der Rehabilitierung von Tätern oder auch mit Vormundschaften für Erwachsene befassen. Angehende StaatsanwältInnen und RichterInnen können also ihren richterlichen Vorbereitungsdienst absolvieren, ohne jemals enger mit Gewaltthematiken in Kontakt zu kommen. Daraus ergibt sich der unter RichterInnen weit verbreitete Mangel an Verständnis für Gewalt gegen Frauen (als geschlechterbasierte Gewalt) und ihre Grundursachen, was zum Ergebnis hat, dass Betroffenen oft nicht geglaubt wird und/oder die von ihnen erlebte Gewalt nicht ernst genommen wird.

Das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz (RStDG) sieht für amtstragende RichterInnen fortlaufende Weiterbildung vor. RichterInnen können dabei aus einer Reihe an Seminaren zu unterschiedlichen Themen wählen, darunter auch Seminare zu Gewalt gegen Frauen und Opferschutz. Allerdings sind keine dieser Schulungen verpflichtend.“[4]

 

Empfohlen werden daher: Die Integration eines verpflichtenden, nicht kürzer als eine Woche dauernden Seminars in die entsprechenden Lehrpläne. In diesem Seminar sollten ExpertInnen über die Formen und Auswirkungen von Trauma aufklären, um zukünftige StaatsanwältInnen und RichterInnen für das Verhalten traumatisierter ZeugInnen zu sensibilisieren, das von dem nichttraumatisierter ZeugInnen abweichen kann. Das Seminar sollte gemeinsam mit ExpertInnen von Opferschutzeinrichtungen entwickelt und durchgeführt werden, die ihre Expertise und Einblicke aus der Praxis einbringen können.

Um RichterInnen zur fortlaufenden Weiterbildung im Bereich Gewalt gegen Frauen zu motivieren, müssen entsprechende Seminare in ausreichender Zahl angeboten und unter RichterInnen spezifisch beworben werden.

Die Themen Gewalt gegen Frauen, häusliche Gewalt und Gewalt gegen Kinder sollten in rechtswissenschaftliche Curricula aufgenommen werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit RichterInnen und StaatsanwältInnen in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie Gewalt in der Familie in ihrer Ausbildung und Fortbildung entsprechend geschult und sensibilisiert werden. Ziel ist es,  die Opfer bestmöglich zu schützen, sowie die Täter zur Verantwortung zu ziehen, Präventionsarbeit und opferschutzorientierte Täterarbeit bestmöglich zu leisten und so weitere Gewalt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst zu verhindern. Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Empfehlungen des GREVIO-Schattenberichtes umgesetzt werden.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.



[1] Vgl. Österreichischer NGO-Schattenbericht für Grevio, S. 56.

[2] Vgl.: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_02749/imfname_743511.pdf

[3] Vgl. Österreichischer NGO-Schattenbericht für Grevio, S. 56

[4] [4] Vgl. Österreichischer NGO-Schattenbericht für Grevio, S. 50.