1438/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 24.03.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Rolle des Arbeitsministeriums in der Causa „Hygiene Austria“

 

 

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_05720/J05720__931065_image001.gif

 

Nach der Hausdurchsuchung an zwei Standorten der „Hygiene Austria“ herrscht betroffenes Schweigen, der Bundeskanzler, einst voller Lob für das Unternehmen, das in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einer seiner engsten Vertrauten seit vielen Jahren steht, und nicht mit öffentlichen Danksagungen sparte, gibt sich nun verschlossen, angesichts der aufgedeckten Betrügereien.

 

Der Standard berichtete dazu am 05. März 2021 folgendes:

 

„Hygiene Austria: Auf 17 chinesische Masken kamen drei "made in Austria"

Ein Informant berichtet von Schwarzarbeit, chinesischen Masken und schlechten Arbeitsbedingungen bei Hygiene Austria. Der Maskenproduzent setzt auf dubiose Zeitarbeitsfirmen“

 

„Der Informant ist sichtlich aufgeregt. Er weiß gar nicht, wo er beginnen soll, muss immer wieder abbrechen, während er sich durch die gesammelten Materialien arbeitet. Er hat die Arbeitsbedingungen beim Maskenhersteller Hygiene Austria miterlebt. Nach der Razzia bei der Firmenkooperation von Palmers und Lenzing will er nicht länger schweigen und erzählt, wie die Produktion in der Arbeitsstätte in Wiener Neudorf tatsächlich verlaufen ist.

Er spricht davon, dass es eigenes Personal gab, das die Schwarzarbeiter angeleitet habe. Den besten Job sollen die Aufpasser gehabt haben. Rund um die Uhr seien zwei Leute an der Hintertür platziert gewesen, um Alarm zu schlagen, falls wer komme. "Die sind dagesessen und haben geraucht", erzählt der Informant.“

 

 

„Maschinen liefen ununterbrochen

Währenddessen wurde in der Produktionshalle geschuftet, erzählt er. Nicht einmal fürs Putzen seien die Maschinen abgedreht worden. Wie DER STANDARD von mehreren Seiten erfuhr, gab es deshalb mindestens einen schweren Arbeitsunfall, der bei den Behörden als Haushaltsunfall gemeldet worden sein soll. Viele Arbeiter sollen noch auf ihr Gehalt warten. In der Halle sei es nicht hygienisch zugegangen. Der Stoff für die Masken sei in Rollenform teils unverpackt auf dem dreckigen Boden gestanden, wie Fotos zeigen. Handschuhe und Haarnetze sollen in der Halle in vielen Fällen nur getragen worden sein, wenn etwa die Politik für einen PR-Termin antanzte. Es gab offenbar auch eine klare Vorgabe dafür, wie die fremde mit der heimischen Maskenware vermischt werden sollte. Laut Ermittlern kamen in Kartons auf 17 China-Masken drei aus Österreich.“

 

„Klein und frisch gegründet

Der Informant kann auch auf Anhieb alle Leiharbeitsfirmen nennen, von denen Hygiene Austria Personal für die Maskenproduktion anheuerte. Palmers und Lenzing dürften nicht die seriösesten Partner hinzugezogen haben. Gelb ist die Bonität bei Steady Global Partners, rot bei Ad Job Assist. Äußerst schwach ist sie auch bei First Staff und Ante Portas. Ante Portas hat eine Gewerbeberechtigung allein als Sicherheitsdienst mit niedrigeren Kollektivverträgen. Als Arbeitskräfteüberlasser darf die Firma nicht tätig sein. Alle vier Firmen sind klein, wurden frisch gegründet und haben zugekaufte gewerberechtliche Geschäftsführer. Steady wurde als Scheinfirma identifiziert, Ad Jobs ist in Konkurs.“

 

„Moderne Lohnsklaven

Martin Zieger, Präsident des Verbands der Personaldienstleister, sieht bei ihnen Alarmstufe Rot. "Das hat nichts mit seriöser Zeitarbeit zu tun", sagt er dem STANDARD. Keine der Firmen habe sich einer Qualitätsprüfung unterzogen, keine erfülle die Voraussetzungen, um Mitglied im Verband zu werden. Wer sie beauftrage, für den zähle offenbar nur der Preis. Zieger fordert, dass ihre Auftraggeber in die Pflicht genommen werden. "Ich darf nicht billig einkaufen und mich dann darüber beschweren, dass es nicht funktioniert."

 

„Ähnliches kommt von Ermittlern. Es gebe viele unseriöse Personalvermittler, die weder über eine Rechtsabteilung noch über eine Lohnabrechnung verfügten. Oft sind nur eine Adresse und eine Telefonnummer vorhanden. Die Akquirierung von Mitarbeitern erfolge oft über Subfirmen. Von Kickback-Zahlungen ist die Rede und von einer Art Schneeballsystem. Einer zahlt den anderen. Moderne Lohnsklaven seien die über diesen Weg in Unternehmen entsendeten Mitarbeiter. Oft seien diese Arbeiter nur geringfügig angemeldet, von Urlaubs- und Weihnachtsgeld könne nicht die Rede sein. Hygiene Austria ließ eine Anfrage vorerst unbeantwortet, man sammle derzeit noch Fakten. (Verena Kainrath, Jan Michael Marchart, Bettina Pfluger, Aloysius Widmann, 5.3.2021)“

 

Aktuelle Hinweise aus dem Mitarbeiterstab des Arbeitsministeriums werfen im Zusammenhang mit der Causa „Hygiene Austria“ und mutmaßlichen Interventionen betreffend Arbeitsrechts- und Arbeitnehmerschutzrecht neue Fragen auf. Diese haben auch schon medialen Niederschlag gefunden:

 

„Die aktuelle parteipolitische ‚Treibjagd‘ auf den ÖVP-nahen Impfbeauftragten, Sektionschef a.D. Clemens Martin Auer, und die SPÖ-nahe Generalsekretärin Ines Stilling riecht auch nach einem klassischen Entlastungsangriff der Schwarz-Türkisen wegen mutmaßlich eigener Verstrickungen in den Hygiene Austria-Skandal rund um chinesische FFP2-Masken und den dubiosen Beschaffungsvorgängen öffentlicher Stellen in Österreich. Die Liste der in den Medien kolportierten Verfehlungen ist jedenfalls lang. Sie reicht von der Falschdeklaration der Ware als ‚Made in Austria‘, einer heftig diskutierten Nichtverzollung chinesischer Ware bei der Einfuhr nach Österreich bis hin zu Verstößen gegen das Arbeitsrecht und Arbeitnehmerschutzbestimmungen bei der Beschäftigung von Arbeitsleihkräften am Betriebsstandort der Hygiene Austria. Dabei gibt es nicht nur Indizienketten ins grün-geführte Sozialministerium, sondern auch eine ganze Reihe verfolgungswürdiger Hinweise ins Ministerbüro und ins Generalsekretariat im Arbeitsministerium“, sagte heute FPÖ-Sozialsprecherin NAbg. Dagmar Belakowitsch.

„Wie ‚gewöhnlich gut informierte Kreise‘ aus den Reihen langjähriger und keineswegs ÖVP-naher Mitarbeiter des Arbeitsministeriums zu berichten wissen, soll es rund um das Aufdecken des Hygiene Austria-Skandals zu einem großen Kommunikationsbedarf von Mitarbeitern des Ministerbüros und des Generalsekretariats von Bundesminister Martin Kocher gekommen sein. Die Kommunikationslinien sollen dabei sowohl ins Bundeskanzleramt als auch in die Hygiene Austria bzw. ein ÖVP-nahes Beratungsunternehmen gelaufen sein, das die Interessen von Tino Wieser und Co. in der Öffentlichkeitsarbeit vertritt. Mitten im Kommunikationszentrum rund um die ‚Behandlung‘ arbeitsrechtlicher und arbeitnehmerschutzrechtlicher Fragen und Problemstellungen rund um die Hygiene Austria soll keine geringere Spitzenbeamtin im Arbeitsministerium als Kabinettschefin Dr. Eva Landrichtinger, seit kurzem auch Generalsekretärin im Arbeitsministerium, stehen“, so Belakowitsch weiter.

„Die FPÖ hat diesbezüglich bereits eine entsprechende Anfrage an den zuständigen Arbeitsminister Martin Kocher unter dem Titel ‚Rolle des Arbeitsinspektorats bei der Hygiene Austria‘ (5720/J) gestellt. Bereits das Einbringen dieser Anfrage hat dazu geführt, dass sich neuerlich Informanten aus dem Arbeitsministerium und insbesondere des Arbeitsinspektorats gemeldet haben. Kern des Vorhalts gegen Arbeitsminister Martin Kocher – und vor allem gegen sein Ministerbüro bzw. sein Generalsekretariat – ist, dass dort offensichtlich alles dazu getan wird, um die immer brisanter werdende Causa Hygiene Austria ‚niederzuhalten‘. Frei nach der Parole des ÖVP-nahen Sektionschefs Christian Pilnacek im Justizressort soll auch das Kabinett von Arbeitsminister Kocher alles dazu tun, um die Causa Hygiene Austria zu ‚daschlogen‘. Und dabei soll der eigentlich ressortverantwortliche Arbeitsminister eine denkbar unglückliche Rolle spielen. Ministerium, Generalsekretärin und Kabinettschefin Eva Landrichtinger sollen den eigenen Minister quasi in 'Geiselhaft' genommen haben und an ihm vorbei das Ministerium führen. Die ‚Weisungskette‘ soll in der Causa Hygiene Austria einzig und allein zu Sebastian Kurz und dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli laufen. Der ‚Herr Professor‘, wie Kocher hinter vorgehaltener Hand in ÖVP-Kreisen genannt werden soll, diene nur der Staffage“, so die freiheitliche Sozialpolitikerin.

„Der Sozialausschuss am kommenden Mittwoch, 16. März, wird jedenfalls Gelegenheit dazu bieten, die Causa ‚Hygiene Austria‘ breit zu diskutieren. Dort sind nämlich Minister Kocher und seine Generalsekretärin anwesend und beide müssen einmal Rede und Antwort stehen, wie in Zusammenhang mit diesem ÖVP- und Kurz-nahen Unternehmen heruminterveniert wurde. Dann wird man sehen, ob nicht bald eine ÖVP-Spitzenbeamtin rücktrittsreif sein könnte“, so Belakowitsch.

FPÖ – Belakowitsch: ÖVP-Entlastungsangriff für Arbeitsminister Martin Kocher in Sachen Hygiene Austria? | Freiheitlicher Parlamentsklub - FPÖ, 14.03.2021 (ots.at)

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Bericht zuzuleiten, der folgenden Inhalt umfassen soll:

-Eine Aufstellung über sämtliche Überprüfungsschritte des Arbeitsinspektorats bei der Firma „Hygiene Austria“

-Eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge innerhalb des Bundesministeriums für Arbeit im Zusammenhang mit Überprüfungsschritten des Arbeitsinspektorats bei der Firma „Hygiene Austria“

-Eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge des Bundesministeriums für Arbeit, insbesondere des Ministerbüros und des Generalsekretariats mit dem Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit Überprüfungsschritten des Arbeitsinspektorats bei der Firma „Hygiene Austria“

-Eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge des Bundesministeriums für Arbeit, insbesondere des Ministerbüros und des Generalsekretariats mit der Firma „Hygiene Austria“ im Zusammenhang mit Überprüfungsschritten des Arbeitsinspektorats bei der Firma „Hygiene Austria“

-Eine Dokumentation sämtlicher Kommunikationsvorgänge des Bundesministeriums für Arbeit, insbesondere des Ministerbüros und des Generalsekretariats mit der Firma „Schütze Positionierung GmbH“ im Zusammenhang mit Überprüfungsschritten des Arbeitsinspektorats bei der Firma „Hygiene Austria“

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zuzuweisen.