1679/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 20.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Datensparsamkeit statt Grüner Pass

 

 

Unter der Überschrift Datenschützer: "Grüner Pass ist ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte" berichten die Salzburger Nachrichten wie folgt über die breite Expertenkritik am „grünen Pass“:

 

„Heimische Datenschützer sehen dem "grünen Pass" mit teils großer Skepsis entgegen. Führe der Staat diesen "Coronaausweis" ein, sei dies eine "ganz gefährliche Entwicklung in Richtung Alibigesellschaft und kommt im Prinzip einer Vorratsdatenspeicherung 2.0 gleich", betont etwa Hans G. Zeger, Obmann der ARGE Daten. Und: "Das ist ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte." Der "grüne Pass" gehe von der Annahme aus, dass jeder Mensch ein Gefährder vom Leben anderer sei, sagt Zeger. "Eigentlich müsste der Staat mir nachweisen, dass ich eine Gefahr darstelle, und nicht auffordern, mich als frei zu beweisen." Spätestens seit der Einführung der Impfung sei der Schutz der Gesundheit zu einer individuellen Entscheidung geworden, jeder könne ausreichende Maßnahmen setzen, um geschützt zu sein. Gehe jemand ein individuelles Risiko ein, müsse dies dem Staat egal sein, sagt der ARGE-Daten-Obmann. Nachsatz: "Wenn ich nicht mehr anonym in ein Lokal gehen kann, gehen Eckpfeiler unserer Grundrechte verloren."

 

Für Thomas Lohninger, Geschäftsführer der Datenschutzorganisation epicenter.works, wiederum ist "eines der größten Probleme, dass Menschen, die diese Ausweise kontrollieren, sensible Gesundheitsdaten in Händen halten". Dass Grenzpolizisten solche Daten kontrollierten, sei das eine. Das andere sei aber, wenn private Personen - Hotelbetreiber, Sportstättenbetreiber oder Kulturveranstalter - an solche Daten kämen. Problematisch werde es immer dann, wenn sensible Gesundheitsdaten für Marketingzwecke verwendet würden. Da könnte allerlei Scharlatanerie betrieben werden. In Österreich fehle, sagt Lohninger, noch immer eine Gesetzesgrundlage, wie mit den Daten umgegangen werden dürfe. Bei einer Verwendung für Marketingzwecke wären Klagen wahrscheinlich erfolgreich, dennoch sei es einfacher, klare Regeln zu haben: "Das wäre auch im Sinne der Wirtschaftstreibenden." "Mit einer begutachteten gesetzlichen Grundlage müsste klar geregelt werden, was privaten Kontrolleuren dieser Ausweise erlaubt ist und was nicht." Laut Thomas Lohninger wäre es sinnlos, "eine Insellösung zu suchen": "Man sollte die EU-Lösung abwarten, anstatt hier vorzupreschen. Es wäre auch billiger."

 

Die Regierung hatte eine Datenschutzfolgenabschätzung zum "grünen Pass" angekündigt. Diese wird auch durchgeführt werden, heißt es auf SN-Anfrage aus dem Gesundheitsministerium. In jedem Fall sind sich Experten einig, dass man ein dezentrales Modell umsetzen sollte. Experte Christof Tschohl vom Research Institute sagt: Wenn man das technisch sorgfältig durchführe und auch die dezentrale Architektur berücksichtige, "dann kann man die Risiken beherrschbar machen".“

 

Die Frage des gelinderen Mittels

 

Der einhellig kritische Tenor aller Experten im Hinblick auf die Umsetzung eines „grünen Passes“ wird von den Ausführungen von Andreas Krisch, geschäftsführender Gesellschafter der Datenschutzagentur und Mitglied im Datenschutzrat, auf seinem Blog erweitert, wobei er sich mit der wesentlichen Vorfrage beschäftigt. Unter der Überschrift Welches Problem löst der „grüne Pass“? fasst er dessen Genese im Hinblick auf dessen Nutzen zusammen und befasst sich auch mit der Frage des gelinderen Mittels:

 

„Ab Juni 2021 soll EU-weit ein sogenannter „grüner Pass“ zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie eingesetzt werden. In Österreich ist eine Einführung bereits für April in Aussicht genommen. Doch welches Problem löst ein solcher „grüner Pass“?

 

Laut Mitteilung der EU-Kommission bestätigt ein „grüner Pass“ oder „grüner Nachweis“ oder „grünes Zertifikat“ „dass man entweder gegen COVID-19 geimpft wurde, negativ auf COVID-19 getestet wurde oder eine COVID-19 Erkrankung durchgemacht hat.“ Dieser Nachweis soll digital und / oder in Papierform, mit QR-Code und kostenlos erfolgen und in allen EU-Staaten gültig sein. Dafür sollen diese Zertifikate „Name, Geburtsdatum, Ausstellungsdatum, relevante Informationen über Impfstoffe / Tests / Genesung und eine eindeutige Kennung enthalten.
Medienberichten zufolge sollen in Österreich dafür „die Daten über CoV-Impfungen und überstandene Infektionen aus ELGA täglich ins EMS [Anm.: Epidemiologiesches Meldesystem] übermittelt werden, von dort sollen diese Daten und die Daten über erfolgte CoV-Tests gar stündlich ins Bundesrechenzentrum übertragen werden.“

 

Beim „grünen Pass“ handelt es sich also im Kern um nichts anderes als um Impf-, Test- und Genesungsnachweise, wie sie bereits jetzt in Österreich, der Europäischen Union und weltweit täglich tausendfach ausgestellt werden. Jedoch ist es für die Bereitstellung des „grünen Passes“ offenbar erforderlich, besonders schützenswerte Gesundheitsdaten (Art. 9 DSGVO) zu verarbeiten, die bisher lediglich in dafür vorgesehenen medizinischen Dokumentationssystemen gespeichert sind.

 

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist daher zu fragen, welcher Nutzen mit dem „grünen Pass“ erzielt werden kann und ob dieser Nutzen nicht auch mit gelinderen Mitteln erreicht werden kann. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten der europäischen Bevölkerung für diesen Zweck ist also zu nachzuweisen.

 

Welches Problem löst der „grüne Pass“ also?

 

Laut Mitteilung der EU-Kommission soll mit dem „grünen Nachweis“ für „EU-Bürgerinnen und -Bürger die sichere Ausübung ihres Rechts auf freien Personenverkehr in Zeiten von Corona gewährleistet werden.“ Weiters wird der „digitale grüne Nachweis [...] in allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt. Er wird dafür sorgen, dass derzeit geltende Beschränkungen abgestimmt aufgehoben werden können“, so die EU-Kommission. In Österreich soll der „grüne Pass“ Medienberichten zufolge auch „als Eintrittskarte für Lokale, Veranstaltungen und Dienstleistungen dienen“.

 

Auch diese Anwendungsfälle sind nicht neu. Bereits derzeit (ohne „grünen Pass“) werden Nachweise über negative Corona-Tests oder Impfnachweise gefordert, um aus bestimmten Regionen ausreisen oder in andere Staaten einreisen zu dürfen oder die Leistungen sogenannter körpernaher Dienstleister in Anspruch nehmen zu können. Auch bestehen derzeit bereits international anerkannte Möglichkeiten die Echtheit amtlicher Dokumente nachzuweisen. In Österreich kommt dafür die Amtssignatur zum Einsatz. Andererseits ist auch derzeit schon für die Einreise in manche Staaten der Nachweis von Impfungen (z.B. gegen Gelbfieber) erforderlich. Der internationale Impfpass ist dafür gut etabliert.

 

Der Nutzen des „grünen Passes“ scheint daher nicht in der Möglichkeit zu liegen, bestimmte Eigenschaften wie eine Impfung, eine Genesung oder ein negatives Testergebnis nachweisen zu können. Zumindest sind anhand der vorliegenden Informationen diesbezüglich keine unmittelbaren Vorteile des „grünen Passes“ gegenüber den bestehenden Nachweisen zu erkennen.

 

Freier Personenverkehr?

 

Laut Mitteilung der EU-Kommission soll mit dem „grünen Pass“ die sichere Ausübung des Rechts auf freien Personenverkehr in Zeiten von Corona gewährleistet werden. Doch wie kann der „grüne Pass“ dies gewährleisten?

 

Der freie Personenverkehr in der Europäischen Union zeichnet sich doch gerade dadurch aus, Staatsgrenzen ohne (Pass-)Kontrollen überschreiten zu können. Ein „grüner Pass“ hingegen stellt eindeutig ein Kontrollinstrument dar. Eine bestimmte Gesundheitseigenschaft soll - z.B. bei einem Grenzübertritt - zweifelsfrei belegt werden. Wenn überhaupt, kann ein „grüner Pass“ seinen Nutzen ausschließlich in Kontrollsituationen entfalten. Als Zutrittsberechtigung zu Veranstaltungen, Dienstleistungen oder eben Staaten.

 

Das Konzept eines „grünen Passes“ erfordert also auch die Schaffung von entsprechenden Kontrollsituationen. Wird der Pass als Zutrittsberechtigung zu Veranstaltungen und Dienstleistungen genutzt, müssen dort entsprechende Kontrollpunkte errichtet werden, bei denen die Inhaber eines „grünen Passes“ jeweils auch ihre Ausweise vorzeigen müssen. Schließlich muss ja sichergestellt werden, dass sich der „grüne Pass“ tatsächlich auf diese Person bezieht. In einem Land wie Österreich, das noch nicht einmal eine Verpflichtung zum Mitführen von Ausweisen kennt, kann dies wohl kaum als Sicherung der Freiheit verstanden werden.

 

Schutz vor Ansteckung und Krankheit?

 

Ist der „grüne Pass“ nun aber geeignet Corona-sichere Zonen zu schaffen? Können Menschen mit „grünem Pass“ unbesorgt zur Normalität zurückkehren, wenn sie unter sich sind? Das wird eher nicht der Fall sein, da der „grüne Pass“ keine Immunität nachweist und auch nicht belegt, ob jemand andere Menschen anstecken kann oder nicht. Zu Impfstoffen ist bekannt, dass sie nicht bei allen Menschen gleich gut wirken. Im besten Fall kann von einer Wirksamkeit von 90 - 95 % ausgegangen werden. Das bedeutet aber auch, dass 5 - 10 Prozent der Geimpften nicht vor einer Erkrankung an COVID-19 geschützt sind. Zur Frage, ob Impfungen auch davor schützen, dass Geimpfte das Virus nicht mehr weiter verbreiten können, liegen noch keine ausreichenden Studien vor. Es muss derzeit also davon ausgegangen werden, dass eine Weiterverbreitung des Virus durch Geimpfte möglich ist. Ähnliches gilt für die Immunität und Infektiösität von Personen, die von einer COVID-19 Erkrankung genesen sind.

 

Nun soll der „grüne Pass“ aber auch als Zutrittsberechtigung für getestete Personen gelten. Also für Menschen, die mittels eines Tests nachgewiesen haben, dass sie derzeit das Virus nicht verbreiten. Diese Menschen sind vor einer Ansteckung mit dem Virus aber keinesfalls immun. Sie können jederzeit mit dem Virus infiziert werden.

 

Betrachtete man zutrittsbeschränkte Bereiche, die nur Menschen mit „grünem Pass“ offenstehen, nun als Corona-sichere Zonen, bestünde dort die Gefahr, dass Menschen, die lediglich getestet sind, durch geimpfte oder von der Krankheit genesene Personen angesteckt werden. Dies entweder weil sie trotz Impfung selbst erkrankt sind und es noch nicht bemerkt haben, oder weil sie zwar selbst nicht erkranken, aber das Virus weiterverbreiten.

 

In einer Stellungnahme des deutschen Ethikrates aus dem Vorjahr wird als eine notwendige Voraussetzung für den Einsatz von Immunitätsnachweisen gefordert, dass diese einen zuverlässigen Nachweis über den Grad und die Dauer der Immunität, also den Schutz der betreffenden Person vor einer Infektion und ihre Nichtinfektiosität bieten müssten. Dazu wären serologische Tests erforderlich, die nicht nur eine generelle, sondern eine für einen bestimmten Mindestzeitraum schützende Immunantwort gegen den Erreger SARS-CoV-2 mit einem Mindestmaß an Zuverlässigkeit nachweisen.

Einen derartigen Nachweis bieten der „grüne Pass“ und die bestehenden Impf-, Test- und Genesungsnachweise derzeit nicht.

 

Der deutsche Ethikrat hält weiters in einer ad-hoc Empfehlung vom 04.02. fest, dass die Lockerung von Beschränkungen für Geimpfte zu einer schlechteren Einhaltung der Beschränkungen durch Nicht-Geimpfte führen kann. Und weiter: „Die  ethisch  und  rechtlich  schwierige  Frage,  ob  und  inwieweit  diese  mittelbaren  Folgen es  rechtfertigen,  gravierende  Beschränkungen  der  Freiheit  (auch)  von geimpften Personen aufrechtzuerhalten, muss jedoch so lange nicht  entschieden  werden,  wie  noch  nicht  verlässlich  abschätzbar  ist, in welchem Maße Impfungen gegen Covid-19 die Infektiosität der  geimpften  Personen  vermindern.  Weil  damit  selbst  Kontakte  von geimpften Personen untereinander das Virus weiterverbreiten und mittelbar zur Infektion noch nicht geimpfter Personen führen können,  kommt  jedenfalls  derzeit  eine  individuelle  Rücknahme  staatlicher  Freiheitsbeschränkungen  für  geimpfte  Personen  nicht  in Betracht.“

 

Was bedeutet das nun für den Datenschutz?

 

Die Verarbeitung von besonders geschützten Gesundheitsdaten ist auch in Zeiten der Pandemie nur dann zulässig, wenn es sich dabei um eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme handelt und keine gelinderen Mittel bestehen, um den selben Zweck zu erreichen.

 

Die derzeit vorliegenden Informationen lassen noch nicht erkennen, welche wesentlichen Vorteile ein „grüner Pass“ gegenüber herkömmlichen Impf-, Test- und Genesungsnachweisen bietet und weshalb die Verarbeitung besonders schützenswerter Gesundheitsdaten dafür erforderlich und verhältnismäßig ist.

 

Im Gegenteil weisen die Ausführungen des deutschen Ethikrates darauf hin, dass von der Einführung eines „grünen Passes“ vielmehr konkrete Gefahren ausgehen und die Gewährung von Erleichterungen für Geimpfte eine Weiterverbreitung des Virus verursachen kann.“

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert die überbordenden Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit Covid-19 zu beenden und vom Zwang zum „grünen Pass“ abzusehen.“

 

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Verfassungsausschuss ersucht.