1705/A XXVII. GP

Eingebracht am 26.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Herbert Kickl, Mag Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

betreffend ein Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB) BGBl. StF: BGBl. Nr. 60/1974, geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen: 

betreffend ein Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB) BGBl. StF: BGBl. Nr. 60/1974, geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl. StF: BGBl. Nr. 60/1974, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2020, wird wie folgt geändert:

 

§ 288 Abs. 3 und der nach Abs. 3 eingeschobene Abs. 3a lauten wie folgt:

„(3) Nach den Abs. 1 und 2 ist auch zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen im Verfahren vor einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, dem Rechnungshofausschuss oder seines ständigen Unterausschusses oder einer Disziplinarbehörde des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde begeht.

(3a) Nach Abs. 1 ist auch zu bestrafen, wer in einer mündlichen oder schriftlichen Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage wissentlich falsch oder unvollständig antwortet.“

Begründung

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Mag.a Karin Greiner Genossinnen und Genossen haben einen Antrag zu 1568/A vom 03.05.2021 (XXVII. GP) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch 1974 geändert wird eingebracht und wie folgt begründet:


„Der Rechnungshofausschuss des Nationalrates und dessen ständiger Unterausschuss haben sich zu wichtigen parlamentarischen Kontrollinstrumenten entwickelt. Ebenso wie im Untersuchungsausschuss des Nationalrates die Wahrheitspflicht eine wichtige Grundbedingung für dessen erfolgreiche Kontrolltätigkeit ist, scheint die Einführung der Wahrheitspflicht auch im Rechnungshofausschuss und dessen ständigem Unterausschuss für eine möglichst wirksame Tätigkeit dieser Organe sinnvoll, etwa, wenn im ständigen Unterausschuss wichtige Beschaffungsvorgänge des Bundes überprüft werden. Die Verankerung der Wahrheitspflicht für die beiden Organe im Strafgesetzbuch soll dazu beitragen, die Kontrolltätigkeit derselben zu verbessern, die Aufklärung der untersuchten Sachverhalte zu erleichtern und damit gegebenenfalls auch die Korruptionsbekämpfung zu verstärken.“

 

Das Interpellationsrecht und die Wahrheitspflicht der Befragten:

Das Frage- oder Interpellationsrecht steht jedem Nationalratsabgeordneten, jedem Mitglied des Bundesrates und jedem Landtagsabgeordneten zu. Es dient der Kontrolle der Bundesregierung oder Landesregierungen. Die häufigste Form sind schriftliche Anfragen. Daneben gibt es auch Dringliche Anfragen.

 

Schriftliche Anfragen, ausgenommen die schriftlichen Budgetanfragen, der Nationalratsabgeordneten und der Mitglieder des Bundesrats müssen innerhalb von zwei Monaten vom Befragten beantwortet werden. Sind die Abgeordneten mit den Antworten der schriftlichen Anfrage nicht zufrieden, können diese eine Folgeanfragen stellen und weitere zwei Monate auf die Antworten warten oder innerhalb von zwei Monaten eine kurze Debatte im Plenum über das Thema abhalten. Dies sind die Minderheitenrechte. Dasselbe Problem stellt sich auch bei der Beantwortung der mündlichen Anfragen; zum Beispiel in der Fragestunde in den einzelnen gesetzgebenden Organen in Bund und Ländern.

 

 

Mehrheitsrechte sind die Ministeranklage und der Misstrauensantrag. Beide Sanktionsmöglichkeiten könnten, wenn die Antworten des Befragten unvollständig oder falsch sind, von der Mehrheit, mit den Stimmen der Opposition und zumindest mit denen einer Regierungsfraktion durchgesetzt werden. Aus diesem Grunde handelt es sich defacto um „totes Recht“.

 

Grundsätzlich bestünde bei der Beantwortung von Anfragen die Wahrheitspflicht. DDr. Christian Kopetzki hatte sich in den Juristischen Blätter mit der Wahrheitspflicht bei Anfragebeantwortungen auseinandergesetzt. Dabei hat er aus der Begründungspflicht im § 91 NR-GOG die Wahrheitspflicht „wahrheitsgemäß zu antworten“ abgeleitet.

Die Begründungspflicht im § 91 Abs. 4 2.Satz NR-GOG wurde durch die Novelle 1975 eingeführt. „Ist dem Befragten eine Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich, so hat er dies in der Beantwortung zu begründen.

Aus diesem Satz leitet DDr. Kopetzki folgendes ab:

 

Die Verweigerung einer inhaltlichen Beantwortung kann also zulässigerweise nur mehr dadurch erfolgen, dass der Befragte deren Unmöglichkeit begründet, und zwar in der Beantwortung. Wohl hat der Befragte nach dieser Rechtslage immer noch die Möglichkeit, eine materielle Beantwortung unter der besagten Voraussetzung — und nur unter dieser — zu verweigern. Eine schlichte Reaktion genügt aber in keinem Fall mehr; der Begriff der Reaktionspflicht ist heute überholt (…) Bei dieser Rechtslage ist der Begriff der Reaktionspflicht sinnlos; das Regierungsmitglied kann seine Reaktionsmöglichkeiten nicht auswählen, sondern hat die Anfrage inhaltlich zu beantworten, sofern nicht die vom Gesetz geforderte Unmöglichkeit eine Verweigerung rechtfertigt. Darüber hinaus kann daraus erschlossen werden, dass der Befragte wahrheitsgemäß zu antworten hat, da anderenfalls das Interpellationsrecht überhaupt seinen Sinn verlöre und auch ein eigenes Ablehnungsrecht nicht ausdrücklich hätte normiert werden müssen.“ (Antwortpflicht und „Ministerzensur“, Univ. Ass. Dr. Christian Kopetzki, Wien; Juristische Blätter Heft 21/22, 8. November 1980, 102. Jahrgang).

 

Die Pflicht wahrheitsgemäß zu antworten trifft alle Befragten in Bund und Ländern, wenn diese von den jeweiligen Abgeordneten der zuständigen gesetzgebenden Organe befragt werden.

 

Dem Befragten drohen dabei jedoch keine strafrechtlichen Sanktionen, wenn die Angaben in der Anfragebeantwortung unvollständig oder falsch sind. Ist eine Anfragebeantwortung äußerst lückenhaft, wird diese maximal in der Präsidiale thematisiert. Das verfassungsmäßig gewährleistete Recht, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, welches den Abgeordneten zum Nationalrat und Mitgliedern des Bunderates gemäß Artikel 52 B-VG zusteht, wird dadurch massiv eingeschränkt und teilweise sogar ad absurdem geführt.



Als Beispiel, warum die Wahrheitspflicht auch im Strafrecht verankert werden sollte, sei die Anfragebeantwortung 5917/AB von Bundeskanzler Kurz auf die Anfrage 6026/J „Erkundigungen im Justizministerium bezüglich laufender Ermittlungen in der Justiz“ erwähnt. Bundeskanzler Kurz antwortete auf Fragen zu seiner angeblichen Erkundigung im Justizministerium über das damals laufende Strafverfahren in der Causa „Stadterweiterungsfonds“:

 

Ich habe weder in der vergangenen Legislaturperiode Informationen zu konkreten Ermittlungsverfahren angefragt, noch habe ich das in der aktuellen Legislaturperiode getan.“

 

Diese Aussage widerspricht einer unter strafrechtlich verankerter Wahrheitspflicht getroffenen Aussage einer Auskunftsperson im Ibiza-Untersuchungsausschuss: Ein ehemaliges Mitglied des Kabinetts von Justizminister Moser hatte angegeben, von Moser dahingehen informiert wurden zu sein, „dass sich der Herr Bundeskanzler bei ihm nach dem Stand des Verfahrens erkundigt habe und er ihm gesagt habe: Das Verfahren geht seinen normalen Gang und wird auch wie alle Verfahren behandelt.“

 

Somit stehen hier einander zwei unter Wahrheitspflicht dem Parlament gegebene Aussagen widersprüchlich gegenüber, wobei eine Falschaussage der Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss mit bis zu drei Jahren Haft bedroht ist, während eine Falschaussage des Kanzlers in der parlamentarischen Anfragebeantwortung faktisch sanktionslos bleiben würde.

 

Um hier eine Gleichbehandlung zu gewährleisten erscheint es zweckmäßig, strafrechtliche Sanktionen bei nicht wahrheitsgemäßen Antworten durch die Befragten zu normieren.

 

 

 

 

 

 

 

Es wird ersucht, den Antrag dem Justizausschuss zuzuweisen.