1840/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 08.07.2021
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Entschließungsantrag

 

des Abgeordneten Mag. Christian Ragger, Mag. Gerhard Kaniak, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schaffung und Ausbau einer psychologischen Versorgung als Kassenleistung

 

Die Anfragebeantwortung 5462/AB der Anfrage Nr. 5532/J des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm und weiterer Abgeordneter betreffend Sinkende Bereitschaft zu Gesundheitsvorsorge durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bestätigt die Untersuchungsergebnisse einer aktuellen Studie zur psychischen Verfasstheit der Bevölkerung, wonach etwa 26% an depressiven Symptomen leiden. Die Donau-Universität Krems erklärte am 27.1.2021 zu den Ergebnissen der Studie folgendes:

„Seit Beginn der COVID-19-Pandemie untersucht das Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit die psychische Gesundheit der Bevölkerung. Bereits im April, Juni und September zeigte sich ein Anstieg depressiver Symptome, Ängste oder Schlafprobleme. Eine neuerliche Studie, gefördert vom österreichischen Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP), belegt rund um den Jahreswechsel eine erneute Verschlechterung.

In einer Pressekonferenz am 27. Jänner 2021 präsentierten Studienautor Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh, Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit, und Dr. Peter Stippl, Präsident des österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, die neusten Studienergebnisse. Laut der aktuellen Studie leidet rund ein Viertel der Bevölkerung (26 Prozent) an depressiven Symptomen, 23 Prozent an Angstsymptomen und 18 Prozent an Schlafstörungen. Die Studie rund um den Jahreswechsel umfasst eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe von rund 1500 Personen. „Seit der letzten Erhebung im September kam es zu einer neuerlichen deutlichen Verschlechterung der psychischen Gesundheit. Diese Ergebnisse sind alarmierend“, so der Studienautor Christoph Pieh.

Junge Erwachsene besonders belastet

Besonders gravierend sind die Ergebnisse bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren, die schon in den vergangenen Untersuchungen stets am stärksten belastet waren. Hier kam es zu einem sprunghaften Anstieg von rund 30 Prozent auf 50 Prozent. Des Weiteren sind u.a. Frauen, Arbeitslose und Alleinstehende besonders betroffen. Das zeigt sich auch in einem deutlichen Rückgang der Lebensqualität, die im Vergleich zur Untersuchung von 2019 um rund ein Fünftel abgenommen hat. Ausgenommen ist hier die Gruppe über 65 Jahre, die wie bei den vorangegangenen Studien am besten durch die Krise kommt. Menschen, die in einer Beziehung leben, ein gutes soziales Umfeld haben und regelmäßig Sport betreiben, sind vergleichsweise weniger belastet.

Unterschiedliche Auslöser

Die Ursachen für den Anstieg psychischer Probleme sind zweifelsohne vielfältig und individuell sehr unterschiedlich. Neben Sorgen um die eigene Gesundheit können Zukunftsängste, finanzielle Sorgen, Jobverlust oder Einsamkeit eine Rolle spielen. „Als besonders belastend werden neben der Pandemie an sich die schwierige wirtschaftliche Lage sowie Folgen und die Maßnahmen zur Eindämmung erlebt. Hilfreich werden hingegen u.a. das familiäre oder soziale Umfeld, Stressbewältigung, Sport oder andere Hobbys erlebt“, erörtert Pieh. Neben der Dauer der Pandemie dürfte auch der Erhebungszeitraum rund um Weihnachten und den Jahreswechsel eine Rolle spielen.

Sehr schwere depressive Fälle verzehnfacht

„Die Entwicklung ist besorgniserregend. Ein Viertel der Bevölkerung leidet mittlerweile unter depressiven Symptomen, bei den jungen Erwachsenen gar die Hälfte, während es im Jahre 2019 weniger als fünf Prozent waren“, berichtet Pieh. Besonders deutlich ist die Veränderung bei den sehr schweren depressiven Fällen, die sich seit dem letzten Jahr verzehnfacht haben. „Die bisherigen Maßnahmen reichen offenbar nicht aus, um die psychische Belastung in den Griff zu bekommen. Hier benötigt es ein Umdenken auf vielen Ebenen“, so der ÖBVP-Präsident Dr. Peter Stippl. 

Psychische Belastungen ernst nehmen

Wenn aber die Probleme zu groß werden, sollte Hilfe in Anspruch genommen werden. „Gerade in schweren Fällen ist eine professionelle Hilfe in der Regel notwendig“, erklärt Studienautor Christoph Pieh. „Der deutliche Anstieg verdeutlicht die psychischen Auswirkungen der Pandemie und bedarf einer raschen und speziell auf die aktuelle Situation angepassten Hilfe“, empfiehlt Pieh.“

https://www.donau-uni.ac.at/de/aktuelles/news/2021/psychische-gesundheit-verschlechtert-sich-weiter0.html

 

Aus diesen Erkenntnissen sind weitreichende Konsequenzen zu ziehen, um die psychische Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher sicherzustellen. Viele Fachorganisationen fordern dazu berechtigt eine klinisch-psychologischer Behandlungen als Kassenleistung ins Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Der Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) startete zudem eine von der Bevölkerung stark unterstützte Petition (Für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich!), welche wie folgt begründet wird:

„Es heißt: Österreich ist das Land mit einem der besten Gesundheitssysteme der Welt. Aber: In der Betreuung psychisch erkrankter Menschen hat Österreich großen Aufholbedarf!

Während die Zahl der Betroffenen seit Jahren zunimmt, gibt es bei der Versorgung in Österreich massive Lücken. Monatelange Wartezeiten - gerade für Kinder und Jugendliche - sind keine Seltenheit. Ein verspäteter Behandlungsbeginn führt jedoch bei Betroffenen zu mehr Leid und verursacht zudem im Gesundheits- und Sozialsystem Zusatzkosten in einer Höhe von Hunderten Millionen Euro.

In der nächsten Legislaturperiode geht es darum, gemeinsam die richtigen Schritte zu setzen, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen (BÖP) erhebt mit seinen KooperationpartnerInnen GkPP (Gesellschaft kritischer Psychologen und Psychologinnen, Berufsvertretung) und PKP (Pioniere der Klinischen Psychologie) mit der vorliegenden Petition daher folgende Forderungen:

1. Ausreichend Behandlungsplätze für psychisch erkrankte Menschen. Wir fordern ambulante Behandlungsplätze für eine Vollversorgung ohne Wartezeit und auf hohem Qualitätsniveau. Im Zentrum: Der Auf- und Ausbau der Kassenplätze für Klinische PsychologInnen, PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen.

2. Kurzfristig: Klinisch-psychologische Behandlung als Kassenleistung. Klinisch-psychologische Behandlung wirkt effizient. Das belegen wissenschaftliche Studien. Während klinisch-psychologische Behandlung im stationären Bereich (Krankenanstalten) längst etabliert und gesetzlich seit 1993 verankert ist, gibt es das Angebot klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung im niedergelassenen Bereich noch immer nicht. Obwohl damit eine massive Versorgungslücke auch in den ländlichen Gebieten rasch und hoch qualitativ zu schließen wäre. Durch die Aufnahme klinisch-psychologischer Behandlung als Kassenleistung ins Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) wird der dringendste akute Versorgungsbedarf für Menschen mit psychischen Erkrankungen gedeckt.

3. Langfristig: „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ aller PSY-Berufe. Egal, ob PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen oder Klinische PsychologInnen - jede Profession leistet ihren wichtigen Beitrag zur Verbesserung der psychischen Versorgung in Österreich. Klar ist daher: Diese Verbesserung kann nur langfristig und unter Einbindung aller PSY-Berufe und gemeinsam mit der Politik erfolgen. Wir schlagen deshalb die gemeinsame Erarbeitung eines „Masterplan: Psychisch gesundes Österreich“ vor.

Begründung

Eine nachhaltige Verbesserung der psychischen Versorgung führt dazu, dass Betroffene in Österreich professionell und zeitnah versorgt und ihr Leid und das ihrer Angehörigen gemildert werden. Außerdem wird das Sozial-, Gesundheits- und Wirtschaftssystem mittel- und langfristig erheblich entlastet. Darin liegen auch große Einsparungsmöglichkeiten.

Es ist Zeit zu handeln – jetzt!“

https://www.openpetition.eu/at/petition/online/fuer-eine-bessere-versorgung-von-menschen-mit-psychischen-erkrankungen-in-oesterreich

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird ersucht, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die folgende Inhalte umfasst:

-       Die Einführung einer umfassenden psychologischen Versorgung samt klinisch-psychologischer Behandlungen als Kassenleistung

-       Eine sofortige Aufnahme klinisch-psychologischer Behandlungen als Kassenleistung ins Sozialversicherungsrecht

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.