2146/A XXVII. GP

Eingebracht am 15.12.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

der Abgeordneten Martin Engelberg, Sabine Schatz, Hannes Amesbauer, Eva Blimlinger,
Stephanie Krisper

Kolleginnen und Kollegen

Betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetz 1985

Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 162/2021, wird wie folgt geändert:

1. In § 46 Abs. 1 wird das Zitat „§ 58c Abs. 2“ durch das Zitat § 58c Abs. 7 ersetzt.

2. In § 58c erhält Abs. 1a die Absatzbezeichnung „(3)“ und die Abs. 1b, 2, 3, 4 und 5 erhalten die Absatzbezeichnungen „(6)“, „(7)“, „(8)“, „(9)“ und „(10)“.

3. In § 58c wird nach Abs. 1 folgender Abs. 2 eingefügt:

„(2) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er

           1. als Staatsbürger zwischen dem 30. Jänner 1933 und dem 9. Mai 1945 über keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt hat, weil er im Falle einer Rückkehr in das Bundesgebiet Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich zu befürchten gehabt hätte,

           2. als Staatsbürger von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland deportiert wurde, oder

           3. als Staatsangehöriger eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder als Staatenloser jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet vor dem 9. Mai 1945 von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich in das Ausland deportiert wurde,

und er dies der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt.

4. In § 58c Abs. 3 (neu) wird die Wortfolge „die gemäß Abs. 1 die Staatsbürgerschaft erworben hat oder erwerben hätte können“ durch die Wortfolge die gemäß Abs. 1 oder 2 die Staatsbürgerschaft erworben hat oder erwerben hätte können, wobei die Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 durch den Vorfahren entfällt ersetzt und entfällt der letzte Satz.

5. In § 58c werden nach Abs. 3 (neu) folgende Abs. 4 und 5 eingefügt:

„(4) Weiters erwirbt ein Fremder unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt und durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachweist, dass er Nachkomme in direkter absteigender Linie

           1. einer Person ist, die als Staatsbürger von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich vor dem 9. Mai 1945 im Bundesgebiet oder im Ausland ermordet wurde, oder

           2. einer Person ist, die als Staatsangehöriger eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder als Staatenloser jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet vor dem 9. Mai 1945 von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich im Bundesgebiet oder im Ausland ermordet wurde.

(5) Die Abs. 3 und 4 gelten nicht, wenn der Fremde die Staatsbürgerschaft zuvor durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit verloren hat.

6. In § 58c wird in Abs. 6 (neu) das Zitat „Abs. 1a“ durch das Zitat „Abs. 3 und 4“ ersetzt und wird in Abs. 7 (neu) das Zitat „Abs. 1“ durch das Zitat Abs. 1, 2, 3 oder 4“, das Wort „daß“ durch das Wort „dass“ sowie das Wort „wiedererworben durch das Wort „erworben“ ersetzt.

7. In § 58c Abs. 8 (neu) entfällt der Klammerausdruck „(Abs. 1)“.

8. § 58c Abs. 10 (neu) lautet:

„(10) Die Behörde kann in Verfahren nach Abs. 1 bis 4 den Nationalfonds der Republik Österreich zur Beurteilung der Nachvollziehbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen als Sachverständigen beiziehen. Zu diesem Zweck ist der Nationalfonds ermächtigt, personenbezogene Daten einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO dem Antragssteller und der Behörde zu übermitteln.“

9. In § 66 Z 1 wird in lit. c das Zitat „§ 58c Abs. 3“ durch das Zitat „§ 58c Abs. 8“ und in lit. e das Zitat „§ 58c Abs. 4“ durch das Zitat „§ 58c Abs. 9“ ersetzt.

10. Dem § 64a wird folgender Abs. 34 angefügt:

„(34) Die §§ 46 Abs. 1, 58c und 66 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/20XX treten mit dem Monatsersten nach Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XX/20XX in Kraft.“


 

Begründung

Allgemeiner Teil

Als Ausdruck des Bekenntnisses Österreichs zu seiner Verantwortung für die Verbrechen während der NS-Zeit im Staatsbürgerschaftsrecht normieren die geltenden Bestimmungen des § 58c Sondererwerbstatbestände für die damaligen Verfolgten des Nationalsozialismus sowie deren Nachkommen.

Demnach erwirbt gemäß dem geltenden § 58c Abs. 1 ein Fremder unter erleichterten Voraussetzungen die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde schriftlich anzeigt, sich als Staatsbürger oder Staatsangehöriger eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder Staatenloser jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet vor dem 15. Mai 1955 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte.

Im Oktober 2019 wurde mit dem Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 96/2019, neben diesem Sondererwerbstatbestand für die Verfolgten selbst durch Einfügung eines neuen Abs. 1a in § 58c ein weiterer Sondererwerbstatbestand für deren Nachkommen eingeführt, bei denen anzunehmen ist, dass sie ohne das erlittene Unrecht ihrer Vorfahren während der NS-Zeit oder des Ständestaates heute im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft wären. Seit dieser Änderung können auch Nachkommen in direkter absteigender Linie einer Person, die als Verfolgter gemäß Abs. 1 die Staatsbürgerschaft erworben hat oder erwerben hätte können, unter erleichterten Bedinungen die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben.

Nach Inkrafttreten des Sondererwerbstatbestandes haben sich im Vollzug jedoch Fälle gezeigt, welche auf Basis des geltenden Wortlautes keine Berücksichtigung finden konnten. So waren beispielsweise jene Fälle nicht erfasst, in welchen der Vorfahre von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen des Eintretens für die demokratische Republik Österreich ermordet oder ins Ausland deportiert wurde. Grund hiefür war, dass der geltende Gesetzeswortlaut voraussetzt, dass sich die betreffende Person (freiwillig) ins Ausland begeben hat. Anlässlich des einjährigen Bestehens der Bestimmung erfolgte daher eine Evaluierung der im Vollzug aufgetretenen Härtefälle, mit dem Ziel durch eine legistische Adaptierung nunmehr in sachgerechter Weise auch in diesen (bisher nicht erfassten) Fällen den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige zu ermöglichen.

Besonderer Teil

Zu §§ 46 Abs. 1 und 66 Z 1

Hierbei handelt es sich um erforderliche Verweisanpassungen aufgrund der Neunummerierung der Absätze in § 58c.

Zu § 58c

Abs. 2:

Voraussetzung für den erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß § 58c Abs. 1 ist dem Gesetzeswortlaut entsprechend neben dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen des § 10, dass der betreffende Fremde über einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt hat, bevor er sich aufgrund der befürchteten oder erlittenen Verfolgung ins Ausland begeben hat. Die Wortfolge „ins Ausland begeben“ verlangt eine freiwillige Ausreisebewegung, wobei der Begriff „Ausland“ gemäß StbG alle Territorien umfasst, die nicht „Bundesgebiet“ gemäß StbG sind.

Nicht umfasst vom geltenden Abs. 1 sind demnach jene Fälle, in denen österreichische Staatsbürger oder Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder Staatenlose von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich in das Ausland deportiert oder (entweder noch im Bundesgebiet oder im Ausland) ermordet wurden. Ebenso nicht umfasst sind Fälle, in denen Staatsbürger aufgrund zu befürchtender Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht in das Bundesgebiet zurückkehren konnten.

Um künftig auch diesen Personengruppen in sachgerechter Weise einen erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, soll ein neuer Abs. 2 eingefügt werden.

Die vorgeschlagene Z 1 des Abs. 2 sieht dabei einen erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft für jene Fremden vor, die als Staatsbürger zwischen dem 30. Jänner 1933 und dem 9. Mai 1945 über keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt haben, weil sie im Falle einer Rückkehr in das Bundesgebiet Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich zu befürchten gehabt hätten. Dieser Tatbestand soll sohin jene ehemaligen Österreicher umfassen, denen es aufgrund zu befürchtender Verfolgung verwehrt war, zwischen der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler und damit der Machtübernahme Adolf Hitlers im Deutschen Reich sowie dem Ende des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai 1945 in das Bundesgebiet zurückzukehren und hier ihren Hauptwohnsitz zu begründen. Die Festlegung des Stichtages mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Jänner 1933 erweist sich dabei insofern als sachgerecht, als ab diesem Zeitpunkt berechtigter Weise stets mit einer potentiellen Machtergreifung der Nationalsozialisten auch in Österreich gerechnet und damit verbunden die Verfolgung durch diese befürchtet werden konnte bzw. musste.

Der Begriff der „Rückkehr“ ist dabei weit auszulegen und setzt somit nicht zwingend voraus, dass der betreffende Staatsbürger vor dem 30. Jänner 1933 schon einmal im Bundesgebiet aufhältig bzw. wohnhaft war, sondern kann etwa auch Fälle umfassen, in denen der Staatsbürger während der NS-Zeit im Ausland geboren wurde und aufgrund zu befürchtender Verfolgung verhindert war, während dieser Zeit einen (erstmaligen) Hauptwohnsitz im Bundesgebiet zu begründen.

Bei der Prüfung der Verfolgung, die im Falle einer Rückkehr zu befürchten gewesen wäre, ist ein objektiver Maßstab anzulegen und sohin jedenfalls bei jenen Personengruppen, die während der NS-Zeit typischerweise verfolgt wurden, wie insbesondere politischen Gegnern, Menschen jüdischer Herkunft, Roma und Sinti, Menschen mit geistiger oder physischer Beeinträchtigung, Zeugen Jehovas oder Homosexuelle, von einer zu befürchtenden Verfolgung auszugehen sein.

Abs. 2 Z 2 regelt den erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft für jene Fremden, die als Staatsbürger von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland deportiert wurden. Ob die Betreffenden vor dem 9. Mai 1945 über einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt haben, kommt es dabei nicht an.

Gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 3 Z 3 soll überdies ein erleichterter Staatsbürgerschaftserwerb für jene Fremden eingeführt werden, die als Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder als Staatenlose jeweils mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet vor dem 9. Mai 1945 von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich in das Ausland deportiert wurden. Dabei handelt es sich sohin um jene Personen, die zwar zum relevanten Zeitpunkt nicht österreichische Staatsbürger waren, aber als Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder als Staatenlose aufgrund ihres Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet über einen entsprechenden Anknüpfungspunkt an Österreich verfügen.

Allen Ziffern gemeinsam ist, dass der erleichterte Erwerb der Staatsbürgerschaft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 bedingt und der Ewerb der Staatsbürgerschaft mittels schriftlicher Anzeige über das Vorliegen der Voraussetzungen bei der gemäß § 39 zuständigen Behörde erfolgt. Die Anzeige kann auch bei der gemäß § 41 Abs. 2 zuständigen Vertretungsbehörde eingebracht werden, die sie an die Behörde weiterzuleiten hat. Gleichermaßen wie beim Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß dem geltenden Abs. 1 soll ferner auch für den neuen Abs. 2 insbesondere gelten, dass sowohl die Anzeige selbst als auch der Bescheid sowie die im Zusammenhang mit der Anzeige zu erbringenden Unterlagen gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 9 (neu) gebührenfrei sind und die vorzulegenden Urkunden und Nachweise im Falle einer Anzeigenlegung durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt werden können.

Abs. 3:

Der bisherige Abs. 1a wird zu Abs. 3 und sieht wie auch nach geltender Rechtslage zunächst den erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft für Nachkommen in direkter absteigender Linie von Personen vor, die gemäß Abs. 1 die Staatsbürgerschaft erworben haben oder erwerben hätten können. Darüber hinaus soll der erleichterte Erwerb künftig auch Fremden ermöglicht werden, die Nachkommen in direkter absteigender Linie von Personen sind, die gemäß dem neuen Abs. 2 die Staatsbürgerschaft erworben haben oder erwerben hätten können (zur Begründung der vorgesehenen Erweiterung, die gleichermaßen für den Verfolgten selbst als auch dessen Nachkommen gilt, siehe Abs. 2). In beiden Fällen soll (weiterhin) Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft sein, dass der Fremde, der gestützt auf Abs. 3 die Staatsbürgerschaft begehrt, die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 erfüllt.

Die Anwendbarkeit der neuen Regelung des Abs. 3 hängt (wie auch bereits im Falle des bisherigen Abs. 1a) weder davon ab, dass die Generation der Verfolgten von der Wiedererwerbsmöglichkeit des Abs. 1 oder 2, noch dass eine dazwischenliegende Generation vom neuen Abs. 3 Gebrauch gemacht hat. Es kann sich daher beispielsweise auch der Ur-Enkel eines Verfolgten des neuen Erwerbstatbestandes bedienen, wenn keiner seiner Vorfahren Österreicher geworden ist.

In den Fällen, in denen der Vorfahre die Staatsbürgerschaft als Verfolgter nicht wiedererworben hat, soll es – um unsachliche Ergebnisse wie bereits beim bisherigen Abs. 1a zu vermeiden – weder schaden, wenn er bereits vor Inkrafttreten des § 58c (BGBl. Nr. 521/1993) verstorben ist, noch wenn er die Staatsbürgerschaft zuvor auf andere Weise erworben oder nie verloren hat. Maßgebliche Rechtslage für die Prüfung, ob der Vorfahre die Staatsbürgerschaft hätte erwerben können, ist jene zum Zeitpunkt des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch den Nachkommen, dh. jene zum Zeitpunkt der Anzeigelegung nach Abs. 7 (neu). Fremde, deren Antrag nach der geltenden Rechtlage abgelehnt wurde, weil bspw. ihr Vorfahre im In- oder Ausland von Organen der NSDAP ermordert wurde und damit das Kriterium des „sich ins Ausland begeben“ nicht erfüllt war, sollen daher auf Basis der vorgeschlagenen neuen Regelungen bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die Staatsbürgershaft erhalten können.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 beim Vorfahren selbst soll jedoch für beide Gruppen – im Unterschied zur geltenden Rechtslage – aufgrund der für die Nachkommen oftmals schwierig zu erbringenden Nachweise nicht (mehr) geprüft werden.

Aufgrund der unmittelbaren Aufnahme eines Verweises auf Abs. 3 (neu) in den bisherigen Abs. 2 und 3 (nunmehr Abs. 7 und 8) kann ferner der letzte Satz des bisherigen Abs. 1a entfallen.

Abs. 4:

Vom erleichterten Staatsbürgerschaftserwerb für Nachkommen von Verfolgten nicht umfasst sind derzeit Nachkommen von Personen, die als Staatsbürger oder als Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder als Staatenlose von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich ermordet wurden. Um diese Unausgewogenheit zu beseitigen, sollen künftig auch Nachkommen in direkter absteigender Linie von Personen, die als Staatsbürger von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich vor dem 9. Mai 1945 im Bundesgebiet oder im Ausland ermordet wurden, die Staatsbürgerschaft unter erleichterten Bedingungen erhalten können (Z 1). Weiters sollen Nachkommen in direkter absteigender Linie von Personen, die als Staatsangehörige eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie oder als Staatenlose vor dem 9. Mai 1945 von Organen der NSDAP oder der Behörden des Deutschen Reiches oder wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Österreich im Bundesgebiet oder im Ausland ermordet wurden, erleichtert die Staatsbürgerschaft erwerben können (Z 2). Im Falle der Z 2 soll es zusätzlich darauf ankommen, dass diese zum relevanten Zeitpunkt (dh. zum Zeitpunkt der Deportation oder der Ermordung vor dem 9. Mai 1945) über einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt haben, um einen entsprechenden Anknüpfungspunkt an Österreich herzustellen, der einen privilegierten Erwerb der Staatsbürgerschaft zu rechtfertigen vermag.

Sowohl im Falle der Z 1 als auch der Z 2 soll der Begriff der Ermordung nicht nur die aktive Tötung umfassen, sondern beispielsweise auch Fälle, in denen der Tod des betreffenden Vorfahren aufgrund der Verweigerung oder Nichtbeschaffung erforderlicher medizinischer Versorgung, der Verweigerung oder Nichtversorgung mit ausreichender Nahrung oder der Verletzungen in Folge von Folter eingetreten ist und in diesem Sinne den Organen der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches zurechenbar ist. Bei all jenen Vorfahren, die während der NS-Zeit in Konzentrationslagern oder sonstigen Einrichtungen der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches – bspw. in Krankenanstalten im Rahmen der sog. Aktion T4 – umgekommen sind, wird daher von einer Ermordung durch diese auszugehen sein.

Beiden Gruppen gemein ist, dass der Staatsbürgerschaftswerber für den Erhalt der Staatsbürgerschaft die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 erfüllen muss und den Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen des neuen Abs. 4 Z 1 oder 2 durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige gleichwertige Bescheinigungsmittel zu erbringen hat.

Durch Aufnahme eines entsprechenden Verweises in den folgenden Absätzen des § 58c wird ferner insbesondere festgelegt, dass als Nachkommen gemäß dem neuen Abs. 4 auch Wahlkinder gelten, die als Minderjährige an Kindesstatt angenommen wurden (Abs. 6 (neu)) und die Anzeige, der Bescheid und im Verfahren beizubringende Unterlagen wie insbesondere Zeugnisse, Personenstandsurkunden und Übersetzungen auch im Falle des Abs. 4 gebührenfrei sein sollen (vgl. Abs. 9 (neu)).

Die Anwendbarkeit der neuen Regelung des Abs. 4 hängt im Übrigen wie bereits der geltende Abs. 1a nicht davon ab, dass eine dazwischenliegende Generation vom neuen Abs. 4 Gebrauch gemacht hat. Es kann sich daher beispielsweise auch der Ur-Enkel eines Verfolgten des neuen Erwerbstatbestandes bedienen, wenn keiner seiner Vorfahren gemäß dem neuen Abs. 4 Österreicher geworden ist.

Abs. 5:

Gemäß dem vorgeschlagenen neuen Abs. 5 gelten die Sondererwerbstatbestände für Nachkommen nach Abs. 3 und 4 nicht, wenn der Fremde die Staatsbürgerschaft zuvor durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit verloren hat. Demnach sollen jene Nachkommen, die im Besitz der Staatsbürgerschaft waren, diese aber aufgrund der bewussten Willensentscheidung, eine andere Staatsangehörigkeit anzunehmen, verloren haben, nicht unter den erleichterten Bedingungen des Abs. 3 oder 4 die Staatsbürgerschaft wiedererlangen können. Damit soll eine Umgehung der strengen Beibehaltungskriterien des § 28 hintangehalten werden.

Abs. 6:

Durch Vornahme einer Anpassung des Verweises im neuen Abs. 6 (bisher Abs. 1b) sollen als Nachkommen gemäß dem bisherigen Abs. 1a (nunmehr Abs. 3) und dem neu eingeführten Abs. 4 auch Wahlkinder gelten, die als Minderjährige an Kindesstatt angenommen wurden.

Abs. 7:

Nach geltender Rechtslage hat die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 mit schriftlichem Bescheid festzustellen, dass der Einschreiter die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde wiedererworben hat. Diese Bestimmung soll auf die neuen Erwerbstatbestände des Abs. 2, 3 und 4 erweitert werden. Da demnach künftig auch Fälle des erstmaligen Erwerbs der Staatsbürgerschaft umfasst sein sollen, wird ferner das Wort „wiedererworben“ durch das Wort „erworben“ ersetzt.

In Verbindung mit § 46 Abs. 1 ergibt sich aus dieser Verweisanpassung überdies eine ausdrückliche Ermächtigung des Bundesministers für Inneres, die Form des Feststellungsbescheides, der im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen der Abs. 1, 2, 3 oder 4 an den Anzeigenleger auszustellen ist, mit Verordnung festzulegen.

Abs. 8 und 9:

Die bisherigen Abs. 3 und 4 werden im Wesentlichen unverändert als Abs. 8 und 9 übernommen. Durch den Entfall des Klammerausdruckes in Abs. 8 (neu) wird lediglich klargestellt, dass die Bestimmung für sämtliche Anzeigen nach § 58c gilt.

Abs. 10:

Die Möglichkeit für die Behörde, in Verfahren nach § 58c StbG den Nationalfonds der Republik Österreich zur Beurteilung der Nachvollziehbarkeit des Vorliegens der Voraussetzungen als Sachverständigen beizuziehen, soll auf die in den neuen Abs. 2 bis 4 vorgesehenen Erwerbstatbestände erweitert werden. Weiters soll im Hinblick auf die seit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 679/2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DSGVO), ABl. L 119 vom 04.05.2016 S. 1, bestehenden (neuen) Begrifflichkeiten der Begriff der „sensiblen Daten“ durch den Begriff der „besonderen Kategorien personenbezogener Daten gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO“ ersetzt werden. Mit dieser Anpassung an die Terminologie der DSGVO sind keine inhaltlichen Änderungen verbunden.

Zu § 64a Abs. 34

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Mangels ausdrücklicher Festlegung anders lautender Übergangsbestimmungen gilt auch für Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängig sind, bereits die neue Rechtslage.

 

 

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Innere Angelegenheiten