2238/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.02.2022
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Entschließungsantrag

DRINGLICHER ANTRAG

§ 74a Abs 1 iVm §93 Abs. 1 GOG-NR

 

der Abgeordneten Jörg Leichtfried,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend „Teuerungsbremse jetzt, Herr Bundeskanzler!“

 

 

 

Begründung

 

Die Menschen in Österreich werden gerade von der stärksten Teuerungswelle seit Jahrzehnten getroffen. Viele junge Familien haben eine solche Teuerung noch nie gesehen und müssen jeden Euro dreimal umdrehen. Aber auch und gerade für viele PensionistInnen sind die starken Preissteigerungen mittlerweile zu einer Existenzbedrohung geworden.

 

Derzeit hat die Teuerung ein Ausmaß erreicht, das weit über normale Preisschwankungen hinausgeht. Das Einkaufen, das Wohnen, das Heizen, der Strom, das Autofahren – kurzum die wesentlichsten Bereiche des täglichen Lebens – sind zugleich von exorbitanten Preissteigerungen betroffen. Der wöchentliche Einkauf ist um 6,8% teurer als im Vorjahr, der Kauf eines eigenen Heims kostet heute um 10% mehr als im Jahr davor, die monatliche Miete ist von 2019 auf 2020 bereits um rund 3% gestiegen und wird das weiter tun und Heizen und Strom wird um 24% mehr kosten. Der Erdölpreis steigt stark, tanken ist um bis zu 50% teurer geworden. Die starken Preisanstiege machen immer mehr ÖsterreicherInnen schwer zu schaffen. Die angekündigte Einmalzahlung der Regierung kommt nicht nur zu spät – sie wird bei weitem nicht ausreichen, um den massiven Kaufkraftverlust auszugleichen.

 

Quelle: Statistik Austria

 

Teuerung bei Energie          

Die Großhandelspreise für Strom und Gas an den Börsen haben sich innerhalb eines Jahres in etwa verdreifacht. Diese Entwicklung schlägt bereits auf die Haushaltstarife durch und führt zu deutlichen Preissteigerungen bei den Strom- und GaskundInnen und auch die Produktionskosten der energieintensiven Industrie geraten unter Druck. Zusätzlich treiben die steigenden Energiepreise die Inflation an. Entlastungsmaßnahmen bringt die Regierung nicht zustande, wie das Chaos beim Energiekostenausgleich eindrucksvoll belegt. Die einzige Maßnahme die bisher gelungen ist, nämlich das Aussetzen der Ökostromkosten (rund 110 Euro pro Jahr für einen durchschnittlichen Haushalt), hat die SPÖ durchgesetzt.

 

Was machen andere europäische Länder?

Einige Staaten (z.B. Spanien, Italien) haben bereits frühzeitig selbst Maßnahmen gesetzt und darauf gedrängt, dass auch die EU tätig wird. Länder wie Belgien, Tschechien, Spanien, Italien, Niederlande und Portugal haben Steuern auf Energie gesenkt oder ausgesetzt und zum Teil weitere Maßnahmen ergriffen (z.B. Förderungen, Ausgleichszahlungen). Andere Länder wie Estland, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Kroatien haben Preisstützungen/-regulierungen gemacht. In Österreich passiert in diesem Bereich fast gar nichts. Die Regierung in Österreich ist und bleibt untätig.

 

 

Der Arbeitsweg wird zum Luxus

Die aktuellen Treibstoffpreise sind für PendlerInnen mit kleinen und mittleren Einkommen eine enorme Belastung.

 

Laut AK legen die Hälfte der PendlerInnen pro Tag zumindest 30km zurück. Bei rund 250 Arbeitstagen entspricht dies einer Jahreskilometerleistung von 7.500 km, die für die Fahrt zur Arbeit zurückgelegt werden. Schauen wir uns an, was das bei einem unterschiedlichen Benzinpreisniveau bedeutet. Mitte 2020 betrug der Preis für einen Liter Benzin noch rund 1,10 Euro – heute liegt der Preis bei bis zu 1,50 Euro. Also 40 Cent pro Liter höher. Ein Auto mit einem Verbrauch von 6,5 Liter pro 100 Kilometer benötigt also bei 7.500 km rund 500 Liter Treibstoff – das sind um rund 200 Euro pro Jahr Mehrbelastung für eine Pendlerin mit einem Arbeitsweg von 30km. Diese Mehrbelastung könnte für kleine und mittlere Einkommen aber locker ausgeglichen werden, dazu müsste man nur die derzeitige unökologische Pendlerpauschale auf ein klimafreundliches Pendlerabsetzbetrag-Modell umwandeln.

 

Wohnen muss für Alle leistbar bleiben

Die Wohnungs- und Häuserpreise steigen – völlig unbeeindruckt von der Corona-Krise – in Österreich weiter. Der Traum von den eigenen 4-Wänden ist für viele Familien mittlerweile in weite Ferne gerückt.

 

Ein Hauptproblem: Neben Gold haben sich Immobilien in großen Wirtschaftskrisen – und wir haben in den letzten 15 Jahren die zwei größten Wirtschaftskrisen seit 1946 erlebt – immer mehr zum Anlage- und Spekulationsobjekt von großen Hedgefonds, Immobilienriesen und Multimillionären entwickelt. Wenn das Geld in Aktien, Sparbücher oder Gold veranlagt wird, dann hat dies zumindest keine unmittelbar negativen Auswirkungen auf den österreichischen Normalbürger. Wenn aber Immobilien zum Spekulationsobjekt Nummer 1 werden, dann verdienen sich einige wenige in der Krise ein Vermögen, während für den Großteil der Menschen in unserem Land Wohnen nicht mehr leistbar ist. Warum? Die Spekulation heizt die Immobilienpreise an.

 

Die Häuserpreise sind lt. Statistik Austria österreichweit seit 2010 insgesamt um mehr als 70% gestiegen.[1] Bei den Wohnungspreisen sieht es nicht viel besser aus.

 

Der Wohnimmobilienpreisindex der OeNB zeigt einen deutliche Corona-Aufschlag.

Von 2018 bis 2020 haben sich die Wohnimmobilienpreise im Durchschnitt um rund 6% pro Jahr erhöht – schon das eine beträchtliche Preissteigerung, bei der Löhne nicht mitkommen – sie wachsen nicht einmal halb so schnell wie diese Immobilienpreise.

Besonders dramatisch aber: Im 4.Quartal betrug das Wachstum schon 10%. Im 1. Quartal 2021 beschleunigte sich das Wachstum nochmals auf 12,3%. Im 2. Quartal lag das Wachstum bei 11,7% und im 3. Quartal bei 10,4%. Vier Quartale in Folge liegt der Anstieg bei den Wohnimmobilien bei über 10%. Im 4. Quartal 2021 beschleunigte sich der Anstieg auf 12,6% weiter. Die Immobilienpreise galoppieren den Einkommen in einer dramatischen Geschwindigkeit davon.

 

Die Mietpreise stiegen in den letzten 15 Jahren um rund 56% an. Die Betriebskosten spielten dabei keine Rolle, sie stiegen im selben Zeitraum nur um 24% - also nicht einmal halb so stark.

 

Teuerung für Pensionistinnen und Pensionisten nicht mehr zu stemmen

Die aktuelle Preisexplosion trifft ältere Menschen ganz besonders. Währenddessen sprudeln die Mehrwertsteuereinnahmen des Finanzministers: Bei einer Inflation von 4 % steigen die jährlichen Mehrwertsteuereinnahmen um mehr als eine Milliarde €.

 

Die jährliche gesetzliche Inflationsanpassung der Pensionen erfolgt grundsätzlich rückwirkend per Jänner. Die letzte Anpassung betrug 1,8 % – die Höhe ergibt sich aus der durchschnittlichen Inflation im Beobachtungszeitraum August 2020–Juli 2021. Wir haben das bereits im Herbst 2021 als zu niedrig kritisiert. Und Tatsache ist auch, dass sich die Inflation seit Juli 2021 verdoppelt hat und im Schnitt der vergangenen 6 Monate bei 4 % liegt. Bis zur nächsten regulären Anpassung dauert es noch fast ein Jahr. Die extrem gestiegenen Kosten für Wohnen und Lebensmittel können PensionistInnen aber jetzt schon kaum finanzieren. Der von der Regierung angekündigte Energiekostenausgleich – 150 € Einmalzahlung für einen durchschnittlichen Pensionistenhaushalt – deckt die gestiegenen Energiepreise nur teilweise. Eine Abgeltung des bereits entstandenen und noch bevorstehenden Kaufkraftverlustes ist von der Regierung nicht geplant.

 

Existenzgrundlage für Arbeitslose und ihre Familien sichern

Die wichtigste Funktion des Arbeitslosengeldes ist die Existenzsicherung. Aber oft reicht das Geld nicht einmal für das Nötigste. Besonders hart trifft dieser Einkommensverlust aber Langzeitbeschäftigungslose, also jene Personen, die beim AMS Österreich länger als 365 Tage in unterschiedlichen Arbeitsmarkt-Status vorgemerkt waren. Im Jänner 2022 galten in Österreich 154.469 Personen als langzeitbeschäftigungslose Arbeitslose. Das sind immer noch um 11.552 Personen mehr als vor der Krise und fast jeder Zweite vorgemerkte Arbeitslose. Diese hohe Anzahl verfestigt sich immer mehr und die Betroffenen wissen oft nicht mehr, wie sie ihr Leben meistern sollen, es bricht die Existenzgrundlage weg.

 

Das Arbeitslosengeld wird einmal errechnet und bleibt für die gesamte Dauer des Bezuges unverändert. Ab dem Bezug der Notstandshilfe, sinkt die Leistung weiter ab. Die Gruppe der Langzeitbeschäftigungslosen ist daher von dieser derzeitigen extremen Teuerung besonders hart betroffen. Ebenso wie Familien, die längere Zeit von den Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung leben müssen, denn der derzeitige Familienzuschuss von 97 Cent pro Tag und anspruchsberechtigter Person ist lächerlich gering.

 

Die jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes muss daher eine notwendige Reaktion der Gesellschaft auf die Entwicklung im Bereich der Langzeitbeschäftigungslosigkeit sein, und die Verdreifachung des seit der Einführung des Euro nicht mehr erhöhten Familienzuschlages würde vor allem Arbeitslosenhaushalten mit Kindern helfen mit der Teuerung besser fertig zu werden.

 

Teuerung auch für Studierende existenzbedrohend

Auch Studierende werden von der aktuellen Teuerung besonders hart getroffen. Sie müssen einen besonders hohen Teil des Gesamteinkommens für Wohnen und Nahrungsmittel aufwenden.

Die Studienbeihilfe wurde zuletzt im Jahr 2017 erhöht und beträgt aktuell höchstens 560 Euro bzw. maximal 801 Euro für zum Beispiel Studierende mit Kindern oder SelbsterhalterInnen.

In der gesamten Corona-Krise haben Studierende keine Unterstützung erhalten. Für diese Gruppe gab es keine eigenen Programme.

Aktuell beziehen rund 12% der Studierenden Studienbeihilfe. Seit der letzten Erhöhung im Jahr 2017 sind die Preise um mehr als 10% gestiegen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ein Maßnahmenpaket gegen die Teuerung ehebaldig zuzuleiten. Dabei sollen folgende Maßnahmen zur Erhöhung der Einkommen sowie zur Dämpfung der Preissteigerungen kombiniert werden:

1.    Erhöhung der Pendlerpauschale für kleine und mittlere Einkommen durch Ökologisierung sowie Umstellung von Steuerfrei- auf Steuerabsetzbetrag

2.    Vorziehen der Pensionserhöhung für alle PensionistInnen spätestens ab Mitte 2022.

3.    Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes und Verdreifachung des Familienzuschlages.

4.    Valorisierung der Studienförderung für Studierende um 10%.

5.    Einführung eines Winterzuschusses in der Höhe von 300 Euro für Haushalte mit niedrigeren Einkommen mit sofortiger Auszahlung und Abwicklung über die Finanzämter.

6.    Senkung der Mehrwertsteuer im Bereich Strom und Gas.

7.    Aussetzung der Indexierung der Richtwert- und Kategoriemieten mit 1.4.2022.“

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.



[1] https://www.statistik.at/web_de/statistiken/wirtschaft/preise/immobilien_durchschnittspreise/123297.html