2259/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 23.02.2022
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Gewalt gegen Frauen - Femizide und geschlechtsspezifische Tatmotive in Kriminalstatistik gesondert erfassen

 

In Österreich wurden im Jahr 2021 zwischen 26 und 31 Femizide begangen - je nachdem, wo man sich informiert. Während die Regierung bei einem Pressegespräch mit Frauenministerin Raab, Justizministerin Zadic und Innenminister Karner am 08. Februar 2022 von 26 Femiziden spricht, listen Medien, Vereine und Organisationen im Gewaltschutzbereich bis zu 31 mutmaßliche Femizide im Jahr 2021 auf. Konkrete Daten zu Femiziden werden in Österreich von staatlicher Seite nicht systematisch erhoben, dabei bildet eine solche Datengrundlage wie in anderen Bereichen auch die Basis für evidenzbasierte Gewaltschutzpolitik.

Nicht nur werden in Österreich Femizide per se nicht gesondert erfasst, geschlechtsspezifische Motive von Gewalttaten werden ebenso nicht erfasst und gelten bislang auch nicht als strafverschärfend - anders als Motive wie z.B. Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit (vgl. §33 Abs. 1 Z5 StGB). Dabei sind Femizide eben nicht einfach "nur" Frauenmorde, sondern der Mord an einer Frau, eben weil sie eine Frau ist. Das bedeutet, dass frauenverachtende Haltungen, patriarchale Strukturen und geschlechtsspezifische Gewalt untrennbar mit dieser Art von Morden verbunden sind. Ein trauriges Beispiel von vielen stellt der Mord des als "Bierwirt" bekannten Täters an seiner Ex-Partnerin dar. Der Mann fiel 2018 erstmals durch sexistische Hassnachrichten mit brutalen Gewaltphantasien an die Grünen-Politikerin Sigrid Maurer auf. Er hat im vergangenen Jahr seine Ex-Partnerin durch einen Kopfschuss hingerichtet, nachdem sich diese wenige Tage zuvor von ihm getrennt hatte. Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen basiert auf breiten gesellschaftlichen Strukturen und tradierten Geschlechtszuschreibungen und Rollenbildern, die in so gut wie alle Lebensbereiche eindringen und Frauen mehr oder weniger gewaltvoll unterdrücken. Die Spitze des Eisbergs, der Femizid, ist daher nicht einfach ein Frauenmord, sondern "Mord gewordener struktureller Sexismus".1

Um dieses Phänomen entsprechend bekämpfen zu können, braucht die Politik spezifische, umfassende Datenerhebungen zu Femiziden in der Kriminalstatistik. Zurzeit erfasst die Kriminalstatistik lediglich Morde und Mordversuche nach Geschlecht, nicht aber, ob ein geschlechtsspezifisches, frauenverachtendes Motiv vorlag und in welcher Beziehung Täter und Opfer zueinander standen. Dadurch wird das geschlechtsspezifische Phänomen Femizid, also frauenfeindliche Morde, mit den anderen Morden vermischt und bleiben so unsichtbar. Ähnlich verhielt es sich bei Straftaten gegen Personen aus der LGBTIQ-Community, auch sie wurden nicht gesondert erfasst bzw. LGBTIQ-feindliche Tatmotive erhoben, sodass die Kriminalstatistik keinerlei Informationen zu diesem Thema liefern konnte, während Studien wie die der Europäischen Grundrechteagentur2 einen massiven Anstieg von Diskriminierung und Gewalt gegenüber LGBTIQ-Personen belegten - anders als bei Femiziden wurde hier bereits nachgebessert und mittlerweile werden diese Daten in der Kriminalstatistik erfasst. Was Femizide betrifft, so hat auch Deutschland den dringenden Handlungsbedarf erkannt und erfasst seit 01. Jänner 2022 Delikte in der Kriminalstatistik im Detail, die "aufgrund von Vorurteilen bezüglich eines Geschlechts beziehungsweise einer geschlechtlichen Identität begangen werden".3 Es ist dringend notwendig, dass auch Österreich diesen Schritt geht und Femizide, also Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, und die zugehörigen geschlechtsspezifischen Tatmotive gesondert und im Detail in der Kriminalstatistik erfasst.

 

1 https://www.treffpunkteuropa.de/weil-sie-frauen-sind-die-dramatische-lage-der-femizide-in-osterreich?lang=fr

2 https://fra.europa.eu/en/publication/2020/eu-lgbti-survey-results

3 https://www.welt.de/politik/deutschland/article236804333/Wenn-Frauen-sterben-weil-sie-Frauen-sind.html

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres und die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien, wird aufgefordert, in der polizeilichen Kriminalstatistik Femizide fortan gesondert zu erfassen und Informationen zu zentralen Indikatoren wie der Beziehung zwischen Tätern und Opfern sowie zu geschlechtsspezifischen, frauenfeindlichen Tatmotiven zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird diese höchste Form der geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen sichtbar gemacht und die notwendige Datengrundlage zum Kampf gegen Femizide bereitgestellt. Die Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien wird aufgefordert, hierfür eng mit dem Bundesminister für Inneres zusammenzuarbeiten, um dieses Vorhaben schnellstmöglich umzusetzen und basierend auf dieser grundlegenden Datenbasis evidenzbasierte Maßnahmen gegen Femizide zu setzen."  

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gleichbehandlungsausschuss vorgeschlagen.