2433/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 27.04.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Mag.a Yildirim,

Genossinnen und Genossen

 

betreffend sofortiges Demokratie- und Transparenzpaket – Österreich muss wieder die Einstufung als liberale Demokratie erreichen

 

Im DEMOCRACY REPORT 2022 des V-Dem Institue – Univerity of Gothenburg wird ein vernichtendes Bild der Demokratieentwicklung weltweit gezeichnet.

 

Das Demokratieniveau, das der durchschnittliche globale Bürger im Jahr 2021 erlebt, ist in den letzten zehn Jahren auf das Niveau von 1989 gesunken. Die letzten 30 Jahre der demokratischen Fortschritte wurden damit ausgerottet. Im Jahr 2012 gab es den Spitzenwert von 42 liberalen Demokratien weltweit, die höchste Stufe der Demokratieentwicklung. Nunmehr sind wir 2022 auf den Stand von 34 gefallen, den niedersten Wert seit 25 Jahren; damit leben nur mehr 13% der Weltbevölkerung in entwickelten Demokratien.

 

Auch im Bereich der Meinungsfreiheit haben sich 35 Länder in den letzten Jahren teils erheblich verschlechtert, während sich im selben Zeitraum nur fünf Länder verbessert haben.

 

Dafür sind Diktaturen im Anstieg: Nunmehr sind 30 Staaten als Diktaturen gelistet, ein Plus von fünf Ländern, das sind insgesamt 26% der Weltbevölkerung.

 

Wäre diese weltweite Entwicklung nicht schon schrecklich genug, ist Österreich doppelt betroffen. Im Report heißt es auf Seite 14 wörtlich:

 

Two countries – Armenia and Bolivia – made democratic transitions from electoral autocracy to electoral democracy in 2021. But four countries were also downgraded over the last year from liberal democracy to electoral democracy: Austria, Ghana, Portugal, and Trinidad and Tobago. For Austria, a significant decline on the indicator for transparent laws and predictable enforcement is a decisive change that contributed to Austria falling below the criteria for liberal democracy.

 

Arbeitsübersetzung (DeepL)

 

Zwei Länder – Armenien und Bolivien – haben 2021 demokratische Übergänge von der Wahlautokratie zur Wahldemokratie vollzogen. Aber auch vier Länder wurden im vergangenen Jahr von der liberalen Demokratie zur Wahldemokratie herabgestuft: Österreich, Ghana, Portugal und Trinidad und Tobago. Für Österreich ist ein deutlicher Rückgang des Indikators für transparente Gesetze und berechenbare Durchsetzung eine entscheidende Veränderung, die dazu beigetragen hat, dass Österreich unter die Kriterien für eine liberale Demokratie gefallen ist.

 

Österreich ist also nicht mehr als liberale Demokratie gelistet, sondern ist auf den Rang einer Wahldemokratie herabgesunken, eine Form der Demokratie, die die Bürger*innen von aktiver Politikteilnahme mit Ausnahme von Wahlen ausschließt. Begründet wurde das mit einem deutlichen Rückgang der Indikatoren für transparente Gesetze und berechenbare Durchsetzung (von Gesetzen).

 

Die Opposition fordert seit langem eine Lückenschließung in diesen Bereichen ein, jedoch werden alle diesbezüglichen Vorlagen im Verfassungs- und im Justizausschuss permanent von den Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne sinnbefreit vertagt.

 

Als Beispiel dafür dient der Antrag 60/A der Abg. Mag. Leichtfried betreffend Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und Schaffung der Informationsfreiheit:

 

 

 

Österreichs Demokratie leidet unter den Korruptionsaffären und mangelnder Transparenz. In vielen Einstufungen bzgl. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Korruption oder Pressefreiheit wurde Österreich in den vergangenen Jahren herabgestuft. Der Bundesregierung fehlt es offensichtlich an Problembewusstsein. Anträge wie jener für eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft von SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim werden blockiert. Maßnahmen gegen Korruption müssen endlich umgesetzt werden, denn sie schadet massiv der Demokratie.[1]

 

 

Vielleicht sollte man auf Experten hören, wenn schon die Opposition ignoriert wird:

 

Internationale Studie: Österreich ist keine liberale Demokratie mehr

Heimische Experten sehen "Warnsignal" und fordern Reformen.

von Diana Dauer

Der renommierte Demokratiebericht des Varieties of Democracies Instituts (V-Dem) der Universität Göteborg hält Österreich für keine liberale Demokratie mehr. Die Republik wurde in der Studie vom höchsten demokratischen Ideal auf das Niveau einer "Wahldemokratie" herabgestuft. 

 

Zurecht, meinen die Experten Anton Pelinka und Fritz Plasser auf Anfrage des KURIER. Laut dem Bericht liegt Österreich nun auf Stufe zwei des vierstufigen Demokratieindex (eins ist die beste Stufe), vor Ländern wie Bolivien und Armenien. Schlechter steht es um Länder wie Russland und Belarus, sie gelten als "Wahlautokratien".

In der niedrigsten Kategorie finden sich Ländern wie Nordkorea, China und Vietnam - sie sind "geschlossene Autokratien".

 

Was aber bedeutet dieser Befund - und ist er gerechtfertigt? Sollten nun, wie die Neos anmerken, "die Alarmglocken unüberhörbar schrillen"?

"Es ist jedenfalls ein Warnsignal", analysiert der Politikwissenschafter Fritz Plasser. Aber worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen den Demokratieformen? "

Eine Wahldemokratie ist ein System, das den minimalen Standards der Demokratie entspricht - freie und faire Wahlen, deren Ergebnisse nicht in Frage gestellt werden und zur Bildung einer Regierung legitimieren", erklärt der Politologe Anton Pelinka. "Eine liberale Demokratie ist mehr: Dazu zählt eine garantiert unabhängige Kontrolle durch die Justiz, maximale Möglichkeiten für die Kontrolle der Regierung durch die Opposition, und eine pluralistische Breite der und innerhalb der Medien", so Pelinka.

"Unkontrollierter Wildwuchs in der Parteienfinanzierung"

Eine exakte Grenzziehung zwischen diesen beiden Demokratieformen sei aber nicht möglich, räumt Pelinka ein. Auch Plasser hat mit der Begriffsdefinition Schwierigkeiten. "Die Verschlechterung Österreichs ist aber angesichts der innenpolitischen Berichterstattung der vergangenen 1,5 Jahre mit Kanzlerrücktritten und U-Ausschüssen nicht überraschend", urteilt Plasser.


 

Pelinka hält die Herabstufung für gerechtfertigt, das liege an dem "politischen Charakterbild, das seit Ibiza deutlich wurde: ein kaum kontrollierter Wildwuchs in der Parteienfinanzierung und damit eine unfaire Verzerrung des demokratischen Wettbewerbs, der begründete Eindruck der Käuflichkeit von Privilegien - Beispiel: Siegfried Wolf - und politischer Einfluss auf die Justiz - Beispiel: der Verdacht gegen Sektionschef Pilnacek und den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien", erklärt Pelinka dem KURIER.

 

Das Forschungsteam, das den Bericht erstellt hat, begründet Österreichs Herabstufung mit einem deutlichen Rückgang bei dem "Indikator für transparente Gesetze und vorhersehbare Durchsetzung".

Als problematisch sieht Plasser, dass Transparenzgesetze wie das Informationsfreiheitsgesetz auf sich warten lassen. "Das schlägt sich auch im indikatorengestützten Monitoring des Demokratieberichts nieder." In der Bevölkerung und der Öffentlichkeit gebe es zudem einen generalisierten Eindruck der Korruption und Intransparenz der Eliten, Politik und Institutionen.

"Demokratiereformpaket"

"Es ist höchst an der Zeit ein Demokratiereformpaket zu schnüren", sagt Fritz Plasser. Darin sollen stärkere Unvereinbarkeitsbestimmungen, schärfere Prüfungen der Parteienfinanzierung, mehr Transparenz sowie die Aufhebung des Amtsgeheimnisses verankert sein.

 

Das niedrigere demokratiepolitische Niveau, auf das Österreich nun gefallen ist, sei nicht in Stein gemeißelt. "Das Paradoxe ist, dass der Beginn der öffentlichen Debatte über diese Zustände eigentlich wieder eine bessere Einstufung Österreichs ermöglichen könnte", urteilt der Politologe Anton Pelinka abschließend.

Auch global hat sich die Lage übrigens verschlechtert: 2012 gab es mit 42 die meisten liberalen Demokratien. 2021 sind es nur mehr 34, das ist der niedrigste Wert seit 1995. Die meisten Menschen auf der Welt, nämlich 3,4 Milliarden, leben in Wahlautokratien.


 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Entschließung:

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für EU und Verfassung sowie die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend im Sinne der oben genannten Experten ein Demokratiereformpaket vorzulegen, welches in Österreich den Bürgerinnen und Bürgern endlich die Informationsfreiheit garantiert und die Amtsverschwiegenheit abschafft. Darüber hinaus soll dieses Paket die Unabhängigkeit der Justiz stärken und die Anti-Korruptionsbestimmungen schärfen.

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss

 



[1] SPÖ-Yildirim: „Bundesregierung kommt bei Korruptionsbekämpfung nicht in die Gänge“ | SPÖ-Parlamentsklub, 07.04.2022 (ots.at)