2721/A(E) XXVII. GP

Eingebracht am 08.07.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Reform des Sanitätergesetzes

Gesetze sind da, um verbindliche Richtlinien zu schaffen und der Bevölkerung und dem Staat so langfristig Orientierung in der Handhabung unterschiedlicher Materien zu geben. Bei Berufsgesetzen verhält es sich aber anders, da sie schließlich auch mit der Zeit gehen müssen, um den Wandel, den Berufsbilder durch gesellschaftlichen Wandel erfahren, widerzuspiegeln. Begutachtet man das Sanitätergesetz, das 2022 sein zwanzigjähriges Bestehen feiert, sieht man aber, dass das nicht passiert ist.

Das österreichische Sanitätergesetz basiert auf sehr kurzen Ausbildungszeiten [vgl. insbesondere Abschnitt 2, SanG (1)], die den Einstieg in den Beruf niederschwellig ermöglichen. Wie in vielen anderen Berufsgruppen hat sich international in den vergangenen Jahren ein Trend zur weiteren Professionalisierung und Akademisierung gezeigt, der die Versorgungsqualität, Patientensicherheit und auch die wahrscheinlichen individuellen Outcomes von Patient_innen verbessert. Ebenso wie in vielen anderen Bereichen des Gesundheitssystems gibt es in Österreich aber einen eklatanten Datenmangel, der derartige internationale Vergleiche nicht erlaubt.

Spätestens bei genauerer Analyse des Sanitätergesetzes zeigen sich deshalb automatisch dessen Schwächen. Wer nach einer Tätigkeit im Rahmen eines Zivildienstes oder Ehrenamts hauptberuflich als Sanitäter_In arbeiten will, muss ein zusätzliches Berufsmodul absolvieren. Noch schwerwiegender für Sanitäter_Innen dürfte deshalb die aktuelle Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes sein, dass selbst Notfallsanitäter_innen aufgrund ihrer mangelnden Kompetenzen selbst mit Berufsmodul keinen Berufsschutz genießen und sich daher auch bei jahrzehntelanger Tätigkeit nicht für beispielsweise Berufsunfähigkeit qualifizieren (2). Nun kann über die Wertigkeit unterschiedlicher Berufe zwar diskutiert werden, nachdem das Sanitätswesen aber zur direkten Zuständigkeit des Staates gehört, sollte die Republik sozusagen die Erfüllung ihrer Tätigkeit etwas ernster nehmen und mit einer Reform des Sanitätergesetzes das Berufsbild aktualisieren und den Mitarbeiter_innen mehr Anerkennung zukommen lassen.

Kritisch ist hierbei wohl auch, dass die Aufgaben von Rettung und Notfallrettung unterschiedlich verteilt sind und auch die Landessanitätsgesetze nicht unbedingt zu einer Vereinheitlichung des Arbeitsalltags führen. Da diese getrennten Zuständigkeiten zu extrem komplizierten Finanzierungsstrukturen führen, ist die Verteilung von Ressourcen und den damit verfügbaren Kompetenzen beim Personal nur schwer zu steuern. Möglicherweise und wohl auch deshalb haben sich in der zweiten Republik dezidiert Organisationen für die Zuverfügungstellung von Rettungskräften hervorgetan und sind dementsprechend auch gesetzlich verankert [vgl. §23(1) SanG, (1)]. Auch hier kann wiederum darüber debattiert werden, ob und inwiefern derartige Regelungen überhaupt europarechtskonform sind (3), doch spätestens durch die Monopolisierung der Rezertifizierungsprüfungen [vgl. §51(2) SanG, (1)] sind auch die Ausbildungsmöglichkeiten dezidiert von diesen Einrichtungen abhängig.

Potenzieller Qualitätsverlust durch die Pandemie

Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Definitionen im Gesetz schon in der ursprünglichen Ausbildung nicht normiert ist, welche Ausbildungsinhalte in welchem Ausmaß gelehrt werden müssen und die zugehörige Verordnung (4) normiert diese Inhalte nicht eindeutig. Infolgedessen kann es theoretisch zwischen verschiedenen Ausbildungsträgern zu erheblichen Unterschieden kommen, wobei infolge der Covid- 19-Pandemie weitreichende Änderungen erfolgten, die einerseits den mangelnden Fokus auf das Rettungswesen aufzeigen und andererseits erhebliche Qualitätseinbußen bedeuten könnten.

So wurde beispielsweise die Blutabnahme aus der Kapillare zur Bestimmung von Antikörpern im Kontext der Pandemie erlaubt - eine Maßnahme, die aufgrund der mangelnden Anerkennung von Antikörpertests rasch zu totem Recht wurde. Eine kapillare Blutabnahme kann in der Praxis beispielsweise bei diabetischen Patient_Innen zur Statuserkennung genutzt werden und damit echte Erleichterungen im Alltag bedeuten - allerdings folgenlos, da Sanitäter_Innen keine Behandlungen dafür vornehmen dürfen. Es zeigt sich also, dass es lediglich im pandemischen Kontext immer wieder zu raschen Kompetenzanpassungen im SanG kam. Noch weitreichender sieht man dies etwa am §14(4) oder §43(3), die nunmehr eine Berufstätigkeit ohne erfolgreichen Abschluss des Berufsmoduls erlauben. Da die Pandemie in diversen Gesetzen ohne geeignete Faktenbasis immer wieder auch sehr weit in die Zukunft verlängert wird, ist davon auszugehen, dass der Anteil der berufsmäßig tätigen Sanitäter_Innen ohne Berufsmodul bis zum Ende der Pandemie zunehmen könnte.

Desweiteren zeigt sich besonders im Rettungswesen, das föderale Unterschiede den ohnehin schon groben Rahmen des Berufsgesetzes konterkarieren. So werden viele Details über Landesrettungsgesetze geregelt, wie beispielsweise Medikamentenlisten. Dies kann dazu führen, das Notfallsanitäter_Innen mit Kompetenzen in der Arzneimittellehre (NKAs) möglicherweise in ihrem Bundesland mehr Medikamente verbreichen dürfen, als in ihrem Nachbarbundesland. Kommt nun zu Einsätzen in Grenzregionen ist der bürokratische Aufwand bis NKAs wissen, welche Medikamente sie nun verabreichen dürfen, enorm beziehungsweise schafft der Zeitmangel in Notfallsituationen dementsprechend automatisch Rechtsunsicherheit für das betroffene Personal.

Ebenso kann es durch die verschiedene Handhabung von Ausbildung und Tätigkeitsverhältnissen zu Teammischungen, die in der Praxis nicht immer alle nötigen Tätigkeitsprofile abbilden. So gibt es Einsatzsituationen, in denen zwei Rettungssanitäter alleine nicht die ideale Besetzung darstellen würden. Regelungen dafür weichen aber wiederum in allen Bundesländern ab und auch dort, wo es derartige Regelungen gibt, können diese aufgrund des Personalmangels oft nicht eingehalten werden. Infolge dessen müsste überlegt werden, wie für genügend Nachwuchs im Rettungswesen gesorgt werden kann - unabhängig von der Art des Tätigkeitsverhältnisses. Durch einheitliche Ausbildungs- und Qualitätsstandards und stufenweise entstehenden Standards, wie Sanitäterteams zusammengesetzt sein müssen, kann hier aber eine nachhaltige Verbesserung im Sinne der Patientenversorgung und einer höherqualitativen präklinischen Versorgung erfolgen.

In Folge all dieser - wenn auch ausgewählten - Beispiele zeigt sich, dass das Sanitätergesetz in seiner derzeitigen Form Berufsangehörigen keine Möglichkeiten gibt, das Rettungswesen bestmöglich zu nutzen und zu betreiben und Patient_Innen nicht gemäß des Gleichheitsgrundsatzes behandelt werden können.

1.    https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20001744

2.    https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20220329_OGH0002_010OBS00032_22M0000 000/JJT_20220329_OGH0002_010OBS00032_22M0000000.html

3.    https://www.derstandard.at/story/2000103438912/ausschreibungsfrei-halber-wettbewerb-fuer-rettungsdienste

4.    https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassunq.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer-20002916

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit,

Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Vorlage zur

Reform des Sanitätergesetzes vorzulegen, die

       klar definierte Ausbildungsinhalte und -Zertifikate vorgibt, die auch unabhängige Institutionen zur Aus- und Weiterbildung von Sanitätern ermächtigt

       für berufsmäßige Sanitäter_innen einen Berufsschutz ermöglicht

       bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen zur Praxis des Berufs (wie beispielsweise bei Medikamentenlisten) vorgibt"

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den

Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.