Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Allgemeines:

Das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15. November 1965 (in der Folge Zustellungsübereinkommen 1965, Übereinkommen oder HZÜ) hat gesetzesändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Übereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Übereinkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Das Übereinkommen ist in englischer und französischer Sprache authentisch. Dem Nationalrat werden gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG die authentische englische und französische Sprachfassung sowie die Übersetzung ins Deutsche zur Genehmigung vorgelegt.

Grund der Ratifikation:

Mit dem Zustellungsübereinkommen 1965 wurden die Art. 1 bis 7 der Haager Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 (dabei handelt es sich um die Bestimmungen, die Zustellungen betreffen) durch neue, praxistauglichere Regelungen ersetzt. Allerdings tritt diese Wirkung nur zwischen den Vertragsstaaten der alten Übereinkommen ein, die dem neuen Übereinkommen angehören. Im Verhältnis eines Vertragsstaats der alten Übereinkommen und des neuen Übereinkommens zu einem Staat, der nur Mitglied der Zivilprozessübereinkommen von 1905 oder 1954 ist, sowie zwischen Staaten, die nur den früheren Übereinkommen angehören, bleiben die früheren Übereinkommen von 1905 und 1954 in Kraft.

Nachdem von Praktikerseite Bedarf an einer Ratifikation des Zustellungsübereinkommens 1965 durch Österreich geäußert worden war und auch die Haager Konferenz selbst immer wieder die Vorteile des Übereinkommens für Österreich herausgestrichen hatte, ersuchte Österreich die Europäische Union bereits vor einigen Jahren um Erteilung der Genehmigung zur Unterzeichnung und Ratifikation. Die Ermächtigung wurde nach einigen Urgenzen Österreichs und längeren Verhandlungen auf Ratsebene mit Beschluss vom 10. März 2016 rechtswirksam erteilt (ABl. Nr. L 75 vom 22.03.2016 S. 1). Mit demselben Beschluss wurde auch Maltas Beitritt zum Übereinkommen genehmigt, sodass in naher Zukunft sämtliche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Vertragsstaaten des Zustellungsübereinkommens 1965 sein werden.

Ebenso wie die Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 gilt das Zustellungsübereinkommen 1965 für die Zustellung in Zivil- oder Handelssachen, zu denen auch Arbeitsrechtssachen gehören, soweit sie dem Zivilrecht zuzurechnen sind. Straf-, Verwaltungsgerichts- und Steuersachen sind vom Anwendungsbereich ausgenommen.

Den wesentlichen Fortschritt des Zustellungsübereinkommens 1965 gegenüber dem für Österreich derzeit geltenden Übereinkommen betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen vom 1. März 1954, BGBl. Nr. 91/1957, bringen die Bestimmungen der Art. 15 und 16. Mit diesen Regeln werden die Gefahren eingeschränkt, die vor allem von der „remise au parquet“ für eine in einem anderen Staat wohnende Partei eines gerichtlichen Verfahrens und für den internationalen Rechtsverkehr ausgehen.

Bei der „remise au parquet“ handelt es sich um ein vornehmlich im romanischen Rechtskreis verbreitetes System, bei dem das Zustellungsstück nicht tatsächlich an den Empfänger im Ausland zugestellt, sondern im Inland der Staatsanwaltschaft („parquet“) übergeben wird. Mit der Übergabe („remise“) gilt die Zustellung als bewirkt. Erst im Anschluss daran wird der Empfänger von der fristauslösenden Zustellung benachrichtigt, indem der Gerichtsvollzieher („huissier de justice“) spätestens am Tag nach der Übergabe des Schriftstücks an die Staatsanwaltschaft dem Empfänger eine Kopie des zugestellten Schriftstücks per Einschreiben mit Rückschein übermittelt (s. dazu ausführlich Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art. 1 EuZVO Rz 5; s. auch Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 1 HZÜ Rz 6).

Das Zustellungsübereinkommen 1965 enthält zur „remise au parquet“ eine Kompromisslösung, die darin besteht, dass für die besonders wichtige Zustellung einer Klage oder eines Versäumungsurteils „mittelbare Sanktionen“ eingeführt werden, welche die Durchführung des vertraglich festgelegten Übermittlungsverfahrens sicherstellen sollen: Ist zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens eine Ladung oder ein entsprechendes Schriftstück im Ausland zuzustellen und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so muss der Richter das Verfahren solange aussetzen, bis er feststellen kann, dass das Schriftstück dem Beklagten tatsächlich so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich hätte verteidigen können. Eine Säumnisentscheidung darf also nicht schon deswegen ergehen, weil nach dem Recht des Prozessstaates die Zustellung als im Inland rechtzeitig erfolgt gilt. Mit dieser Regelung werden die Interessen des Beklagten geschützt, rechtzeitig von einem Verfahren Kenntnis zu erlangen, das in einem anderen Vertragsstaat anhängig ist. Einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Systemen soll Art. 15 Abs. 2 HZÜ bringen: Nach dieser Bestimmung kann ein Vertragsstaat erklären, dass zur Hintanhaltung unzumutbarer Verfahrensverzögerungen unter bestimmten Voraussetzungen auch dann, wenn noch kein Zustellungszeugnis vom ersuchten Staat eingegangen ist, über den Rechtsstreit entschieden werden darf. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass seit Absendung des Zustellungsstücks mindestens sechs Monate vergangen sind und dass trotz aller zumutbaren Schritte bei den zuständigen Behörden des ersuchten Staates ein Zustellungszeugnis nicht zu erlangen war.

Ist derart eine Entscheidung gegen den nicht erschienenen Beklagten ergangen und hat er von der Ladung oder dem verfahrenseinleitenden Schriftstück ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis erlangt, dass er die erforderlichen Schritte hätte setzen können, so kann er nach Art. 16 HZÜ in angemessener Frist nach Erlassung der Entscheidung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Rechtsmittelfristen beantragen. Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist zudem, dass die Verteidigung des Beklagten nicht von vornherein aussichtslos scheint.

Das Übereinkommen geht allerdings nicht so weit, einheitlich für alle Vertragsstaaten festzulegen, in welchen Fällen eine Zustellung im Ausland erwirkt werden muss. Dies bestimmt sich vielmehr nach dem Recht des Verfahrensstaates (s. dazu Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 1 HZÜ Rz 5). Es hat jedoch insofern verpflichtenden Charakter, als es die Wege festlegt, auf denen Ersuchen zu übermitteln sind, wenn nach dem Recht des Prozessgerichtes eine Zustellung in einem anderen Vertragsstaat erforderlich ist. Außerdem ergibt sich aus dem Übereinkommen für den ersuchten Staat die Verpflichtung, einem Zustellungsersuchen nachzukommen und die Zustellung in der entsprechenden Form zu bewirken.

Die zweite wichtige Neuerung, die das Übereinkommen bringt, betrifft die technische Abwicklung. Die Zustellung hat über eine „Zentrale Behörde“ zu erfolgen, deren Organisation und Zusammensetzung den einzelnen Vertragsstaaten überlassen wird (Art. 2 HZÜ). Außerdem stellt das Zustellungsübereinkommen 1965 als Erleichterung für die Praxis in einer Anlage einheitliche Formulare für den Zustellungsantrag und das Zustellungszeugnis bereit.

Die früher üblichen Übermittlungswege (konsularischer oder diplomatischer Weg) sollen nur noch hilfsweise in besonderen Fällen eingeschlagen werden (Art. 9 HZÜ). Die Zustellung auf diplomatischem Weg soll überhaupt nur erfolgen, wenn „außergewöhnliche Umstände dies erfordern“. Österreich nimmt in Aussicht, einen Vorbehalt einzubringen, um klarzustellen, dass jegliche Zustellungen von Schriftstücken an die Republik Österreich auf diplomatischem Weg zu erfolgen haben.

Das Zustellungsübereinkommen 1965 schreibt allerdings nicht vor, dass alle Zustellungsersuchen über die in jedem Vertragsstaat einzurichtende Zentrale Behörde weiterzuleiten sind. Vielmehr sieht es daneben in seinen Art. 8 und 10 vier Formen der unmittelbaren Zustellung vor. Da diese Formen allerdings nach vielen Rechtsordnungen als Eingriff in staatliche Hoheitsrechte angesehen werden, besteht die Möglichkeit eines Opt-out.

Nach Art. 24 HZÜ bleiben Zusatzvereinbarungen zwischen Vertragsstaaten der Haager Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 anwendbar, außer die betreffenden Staaten vereinbaren Anderes.

Inhalt des Übereinkommens:

Das Zustellungsübereinkommen 1965, das der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000, ABl. Nr. L 324 vom 10.12.2007 S. 79 (in der Folge: Europäische Zustellungsverordnung), als Vorbild gedient hat, regelt, welche Übermittlungswege zu benutzen sind, wenn ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück in einem anderen Vertragsstaat des Übereinkommens zugestellt werden muss. Die Übermittlung wird durch das Übereinkommen vereinfacht. Schriftstücke werden demnach hauptsächlich über eine Zentrale Behörde weitergeleitet, die die Zustellung bewirkt oder veranlasst.

Auswirkungen der Ratifikation:

Durch die zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Geltung stehende Europäische Zustellungsverordnung ist seit Langem ein direkter Verkehr von Gericht zu Gericht im Verhältnis zu jenen Staaten, mit denen ein besonders starker Rechtshilfeverkehr besteht, abgesichert. Durch die Ratifikation des Zustellungsübereinkommens 1965 sind jedoch Erleichterungen bei den grenzüberschreitenden Zustellungen im Verhältnis zu Nicht-EU-Staaten, wie etwa den USA, zu erwarten. Grenzüberschreitende Zustellungen werden schneller und effektiver, was wiederum einerseits zu einer Beschleunigung von Gerichtsverfahren und andererseits zu einer gewissen Aufwandsersparnis führt.

Finanzielle Auswirkungen:

Durch die Ratifikation des Zustellungsübereinkommens 1965 ist zu erwarten, dass es zu einer zumindest teilweisen Beschleunigung von Gerichtsverfahren kommt, bei denen Zustellungen in anderen Vertragsstaaten des Übereinkommens vorzunehmen sind, sofern diese Zustellungen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Raschere Gerichtsverfahren haben zwar im konkreten Fall nicht bezifferbare, aber grundsätzlich positive Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und die Finanzlage.

Durch die Ratifikation erfolgen keine Aufgabenverschiebungen, die eine veränderte Personalverteilung und damit einen Planstellentransfer rechtfertigen würden. Budgetäre Auswirkungen sind mit diesem Vorhaben nicht verbunden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Unterzeichnung und Ratifikation des HZÜ ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 2 B-VG (äußere Angelegenheiten).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Besonderer Teil

Zu Art. 1

Art. 1 HZÜ beschreibt den Inhalt und bestimmt den Anwendungsbereich des Übereinkommens.

Nach Art. 1 Satz 1 ist das HZÜ in „Zivil- oder Handelssachen“ anzuwenden. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, definiert das Übereinkommen hingegen nicht. Allerdings verwenden den Begriff sowohl das Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18. März 1970 als auch das Übereinkommen betreffend das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen vom 1. März 1954. Letzteres hat auch Österreich ratifiziert (BGBl. Nr. 91/1957).

Das HZÜ legt auch nicht fest, nach welchem Recht diese Begriffe zu bestimmen sind, sodass diese Frage umstritten ist. Je nachdem, ob das Hauptaugenmerk auf einen möglichst weiten Anwendungsbereich des Übereinkommens oder aber einen möglichst effektiven Schutz der Vertragsstaaten vor fremden Rechtsvorstellungen gelegt wird, wird eine Qualifikation nach dem Recht des ersuchenden oder des ersuchten Staates oder auch eine kumulative Qualifikation nach dem Recht beider Staaten oder eine autonome, möglichst weitreichende Auslegung vorgeschlagen (etwa Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 1 HZÜ Rz 2 mwN).

Eine Orientierung zur Auslegung der Begriffe „Zivil- und Handelssachen“ kann jedenfalls die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geben, zumal auch die überaus bedeutsamen Verordnungen der Europäischen Union im Bereich der zivilgerichtlichen Zusammenarbeit, etwa die Europäische Zustellungsverordnung (für die das Übereinkommen Vorbild gewesen ist), die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, ABl. Nr. L 174 vom 27.06.2001 S. 1 (im Folgenden: Europäische Beweisaufnahmeverordnung), oder auch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO), ABl. Nr. L 351 vom 20.12.2012 S. 1, diese Begriffe verwenden, ohne sie zu definieren (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 1 HZÜ Rz 2).

Anwendbar ist das Übereinkommen immer dann, wenn nach dem Recht des ersuchenden Staates ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück zum Zwecke der Zustellung in einen anderen Vertragsstaat zu übermitteln ist. Auch das Begriffspaar „gerichtlich und außergerichtlich“ wurde bereits in den Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 verwendet und hat dieselbe Bedeutung wie in diesen Übereinkommen (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 1 HZÜ Rz 9). Zudem findet es sich in vielen Verordnungen der Europäischen Union. Unter gerichtlichen Schriftstücken sind solche zu verstehen, die im Zusammenhang mit einem bereits eingeleiteten Gerichtsverfahren stehen oder für die Einleitung eines solchen Verfahrens bestimmt sind. Hingegen stehen außergerichtliche Schriftstücke nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren, unterscheiden sich aber von rein privaten Dokumenten oder Mitteilungen dadurch, dass ihre Übermittlung nach dem anwendbaren nationalen Recht ein formalisiertes Zustellungsverfahren, d.h. die Beteiligung einer Behörde oder ähnlichen Stelle erfordert (s. dazu Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art. 1 EuZVO Rz 3; s. auch Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 1 HZÜ Rz 9ff).

In den Anwendungsbereich des HZÜ fallen vor diesem Hintergrund im Gegensatz zur Europäischen Zustellungsverordnung somit nur solche außergerichtlichen Schriftstücke, die „von Behörden und Justizbeamten eines Vertragsstaats stammen“. Mit dieser Umschreibung wurde ein Begriff angesprochen, der dem französischen Recht entlehnt ist, nämlich derjenige des „acte extrajudiciaire“. Dessen Kennzeichen ist, dass es sich um Dokumente handelt, die – sollen sie bestimmte zivilrechtliche Wirkungen auslösen – nur von einem Huissier ausgestellt werden können und von diesem zugestellt werden müssen, somit von einem „Justizbeamten“ stammen (s. dazu und für Beispiele Bajons in Fasching/Konecny², Art. 16 EuZVO Rz 1).

Nach Art. 1 Satz 2 gilt das Übereinkommen nicht, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist. Der Empfangsstaat ist also nicht verpflichtet, nach einer unbekannten Adresse zu forschen.

Das Übereinkommen hat insofern verpflichtenden Charakter, als es die Wege festgelegt, auf denen Ersuchen zu übermitteln sind, wenn nach dem Recht des Prozessgerichts eine Zustellung in einem anderen Vertragsstaat erforderlich wird. Außerdem folgt aus dem Übereinkommen die Verpflichtung des ersuchten Staates, einem solchen Ersuchen zu entsprechen.

Zu Art. 2

Nach Art. 2 HZÜ hat jeder Vertragsstaat eine „Zentrale Behörde“ zu bestimmen und zu benennen, über die der regelmäßige Übermittlungsweg führt. Diese Zentrale Behörde hat die Aufgabe, Zustellungsersuchen aus anderen Vertragsstaaten entgegenzunehmen, die Zustellung der Schriftstücke an den Empfänger zu bewirken oder zu veranlassen und das Zustellungszeugnis zu übermitteln oder für dessen Übermittlung zu sorgen.

Durch den Weg über eine Zentrale Behörde wird der konsularische Übermittlungsweg, den die Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 noch als Regel vorsehen, weitgehend ersetzt, wodurch grenzüberschreitende Zustellungen schneller und effektiver werden. Einen direkten Behördenverkehr, wie ihn die Europäische Zustellungsverordnung als Regel vorsieht, kennt das HZÜ hingegen nicht. Da die derzeit 73 Vertragsstaaten des weltweiten Übereinkommens über ganz unterschiedliche Rechtssysteme verfügen, ist die Einrichtung von zentralen Übermittlungsstellen ein guter Kompromiss zwischen einerseits der recht aufwändigen Übermittlung auf dem konsularischen Weg und andererseits dem besonders raschen unmittelbaren Behördenverkehr. Die zentralen Übermittlungsstellen bieten zudem den Vorteil, dass sich die Gerichte, sonstigen Behörden oder Gerichtsvollzieher des Übermittlungsstaats nur an eine einzige Stelle im Empfangsstaat wenden müssen, deren Anschrift einfach ausfindig gemacht werden kann (s. dazu unten).

Art. 18 Abs. 1 HZÜ gibt den Vertragsstaaten die Möglichkeit, außer der Zentralen Behörde weitere für ein bestimmtes Gebiet zuständige Behörden zu bestimmen. Von dieser Möglichkeit hat beispielsweise das Vereinigte Königreich Gebrauch gemacht und für England und Wales, Schottland und Nordirland jeweils eine Nebenbehörde bestimmt. Die ersuchende Stelle muss sich jedoch nicht zwingend an diese anderen Behörden wenden, sondern kann sich auch an die Zentrale Behörde wenden. Bundesstaaten haben nach Art. 18 Abs. 3 HZÜ die Möglichkeit, mehrere Zentrale Behörden zu bestimmen.

Für Österreich soll der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz als Zentrale Behörde genannt werden. Dieses ist bereits Zentralstelle nach der Europäischen Zustellungsverordnung. Die Einrichtung von Nebenbehörden oder weiteren Zentralen Behörden wäre nicht zweckmäßig.

Bezeichnung und Anschrift der von den Vertragsstaaten bestimmten Zentralen Behörden sind auf der Website der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (www.hcch.net) abrufbar.

Zu Art. 3

Welche staatlichen oder gerichtlichen Stellen des Übermittlungsstaates Ersuchen an die Zentrale Behörde im Empfangsstaat richten dürfen, richtet sich nicht nach dem Übereinkommen, sondern bestimmt sich nach dem nationalen Recht des Übermittlungsstaates. In Österreich obliegt dies in der Regel dem für das Verfahren zuständigen Richter oder Senatsvorsitzenden des Prozessgerichts. Privatpersonen können sich nicht an die Zentrale Behörde wenden. Dem Wortlaut des Art. 3 HZÜ steht aber nicht entgegen, dass ein englischer „Solicitor“, der nach englischem Recht für die Zustellung Sorge zu tragen hat, die Zentrale Behörde um eine Zustellung ersucht (s. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 3 HZÜ Rz 1).

Für die Abfassung des Ersuchens ist das dem Übereinkommen als Anlage angeschlossene Standardformular „Muster für das Ersuchen und das Zustellungszeugnis“ zu verwenden (zum entsprechenden Sprachenregime s. unten bei Art. 7).

Abs. 1 bestimmt ausdrücklich, dass weder das Ersuchen noch die anderen beigefügten Schriftstücke einer Beglaubigung oder einer anderen entsprechenden Förmlichkeit bedürfen. Es genügt, wenn das Ersuchen die Unterschrift und/oder den Stempel des Absenders trägt.

Die Regelung in Abs. 2, wonach dem Ersuchen alle zuzustellenden Schriftstücke (und auch das Ersuchen selbst) zweifach beizufügen sind, dient dazu, die Arbeit bei der ersuchten Zentralen Behörde zu erleichtern. Es muss sich dabei nicht um beglaubigte Abschriften handeln. Vielmehr ist es ausschließlich Sache des Rechts des Ursprungsstaates zu entscheiden, ob die Zustellung von Originalen, Ausfertigungen, beglaubigten Abschriften oder einfachen Abschriften, die mit der Zustellung beabsichtigte Wirkung entfaltet (Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 3 HZÜ Rz 4). Nach Art. 20 lit. a HZÜ können die Vertragsstaaten vereinbaren, diese Bestimmung nicht anzuwenden, und somit davon absehen, Schriftstücke zweifach zu übermitteln. Österreich wird von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen.

Zu Art. 4

Nach Art. 4 HZÜ hat die Zentrale Behörde Ersuchen, die nicht dem Übereinkommen entsprechen, unter Anführung der Gründe an die ersuchende Stelle im Ursprungsstaat zurückzusenden.

Bei den in dieser Vorschrift angesprochenen Mängeln handelt es sich im Gegensatz zu Art. 13 HZÜ um solche formeller Art, etwa um Abweichungen vom Formular aus dem Anhang, fehlende Anlagen, falsche oder gar fehlende Anschriften oder auch um Zweifel an der Authentizität des Ersuchens. Nach herrschender Meinung sind Ergänzungen der Zentralen Behörde aus eigenem Wissen, liquiden Erkenntnisquellen einschließlich telefonischer Rückfragen bei der ersuchenden Stelle oder bei den Verfahrensbeteiligten zulässig und angeraten (vgl. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 5 HZÜ Rz 1).

Um Verzögerungen zu vermeiden, soll die Zentrale Behörde des ersuchten Staates die ersuchende Behörde alsbald unterrichten, wenn sie der Ansicht ist, dass den Erfordernissen des Übereinkommens nicht entsprochen wurde. Damit Fehler rasch richtiggestellt werden können, sieht das Übereinkommen ausdrücklich vor, dass die ersuchte Behörde mitzuteilen hat, welcher Mangel ihrer Ansicht nach vorliegt, indem sie die Einwände gegen den Antrag im Einzelnen anführt.

Zu Art. 5

Bei Art. 5 HZÜ handelt es sich um eine der Kernbestimmungen des Übereinkommens, wird hier doch die eigentliche Zustellung geregelt.

Die Haager Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 unterscheiden zwischen der formlosen Zustellung, bei der das Schriftstück dem Empfänger übergeben wird, wenn er zur Annahme bereit ist, und der förmlichen Zustellung nach den Formvorschriften, die von den innerstaatlichen Rechtsvorschriften für die Bewirkung gleichartiger Zustellungen vorgeschrieben sind, oder auf Wunsch des ersuchenden Staates in einer besonderen Form.

Das Zustellungsübereinkommen 1965 stellt – anders als die Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 – die förmliche Zustellung in den Vordergrund. Diese förmliche Zustellung hat nach den Rechtsvorschriften zu erfolgen, die der ersuchte Staat für die Bewirkung gleichartiger Zustellungen im Inland hat (Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ). Das wird als Garantie dafür angesehen, dass die Zustellung ordnungsgemäß durchgeführt wird.

Weiters kommt in Betracht, dass die Zustellungsstücke in einer besonderen, von der ersuchenden Stelle gewünschten Form zugestellt werden. Dies ist nur dann unzulässig, wenn diese Form mit dem Recht des ersuchten Staates unvereinbar ist (Art. 5 Abs. 1 lit. b HZÜ).

Mit Abs. 2 wird jedoch auch noch die Möglichkeit eröffnet, das Schriftstück, wenn die ersuchende Stelle keine besondere Form wünscht, dem Empfänger durch einfache Übergabe zuzustellen, sofern dieser zur Annahme bereit ist. Somit ist die formlose Zustellung ohne Zwang auch nach dem HZÜ möglich.

Neben der Tatsache, dass nach dem Zustellungsübereinkommen 1965 die förmliche Zustellung auch im internationalen Zustellungsverkehr in den Vordergrund tritt, ist die neue, von den Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 grundsätzlich abweichende Regelung betreffend die Übersetzung von erheblicher Bedeutung: Während nach den Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 die förmliche Zustellung gegen den Willen des Empfängers nur möglich ist, wenn das zuzustellende Schriftstück in der Sprache der ersuchten Behörde abgefasst ist, kann nach Art. 5 HZÜ auch ein fremdsprachiges Schriftstück zugestellt werden. Einen Ausgleich für die fehlende Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke in die Sprache der ersuchten Behörde sieht Art. 5 Abs. 4 HZÜ vor, der in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 HZÜ regelt, dass nach dem Muster des Ersuchens der wesentliche Inhalt der zuzustellenden Schriftstücke in englischer oder französischer Sprache oder in (einer) der Amtssprache(n) des ersuchten Staates wiederzugeben und dem Empfänger auszuhändigen ist. Kann der Zustellungsempfänger diese Angaben in englischer oder französischer Sprache nicht verstehen oder reichen die Angaben nicht aus, um seine Prozessführung im ersuchenden Staat vorzubereiten, so muss er sich selbst um die Übersetzung des Schriftstücks kümmern und die Kosten dafür tragen.

Mit dieser Regelung wollte man seinerzeit den Aufwand der Herstellung einer Übersetzung in gerechter Weise auf die Verfahrensparteien verteilen. Der nunmehr im europäischen Raum – so auch in Österreich – vertretenen Ansicht, die sich auch in der Europäischen Zustellungsverordnung (sh. deren Art. 8) widerspiegelt, entspricht die Regelung jedoch nicht mehr. Nach dieser Ansicht erfüllt eine Zustellung nur dann ihren Zweck, wenn sie so geschieht, dass der Empfänger vom Inhalt der Zustellungsstücke sichere Kenntnis nehmen kann. Voraussetzung dafür ist aber die Verwendung einer Sprache, die der Empfänger versteht. Angesichts des großen Kreises an Vertragsstaaten des Zustellungsübereinkommens 1965 kann man nicht damit rechnen, dass ein erheblicher Teil von Empfängern Schriftstücke mit juristischem Inhalt, die in der Sprache des ersuchenden Staates verfasst sind, hinreichend verstehen kann. Der Empfänger wird vielmehr in der Regel nur dann genaue Kenntnis vom Inhalt nehmen können, wenn das Schriftstück mit einer Übersetzung zugestellt wird oder er selbst eine Übersetzung herstellen lässt.

Dem Zustellungsempfänger sollte die Beschaffung der Übersetzung aber nicht zugemutet werden. Dies aus mehreren Gründen: Einerseits kann die Herstellung der Übersetzung bei einem mehrseitigen Dokument mit nicht unerheblichen Kosten verbunden sein, andererseits besteht aber auch – insbesondere wenn es sich um eine weniger verbreitete Sprache handelt – die Gefahr, dass die Herstellung der Übersetzung eine längere Zeit in Anspruch nimmt. Dies wiederum kann dazu führen, dass der Empfänger nicht so fristgerecht vom Inhalt der Schriftstücke Kenntnis erhält, dass er noch dem ausländischen Gericht gegenüber reagieren kann oder ihm eine ausreichende Vorbereitungszeit verbleibt.

Die im Formblatt aus dem Anhang für die Zustellung vorgesehenen zusammenfassenden „Angaben über den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks“, die dem Empfänger gemäß Art. 5 Abs. 4 HZÜ auszuhändigen sind, können eine vollständige Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke im Regelfall nicht ersetzen. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Formular in englischer oder französischer Sprache oder in der Sprache des ersuchenden Staates abgefasst ist (Art. 7 Abs. 1) und in Englisch oder Französisch ausgefüllt sein kann (Art. 7 Abs. 2). Aber selbst für den Fall, dass der Empfänger die Sprache, in der das Formular ausgefüllt ist, versteht, ist davon auszugehen, dass das Formular nur stichwortartige Angaben enthält, die es dem Zustellungsempfänger nicht ermöglichen, seine Einlassung auf den Rechtsstreit ordnungsgemäß vorzubereiten.

Damit jeder Staat Nachteile aus dieser Regelung für die in seinem Gebiet wohnenden Zustellungsempfänger vermeiden kann, gibt Art. 5 Abs. 3 HZÜ den Zentralen Behörden die Befugnis zu verlangen, dass das zuzustellende Schriftstück, wenn es förmlich zugestellt werden soll, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des ersuchten Staates abgefasst oder in diese übersetzt ist.

Es kann von den Zentralen Behörden aber nicht verlangt werden, in jedem Fall, in dem ein Schriftstück in einer Fremdsprache zugestellt werden soll, vorweg zu überprüfen, ob der Empfänger diese Sprache so ausreichend versteht, dass die Zustellung gegen den Willen des Empfängers durchgeführt werden kann, ohne seine Rechte zu beeinträchtigen.

Im Fall der förmlichen Zustellung sieht das Zustellungsübereinkommen 1965 ein Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers wegen Fremdsprachigkeit der Zustellungsstücke nicht vor. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Schlechterstellung im Vergleich zu der im Bereich der Europäischen Union geltenden Europäischen Zustellungsverordnung, aber auch zu der formlosen Zustellung nach diesem Übereinkommen (sh. dazu unten). Um den nunmehr aktuellen Standards gerecht zu werden und Nachteile aus dieser Regelung für die in Österreich wohnenden Zustellungsempfänger zu vermeiden, wird eine solche Übersetzung daher für die förmliche Zustellung stets und nicht nur im Einzelfall von der Zentralen Behörde zu verlangen sein.

Um die übrigen Vertragsstaaten von dieser Ansicht zu informieren, wird Österreich aus Anlass der Ratifikation erklären, dass es nur deutsche oder von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitete Schriftstücke förmlich zustellt.

Zwar ist eine solche Erklärung in Art. 21 HZÜ nicht eigens vorgesehen, es haben aber schon einige andere Vertragsstaaten entsprechende Erklärungen abgegeben wie etwa Argentinien, Australien, Bulgarien, Deutschland, Luxemburg, Russland, Schweden und das Vereinigte Königreich.

Art. 20 lit. b HZÜ lässt Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten zu, dass die Zentralen Behörden der beteiligten Staaten keine Übersetzungen mehr verlangen. Ebenso können Staaten vereinbaren, dass den Empfängern keine zusammenfassende Darstellung des Inhalts der zuzustellenden Schriftstücke übergeben werden muss (Art. 20 lit. c HZÜ). Von diesen Möglichkeiten sollte Österreich keinen Gebrauch machen.

Soll ein Schriftstück formlos zugestellt werden, so ist eine Übersetzung nicht zwingend erforderlich. Voraussetzung für die formlose Zustellung nach Art. 5 Abs. 2 HZÜ ist allerdings, dass der Empfänger zur Annahme bereit ist. Er kann die Annahme aus beliebigen Gründen, also auch deshalb ablehnen, weil die Schriftstücke nicht in einer ihm verständlichen Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sind. Lehnt er die Annahme ab, so kann eine formlose Zustellung nicht erfolgen; Zwang (im Sinn einer Zustellungsfiktion) darf nicht angewendet werden.

Erfolgt eine Zustellung eines fremdsprachigen Schriftstücks formlos nach Art. 5 Abs. 2 HZÜ, so ist § 12 Abs. 2 ZustG zu beachten. Dieser bestimmt, dass die Zustellung eines ausländischen, fremdsprachigen Dokuments, dem keine (im gerichtlichen Verfahren keine beglaubigte) deutschsprachige Übersetzung angeschlossen ist, nur dann zulässig ist, wenn der Empfänger zu dessen Annahme bereit ist, und deckt sich insoweit mit Art. 5 Abs. 2 HZÜ. Darüber hinaus enthält er eine – mit dem HZÜ durchaus vereinbare – Präzisierung zur Bekundung der fehlenden Annahmebereitschaft: Der Empfänger kann der Behörde, die das Dokument zugestellt hat, auch noch nachträglich, nämlich binnen drei Tagen erklären, dass er nicht zur Annahme bereit ist, wobei die Frist mit der Zustellung zu laufen beginnt und nicht verlängert werden kann. Die Belehrung des Empfängers über sein Recht zur Annahmeverweigerung hat mittels Formblatt Geo.-Form 44 zu erfolgen, das ihm mit dem Zustellungsstück gemeinsam zuzustellen ist.

Die Zustellung an in Österreich ansässige internationale Organisationen und Personen, denen völkerrechtliche Privilegien und Immunitäten zustehen, wird – entsprechend bewährter, im Völkerrecht fundierter Praxis – weiterhin gemäß § 11 Abs. 2 ZustG durch Vermittlung des BMEIA zu erfolgen haben.

Zu Art. 6

Art. 6 HZÜ regelt das Zustellungszeugnis. Dieses ist mit Hilfe des dem Übereinkommen als Anlage beigefügten Standardformulars auszustellen. Das Formular befindet sich auf der Rückseite des Zustellungsersuchens.

Das Zustellungszeugnis kann entweder von der Zentralen Behörde selbst oder von einer dazu bestimmten Stelle (Gericht, Gerichtsvollzieher, je nach dem Recht des ersuchten Staates) angefertigt und an die ersuchende Behörde unmittelbar rückübermittelt werden.

Wird nach dem Recht des ersuchten Staates das Zustellungszeugnis nicht durch die Zentrale Behörde selbst oder durch ein Gericht ausgestellt, so kann die ersuchende Stelle nach Abs. 3 verlangen, dass das Zeugnis mit einem Sichtvermerk einer dieser Behörden versehen wird.

Das Zeugnis enthält Angaben über die Erledigung des Ersuchens. Anzuführen sind Form, Ort und Zeit der Erledigung sowie die Person, der das Schriftstück übergeben worden ist (Art. 6 Abs. 2). Da es wesentlich sein kann zu wissen, an wen die Zustellung erfolgt ist, verlangt das Formular ausdrücklich Angaben zur Identität der Person, der das Schriftstück ausgehändigt worden ist, und zur Eigenschaft, in der diese Person die Zustellung entgegengenommen hat (Verwandtschafts- oder Arbeitsverhältnis oder Ähnliches zum Empfänger des Schriftstücks).

Konnte das Ersuchen nicht erledigt werden, so muss die zuständige Behörde die Gründe angeben, die sie daran gehindert haben. Diese Gründe sind in das Formular des Zustellungszeugnisses einzutragen.

Nach Art. 21 Abs. 1 lit. b HZÜ sind die Vertragsstaaten des Übereinkommens verpflichtet, dem Depositar des Übereinkommens (Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande) entweder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde oder zu einem späteren Zeitpunkt die für die Erteilung des Zustellungszeugnisses bestimmte Behörde mitzuteilen.

In Österreich sollen für die Ausstellung des Zustellungszeugnisses die Bezirksgerichte zuständig sein und dem Depositar notifiziert werden.

Zu Art. 7

Nach Art. 7 HZÜ müssen die vorformulierten Teile des dem Übereinkommen als Anlage beigefügten Standardformulars in französischer oder englischer Sprache abgefasst sein. Zusätzlich kann aber auch die Amtssprache des ersuchenden Staates (Ursprungsstaat) verwendet werden. Auszufüllen ist das Formular entweder in der Sprache des ersuchten Staates (Zustellungsstaat) oder in englischer oder französischer Sprache.

Das Zustellungsersuchen muss nachstehende Angaben enthalten: Bezeichnung und Anschrift der ersuchenden Stelle, Anschrift der Bestimmungsbehörde, Name und Anschrift des Empfängers und das Verfahren, das bei der Zustellung zu befolgen ist. Die ersuchende Behörde hat also anzugeben, ob das Schriftstück nach einer der gesetzlichen Formen des ersuchten Staates, in einer vom ersuchenden Staat gewünschten besonderen Form oder durch einfache Übergabe zugestellt werden soll. Mit dem Formblatt wird die Bestimmungsbehörde gebeten, der ersuchenden Stelle ein Stück des Schriftstücks und seiner Anlagen mit dem Zustellungszeugnis auf der Rückseite zurückzusenden (schon deshalb macht das Erfordernis zweier Ausfertigungen nach Art. 3 Abs. 2 HZÜ Sinn). Das Standardformular enthält auch noch Raum für die Aufzählung der zugestellten Schriftstücke. Das Ersuchen muss mit der Unterschrift und/oder dem Stempel der ersuchenden Stelle versehen sein.

Das Zustellungszeugnis soll sich – wie in der Anlage zum Übereinkommen - auf der Rückseite des Ersuchens befinden. Das dritte diesem Übereinkommen beigefügte Formular gibt den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks wieder. Gemäß Art. 5 Abs. 4 HZÜ ist dieses Formular dem Empfänger anlässlich der Zustellung auszuhändigen. Auf diesem Formular sind Bezeichnung und Anschrift der ersuchenden Stelle und die Namen der Parteien anzugeben. Ist ein gerichtliches Schriftstück zuzustellen, so sind Art und Gegenstand des Schriftstücks, Art und Gegenstand des Verfahrens und gegebenenfalls der Betrag der geltend gemachten Forderung, außerdem der Termin und Ort für die Einlassung auf das Verfahren (Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung), das Gericht, das die zuzustellende Entscheidung erlassen hat, und das Datum der Entscheidung sowie die in dem Schriftstück vermerkten Fristen anzugeben.

Ist ein außergerichtliches Schriftstück zuzustellen, so werden nur Angaben zu dessen Art und Gegenstand und zu den darin vermerkten Fristen verlangt.

Zu Art. 8

Art. 8 HZÜ über die Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter orientiert sich an den Vorgängerübereinkommen von 1905 und 1954.

Nach Art. 8 Abs. 1 HZÜ steht es jedem Vertragsstaat frei, gerichtliche Schriftstücke in einem anderen Vertragsstaat durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang zustellen zu lassen. Die Auslandsvertretungen können nach dieser Bestimmung Angehörigen ihres oder eines dritten Staates, die sich im Empfangsstaat aufhalten, darüber hinaus aber auch an Angehörige des Empfangsstaates zustellen.

Art. 8 Abs. 2 HZÜ erlaubt es jedem Vertragsstaat zu erklären, dass er einer solchen Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter in seinem Hoheitsgebiet widerspricht, außer wenn das Schriftstück einem Angehörigen des Ursprungsstaats (also des Sendestaates der Vertretungsbehörde) zuzustellen ist.

Österreich sollte von dieser Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch machen, insbesondere um – von ihm nicht näher kontrollierbare – konsularische Zustellungen an seine eigenen Staatsbürger zu verhindern.

Zu Art. 9

Art. 9 Abs. 1 HZÜ lässt weiter auch den konsularischen Übermittlungsweg zu. Dieser Weg soll neben dem System der Zustellung über die Zentralen Behörden aber nur ausnahmsweise eingeschlagen werden, konkrete Einschränkungen stellt das Übereinkommen allerdings nicht auf.

Um zu vermeiden, dass die Konsuln sich unmittelbar an (irgend)eine Behörde des ersuchten Staates wenden, darf sich die konsularische Behörde des Ursprungsstaats ausschließlich an jene Behörde wenden, die der andere Vertragsstaat hierfür bestimmt hat. Jeder Staat kann auch die Zentrale Behörde als die Behörde bestimmen, an die sich die konsularischen Vertreter des Ursprungsstaats allein wenden können.

Art. 21 Abs. 1 lit. c HZÜ verpflichtet die Vertragsstaaten, dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande jene Behörde zu notifizieren, die für die Entgegennahme der Schriftstücke, die im konsularischen Weg übermittelt werden, zuständig ist.

Für Österreich soll das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz als Zentrale Behörde hierfür bestimmt und gemäß Art. 21 Abs. 1 lit. c HZÜ notifiziert werden. Auch zahlreiche andere Staaten sehen hierfür die Zentrale Behörde vor.

Der diplomatische Weg nach Art. 9 Abs. 2 HZÜ kann eingeschlagen werden, wenn „außergewöhnliche Umstände dies erfordern“. Da diese Bestimmung den diplomatischen Weg nicht zwingend vorsieht und das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ nicht genau definiert ist, nimmt Österreich die Abgabe eines Vorbehalts in Aussicht, wonach die Zustellung von Schriftstücken an die Republik Österreich, einschließlich ihrer Gebietskörperschaften, ihrer Behörden, und der für sie handelnden Personen, stets auf diplomatischem Weg zu erfolgen hat. Die Abgabe eines solchen Vorbehalts ist im HZÜ zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen. Der Vorbehalt entspricht Art. 22 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 lit. b des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit aus 2004. Dieses von Österreich ratifizierte Übereinkommen ist völkerrechtlich noch nicht in Kraft getreten, entspricht aber geltendem Völkergewohnheitsrecht, das gemäß Art. 9 Abs. 1 B-VG Bestandteil des Bundesrechts ist.

Zu Art. 10

Nach dieser Bestimmung können gerichtliche Schriftstücke an im Ausland befindliche Personen unmittelbar durch die Post übersandt werden (lit. a). Außerdem ist es zulässig, dass Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen Zustellungen unmittelbar durch Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen des Zustellungsstaats bewirken lassen (lit. b). Weiters darf jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke unmittelbar durch Justizbeamte, andere Beamte oder sonst zuständige Personen des Bestimmungsstaats bewirken lassen (lit. c).

Art. 10 sieht für die Vertragsstaaten eine Widerspruchsmöglichkeit in Hinblick auf diese drei Übermittlungsformen vor.

Eine Zustellung durch die Post ist nach den früheren Übereinkommen zulässig. Auch die Europäische Zustellungsverordnung kennt die Postzustellung (sh. deren Art. 14). Diese Instrumente haben allerdings einen engeren örtlichen Anwendungsbereich als das HZÜ.

Was die direkte Postzustellung gemäß Art. 10 lit. a HZÜ angeht, haben mehr als 30 Staaten einen Widerspruch eingebracht, darunter insbesondere zahlreiche europäische Staaten (Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Kroatien, Litauen, Malta, Mazedonien, Moldau, Monaco, Montenegro, Norwegen, Polen, San Marino, Schweiz, Serbien, Slowakei, Tschechien, Ungarn). Auch von Österreich soll ein Widerspruch eingebracht werden, um Probleme für in Österreich ansässige Zustelladressaten, die aus fehlerhaften Postzustellungen (z. B. bei Fehlen einer beglaubigten deutschen Übersetzung) resultieren würden, von Vornherein zu vermeiden.

Der in lit. b geregelte unmittelbare Zustellungsverkehr zwischen Justizbeamten, anderen Beamten oder sonst zuständigen Personen (in der Praxis vor allem von Gerichtsvollzieher zu Gerichtsvollzieher) entspricht nicht dem österreichischen Rechtssystem. Das System ist etwa im französischen Rechtskreis verbreitet. Österreich sollte auch hier von der Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch machen.

Im österreichischen Recht ist auch nicht vorgesehen, dass eine Privatperson oder ein Unternehmen aus einem anderen Staat inländische Zustellorgane unmittelbar ersuchen kann, eine Zustellung vorzunehmen, wie dies Art. 10 lit. c HZÜ ermöglicht. Auch dazu sollte Österreich daher seinen Widerspruch erklären.

Zu Art. 11

Art. 11 entspricht Art. 1 Abs. 4 der Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954.

Auch nach dem nunmehrigen Übereinkommen kann durch Zusatzvereinbarungen ein besonderer Übermittlungsweg, insbesondere der unmittelbare Verkehr zwischen den zuständigen Behörden, festgelegt werden.

Nach Art. 24 HZÜ bleiben Zusatzvereinbarungen, die zu den Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 geschlossen wurden, weiter wirksam. Eine solche Vereinbarung besteht etwa mit der Schweiz, den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (soweit diese nicht Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind, diesfalls kommt die Europäische Zustellungsverordnung zur Anwendung) oder der Türkei.

Zu Art. 12

Art. 12 Abs. 1 HZÜ, der sich mit den Kosten beschäftigt, entspricht Art. 7 Abs. 1 der Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954. Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass für Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke aus einem Vertragsstaat die Zahlung und Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Tätigkeit des ersuchten Staates nicht verlangt werden darf.

Einen vollständigen Verzicht auf eine gegenseitige Kostenerstattung enthält aber auch das nunmehrige Übereinkommen nicht. Gemäß Art 12 Abs. 2 HZÜ hat die ersuchende Stelle nämlich jene Auslagen zu zahlen oder zu erstatten, die entweder dadurch entstehen, dass bei der Zustellung ein Justizbeamter oder eine nach dem Recht des Bestimmungsstaats zuständige Person mitwirkt, oder aber, dass eine besondere Form der Zustellung angewendet wird. In Verfahrenshilfefällen ist jedoch Art. 23 HZÜ zu beachten.

Weitere Regeln zu Fragen des Kostenersatzes enthält das Übereinkommen nicht. In der Praxis wird sich wohl die Stelle, die die Auslagen gehabt hat, an die ersuchende Stelle wenden. Da sich nur Behörden des ersuchenden Staates, Gerichtsbeamte oder sonst zuständige Personen an die Zentrale Behörde des ersuchten Staates wenden können, ist anzunehmen, dass hinreichende Sicherheit dafür besteht, dass allfällige Auslagen auch bezahlt werden.

Treten Probleme auf, so können diese gemäß Art. 14 HZÜ auf diplomatischem Weg beigelegt werden (in der Praxis wird es wegen bloßer Kostenersatzfragen aber wohl nur selten zu diplomatischen Gesprächen kommen).

Zu Art. 13

Art. 13 HZÜ enthält die materiellen Zustellungsverweigerungsgründe und entspricht im Wesentlichen Art. 4 der Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954. Eine Ablehnung kommt demnach nur dann in Frage, wenn Hoheitsrechte oder die Sicherheit des ersuchten Staates gefährdet werden könnten (s. zu den diesbezüglichen Fragen Schlosser, EU-Zivilprozessrecht³, Art. 13 HZÜ Rz 2ff).

Nach Abs. 2 darf die Zustellung nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass nach seinem Recht eine ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte für das der Zustellung zu Grunde liegende Verfahren gegeben ist, und auch nicht deswegen, weil der ersuchte Staat ein entsprechendes Verfahren nicht kennt.

Abs. 3 stellt klar, dass die Zentrale Behörde die ersuchende Stelle unverzüglich über die Ablehnung des Ersuchens zu unterrichten hat, wobei die maßgebenden Gründe anzuführen sind.

Zu Art. 14

Art. 14 HZÜ entspricht Art. 1 Abs. 2 der Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954. Nach dieser Bestimmung sollen Probleme, die aus Anlass der Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke zum Zweck der Zustellung auftreten, auf dem diplomatischen Weg beigelegt werden.

Diese Bestimmung wird hauptsächlich dann Anwendung finden, wenn ein Ersuchen aus den in Art. 13 HZÜ genannten Versagungsgründen abgelehnt wird und der ersuchende Staat auf einer Erledigung bestehen möchte.

Zu Art. 15

Die Art. 15 und 16 HZÜ bedeuten einen wesentlichen Fortschritt gegenüber den Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954. Sie durchbrechen das System der „remise au parquet“, ohne formell in die entsprechenden nationalen Gesetze einzugreifen.

Mit der Regelung in Art. 15 Abs. 1 HZÜ sollen die Rechte des Beklagten gewahrt und durch eine mittelbare Sanktion sichergestellt werden, dass eine Ladung oder ein entsprechendes, das Verfahren einleitende Schriftstück dem Adressaten rechtzeitig und ordnungsgemäß zugestellt wird.

Der Schutz nach Art. 15 Abs. 1 HZÜ besteht darin, dass ein Richter eine Säumnisentscheidung erst dann erlassen darf, wenn er festgestellt hat, dass der verfahrenseinleitende Schriftsatz oder die Ladung dem Beklagten rechtzeitig und ordnungsgemäß zugegangen ist.

Bei der Prüfung, ob die Zustellung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, sind zwei Fallvarianten zu unterscheiden: Einerseits kann das Schriftstück dem Empfänger in der Form zugestellt werden, die das Recht des Zustellungsstaats vorschreibt. Lagen sämtliche Voraussetzungen, die diese Rechtsordnung verlangt, vor, so war die Zustellung ordnungsgemäß. Andererseits ist es auch möglich, ein Übermittlungsverfahren zu wählen, bei dem die Rechtsvorschriften des ersuchten Staates bei der Zustellung nicht gewahrt werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b HZÜ). Ein solches Verfahren muss aber im Zustellungsübereinkommen 1965 zugelassen sein und das Schriftstück muss dem Empfänger entweder persönlich oder in seiner Wohnung zugestellt worden sein. Diese Einschränkung wurde vorgesehen, weil die fakultativen Übermittlungsverfahren, die nicht auf eine Zustellung nach den Formen des ersuchten Staates hinauslaufen, nicht stets die gleiche Rechtssicherheit gewährleisten.

Einen weitergehenden Schutz bietet Art. 15 Abs. 1 HZÜ nicht. Insbesondere ist nach dem nationalen Zustellungs- und Verfahrensrecht des Gerichtsstaats zu beurteilen, ab wann Fristen laufen. In den Ländern, welche die „remise au parquet“ kennen, wird die Zustellung weiterhin mit der Übergabe an den Staatsanwalt bewirkt sein und die Mitteilung an den Empfänger im Ausland nur benachrichtigende Bedeutung haben. Gleichwohl soll der Richter auch in einem solchen Land ein Versäumungsurteil nicht erlassen dürfen, wenn nur innerstaatlich die Zustellung bewirkt worden ist, vorausgesetzt, dass sich der säumige Beklagte in einem Vertragsstaat aufhält. Der Richter muss sich also vergewissern, dass die Ladung, die Klage oder die prozesseinleitende Verfügung dem Beklagten im Ausland ordnungsgemäß im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. a und b HZÜ und rechtzeitig übermittelt worden ist. Als Grundlage für diese Prüfung dient dem Gericht in erster Linie das Zustellungszeugnis.

Die Schutzfunktion des Art. 15 Abs. 1 HZÜ ist allerdings insofern eingeschränkt, als das Übereinkommen nicht festlegt, in welchen Fällen das Schriftstück im Ausland zuzustellen ist, sondern dies dem Recht des Verfahrensstaates überlassen bleibt (vgl. oben).

Abs. 2 lockert den Schutz des Abs. 1 weiter auf und kommt insbesondere (aber nicht nur) jenen Staaten entgegen, die das System der „remise au parquet“ kennen und daran festhalten. Nach dieser Bestimmung haben die Vertragsstaaten nämlich die Möglichkeit zu erklären, dass über den Rechtsstreit unter bestimmten Voraussetzungen nach einer bestimmten Zeit auch dann entschieden werden darf, wenn Abs. 1 nicht entsprochen worden ist.

Eine Erklärung, die nach Art. 21 Abs. 2 lit. b HZÜ zu notifizieren ist, ist deshalb erforderlich, weil mit Art. 15 Abs. 2 HZÜ nicht zwingend in allen Vertragsstaaten der Schutz des Abs. 1 oder eine weitergehende innerstaatliche Regelung abgeschwächt werden soll. Mit der Notifizierung soll auch offengelegt werden, in welcher Weise in den einzelnen Vertragsstaaten die Schutzbestimmung des Art. 15 HZÜ angewandt wird.

Die Voraussetzungen, unter denen die Gerichte von Abs. 1 abweichen dürfen, sind in Abs. 2 lit. a bis c festgelegt. Lit. a stellt klar, dass das Schriftstück nach einem in diesem Übereinkommen vorgesehenen Verfahren übermittelt worden sein muss. Lit. b bestimmt, dass zwischen der Absendung des Schriftstücks und der Entscheidung durch den Richter eine angemessene Frist von mindestens sechs Monaten liegen muss. Lit. c verlangt weiter, dass der ersuchende Staat bei den zuständigen Behörden des ersuchten Staats alle zumutbaren Schritte unternommen haben muss, um ein Zeugnis über die Zustellung zu erlangen.

Abs. 2 verlangt nicht, dass das Zustellungsersuchen aus Gründen nicht erledigt worden ist, die der Empfänger oder Stellen im ersuchten Staat zu vertreten haben.

Österreich sollte – wie etwa auch Deutschland und ein Großteil der anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – eine Erklärung nach Art. 15 Abs. 2 HZÜ abgeben, um in Fällen weitgehend gesicherter Zustellung eine Säumnisentscheidung nicht ad infinitum zu verunmöglichen. Die Erklärung erscheint auch dadurch gerechtfertigt, weil der Beklagtenschutz mit der Erlassung der Entscheidung ja keinesfalls endet (sh. etwa die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gleich unten).

Zu Art. 16

Während Art. 15 Abs. 1 HZÜ sicherstellen will, dass dem Beklagten die Ladung oder ein entsprechendes verfahrenseinleitendes Schriftstück rechtzeitig zugeht, behandelt Art. 16 HZÜ den Schutz des Beklagten im Falle eines Versäumungsurteils.

Die Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass insbesondere aufgrund von Art. 15 Abs. 2 HZÜ ein Versäumungsurteil erlassen und die Rechtsmittelfrist abgelaufen sein kann, obwohl der Beklagte weder von der Einleitung des Verfahrens noch von dem Urteil tatsächlich Kenntnis erlangt hat. In einem solchen Fall kann das Gericht dem Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen. Diese Bestimmung soll sich nicht nur auf Versäumungsurteile im engeren Sinn beziehen, sondern für alle Entscheidungen gelten, die ohne Einlassung des Beklagten ergehen können.

Als Anfechtungsmöglichkeiten im Sinn des Art. 16 Abs. 1 lit. a HZÜ sind sowohl die ordentlichen Rechtsmittel als auch die außerordentlichen Rechtsbehelfe zu verstehen. Die Wiedereinsetzung nach Art. 16 HZÜ soll ultima ratio sein.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur dann zu gewähren, wenn eine unter das Übereinkommen fallende Zustellung zugrunde liegt. War das der Fall und ist eine Säumnisentscheidung ergangen, so ist die Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Bedingungen der lit. a und b vorliegen, wobei das Übereinkommen offenlässt, wer die Beweislast dafür trägt. Nach Abs. 1 lit. a darf den Beklagten jedenfalls kein Verschulden treffen.

Nach Art. 16 Abs. 2 HZÜ ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zulässig, wenn der Beklagte ihn innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntnis von der Entscheidung stellt.

Die Vertragsstaaten haben nach Art. 16 Abs. 3 HZÜ die Möglichkeit zu erklären, dass dieser Antrag nach Ablauf einer in der Erklärung festgelegten Frist unzulässig ist, vorausgesetzt, dass diese Frist nicht weniger als ein Jahr – von der Erlassung der Entscheidung an gerechnet – beträgt. Österreich sollte, wie mehr als die Hälfte der anderen Vertragsstaaten, von dieser Erklärungsmöglichkeit u.a. aus Gründen des Rechtsfriedens Gebrauch machen.

Nach Art. 16 Abs. 4 HZÜ ist der Artikel auf Entscheidungen über den Personenstand nicht anzuwenden. Man war der Ansicht, dass der mit der Bestimmung einhergehende, möglicherweise sehr lang andauernde Schwebezustand insbesondere bei Scheidungsurteilen oder Entscheidungen über die Aufhebung einer Ehe mit dem Wesen der Entscheidung unvereinbar sei.

Zu Art. 17

Nach Art. 17 HZÜ können außergerichtliche Schriftstücke im gleichen Verfahren wie gerichtliche Schriftstücke in das Ausland übermittelt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass diese außergerichtlichen Schriftstücke von Behörden oder Justizbeamten eines Vertragsstaates stammen (eine Einschränkung, die etwa die Europäische Zustellungsverordnung nicht vorsieht).

Zu Art. 18

Art. 18 HZÜ gibt den Vertragsstaaten die Möglichkeit, neben der Zentralen Behörde weitere Behörden zu bestimmen, deren Zuständigkeit sie festzulegen haben. Gemäß Abs. 2 hat jede ersuchende Stelle allerdings auch in diesem Fall das Recht, sich unmittelbar an die Zentrale Behörde zu wenden. Bundesstaaten können außerdem mehrere Zentrale Behörden bestimmen.

Für Österreich soll der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz als Zentrale Behörde genannt werden. Dieses ist auch bereits Zentralstelle nach der Europäischen Zustellungsverordnung. Die Einrichtung von Nebenbehörden oder weiteren Zentralen Behörden wäre nicht zweckmäßig.

Zu Art. 19

Art. 19 HZÜ erlaubt es, dass jeder Vertragsstaat weitere Übermittlungsformen für ausländische Schriftstücke zulässt, wenn sein nationales Recht diese vorsieht.

Zu Art. 20

Art. 20 HZÜ enthält eine Aufstellung jener Bestimmungen des Übereinkommens, von denen die Vertragsstaaten mittels Zusatzvereinbarungen abweichen können. Darauf wurde oben bei den betreffenden Bestimmungen jeweils inhaltlich eingegangen.

Zu Art. 21

Art. 21 HZÜ bestimmt das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Niederlande als Depositar des Übereinkommens und fasst die notwendigen (Abs. 1) und die zulässigen (Abs. 2) Notifikationen der Vertragsstaaten zusammen.

Zu Art. 22

Mit Art. 22 HZÜ wird klargestellt, dass das Zustellungsübereinkommen 1965 die Art. 1 bis 7 (Zustellung) der Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 im Verhältnis zu jenen Staaten ersetzt, die das Übereinkommen ratifiziert haben oder diesem beigetreten sind. Die Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954 bleiben hingegen zwischen und im Verhältnis zu jenen Staaten weiterhin in Kraft, die nicht Vertragsstaaten des nunmehrigen Übereinkommens sind.

Zu Art. 23

Das Zustellungsübereinkommen 1965 enthält keine eigenen Regelungen für die Kosten von Zustellungen in Verfahren, in denen einer Partei Verfahrenshilfe gewährt wurde. Art. 23 HZÜ verweist dazu auf die entsprechenden Bestimmungen der Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954, die aber nur anzuwenden sind, wenn die in diesen Übereinkommen vorgesehenen Übermittlungswege benutzt werden.

Zu Art. 24

Art. 24 HZÜ stellt sicher, dass Zusatzvereinbarungen zu den Zivilprozessübereinkommen von 1905 und 1954, die die Vertragsstaaten geschlossen haben, auch auf das nunmehrige Übereinkommen anzuwenden sind, es sei denn, die beteiligten Staaten vereinbaren etwas Anderes.

Zu Art. 25

Art. 25 HZÜ regelt das Verhältnis des Zustellungsübereinkommens 1965 zu anderen Übereinkommen, denen die Vertragsstaaten angehören oder künftig angehören werden, in sehr liberaler Weise (andere Übereinkommen genießen grundsätzlich Vorrang).

Zu den Art. 26 und 28

Art. 26 HZÜ bestimmt, dass das Übereinkommen für jene Staaten, die auf der Zehnten Tagung der Haager Konferenz vertreten waren, zur Unterzeichnung aufliegt und es der Ratifikation bedarf, wobei die Ratifikationsurkunden beim Depositar zu hinterlegen sind. Anderen Staaten steht das Übereinkommen zum Beitritt offen (Art. 28 HZÜ). Anders als bei späteren Ratifikationen hat jeder der bestehenden Vertragsstaaten bei Beitritten ein Einspruchsrecht, das den Beitritt des betreffenden Staates generell (also nicht nur im Verhältnis zum „Einspruchsstaat“) verhindert.

Österreich hat an der Zehnten Tagung teilgenommen und daher folgerichtig die Ermächtigung der Europäischen Union zur Unterzeichnung und zur Ratifikation begehrt und erhalten.

Zu Art. 27

Art. 27 HZÜ regelt das – mittlerweile schon weit zurückliegende – Inkrafttreten des Übereinkommens. Für jeden (Unterzeichner)Staat, der das Übereinkommen erst nach seinem Inkrafttreten ratifiziert, tritt es am 60. Tag nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft; dies ist die für Österreich maßgebliche Regelung.

Zu Art. 29

Gemäß Art. 29 HZÜ kann jeder Staat bei der Unterzeichnung, bei der Ratifikation oder beim Beitritt erklären, dass sich das Übereinkommen auf alle oder einzelne seiner Hoheitsgebiete erstrecken soll, deren internationale Beziehungen er wahrnimmt. Die Regelung stellt vor allem auf Staaten mit dislozierten Gebietseinheiten, etwa Überseegebieten, ab und ist für die Ratifikation durch Österreich ohne Bedeutung.

Zu Art. 30

Art. 30 HZÜ enthält Regelungen zur Geltungsdauer (fünf Jahre ab Inkrafttreten mit stillschweigender Verlängerung um jeweils weitere fünf Jahre) und zur allfälligen Kündigung des Übereinkommens.

Zu Art. 31

Art. 31 HZÜ verpflichtet den Depositar, den Vertragsstaaten (weitere) Unterzeichnungen, Ratifikationen, Beitritte und Kündigungen des Übereinkommens sowie verschiedene weitere Änderungen in Bezug auf das Übereinkommen zu notifizieren.

Zur Anlage

In seiner Anlage stellt das Zustellungsübereinkommen 1965 ein „Muster für das Ersuchen und das Zustellungszeugnis“ bereit. Seite 1 des Formulars enthält den Text für das Ersuchen, die Rückseite das Zustellungszeugnis und auf Seite 3 sind „Angaben über den wesentlichen Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks“ zu machen. Siehe zu den Formerfordernissen und zulässigen Sprachen die Erläuterungen zu den Art. 3 und 7.