29 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 173/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausführungsgesetze zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und Adaptierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes

Die Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 10. Jänner 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Schluss- und Übergangsbestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetz enthalten in § 10

folgende Regelungen:

 

§ 10. (1) Mit der Wahrnehmung der Rechte des Bundes gemäß Art. 15 Abs. 8 des Bundes­Verfassungsgesetzes ist die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler betraut.

(2) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juni 2019 in Kraft. Ausführungsgesetze sind innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu erlassen und in Kraft zu setzen.

(3) Ausführungsgesetze haben angemessene Übergangsbestimmungen vorzusehen, um eine allgemeine Überführung sämtlicher Ansprüche von Personen, die Leistungen aus einer bedarfsorientierten Mindestsicherung oder sonstiger Leistungen der Sozialhilfe aufgrund früherer landesgesetzlicher Bestimmungen bezogen haben, in den neuen Rechtsrahmen innerhalb eines Übergangszeitraums, der spätestens mit 1. Juni 2021 endet, zu gewährleisten. Durch gesetzliche Übergangsbestimmungen ist sicherzustellen, dass bestehende behördliche Rechtsakte oder privatrechtliche Vereinbarungen über die Zuerkennung von Leistungen einer bedarfsorientierten Mindestsicherung oder sonstiger Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes, die aufgrund der früheren Rechtslage erlassen wurden, außer Kraft treten und die Anspruchsvoraussetzungen gegenüber bisherigen Leistungsempfängern nach Maßgabe der neuen Rechtslage geprüft werden, um sämtliche Leistungen bis zum Ablauf des Übergangszeitraums an den Rahmen dieses Bundesgesetzes und der Ausführungsgesetze anzupassen.

 

Art 15 Abs 8 Bundes-Verfassungsgesetz lautet folgendermaßen:

(8) In den Angelegenheiten, die nach Art. 11 und 12 der Bundesgesetzgebung vorbehalten sind, steht dem Bund das Recht zu, die Einhaltung der von ihm erlassenen Vorschriften wahrzunehmen.

Einzelne Bundesländer, wie insbesondere das rot-grün regierte Bundesland Wien haben die Nichtumsetzung der Bestimmungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes seit dessen Inkrafttreten damit begründet, dass man ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs zu diesem Gesetz abwarten müsse, und erst dann eine Ausführungsgesetzgebung entsprechende umsetzen werden.

Im diesbezüglichen VfGH-Erkenntnis vom Dezember 2019 wurden lediglich drei von dreizehn angefochtenen Gesetzespassagen teilweise aufgehoben. Alle anderen 10 angefochtenen Gesetzespassagen und insbesondere auch die nicht angefochtenen Gesetzespassagen blieben durch den VfGH in seinem Erkenntnis ausdrücklich unangetastet und damit weiterhin in Kraft.

Zum VfGH-Erkenntnis (G 164/2019) ist inhaltlich darüber hinaus folgendes anzuführen:

1.      Der VfGH widerspricht sich selbst. Noch vor einem Jahr wurde zur oberösterreichischen Mindestsicherung (VfGH 11.12.2018, G 156/2018 ua) eine funktionsgleiche degressive Staffelung von Sozialleistungen bei einer hohen Kinderanzahl, die ja zusätzlich zur ohnehin bestehenden Familienbeihilfe ausbezahlt werden, als zulässig anerkannt.

2.      Der VfGH negiert den klaren sachlichen Zusammenhang zwischen Spracherwerb und Berufsqualifikation. Das ist eine weltfremde Botschaft aus dem Elfenbeinturm.

3.      Für die aufgehobenen Regelungen können funktionsgleiche Ersatzregelungen getroffen werden, die den Spruch des VfGH berücksichtigen.

 

Das SH-GG ist ein Auftrag an die Landesgesetzgebung. Demzufolge werden Oberösterreich und Niederösterreich ihre bereits erlassenen Ausführungsgesetze in puncto Kinderzuschläge‘ und ‚Arbeitsqualifizierungsbonus‘ anzupassen haben, wobei eine Ersatzregelung in Bezug auf die Kinderzuschläge relativ leicht umzusetzen ist. Sämtliche anderen Bundesländer sind und bleiben aber verpflichtet, alle übrigen Regelungen des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes durch Ausführungsgesetze umzusetzen.

Zahlreiche Regelungen des SH-GG, die der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung im Gesetzwerdungsprozess ein Anliegen waren, wurden gar nicht angefochten, darunter etwa:

•       Die Unzulässigkeit der gleichzeitigen Auszahlung von Mindestsicherung und Wohnbeihilfe, wie bisher etwa in Wien üblich (§ 2 Abs. 5 SH-GG).

•       Die Unzulässigkeit, Sperren des AlVG-Arbeitslosengeldes, die durch das Arbeitsmarktservice (AMS) veranlasst werden, zu 100 % durch Mindestsicherung auszugleichen, wie es in Wien oft vorkam (zur Vermeidung von Härtefällen bleibt ein Ausgleich von bis zu 50 % zulässig, § 7 Abs. 3 SH-GG).

•       Die Verpflichtung des Landesgesetzgebers, ein wirksames Kontroll- und Sanktionensystem zu schaffen und aufrechtzuerhalten (§ 9 Abs. 1 und 2 SH-GG).

Darüber hinaus sind die vor dem VfGH angefochtenen, aber verfassungskonformen Regelungen des SH­GG anzuführen:

•              Fremdenrecht

o      Der Ausschluss von Fremden vor Ablauf von fünf Jahren tatsächlichen und rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich (mit Ausnahme von Asylberechtigten und erwerbstätigen Unionsbürgern, wobei hier aber erstmals die Fremdenbehörde im Verfahren anzuhören ist). Subsidiär Schutzberechtigte werden österreichweit auf das Niveau der Grundversorgung beschränkt. Ausreisepflichtige bzw. bloß geduldete Fremde sind überhaupt von jeder Leistung auszuschließen (§ 4 SH-GG). Hier sieht etwa das Land Wien derzeit großzügigere Regelungen vor, die nun entsprechend anzupassen sein werden.

o      In Voraussicht einer späteren Aufhebung des Arbeitsqualifizierungsbonus wurde die Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des ÖIF sowie zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses auch in § 16c Abs. 1 IntG verankert. Eine schuldhafte Verletzung von Integrationspflichten gemäß § 16c Abs. 1 IntG ist mit Leistungskürzungen im Ausmaß von zumindest 25 % über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten zu sanktionieren (§ 9 Abs. 3 SH-GG). Das bedeutet, dass etwa ein alleinlebender Asylwerber, der 900 EUR Mindestsicherung beziehen will, sich aber fahrlässig oder vorsätzlich weigert, Deutsch bis auf B1­Niveau zu lernen oder Wertekurse zu besuchen, mit einer Anzeige des ÖIF an die Sozialbehörden der Länder und sodann mit einem Abzug auf zumindest 625 EUR für mindestens drei Monate zu rechnen hat.

 

•              Sachleistungen

o      Der grundsätzliche Vorrang von Sachleistungen ist verfassungskonform (§ 3 Abs. 5 SH-GG), ebenso die Wohnkostenpauschalregelung (§ 5 Abs. 5 SH-GG).

o      Die zwangsweise Befristung von Bescheiden mit 12 Monaten (zur effektiven Vermeidung mehrjähriger Fortzahlungen ohne jedweder neuerlichen Prüfung) ist verfassungskonform
(§ 3 Abs. 6 SH-GG).

o      Auch der Grundsatz der verpflichtend degressiven Staffelung von Sozialhilfeleistungen je nach Größe der Haushaltsgemeinschaft, aber auch diesbezügliche Höchstgrenzen für Erwachsene bleiben bestehen (100 % / 70 % / 45 %). Gleiches gilt für die strenge Definition, welche Formen des wirtschaftlichen Zusammenlebens bereits als Haushaltsgemeinschaft einzustufen sind sowie für die Haushaltsdeckelung an Geldleistungen, die Erwachsenen-Wohngemeinschaften beziehen, auf dzt.
ca. 1.575 EUR (§ 5 SH-GG).

 

Für die durch den VfGH beanstandeten und aufgehobenen Regelungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz bestehen auf der Ebene der Bundesgesetzgebung ebenfalls rasch umsetzende Varianten einer verfassungskonformen Sanierung:

Die degressive Staffelung für Kinderzuschläge: Eine mögliche jedenfalls verfassungskonforme Variante ist bereits vorgezeichnet: Da die von den Anfechtungswerbern behauptete Überdeterminierung des Grundsatzgesetzes letztlich in keinem Punkt beanstandet wurde, dürfte wohl auch die vollinhaltliche Übernahme der Haushaltsdeckelregelung des Oö. MSG nicht zu beanstanden sein. Ebenso könnte etwa ein einheitlicher prozentueller Zuschlag pro Kind vorgesehen werden.

Arbeitsqualifizierungsbonus: Eine mögliche jedenfalls verfassungskonforme Variante könnte darin bestehen, dass die Pflichten nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) und/oder dem Integrationsgesetz (IntG) weiter präzisiert und engmaschig verschärft werden, sodass im Ergebnis nur jene Asylberechtigten eine volle Leistungshöhe beanspruchen können, die Vollzeit mit der Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse bzw. weiterer Arbeitsqualifizierung beschäftigt sind. Ebenso ist es durchaus denkbar, für die Inanspruchnahme von ÖIF-Kursangeboten des Staates einen direkten Selbstbehalt vorzusehen.

§ 1 Abs. 1 Sozialhilfe-Statistikgesetz: Dieses technische Detail ist durch die geforderte nähere Konkretisierung problemlos zu reparieren. Eine Reparatur könnte aber entbehrlich sein, da die Länder ohnehin in ihren Ausführungsgesetzen entsprechende Verpflichtungen zur zwischenbehördlichen Datenweitergabe vorzusehen haben (§ 8 SH-GG).“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 16. Jänner 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch die Abgeordneten Mag. Markus Koza, Mag. Michael Hammer, Mag. Gerald Loacker, Alois Stöger, diplômé sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Rudolf Anschober.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, G, N).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Klaus Fürlinger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2020 01 16

                            Mag. Klaus Fürlinger                                                           Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann