Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines

Das vorliegende Gesetzesvorhaben hat folgende Schwerpunkte:

1) Schaffung der nötigen innerstaatlichen Bestimmungen zur Umsetzung und Durchführung des Übereinkommens zwischen der EU und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über das Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Island und Norwegen, ABl. Nr. L 292 vom 21.10.2006, S. 2.

2) Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, ABl. Nr. L 297 vom 04.11.2016 S. 1 (im Folgenden „RL Prozesskostenhilfe“). Der Entwurf sieht ausschließlich Maßnahmen vor, zu denen der Bund aufgrund zwingender Vorschriften des Unionsrechts verpflichtet ist.

3) Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind (in der Folge: RL Jugendstrafverfahren), ABl. Nr. L 132 vom 21.5.2016 S. 1. Der Entwurf sieht ausschließlich Maßnahmen vor, zu denen der Bund aufgrund zwingender Vorschriften des Unionsrechts verpflichtet ist.

4) Erforderliche Anpassungen in StPO und Tilgungsgesetz 1972 durch die am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen Änderungen im Recht der gesetzlichen Vertretung durch das 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl. I Nr. 59/2017.

5) Schaffung von Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung (EU) 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und zur Ersetzung und Aufhebung des Beschlusses 2002/187/JI des Rats, ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 138.

6) Umsetzung von Urteilen des EuGH im Bereich der gegenseitigen Anerkennung.

7) Schließung einzelner Lücken bei der Umsetzung der bestehenden Rechtsinstrumente im Bereich der gegenseitigen Anerkennung, Vornahme redaktioneller Änderungen sowie legistische Reaktion in jenen Bereichen der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen, in denen es in der Praxis zu Unklarheiten bzw. Problemen bei der Anwendung gekommen ist.

8) (Weitere) Umsetzung der Richtlinie 2014/57/EU über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. Nr. L 173 vom 12.6.2014 S. 179, durch Schaffung eines gerichtlichen Straftatbestandes der „Manipulation der Referenzwertberechnung“.

Ad. 1) Das Übereinkommen ist zwar ein völkerrechtliches Übereinkommen (das die Union für ihre Mitgliedstaaten abgeschlossen hat); seine Bestimmungen sind aber weitestgehend wörtlich dem Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 190 vom 18.7.2002, S. 1 (in der Folge: RB-EHB), nachgebildet. Da die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses umsetzungsbedürftig sind und in Österreich in den §§ 3 bis 38 EU-JZG umgesetzt sind, sollen die innerstaatlichen Bestimmungen des EU-JZG auf das Übergabeverfahren mit Island und Norwegen anwendbar gemacht werden. Dies soll im Weg eines eigenen Bundesgesetzes erfolgen.

Ad. 2) Die StPO enthält bereits umfassende Regelungen zur Beigebung und Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers für den Beschuldigten im Strafverfahren (vgl. insbesondere §§ 61 ff StPO). Mit den vorgeschlagenen Änderungen in StPO, EU-JZG und ARHG sollen die zur vollständigen Umsetzung der RL Prozesskostenhilfe im Strafverfahren erforderlichen Anpassungen erfolgen.

Ad. 3) Der vorliegende Entwurf dient vorrangig der vollständigen Umsetzung der RL Jugendstrafverfahren. Am 20.11.2009 hatte der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten im Strafverfahren angenommen (ABl. Nr. C 295 vom 4.12.2009 S. 1), in dem unter anderem als Maßnahme E die Gewährleistung besonderer Verfahrensgarantien für schutzbedürftige Verdächtige oder Beschuldigte vorgesehen ist. Der von der Europäischen Kommission am 27.11.2013 vorgelegte Vorschlag zu einer Richtlinie über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder, COM (2013) 822, sollte der Umsetzung der Maßnahme E des Fahrplans dienen.

Die am 11.5.2016 auf Grundlage dieses Vorschlags angenommene RL Jugendstrafverfahren sieht gemeinsame Mindeststandards in Strafverfahren gegen jugendliche Beschuldigte vor. Sie ist gemäß Art. 24 von den Mitgliedstaaten bis zum 11.6.2019 umzusetzen.

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) sieht als modernes Gesetz bereits zahlreiche Regelungen vor, die die in der RL Jugendstrafverfahren vorgesehenen Mindeststandards abdecken. So sind etwa die Vorgaben der RL Jugendstrafverfahren für den Freiheitsentzug im Rahmen der Untersuchungshaft (Art. 10), die dafür vorgesehenen alternativen Maßnahmen (Art. 11) und die besondere Behandlung eines Jugendlichen bei Freiheitsentzug (Art. 12) bereits vollumfänglich in §§ 35, 35a und 36 des JGG enthalten; weiterer Umsetzungsschritte bedarf es hier nicht. Auch Art. 14 der RL Jugendstrafverfahren (Recht auf Schutz der Privatsphäre) bedarf keiner Umsetzung, da die diesbezüglichen Verfahrensgarantien bereits in § 42 JGG enthalten sind. § 32 Abs. 1 und Abs. 2 JGG schließen die Verhandlung gegen Jugendliche in deren Abwesenheit aus; auch Art. 16 der RL Jugendstrafverfahren, der Gleichartiges vorsieht, bedarf daher keiner Umsetzung.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen jene Bestimmungen der RL Jugendstrafverfahren umgesetzt werden, die von dem bisherigen Rechtsbestand des JGG noch nicht (ausreichend) umgesetzt werden. Darüber hinaus schlägt der Entwurf auch Änderungen im EU-JZG und im ARHG vor, die der Umsetzung von Vorgaben der RL Jugendstrafverfahren dienen sollen.

Ad. 4) Die in der StPO und dem Tilgungsgesetz 1972 verwendete Terminologie im Bereich gesetzlicher Vertretungen wie auch geistiger Beeinträchtigungen entspricht nicht jener des am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen neuen Erwachsenenschutzrechts. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die dahingehenden Anpassungen vorgenommen werden.

Ad. 5) Die bisherige Rechtsgrundlage von Eurojust, der Beschluss 2002/187/JI über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität, ABl. L 63 vom 6.3.2002, S. 1 zuletzt geändert durch Beschluss 2009/426/JI zur Stärkung von Eurojust und zur Änderung des Beschlusses 2002/187/JI über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität, ABl. L 138 vom 4.6.2009, S. 14 (in der Folge: Eurojust-Beschluss), wurde mit EU-JZG Änderungsgesetz 2013 (BGBl. I Nr. 175/2013) in den §§ 63 bis 68a des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der EU (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, umgesetzt. Die Eurojust-VO ist am 12.12.2019 in Kraft getreten; sie ist unmittelbar anwendbar. Aufgrund dessen wird vorgeschlagen, die nationale Umsetzung im EU-JZG anzupassen bzw. einzelne Bestimmungen der nationalen Umsetzung aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit der Verordnung aufzuheben.

Ad. 6) Im Bereich des EU-JZG soll dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-573/17, Poplawski, Rechnung getragen werden. In diesem Urteil hat der EuGH ausgesprochen, dass Erklärungen der Mitgliedstaaten nach Art. 28 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 27, nach dessen Annahme im Rat vom 5.12.2011 ungültig sind.

Im Bereich des ARHG soll den Urteilen des EuGH in den Rechtssachen Petruhhin (C-182/15), Pisciotti (C-191/16) und Schotthöfer & Steiner (C‑473/15) Rechnung getragen werden. Diese Urteile betreffen das Problem der Diskriminierung von Unionsbürgern gegenüber eigenen Staatsbürgern des Mitgliedstaats im Fall eines Auslieferungsersuchens eines Drittstaats, wenn nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaats vorgesehen ist, dass die Auslieferung eigener Staatsbürger unzulässig ist.

Ad. 7) Im EU-JZG wird eine ausdrückliche Umsetzung der Spezialitätsvorschriften nach Art. 27 und 28 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 190 vom 18.7.2002, S. 1, vorgeschlagen. Darüber hinaus soll auch Art. 17 Abs. 7 des genannten Rahmenbeschlusses umgesetzt werden, um für die dort vorgesehenen Verständigungspflichten im Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls an Eurojust eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu schaffen. Bei der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, ABl. Nr. L 327 vom 5.12.2008, S. 27, kam es in der Praxis zu Unklarheiten bei den Zuständigkeitsbestimmungen bzw. Schwierigkeiten bei deren Anwendung, weswegen dazu Verbesserungen vorgeschlagen werden. Im Bereich der Vollstreckung von Freiheitsstrafen werden dieselben Änderungen auch im ARHG vorgeschlagen, um eine weitgehende Übereinstimmung der Verfahren im Verhältnis von EU Mitgliedstaaten (EU-JZG) einerseits und Drittstaaten (ARHG) andererseits zu erzielen. Weiters sollen auch die in Art. 16 Abs. 3 des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, ABl. Nr. L 337 vom 16.12.2008, S. 102, vorgesehenen Verständigungspflichten umgesetzt werden. Besonders ist darauf hinzuweisen, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Verfassungsbestimmung des § 5 Abs. 4 und Abs. 6 sowie § 140 Abs. 18 EU-JZG lediglich redaktioneller Natur sind; die Notwendigkeit zur Richtigstellung des Verweises hat sich durch die Neustrukturierung der Bestimmungen zur Umsetzung des RB Vollstreckung von Freiheitsstrafen durch das EU-JZG-Änderungsgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 134/2011) ergeben. Schließlich werden zu Artikeln 6 und 7 des Entwurfs großteils notwendige Anpassungen an das Strafprozessreformgesetz 2004 vorgeschlagen.

Ad. 8) Im geltenden Recht ist die Marktmanipulation der Berechnung kritischer Referenzwerte im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. d der Marktmissbrauchsrichtlinie ausschließlich als Verwaltungsstraftatbestand normiert (§ 48c Abs. 1 Z 3 BörseG 2018). Da es nun aber aufgrund rezenter Rechtsakte der Europäischen Union möglich ist, auch für die „Manipulation der Referenzwertberechnung“ zwischen schweren und anderen Fällen zu unterscheiden, soll nun für schwere Fälle gerichtliche Strafbarkeit geschaffen werden. Damit soll zugleich einem wesentlichen Kritikpunkt der Europäischen Kommission in dem Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2019/2121 entsprochen werden. Es wird vorgeschlagen, § 164 BörseG 2018 um einen neuen Absatz 5 zu erweitern.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf dient der Umsetzung bzw. betrifft die Durchführung von Unionsrecht, insbesondere folgender Rechtsakte:

-       Verordnung (EU) 2018/1727 betreffend die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und zur Ersetzung und Aufhebung des Beschlusses 2002/187/JI des Rats, ABl. Nr. L 295 vom 21.11.2018, S. 138 (in der Folge: Eurojust-VO),

-       Beschluss 2005/671/JI über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten, ABl. Nr. L 253 vom 29.9.2005, S. 22,

-       Rahmenbeschluss 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 190 vom 18.7.2002, S. 1 (in der Folge: RB-EHB),

-       Rahmenbeschluss 2008/909/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, ABl. Nr. L 327 vom 5.12.2008, S. 27 (in der Folge: RB Vollstreckung von Freiheitsstrafen),

-       Rahmenbeschluss 2006/960/JI über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. Nr. L 386 vom 29.12.2006, S. 89 (in der Folge: RB Informationsaustausch),

-       Rahmenbeschluss 2008/947/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, ABl. Nr. L 337 vom 16.12.2008, S. 102 (in der Folge: RB Bewährungsüberwachung),

-       Übereinkommen zwischen der EU und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über das Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Island und Norwegen, ABl. Nr. L 292 vom 21.10.2006, S. 2,

-       Richtlinie 2014/57/EU über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation, ABl. Nr. L 173 vom 12.6.2014 S. 179 (Marktmissbrauchsrichtlinie, in der Folge: MAD).

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes (Strafrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen im Nationalrat gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG wegen der in Artikel 4 Z 11 und 43 vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen.


II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Bundesgesetz über das Übergabeverfahren mit Island und Norwegen)

Zu § 1

Das Übereinkommen zwischen der EU und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über das Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Island und Norwegen, ABl. Nr. L 292 vom 21.10.2006, S. 2, ist – in der Zeit des ersten Vorsitzes Österreichs im Rat – am 28.6.2006 in Wien unterzeichnet worden. Es ist am 1.11.2019 in Kraft getreten (ABl. Nr. L 230 vom 6.9.2019, S. 1).

Das Übereinkommen stellt insofern einen beispiellosen Sonderfall dar, als es sich zwar um ein völkerrechtliches Übereinkommen handelt, das die Union (auf der Grundlage der damaligen Art. 24 und 38 EUV) für ihre Mitgliedstaaten abgeschlossen hat, die Bestimmungen des Übereinkommens aber weitestgehend wörtlich dem RB-EHB nachgebildet sind. Da die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses umsetzungsbedürftig sind und in Österreich in den §§ 3 bis 38 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der EU (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, umgesetzt sind, sollen die innerstaatlichen Bestimmungen des EU-JZG auf das Übergabeverfahren mit Island und Norwegen anwendbar gemacht werden.

Dabei wären mehrere legistische Wege möglich. Es könnten Bestimmungen in das ARHG oder in das EU-JZG aufgenommen werden. Für das ARHG spricht etwa, dass das EU-JZG ausdrücklich zu dem Zweck geschaffen wurde, die Zusammenarbeit in Strafverfahren mit den anderen EU-Mitgliedstaaten zu regeln, Island und Norwegen aber nicht EU-Mitglieder sind. Für das EU-JZG spricht wiederum, dass die dort enthaltenen Bestimmungen, die den Europäischen Haftbefehl regeln, auf den im Verhältnis zu Island und Norwegen zu erlassenden „Haftbefehl“ und das Verfahren zu dessen Vollstreckung besser geeignet sind.

Da aber jedes dieser Argumente für das eine der beiden Gesetze zugleich gegen das andere spricht, und um eine (weitere) Aufblähung von ARHG und EU-JZG mit „Buchstaben-§§“ (etwa § 4a EU-JZG, oder § 9b ARHG) zu vermeiden, soll ein dritter Weg eingeschlagen und ein eigenes Bundesgesetz erlassen werden. (Dieses könnte in Zukunft um Bestimmungen zu anderen Übereinkommen der Union mit Drittstaaten erweitert werden; zu denken ist insbesondere an ein System der Übergabe mit dem Vereinigten Königreich, nämlich, was schon angedacht worden ist, eine besondere Form der Auslieferung zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem Vereinigten Königreich nach dem Vorbild des mit Island und Norwegen abgeschlossenen Übereinkommens zu vereinbaren).

Zu § 2

1. Auf das Übergabeverfahren, das in Österreich aufgrund eines von Island oder Norwegen ausgestellten „Haftbefehls“ stattzufinden hat, sollen grundsätzlich § 1 Abs. 2 und die Bestimmungen über die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (§§ 3 – 28) des EU-JZG anzuwenden sein (Abs. 1).

2. Eine wichtige Abweichung regelt Abs. 2. Während (entsprechend dem RB-EHB) nach dem EU-JZG österreichische Staatsbürger (in gewissen, engen Grenzen) an EU-Mitgliedstaaten auszuliefern (zu übergeben) sind (§ 5 EU-JZG), kennt das ARHG das ausnahmslose Verbot der Auslieferung österreichischer Staatsbürger, wobei die betreffende Bestimmung des ARHG (§ 12) im Verfassungsrang steht. Es wird vorgeschlagen, dass Österreich – wie es auch Deutschland getan hat – bei diesem Grundsatz bleibt; Österreich hat auch die entsprechende Erklärung nach Artikel 7 Abs. 2 des Übereinkommens abgegeben. Daher soll sich die Übergabe österreichischer Staatsbürger im Verhältnis zu Island und Norwegen weiterhin nach § 12 ARHG richten.

§ 5a EU-JZG soll darüber hinaus nicht anzuwenden sein; das Übereinkommen enthält nämlich keine Bestimmung, die eine Gleichbehandlung von aufenthaltsverfestigten Unionsbürgern mit eigenen Staatsangehörigen zulassen würde, wie sie innerhalb der Union nach der Rechtsprechung des EuGH nach dem Diskriminierungsverbot geboten ist (vgl. EuGH 5.9.2012, C‑42/11, Lopes Da Silva Jorge).

3. § 11 EU-JZG („Abwesenheitsurteile“) geht in der geltenden Fassung auf das EU-JZG-ÄndG 2011, BGBl. I Nr. 134/2011, zurück; es wurde damals einer Novellierung des RB-EHB durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist, ABl. Nr. L 81 vom 27.3.2009, S. 24, Rechnung getragen, der „eine präzise und einheitliche Grundlage für die Nichtanerkennung von Entscheidungen (…), die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht persönlich erschienen ist“ (Erwägungsgrund 4), geschaffen hat (Art. 4a RB-EHB). Das Übereinkommen mit Island und Norwegen übernimmt jedoch in seinem Art. 8 Abs. 1 die alte Regelung des RB-EHB.

Daher muss auch die Umsetzung des Übereinkommens die frühere Regelung, also die Bestimmungen des § 11 EU-JZG aus dessen Stammfassung, übernehmen (Abs. 3).

Zu § 3

Ersucht Island oder Norwegen um Durchlieferung durch Österreich (Art. 28 Übereinkommen), so sollen die Bestimmungen des EU-JZG anzuwenden sein, die die Durchlieferung durch Österreich betreffen, also die §§ 32, 34, 35 und 37.

Zu § 4

1. Die vorgeschlagene Bestimmung soll den zu § 2 umgekehrten Fall regeln, also, dass in einem inländischen Strafverfahren ein Haftbefehl auszustellen ist, der in Island oder Norwegen vollstreckt werden soll. In diesem Fall sollen wiederum grundsätzlich die Bestimmungen über die Erwirkung eines Europäischen Haftbefehls (§§ 3, 4, 29 – 31) des EU-JZG anzuwenden sein (Abs. 1). Der Haftbefehl ist unter Verwendung des Formblatts auszustellen, das im Anhang zum Übereinkommen enthalten ist (Abs. 2). Das Formblatt weicht vom Formblatt zum EHB ab (Anhang II zum EU-JZG): es ist anders bezeichnet („Haftbefehl“ versus „Europäischer Haftbefehl“) und weicht in einem Punkt auch inhaltlich ab, nämlich was Abwesenheitsentscheidungen anlangt. Während im EU-JZG das Formblatt aus dem RB-EHB in einen Anhang übernommen wurde (wie auch weitere Formblätter zu weiteren Unionsrechtsakten übernommen wurden), soll hier auf diese Übernahme verzichtet und bloß auf den Anhang des Übereinkommens verwiesen werden; die Übernahme bedeutet nämlich keinen wesentlichen Gewinn für die Praxis, weil eine ausfüllbare Version des Formblatts ohnehin auf der Homepage des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN) zur Verfügung steht (https://www.ejn-crimjust.europa.eu/ejn/libdocumentproperties/EN/2177). In der Regel wird ein Haftbefehl nach dem Übereinkommen nur dann ausgestellt werden können, wenn der ausstellenden Behörde bereits bekannt ist, dass sich die gesuchte Person in Island oder Norwegen befindet. Ist dies nicht der Fall, müssen Fahndungsmaßnahmen eingeleitet werden. Für die Speicherung im Schengen Information System ist ein EHB ausreichend (vgl. auch Fn. 1 zum Übereinkommen, wonach der EHB und der Haftbefehl nach dem Übereinkommen für die Zwecke der Ausschreibung im Schengen Informationssystem gleichgestellt sind), der sich, wie bereits oben beschrieben, nur durch das Feld d) unterscheidet (Abwesenheitsurteile). Gegebenenfalls werden die geforderten Garantien bzw. Erläuterungen zum nationalen Recht nachzureichen sein, wenn die gesuchte Person aufgrund eines EHB in Norwegen oder Island festgenommen wurde.

2. Die Sprachen, die von Island bzw. von Norwegen akzeptiert werden, sind bereits bekannt; dem folgt der vorgeschlagene Abs. 3.

3. Das Übereinkommen sieht bestimmte Erklärungen vor, die abzugeben sind, wie etwa – neben der soeben angesprochenen Sprachenregelung – zuständige Behörden zu benennen; weiters sind Erklärungen nach Art von Vorbehalten freigestellt, wie etwa zu Ablehnungsgründen (vgl. etwa die oben erwähnte Erklärung Österreichs zur Nichtauslieferung bzw. Nichtübergabe eigener Staatsbürger). Diese Erklärungen sind in einem Ratsdokument (Nr. 11808/1/2019) zusammengestellt, das ebenso auf der Homepage des EJN (https://www.ejn-crimjust.europa.eu/ejn/libcategories/EN/103/-1/-1/-1) zugänglich ist.

Zu § 5

Soll – was aus geografischen Gründen in der Praxis kaum jemals vorkommen wird – von Österreich eine Durchlieferung durch Island oder Norwegen erwirkt werden, so sollen wiederum die Bestimmungen des EU-JZG anzuwenden sein, die die Erwirkung der Durchlieferung betreffen, also § 36.

Zu § 6

Obwohl das Übereinkommen weitgehend gleichlautend mit dem RB EHB ist, werden unterschiedliche Begriffe verwendet. Mit Abs. 1 soll klargestellt werden, dass der Begriff „Mitgliedstaat“ des EU-JZG auch Island und Norwegen umfasst und dass der Begriff „Europäischer Haftbefehl“ des EU-JZG als Haftbefehl für die Zwecke der Anwendung dieses Bundesgesetzes zu verstehen ist.

Zu § 7

Abs. 1 sieht den frühest möglichen Zeitpunkt des Inkrafttretens vor und führt – entsprechend Art. 34 Abs. 1 des Übereinkommens – jene im Verhältnis zu Island und Norwegen in Geltung stehenden Rechtsinstrumente an, die mit Inkrafttreten des Übereinkommens durch dieses ersetzt werden. Zur Z 3 ist darauf hinzuweisen, dass das Übereinkommen lediglich von den „Schengen-relevanten“ Bestimmungen der beiden genannten Übereinkommen spricht, die durch das Übereinkommen ersetzt werden sollen. Mit Beschluss 2003/169/JI zur Festlegung der Bestimmungen im Übereinkommen von 1995 über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Bestimmungen im Übereinkommen von 1996 über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands im Sinne des Übereinkommens über die Assoziierung der Republik Island und des Königreichs Norwegen bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands darstellen (ABl. Nr. L67 vom 12.3.2003, S. 25), wurde allerdings in Art. 1 festgelegt, dass das Übereinkommen 1995 in seiner Gesamtheit eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes darstellt (Art. 1 des o.g. Beschlusses) und das Übereinkommen 1996 im Umfang der Artikel 2, 6, 8, 9 und 13 sowie Artikel 1, soweit er für die anderen Artikel relevant ist (Art. 2 des o.g. Beschlusses).

In Abs. 2 wird eine Übergangsregelung vorgeschlagen, die jener für Europäische Haftbefehle in § 139 Abs. 4 EU-JZG entspricht und die nach Art. 35 Abs. 2 des Übereinkommens zulässig ist; eine diesbezügliche Erklärung hat Österreich abgegeben.

Übergabeverfahren, die Taten vor dem 7. August 2002 betreffen, sollen daher nach dem ARHG und den bis zum 31. Oktober 2019 anwendbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen durchgeführt werden. Zum Stichtag verweist Art. 35 Abs. 2 des Übereinkommens selbst auf „die vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens geltende Auslieferungsregelung“. Aus dem Inkrafttreten des Übereinkommens mit 1. November 2019 ergibt sich der angeführte Stichtag.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975)

Zu Z 3 bis 6, 9 bis 11 (§ 59 Abs. 5, § 61 Abs. 2, § 62 Abs. 2a, § 171 Abs. 4 Z 2, § 514 Abs. 41, § 516a Abs. 11 StPO):

Die RL Prozesskostenhilfe ist bis zum 5. Mai 2019 in nationales Recht umzusetzen (vgl. Art. 12 Abs. 1 der RL Prozesskostenhilfe). Die StPO enthält bereits umfassende Regelungen zur Beigebung und Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers für den Beschuldigten im Strafverfahren. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die zur vollständigen Umsetzung der RL Prozesskostenhilfe im Strafverfahren erforderlichen Anpassungen erfolgen.

Zur vollständigen Umsetzung von Art. 4 Abs. 4 der RL Prozesskostenhilfe soll in § 59 Abs. 5 StPO festgelegt werden, dass der Beschuldigte die Kosten für die Beiziehung eines „Verteidigers in Bereitschaft“ nach § 59 Abs. 4 StPO unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu tragen hat. Dies gilt zum einen (in Umsetzung des Art. 4 Abs. 4 lit. a der RL Prozesskostenhilfe) für die Beiziehung eines „Verteidigers in Bereitschaft“ zur Vernehmung über die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nach § 174 Abs. 1 StPO (§ 59 Abs. 5 Z 1 StPO). Ein Umsetzungsbedarf in Ansehung von Art. 4 Abs. 4 lit. b der RL Prozesskostenhilfe ist demgegenüber nicht gegeben, weil ab Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschuldigten bereits nach geltendem Recht notwendige Verteidigung nach § 61 Abs. 1 Z 1 StPO besteht und dem Beschuldigten bei finanzieller Bedürftigkeit über Antrag sowie gegebenenfalls auch von Amts wegen durch das Gericht ein Verfahrenshilfeverteidiger beizugeben ist (§ 61 Abs. 2 und 3 StPO).

Zum anderen sollen gemäß § 59 Abs. 5 Z 2 StPO in Umsetzung von Art. 4 Abs. 4 iVm Art. 9 der RL Prozesskostenhilfe auch schutzbedürftige Beschuldigte die Kosten für die Beiziehung eines „Verteidigers in Bereitschaft“ nicht zu tragen haben. Die schutzbedürftigen Beschuldigten sollen über den Verweis auf § 61 Abs. 2 Z 2 StPO definiert werden. Die davon umfasste Personengruppe, bei der die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers im Interesse der Rechtspflege jedenfalls erforderlich ist, soll in Umsetzung von Art. 9 der RL Prozesskostenhilfe und unter Berücksichtigung der Empfehlung der Kommission vom 27. November 2013 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte schutzbedürftige Personen, ABl. C 378 vom 24.12.2013 S. 8 ff, klarer definiert werden. Konkret sollen Personen, die blind, gehörlos, stumm oder in vergleichbarer Weise behindert oder aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht in der Lage sind, sich selbst zu verteidigen, umfasst sein. Die Terminologie der psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit entspricht jener des am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes, BGBl. I Nr. 59/2017 (s. Erläuterungen zu § 58 Abs. 4, § 155 Abs. 1 Z 4, § 160 Abs. 3 StPO).

Bei dieser Gelegenheit soll in § 61 Abs. 2 Z 2 StPO auch das bisher enthaltene Kriterium des der Gerichtssprache nicht hinreichend kundigen Beschuldigten entfallen, weil nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung die Nichtbeherrschung der Gerichtssprache alleine kein Grund ist, einem Angeklagten unabhängig von der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und der Bedeutung des Strafvorwurfs zusätzlich zum Dolmetscher einen Verteidiger beizugeben (RIS-Justiz RS0124386).

Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, die eine Wiederaufnahme des Kriteriums der Unkenntnis der Gerichtssprache fordern und darauf abzielen, bei Unkenntnis der Gerichtssprache sogleich einen Anspruch auf Beigebung eines Bereitschaftsverteidigers vorzusehen, verkennen, dass zusätzlich jedenfalls auch die Unfähigkeit einer angemessenen Verteidigung hinzutreten muss. Genau das hat aber der OGH festgehalten: Die Nichtbeherrschung der Gerichtssprache alleine ist kein Grund, einem Angeklagten unabhängig von der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage und der Bedeutung des Strafvorwurfs zusätzlich zum Dolmetscher einen Verteidiger beizugeben. Damit ist klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Verteidigerbeigebung (hier im Bereich der Verfahrenshilfe) auch bei einer sprachunkundigen Person nur bei Vorliegen iW der Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 Z 4 StPO in Betracht kommt. Damit anerkennt der OGH aber auch, dass durch einen beigegebenen Dolmetsch idR die Möglichkeit einer adäquaten Verteidigung gegeben ist.

Die im Begutachtungsverfahren in einer Stellungnahme geäußerte Ansicht der unvollständigen Richtlinienumsetzung im Hinblick auf die Art. 4 Abs. 1 der RL Prozesskostenhilfe, wonach Verdächtigen und beschuldigten Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistands verfügen, Anspruch auf Prozesskostenhilfe zukommt, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist, erfordert keine Ergänzung des Entwurfs. Die Richtlinie überlässt es – mit Ausnahme der in Art. 4 Abs. 4 lit. a und b genannten Kriterien – den Mitgliedstaaten selbst, jene materiellen Kriterien zu definieren, die für die Gewährung von Prozesskostenhilfe maßgeblich sind. Entsprechende Festlegungen finden sich in § 62 Abs. 2 Z 1 bis 4 StPO. Die Kriterien nach Z 1 und 3 werden im Verfahrensstadium bis zur Vernehmung nach § 174 Abs. 1 StPO nicht schlagend. Das (materielle) Kriterium nach Z 4 ist einzelfallbezogen zu beurteilen; die zum Teil schon recht alte Literatur nennt folgende Beispielsfälle:

     Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens eines Buchsachverständigen und Darlegung der Sachlage durch diesen (ÖJZ 1997, 101);

     bei Vernehmung eines Sachverständigen in der Hauptverhandlung (Bertel/Venier, StPO9, § 61 Rz 8);

     bei einer Fülle angeklagter Taten;

     bei einer Mehrzahl an Beschuldigten;

     bei komplexen Beweisaufnahmen;

     wenn Vorgänge der Betriebsführung, Buchhaltung und Bilanzierung zu überprüfen sind;

     bei schwierigen Beweisen zur inneren Tatseite;

     wenn die Glaubwürdigkeit eines kindlichen Zeugen mit Hilfe eines Sachverständigen zu prüfen ist;

     bei sonstiger unterschiedlicher Beurteilung der Sach- oder Rechtslage (allesamt ÖJZ 1994, 1);

     bei komplexen Beweiserhebungen;

     bei der Klärung von Tatfragen durch Sachverständige aus dem Fachbereich für Medizin, Technik, Betriebsführung, Bilanzierung, etc.;

     aufwendig zu klärende Tatfragen (zur inneren und äußeren Tatseite) oder Rechtsfragen;

     Glaubwürdigkeitsbeurteilungen von Zeugenaussagen durch Sachverständige;

     bei der Anregung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes;

     zur Ausführung eines Wiederaufnahmeantrages oder einer Beschwerde gegen die Abweisung eines solchen;

     zur Ausführung eines Wiedereinsetzungsantrages bei Fristversäumnis;

     für die Ausführung von Beschwerden im Ermittlungs- oder Hauptverfahren (allesamt Schmölzer/Mühlbacher, StPO, § 61, Rz 24)

Von gegenständlicher Relevanz ist im fraglichen Verfahrensstadium bis zur Vernehmung nach § 174 Abs. 1 StPO allenfalls das Kriterium der Mehrzahl an Beschuldigten. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich seit Veröffentlichung der ÖJZ 1994 Verfahren durchwegs komplexer und vielschichtiger gestalten als es damals der Fall war. Die bloße Anzahl der Beschuldigten scheint auch im Vergleich zur Bedeutung der übrigen angeführten Beispielsfälle daher nicht mehr allein für das Bestehen einer schwierigen Sach- und Rechtslage ausreichend, würde doch sonst in einer (nicht gewollten) Vielzahl von Fällen – bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen – ein nicht zu rechtfertigender unabdingbarer Anspruch auf Prozesskostenhilfe bestehen. Die Kostenlosigkeit der Beiziehung des Verteidigers in Bereitschaft in den Fällen des § 59 Abs. 5 Z 1 und 2 StPO setzt jedenfalls voraus, dass der Beschuldigte erklärt, dass er zur Kostentragung aus den in § 61 Abs. 2 erster Satz StPO genannten Gründen außer Stande ist. Ergibt sich im weiteren Verfahren, dass die Erklärung des Beschuldigten falsch war, so ist er vom Gericht nachträglich zum Ersatz dieser Kosten zu verpflichten. Mit dieser Regelungssystematik soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass aufgrund des Eilcharakters des Einschreitens eines „Verteidigers in Bereitschaft“ bei festgenommenen oder zur sofortigen Vernehmung vorgeführten Beschuldigten grundsätzlich keine Bedürftigkeitsprüfung iSd § 61 Abs. 2 erster Satz StPO durch das Gericht vorgenommen werden kann. Entsprechend der Systematik der StPO soll auf die Voraussetzung der Bedürftigkeit des Beschuldigten für die kostenlose Beigebung eines Verteidigers aber nicht gänzlich verzichtet werden. Daher wird vorgeschlagen, dass der Beschuldigte, der die Beigebung eines Verteidigers in Bereitschaft verlangt (vgl. § 59 Abs. 4 StPO) dessen Kosten in den Fällen des § 59 Abs. 5 Z 1 und 2 StPO (nur) dann nicht zu tragen hat, wenn er erklärt, dass er dazu aus den in § 61 Abs. 2 erster Satz StPO genannten Gründen außer Stande ist und, sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass diese Erklärung falsch war, er nachträglich vom Gericht zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet werden kann.

Art. 6 Abs. 1 erster Satz der RL Prozesskostenhilfe sieht vor, dass Entscheidungen über die Bewilligung oder Ablehnung von Prozesskostenhilfe unverzüglich von einer zuständigen Behörde zu treffen sind. Nach Art. 4 Abs. 5 der RL Prozesskostenhilfe stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Prozesskostenhilfe unverzüglich und spätestens vor einer Befragung durch die Polizei, eine andere Strafverfolgungsbehörde oder eine Justizbehörde oder vor der Durchführung einer der in Art. 2 Abs. 1 lit. c der Richtlinie Prozesskostenhilfe genannten Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlungen bewilligt wird. Letztere umfassen nach der Richtlinie Identifizierungs- und Vernehmungsgegenüberstellungen sowie Tatortrekonstruktionen.

Bereits nach geltendem Recht ist über die Beigebung und Bestellung des Verfahrenshilfeverteidigers unverzüglich zu entscheiden (vgl. RIS-Justiz RS0097937; Nimmervoll, Das Strafverfahren [2017] 166). Zur Klarstellung im Sinne der Art. 4 Abs. 5 und Art. 6 Abs. 1 erster Satz der RL Prozesskostenhilfe soll in einem neuen § 62 Abs. 2a StPO ausdrücklich festgelegt werden, dass die Beigebung und Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers unverzüglich, jedenfalls aber vor der nächstfolgenden Vernehmung des Beschuldigten, Tatrekonstruktion (§ 149 Abs. 1 Z 2 StPO) oder Gegenüberstellung (§ 163 StPO), zu der der Beschuldigte beigezogen wird, zu erfolgen hat. Das Abstellen auf die „nächstfolgende“ Vernehmung, Tatrekonstruktion oder Gegenüberstellung, zu der der Beschuldigte beigezogen wird, trägt dem Umstand Rechnung, dass es dem Beschuldigten zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens freisteht, die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen. Entsprechend einer Anregung des ÖRAK im Begutachtungsverfahren soll dem Verteidiger vor Durchführung einer der genannten Verfahrenshandlungen eine angemessene Vorbereitungsfrist zu gewähren sein, soweit nicht besondere Umstände befürchten lassen, dass ein weiteres Zuwarten den Zweck der Ermittlungen gefährden würde.

Zu Art. 7 Abs. 4 der RL Prozesskostenhilfe und dem danach unter bestimmten Voraussetzungen vorzusehenden Recht auf Auswechslung des zur Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen von Prozesskostenhilfe zugewiesenen Rechtsbeistands ist schließlich anzumerken, dass bereits nach geltender Rechtslage und der herrschenden Ansicht zum Verständnis und zur Reichweite des § 45 Abs. 4 RAO einem Beschuldigten u.a. im Fall der Darlegung einer gröblichen Vernachlässigung der Pflichten oder offenkundiger Mängel bei der Wahrnehmung von dessen Aufgaben ein Antrag auf Enthebung des im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Verteidigers offensteht (OGH 7.10.2004, 15 Os 109/04; Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 62 Rz 21). Angesichts dessen sind gesonderte Umsetzungsmaßnahmen in Ansehung des Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie nicht erforderlich.

Zu Z 1 (§ 53 Abs. 2 StPO):

Die vorgeschlagene Änderung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens; der durch das Gewaltschutzgesetz 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, eingeführte neue Inhalt der Bestimmungen bleibt unverändert.

Zu Z 2, 7 und 8 (§ 58 Abs. 4, § 155 Abs. 1 Z 4 und § 160 Abs. 3 StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen stellen Anpassungen an die Terminologie des am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes dar.

Während § 58 Abs. 4 StPO bislang (nur) auf die Bestellung eines Sachwalters Bezug nahm, sollen künftig auch ausdrücklich weitere gesetzliche Vertretungsformen vom jeweiligen Anwendungsbereich erfasst sein; insbesondere neben der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (der bisherigen Sachwalterschaft) auch die gewählte und gesetzliche Erwachsenenvertretung sowie die wirksam gewordene Vorsorgevollmacht (§ 1034 Abs. 1 Z 2 und 3 ABGB).

Die anstelle des gemeinhin als diskriminierend empfundenen Begriffs der „geistigen Behinderung“ (vgl. ErlRV 1461 BlgNR XXV. GP 17) nunmehr in § 155 Abs. 1 Z 4 und § 160 Abs. 3 StPO verwendete Formulierung der „mit einer psychischen Krankheit vergleichbaren Beeinträchtigung der Entscheidungsfähigkeit“ soll ein inhaltsgleiches Äquivalent zu der bisher gebrauchten Begrifflichkeit darstellen. Wie auch nach geltender Rechtslage sind etwa Trunkenheit oder Drogeneinwirkung unter das Tatbestandsmerkmal der Unfähigkeit zur Wahrheitsangabe aus einem anderen Grund zu subsumieren (vgl. Kirchbacher in Fuchs/Ratz, WK StPO § 155 Rz 30).

Zu Z 10 (§ 514 Abs. 41 StPO):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Z 11 (§ 516a Abs. 11 StPO):

Durch die genannten Änderungen wird die RL Prozesskostenhilfe im nationalen Recht umgesetzt.

Zu Artikel 3 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988):

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 2 JGG):

Die RL Jugendstrafverfahren legt in Art. 3 zunächst die Begrifflichkeiten und dabei unter anderem fest, welche Personen als Jugendliche im Sinne der RL Jugendstrafverfahren gelten sollen. Diese Definition erfasst Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und deckt sich somit mit dem System des österreichischen JGG. Diesbezüglich ergibt sich kein Umsetzungsbedarf.

In Ergänzung zu dieser Definition legt die RL Jugendstrafverfahren in Art. 3 jedoch darüber hinaus fest, dass eine Person bei Zweifeln an der Vollendung des 18. Lebensjahres als Jugendlicher anzusehen ist. Diese Anordnung der RL Jugendstrafverfahren soll in den Rahmen der Begriffsbestimmungen des § 1 JGG aufgenommen und dort als Zweifelsregelung in Abs. 2 festgeschrieben werden.

Ergänzend zum Ministerialentwurf soll durch Einfügen der entsprechenden Formulierung („oder im Zeitpunkt der Verfahrenshandlung“) klargestellt werden, dass die besonderen verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die großteils auf das Alter im Zeitpunkt der jeweiligen Verfahrenshandlung abstellen, vom Wortlaut umfasst werden, nur dann zu Anwendung kommen sollen, wenn der Angeklagte zur Zeit der Verfahrenshandlung noch jugendlich ist.

Entsprechend der Natur einer Zweifelsregelung soll diese lediglich dann gelten, wenn auch nach dem Versuch einer Bestimmung des Alters, insbesondere durch die Bewertung der Aussagen des Jugendlichen, Überprüfungen des Personenstands des Jugendlichen, dokumentarische Recherchen, sonstige Belege und – wenn solche Erhebungen nicht ausreichen – eine medizinische Untersuchung, eine Altersfeststellung nicht möglich ist (Erwägungsgrund 13 der RL Jugendstrafverfahren; vgl. auch unten bei Z 10, § 37a JGG).

Zu Z 3 und 25 (§§ 30 und 54 JGG):

Die RL Jugendstrafverfahren sieht in Art. 20 vor, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass das Personal der Strafverfolgungsbehörden und Hafteinrichtungen, das Fälle mit Beteiligung von Jugendlichen bearbeitet, dem Umfang ihres Kontakts mit Jugendlichen angemessene spezifische Schulungen erhält. Dieser besonderen Sachkunde soll durch einen wirksamen Zugang zu spezifischen Schulungen Rechnung getragen werden, die insbesondere in Bezug auf die Rechte von Jugendlichen, geeignete Befragungsmethoden, Kinderpsychologie und die Kommunikation einer kindgerechten Sprache erfolgen sollen.

Die Strafrechtspflege kann das Entstehen von Jugendkriminalität nicht direkt verhindern, sie kann aber dazu beitragen, dass durch sachgerechte Reaktion straffällig gewordene junge Menschen wieder auf den rechten Weg geführt werden. Diese Form der Präventionsarbeit beginnt bereits mit dem ersten Kontakt eines Verdächtigen mit der Kriminalpolizei und setzt sich bei Kontakten mit Staatsanwaltschaft und Gericht sowie im Strafvollzug fort. Die RL Jugendstrafverfahren bestimmt in Art. 20, dass sowohl alle mit Jugendstrafsachen betrauten Staatsanwälte und Richter, als auch das Personal der Strafverfolgungsbehörden und Hafteinrichtungen spezifische Schulungen erhalten müssen. In diesem Punkt ist keine Ausnahme vorgesehen, sodass diese Verpflichtung für Staatsanwälte und Richter in allen Instanzen, daher auch für Bezirksanwälte als Personal mit Entscheidungskompetenz sowie das gesamte Personal im Jugendstrafvollzug gilt. Es wird daher einerseits vorgeschlagen, die Fortbildungsverpflichtung für Bezirksanwälte, Staatsanwälte und Richter in allen Instanzen sowie für im Jugendstrafvollzug tätige Personen vorzusehen, sowie eine Verpflichtung für die Bundesministerin für Justiz vorzusehen, dass dieser eine entsprechende Fortbildung anzubieten hat. Der vorgeschlagene § 30 JGG soll auch der näheren Konkretisierung der allgemeinen Fortbildungsverpflichtung in § 57 Abs. 1 RStDG dienen. Zusätzlich soll die explizite Anführung der Wissensgebiete als plakative Verdeutlichung der bereits bestehenden Bestimmung des § 16 RStDG verstanden werden.

Im Gegensatz zum Ministerialentwurf soll nun keine Übergangsbestimmung vorgesehen werden (vgl. § 63 Abs. 13 JGG idF ME). Damit soll den Bedenken Rechnung getragen werden, die in den Stellungnahmen für den Fall des Vorsehens einer solchen Bestimmung einheitlich vor massiven Problemen in der Praxis bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften gewarnt haben. Trotzdem soll angemerkt werden, dass nach dem Verständnis der RL Jugendstrafverfahren die vertiefende Ausbildung idealerweise vor dem Antritt einer Stelle im Bereich des Jugendstrafverfahrens vorliegen sollte. Die Einhaltung der Verpflichtung des § 30 wird insbesondere im Rahmen der Dienstaufsicht überprüft werden müssen. Für den Bereich des Jugendstrafvollzugs soll zwar gegenüber dem Ministerialentwurf ebenfalls die Übergangsbestimmung entfallen. Mangels anderslautender Stellungnahmen soll hier die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen beibehalten werden. Die Teilnahme an Fortbildungen hat in diesem Zusammenhang zumindest alle zwei Jahre zu erfolgen.

Dem Europäischen Parlament war es in den Verhandlungen zur RL Jugendstrafverfahren ein besonderes Anliegen, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, dass diese spezifischen Schulungen auch für Rechtsanwälte, die Strafverfahren mit Beteiligung von Jugendlichen bearbeiten, gefördert werden. Der Unabhängigkeit der freien Rechtsberufe Rechnung tragend herrschte jedoch schon in den Verhandlungen des Rats Einigkeit, dass eine gesetzliche Verpflichtung für diese Berufsgruppe nicht vorgesehen werden könne. Seitens des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags sollten jedoch eigene interne Fortbildungen angeboten und jenen Rechtsanwälten nahegelegt werden, die mit Jugendstrafsachen befasst sind.

Zu Z 4 (§ 31a JGG):

Die RL Jugendstrafverfahren verlangt in Art. 13 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten, alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Strafverfahren, an denen Kinder beteiligt sind, mit Vorrang und mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet werden. Es wird daher vorgeschlagen, diese Forderung in Form eines besonderen Beschleunigungsgebots für Verfahren gegen Jugendliche in § 31a JGG festzuschreiben. Nach der geltenden Rechtslage gibt es im JGG selbst keine Bestimmung über die zügige und vorrangige Führung von Jugendstrafsachen. Es gelten aber schon bisher die allgemeinen Bestimmungen des § 9 Abs. 1 StPO und das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen nach § 9 Abs. 2 und § 177 Abs. 1 StPO.

Die vorgeschlagene Regelung zielt nun darauf ab, für Jugendstrafverfahren ein besonderes Beschleunigungsgebot festzuschreiben, das der Wichtigkeit eines zügigen Vorgehens sämtlicher am Strafverfahren beteiligten Strafverfolgungsbehörden Rechnung tragen soll. Das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen nach § 9 Abs. 2, § 177 Abs. 1 StPO soll dabei als Vorbild dienen, sodass die diesbezüglichen Kriterien sinngemäß auf das Verfahren gegen jugendliche Beschuldigte und Angeklagte angewendet werden können sollen.

Zu Z 5 (§ 32a JGG):

Rechtsbelehrungen sind in der RL Jugendstrafverfahren (Art. 4) extensiv angeführt. Zwar sind die Auskunftsrechte für beschuldigte oder angeklagte Jugendliche weitgehend in der StPO verankert, etwa durch § 50 Abs. 1 iVm § 49 StPO. Zur Umsetzung der RL Jugendstrafverfahren müssen ergänzende Informationen vorgeschrieben werden, die der Jugendliche in verschiedenen Verfahrensstadien zu erhalten hat. Durch Zuwarten mit der Erteilung von Informationen auf die dafür ehestmöglich geeignete Phase des Verfahrens soll zum Schutz des Jugendlichen einer überbordenden Informationsflut vorgebeugt werden, weshalb vorgeschlagen wird, dass manche Informationen zu erteilen sind, sobald der Jugendliche von seinem Status als Beschuldigter erfährt und manche in der dafür ehestmöglich geeigneten Phase des Verfahrens (§ 32a Abs. 2 JGG).

Informationen über das Recht auf notwendige Verteidigung und Verfahrenshilfe sind grundsätzlich nach § 50 Abs. 1 StPO iVm § 49 Z 2 StPO zu erteilen. Nach der RL Jugendstrafverfahren sind jedoch über § 61 StPO hinaus Fälle der notwendigen Verteidigung zu regeln, sodass vorgeschlagen wird, das Informationsrecht an den neuen § 39 anzupassen. Gleiches gilt für das Recht auf Verfahrenshilfe.

Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a (i) iVm Art. 5 der RL Jugendstrafverfahren sind Informationen über das Recht auf Benachrichtigung der gesetzlichen Vertreter und auf Begleitung durch die gesetzlichen Vertreter zu gerichtlichen Verhandlungen (Abs. 1 Z 1) zu erteilen.

Die RL Jugendstrafverfahren verlangt in Art. 4 Abs. 1 lit. a (iii) iVm Art. 14, dass der Jugendliche über die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (vgl. § 42 JGG) zu belehren ist sowie über Beschränkungen der Verbreitung von Ton- und Bildaufnahmen. Diese sieht bereits die StPO in den §§ 54, 68 Abs. 3, § 96 Abs. 5 und § 230a vor.

Die Rechte, über die nach Abs. 1 Z 4 bis 8 zu belehren ist, betreffen vor allem jene Verfahren, in denen über den jugendlichen Beschuldigten die Untersuchungshaft verhängt wurde. Dann nämlich ist er über das Recht auf medizinische Untersuchung (Art. 4 Abs. 1 lit. b (ii) iVm Art. 8 der RL Jugendstrafverfahren), das Recht auf Begrenzung des Freiheitsentzugs (Art. 4 Abs. 1 lit. b (ii) iVm Art. 8 der RL Jugendstrafverfahren) und auf Anwendung gelinderer Mittel sowie das Recht auf besondere Behandlung in Haft (Art. 4 Abs. 1 lit. b (ii) iVm Art. 10 und 11 und Art. 4 Abs. 1 lit. c iVm Art. 12 der RL Jugendstrafverfahren) zu informieren.

Darüber hinaus ist der jugendliche Beschuldigte über das Recht auf obligatorische Durchführung von Jugenderhebungen zu informieren (Art. 4 Abs. 1 lit. b (iii) iVm Art. 10 und 11 der RL Jugendstrafverfahren) sowie über das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung (Art. 4 Abs. 1 lit. b (v) iVm Art. 16 der RL Jugendstrafverfahren). Letzteres ist bereits geltendes Recht (vgl. § 32 Abs. 1 JGG; § 6 Abs. 1, § 221 Abs. 1, § 84 Abs. 4 StPO).

In Abs. 3 soll zur Absicherung, dass der Jugendliche tatsächlich eine Information über sämtliche in § 32a JGG angeführten Rechte erhielt, eine Nachprüfung durch die Gerichte eingeführt werden.

Zu Z 6 (§ 36 JGG):

Diese Bestimmung hatte bisher keine Überschrift. Entsprechend der Bezeichnung in der StPO (§ 182 ff) soll die Überschrift eingefügt werden.

Zu Z 7, 8 und 9 (§§ 36a, 37 Abs. 1 JGG):

1. Die RL Jugendstrafverfahren regelt in Art. 4 Abs. 2, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die notwendigen Informationen in einfacher und verständlicher Sprache erteilt werden. In Erwägungsgrund 41ff der RL Jugendstrafverfahren wird ergänzend festgehalten, dass die Fürsorgepflicht für Jugendliche, die Verdächtige oder beschuldigte Personen sind, Grundlage einer fairen Justiz sind. Das gilt insbesondere dann, wenn Jugendlichen die Freiheit entzogen ist und sie sich daher in einer besonders schwachen Position befinden. Kinder können den Inhalt von Befragungen, denen sie unterzogen werden, nicht immer verstehen. Jugendliche sollten daher in jedem Fall in einer Weise befragt werden, die ihrem Alter und Reifegrad Rechnung trägt. Dem soll mit dem vorgeschlagenen § 36a Abs. 1 JGG Rechnung getragen werden.

2. Generell geht die RL Jugendstrafverfahren davon aus, dass sich Jugendliche in dem gegen sie geführten Strafverfahren in einer schwachen Position befinden. Jugendliche sollen daher das Recht haben, in der Hauptverhandlung, aber auch in allen anderen Phasen des Verfahrens – etwa während polizeilicher Vernehmungen – von einem Verteidiger, vom gesetzlichen Vertreter oder einer anderen Vertrauensperson begleitet zu werden.

Diesem Gedanken der RL Jugendstrafverfahren soll auch dadurch Rechnung getragen werden, dass durch die, gegenüber dem Ministerialentwurf geänderte, Formulierung des § 37 Abs. 1 JGG klargestellt wird, dass Jugendliche als Beschuldigte in einem Strafverfahren grundsätzlich nie alleine einer Vernehmungssituation ausgesetzt sein sollen. Wurde ein jugendlicher Beschuldigter festgenommen oder sofort vorgeführt, findet eine Tatrekonstruktion statt oder wird eine Gegenüberstellung durchgeführt, muss er nach der vorgeschlagenen Neuregelung bei seiner Vernehmung von einem Verteidiger vertreten sein. § 37 Abs. 1 JGG ist als Spezialregelung zu § 164 StPO zu verstehen. In den übrigen Fällen seiner Vernehmung, also jenen, in denen kein Freiheitsentzug stattfindet, ist dieser entweder ein Verteidiger oder eine Vertrauensperson (§ 37 Abs. 2 JGG) beizuziehen. Für die Fälle schließlich, in denen die Unterstützung eines Jugendlichen bei seiner Vernehmung durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft nicht durch eine physisch anwesende Person (Verteidiger oder Vertrauensperson) bewerkstelligt werden kann, ist die Vernehmung in Bild und Ton aufzuzeichnen (siehe sogleich unten 3.).

Die RL Jugendstrafverfahren (Art. 6 Abs. 4 lit. c) sieht in Ergänzung der RL Prozesskostenhilfe wie oben erwähnt vor, dass ein jugendlicher Beschuldigter auch bei Gegenüberstellung (§ 163 StPO) und Tatrekonstruktion (§ 149 Abs. 1 Z 2 StPO) von einem Rechtsbeistand unterstützt werden muss. Beide Situationen waren (mit der kontradiktorischen Vernehmung; siehe zu Z 2 und 16) im Ministerialentwurf noch explizit als Fälle der notwendigen Verteidigung in § 39 Abs. 1 Z 2 JGG vorgesehen. Das vorgesehene Regime macht zwar die explizite Anführung der Tatrekonstruktion als Fall der notwendigen Verteidigung entbehrlich (siehe dazu zu Z 2 und 16), es ist dadurch aber für diese beiden Verfahrenshandlungen noch nicht gewährleistet, dass auch tatsächlich ein Verteidiger anwesend ist. Um aber Art. 6 Abs. 4 lit. c der RL Jugendstrafverfahren zu entsprechen, soll nun auch für die Durchführung einer Tatrekonstruktion und einer Gegenüberstellung nach § 37 JGG die Beiziehung eines Verteidigers notwendig sein (zum konkreten Ablauf siehe § 150 Abs. 1 StPO, wonach dem Verteidiger die Gelegenheit zu geben ist, sich an der Tatrekonstruktion zu beteiligen; gleiches gilt im Fall der Gegenüberstellung nach § 163 Abs. 4 StPO). Die in der RL Jugendstrafverfahren unter Art. 6 Abs. 4 lit. c) (ii) angeführte „Vernehmungsgegenüberstellung“ wird durch § 163 Abs. 3 StPO erfasst.

Da nun für Vernehmungen bei Freiheitsentzug, sonstige Vernehmungen, Tatrekonstruktion und Gegenüberstellung klare Regelungen über das Zusammenspiel von Verteidiger, Vertrauensperson und Ton- und Bildaufnahme vorgesehen werden sollen, erübrigt sich die bisherige Regelung im vorletzten Satz des § 37 Abs. 1 JGG, dass die Vernehmung erforderlichenfalls bis zum Eintreffen des Verteidigers oder der Vertrauensperson aufzuschieben ist.

Hervorzuheben ist, dass sich die Wendung „in den übrigen Fällen einer Vernehmung“ ausschließlich auf Vernehmungen nach § 164 StPO bezieht und die Fälle einer kontradiktorischen Vernehmung nach § 165 StPO nicht erfasst (für diese besteht nach § 39 Abs. 1 Z 1 oder Z 2 JGG notwendige Verteidigung, sodass im Wege des § 39 Abs. 4 JGG Vorsorge für die Beigebung zu treffen sein wird; siehe § 165 Abs. 2 StPO).

3. Neben den Bestimmungen über die notwendige Verteidigung der RL Jugendstrafverfahren, teilweise diese auch ergänzend, ist von den Mitgliedstaaten vorzusehen, dass Vernehmungen von jugendlichen Beschuldigten durch Polizei und Staatsanwaltschaft – unter Einbeziehung von Verhältnismäßigkeitsüberlegungen – audiovisuell, somit mit Ton- und Bildaufnahme, aufgezeichnet werden. Die RL Jugendstrafverfahren stellt explizit nur auf Polizei und Staatsanwaltschaft ab; diese Bestimmung richtet sich somit nicht an die Gerichte, auch nicht bei Verhängung der Untersuchungshaft. Gemäß den genannten Verhältnismäßigkeitsüberlegungen soll von der Verpflichtung der audiovisuellen Aufzeichnung etwa dann abgesehen werden können, wenn ein Verteidiger anwesend ist. Aufgrund der offenen Formulierung der RL Jugendstrafverfahren soll die Verpflichtung zur Aufzeichnung im JGG weiters nur dann bestehen, wenn ein jugendlicher Beschuldigter ohne jegliche Begleitung vernommen werden müsste (vgl. oben Punkt 2.).

Mit der neuen Bestimmung in § 36a Abs. 2 JGG, in Adaptierung nach dem Begutachtungsverfahren, wird in Ergänzung dieser Regelung des § 37 Abs. 1 JGG auch vorgeschlagen, dass weiterhin in jedem Fall ein schriftliches Protokoll zu verfassen ist (vgl. unten Punkt 4.).

Durch die gegenüber dem Ministerialentwurf adaptierten Regelungen über die notwendige Verteidigung und über die Beiziehung eines Verteidigers soll die Anzahl der Fälle, in denen ein Jugendlicher ohne Vertretung durch einen Verteidiger oder Begleitung durch eine Vertrauensperson einer Vernehmungssituation ausgesetzt ist, so weit wie möglich reduziert werden. Da aber weiterhin Fälle eintreten werden, in denen keine physische Person einen jugendlichen Beschuldigten begleiten kann, sind entsprechende Aufzeichnungsanlagen im Bereich der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaften anzuschaffen.

Die RL Jugendstrafverfahren verlangt jedoch nicht, dass die audiovisuellen Aufzeichnungen in der besten technisch möglichen Qualität erfolgen müssen. Nach dem Verständnis der RL Jugendstrafverfahren sollen durch die Verpflichtung zur Aufnahme bloß allfällige unangemessene Vorgehensweisen bei Vernehmungen hintangehalten und diese gegebenenfalls auch dokumentiert werden. Auch soll durch die allfällig notwendige audiovisuelle Aufzeichnung einer Vernehmung nicht die schriftliche Protokollierung abgeschafft oder ersetzt werden. Gegenüber dem Ministerialentwurf soll daher auch dahingehend eine Klarstellung erfolgen, dass weiterhin in jedem Fall ein schriftliches Protokoll anzufertigen ist.

Eine Klarstellung soll durch § 36a Abs. 3 JGG für jene Situationen erfolgen, in denen technische Probleme die Aufzeichnung verhindern und angemessene Anstrengungen unternommen wurden, um das technische Problem zu lösen. Sollten Dienststellen der Kriminalpolizei bis zum Inkrafttreten des § 36a Abs. 2 JGG – etwa aufgrund noch nicht abgeschlossenen Beschaffungsverfahrens – noch nicht mit entsprechenden Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten für eine audiovisuelle Vernehmung eines unbegleiteten Jugendlichen ausgestattet sein, gelangt diese Regelung im Einzelfall zur Anwendung und ist – sofern eine Verschiebung der Befragung wegen der Dringlichkeit der Ermittlungen untunlich wäre – die Vernehmung in einem Protokoll zu dokumentieren (§ 96 StPO).

4. § 36 Abs. 4 JGG soll die Speicherdauer der Ton- und Bildaufnahme regeln. Diese soll sich nach deren Zweck richten. Der Zweck der „audiovisuellen Aufzeichnung einer Vernehmung“ nach Art. 9 der RL Jugendstrafverfahren ist, unangemessene Vorgehensweisen bei Vernehmungen hintan zu halten (vgl. oben Punkt 3.).

 

Nach dem vorgeschlagenen § 36a Abs. 2 JGG ist in jedem Fall neben der Ton- und Bildaufnahme auch ein schriftliches Protokoll anzufertigen. Ausgehend vom genannten Zweck einer Aufzeichnung soll daher die höchst zulässige Speicherdauer gestaffelt werden. Wird eine Hauptverhandlung durchgeführt, ist ein Jugendlicher jedenfalls durch einen Verteidiger vertreten (notwendige Verteidigung; vgl. den vorgeschlagenen § 39 Abs. 1 Z 4 JGG). Es kann daher davon ausgegangen werden, dass spätestens in der Hauptverhandlung ein anwaltlich vertretener jugendlicher Angeklagter vor dem unabhängigen Gericht die Gelegenheit hat, allfällige Vorfälle bei der Vernehmung durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft ansprechen zu können. Sollte das nicht erfolgen, soll daher von der Ordnungsmäßigkeit der Vernehmung ausgegangen werden können, weshalb die Aufzeichnung davon mit Rechtskraft des Urteils gelöscht werden soll.

Kann keine Hauptverhandlung durchgeführt werden, soll nach einem Zeitraum von fünf Jahren beginnend mit dem Tag der Vernehmung die (zusätzliche) audiovisuelle Aufzeichnung zu löschen sein. Dann ist die vernommene Person jedenfalls nicht mehr jugendlich und nicht mehr von der RL Jugendstrafverfahren umfasst. Sollte danach eine unangemessene Vorgehensweise bei einer Vernehmung behauptet werden, soll daher die bisherige Vorgehensweise im Sinne einer Klärung durch das Gericht nach Vernehmung aller beteiligten Personen und Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Protokoll, das ja weiterhin vorhanden sein soll, ausreichend sein.

Wird das Verfahren nicht bloß vorläufig eingestellt, sondern z. B. endgültig diversionell erledigt, soll die Aufzeichnung der Vernehmung unverzüglich gelöscht werden müssen.

Mit einer derartigen Vorgehensweise soll insgesamt eine praktikable Lösung vorgeschlagen werden, die Sorge trägt, dass zum einen ein Rechtsschutzdefizit nicht zu befürchten ist und zum anderen eine langfristige und teure Datenspeicherung verhindert wird.

Um zu verhindern, dass datenschutzrechtliche Probleme im Bereich der Kriminalpolizei entstehen, die nicht immer vom Ausgang eines Strafverfahrens verständigt wird, soll auch eine eigene Löschungsverpflichtung für die Kriminalpolizei vorgesehen werden, die schlagend werden soll, sobald die Aufzeichnungen, respektive deren Daten, an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurden.

Zu Z 10 (§ 37a JGG):

1. Der Grundsatz des Art. 3 der RL Jugendstrafverfahren, dass eine Person bei Zweifeln an der Vollendung des 18. Lebensjahres als Jugendlicher anzusehen ist, soll in § 1 Abs. 2 JGG festgeschrieben werden (siehe oben zu Z 1). Diese Zweifelsregelung soll nicht zuletzt dann greifen, wenn eine Altersfeststellung auch durch eine medizinische Untersuchung nicht möglich ist. Im Hinblick auf diese medizinische Untersuchung sieht der vorgeschlagene § 37a Abs. 1 JGG zu diesem Grundsatz ergänzende Verfahrensbestimmungen vor, die insbesondere die Heranziehung der medizinischen Untersuchung als ultima ratio festhalten sollen. Diese Bestimmung soll als lex specialis zu § 123 Abs. 1 Z 3 StPO verstanden werden.

Das Alter sollte vorrangig aufgrund von dessen eigenen Aussagen, Überprüfungen des Personenstands, dokumentarischen Recherchen oder sonstigen Belegen zu prüfen sein. Wenn solche Belege nicht verfügbar oder nicht aussagekräftig sein sollten, sollten die Mitgliedstaaten das Alter mit einer medizinischen Untersuchung bestimmen. Diese sollte als letztes Mittel und unter strikter Achtung der Rechte eines Jugendlichen, seiner körperlichen Unversehrtheit und der Menschenwürde durchgeführt werden. Falls weiterhin Zweifel hinsichtlich des Alters einer Person bestehen, sollte sie als jugendlich gelten.

Die Methoden zur Bestimmung des Alters haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Die forensische Altersdiagnostik ist seit ca. 20 Jahren ein eigener Forschungszweig mit umfangreicher Publikationstätigkeit, deren Ergebnisse in den international weitgehend akzeptierten Empfehlungen der Deutschen „Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik“ (AGFAD) zusammengefasst sind. Aufgrund dessen verlangte der österreichische Gesetzgeber seit 2010 die Beachtung dieser „Guidelines“ als medizinwissenschaftlichen „state of the art“ im asylrechtlichen Kontext. Aber auch in Pflegschaftsverfahren wurde dies von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. 3 Ob 101/17z). Nach den AGFAD-Empfehlungen setzt eine zuverlässige Altersdiagnostik voraus, dass im Wege einer zusammenfassenden Begutachtung die Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung, gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung der Hand (körperferne Unterarm-/Handskelettverknöcherung) und der Schlüsselbeine (mediale Schlüsselbeinverknöcherung), sowie einer zahnärztlichen Untersuchung (Mineralisation der Weisheitszähne) zu einer abschließenden Altersdiagnose zusammengeführt werden.

Mit diesen Untersuchungen kann eine gewisse Bandbreite des Alters einer untersuchten Person angegeben werden, wobei – den Grundsätzen des österreichischen Strafrechts entsprechend – vom geringsten, sich aus einer solchen Untersuchung ergebenden Alter auszugehen ist.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Bestimmung dazu herangezogen wird, dass unrichtig ein jugendliches Alter behauptet wird, damit die besonderen Verfahrensbestimmungen für Jugendliche Anwendung finden. Jedenfalls bei der Vornahme der oben erwähnten bildgebenden Untersuchungen ist jedoch das Mitwirken der Person (Stillhaltens während der Aufnahme) notwendig. Sollte diese Mitwirkung verweigert werden und daher die Erstellung eines Gutachtens zur Bestimmung des Alters nicht möglich sein, obliegt es natürlich den Gerichten im Rahmen der freien Beweiswürdigung Feststellungen betreffend das Alter einer Person zu treffen.

2. Die RL Jugendstrafverfahren verlangt in Art. 8, dass Kinder, denen die Freiheit entzogen wurde, das Recht auf unverzügliche medizinische Untersuchung haben. Diese ist entweder von Amts wegen oder auf Antrag durchzuführen.

Die bestehenden Bestimmungen der Zugangsuntersuchungen in den Justizanstalten tragen den Vorgaben der RL Jugendstrafverfahren nicht ausreichend Rechnung. Ab Beginn der Untersuchungshaft sehen die § 132 Abs. 5 und § 154 Abs. 1 StVG sowie § 182 Abs. 4 StPO zwar vor, dass eine Untersuchung durch einen Arzt erfolgen muss. § 43 Abs. 1 JGG sieht schon jetzt vor, dass medizinische Untersuchungen vorzunehmen sind, wenn das für Einblicke in die Persönlichkeit notwendig sein sollte. Neben der Bestimmung des § 4 Abs. 2 Z 1 JGG, der den Schuldausschließungsgrund der verzögerten Reife regelt, sehen auch die Regelungen über die Prüfung der Verhandlungsfähigkeit und Vollzugstauglichkeit Untersuchungen durch einen psychiatrischen Sachverständigen vor.

Die RL Jugendstrafverfahren bestimmt darüber hinaus, dass eine Überprüfung des Gesundheitszustands auch über Antrag des Jugendlichen, seines Verteidigers oder des gesetzlichen Vertreters erfolgen können muss.

Es wird deshalb eine Neuregelung in § 37a Abs. 2 und 3 JGG vorgeschlagen, worin auch die Möglichkeit der Untersuchung auf Antrag vorgesehen werden soll. Es soll – wie bisher durch einen Arzt – eine sofortige Klärung nach der Einlieferung in die Justizanstalt dahingehend erfolgen, ob die Haft nicht zu einer Überforderung führen würde.

Die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung sollen auch der Beurteilung dienen, ob der inhaftierte Jugendliche den Vernehmungen, anderen Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlungen oder zu seinen Lasten ergriffenen oder geplanten Maßnahmen gewachsen ist. Darunter sind etwa alle möglichen Sicherungsmaßnahmen zu verstehen.

Zu Z 11 bis 15 (§ 38 JGG):

In Art. 4 und 5 der RL Jugendstrafverfahren werden die Auskunftsrechte des Jugendlichen und seines gesetzlichen Vertreters genau geregelt. Dabei wird besonders darauf hingewiesen, dass der Jugendliche und sein gesetzlicher Vertreter so früh wie möglich, also bereits zu Beginn des Ermittlungsverfahrens bzw. auch bei dem Eintritt einer bestimmten Maßnahme, z. B. aufgrund einer Festnahme, über seine Rechte zu informieren sind. Auf das Recht des Jugendlichen auf Begleitung durch den gesetzlichen Vertreter im gesamten Verfahren wird nochmals in Art. 15 der RL Jugendstrafverfahren Bezug genommen. Explizit hat auch die Verständigung der Eltern über die Notwendigkeit eines Rechtsbeistandes zu erfolgen.

Schon bisher regelt das JGG umfassende Mitwirkungsrechte und -möglichkeiten des gesetzlichen Vertreters. Der Vorschlag der Ergänzung in § 38 JGG soll den erweiternden Vorgaben der RL Jugendstrafverfahren Rechnung tragen. Insbesondere sollen die Belehrungen, die der Jugendliche nach § 32a JGG erhalten hat, so bald wie möglich auch dem gesetzlichen Vertreter zur Kenntnis zu bringen sein (§ 38 Abs. 1a JGG). Zu den einzelnen Auskunftsrechten des jugendlichen Beschuldigten siehe oben unter Z 8 bis 10.

Außerdem soll eine Präzisierung dahingehend erfolgen, dass der gesetzliche Vertreter auch alle Rechtsbehelfe, die dem Jugendlichen zustehen, selbständig ergreifen können soll, weshalb vorgeschlagen wird, auch den Antrag auf Unterbringung aufzunehmen. Bisher fehlte auch die gesetzliche Klarstellung, dass eine Mitteilung an den gesetzlichen Vertreter auch bei jedem diversionellen Vorgehen zu erfolgen hat. Auch sämtliche Diversionsangebote und Entscheidungen sollen nach der vorgeschlagenen Regelung an den gesetzlichen Vertreter zugestellt werden.

Mit der Neuregelung in § 38 Abs. 5 Z 2 JGG soll weiters klargestellt werden, dass nun auch in Haftverhandlungen dann, wenn kein gesetzlicher Vertreter erscheint, seine Rechte auf den Verteidiger übergehen. Es war bisher nicht schlüssig, dass ein Verteidiger zwar in einer Hauptverhandlung die Rechte des gesetzlichen Vertreters übernehmen konnte, aber nicht bei der wichtigen Frage der Entscheidung über eine Haft.

Zu Z 2 und 16 (§ 39 und § 5 Z 12 JGG):

1. Artikel 6 der RL Jugendstrafverfahren sorgt für den größten Umsetzungsbedarf. Er regelt die notwendige Verteidigung von Jugendlichen durch einen Rechtsbeistand im gesamten gegen sie geführten Ermittlungs- und Hauptverfahren.

Während der Verhandlungen zur RL Jugendstrafverfahren war eines der wichtigsten Anliegen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, dass Jugendliche bereits in einem frühestmöglichen Stadium durch einen Rechtsbeistand vertreten sind; es sollte für diese besonders schutzbedürftige Personengruppe ein Anwalt der ersten Stunde vorgesehen werden, der einen Jugendlichen bei der ersten Vernehmung durch die Kriminalpolizei vertritt.

Die allgemeinen Vorgaben der RL Jugendstrafverfahren sind, dass die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand nun

-       bereits vor der Befragung eines Jugendlichen durch die Polizei oder Strafverfolgungs- und Justizbehörden erfolgen muss (Art. 6 Abs. 3 lit. a). Darüber hinaus ist diese vorzusehen

-       bei Gegenüberstellungen oder bei Tatrekonstruktion (Art. 6 Abs. 3 lit. b),

-       unverzüglich nach Entzug der Freiheit (Art. 6 Abs. 3 lit. c) sowie

-       bei einer Ladung vor Gericht (Art. 6 Abs. 3 lit. d).

Art. 6 Abs. 3 erfordert die Beigebung eines Verteidigers ab der Information über die Beschuldigtenstellung, zumal die in der Folge in Abs. 3 und 6 dieser Bestimmung angeführten Ermittlungsmaßnahmen jeweils auf eine Beteiligung des Beschuldigten abstellen.

Die RL Jugendstrafverfahren ermöglicht den Mitgliedstaaten jedoch Ausnahmen zur notwendigen Verteidigung vorzusehen (siehe sogleich unten). In allen Fällen ist immer das Kindeswohl zu berücksichtigen, der Jugendliche ist auch jedenfalls vor der Vernehmung über sein Aussageverweigerungsrecht zu informieren, sowie darüber, dass er sich nicht selbst belasten muss.

Art. 6 Abs. 6 sieht weiters – sofern dies mit dem Recht auf ein faires Verfahren vereinbar ist – die Möglichkeit einer Einschränkung der notwendigen Verteidigung bei Unverhältnismäßigkeit des damit verbundenen Aufwands vor. Dabei sind die Schwere der Tat, die Komplexität des Falls und der möglichen Maßnahmen in Abwägung zu allenfalls damit verbundenen Nachteilen für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen zu setzen und zudem die im Fall eines Schuldspruchs zu erwartenden Strafe zu berücksichtigen.

Eine solche Einschränkung ist aber in jenen Fällen ausgeschlossen, in denen der Jugendliche einem zuständigen Gericht zur Entscheidung über eine Haft vorgeführt wird bzw. während einer schon bestehenden Haft.

Nach der RL Jugendstrafverfahren ist es nicht zulässig, dass über den Jugendlichen ein Freiheitsentzug als Strafe oder vorbeugende Maßnahme verhängt wird, wenn der Angeklagte nicht zumindest während der Hauptverhandlungen durch einen Rechtsbeistand in der Weise unterstützt worden ist, dass er seine Verteidigungsrechte effektiv wahrnehmen konnte.

2. Eine notwendige Verteidigung bereits im Ermittlungsverfahren ist für das österreichische Jugendstrafrechtssystem neu. Die besehende Bestimmung zur notwendigen Verteidigung in § 39 JGG muss an die Voraussetzungen der RL Jugendstrafverfahren angepasst werden. Für § 39 JGG wird daher eine Neuregelung vorgeschlagen.

Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit soll der bisherige Aufbau des § 39 Abs. 1 JGG, in dem bisher die notwendige Verteidigung und parallel die Verfahrenshilfe geregelt sind, aufgegeben und ein Aufbau gewählt werden, der sich an § 61 StPO orientiert.

In Abs. 1 sollen alle Fälle der notwendigen Verteidigung aufgezählt werden, Abs. 2 soll rein dem Aspekt der Kosten gewidmet sein.

3. Bereits die StPO sieht in § 61 Abs. 1 einige Fälle der notwendigen Verteidigung vor, die nach der RL Jugendstrafverfahren zwingend sind, nämlich jene bei Untersuchungshaft, in Verfahren zur Unterbringung nach § 21 StGB, in bestimmten Fällen der Hauptverhandlung und für bestimmte Rechtsmittelverfahren. Die Fälle der Schutzbedürftigkeit und Behinderung, die noch im Ministerialentwurf in § 39 Abs. 1 Z 1 JGG vorgesehen waren, werden bereits im allgemeinen Verfahren (§ 61 Abs. 2 Z 2 StPO neu) als Fälle behandelt, in denen Verfahrenshilfe zu gewähren ist. Von einer zusätzlichen Erwähnung im JGG wird daher abgesehen.

Über die Bestimmungen der StPO hinaus werden in § 39 Abs. 1 JGG für das Verfahren gegen Jugendliche weitere Fälle der notwendigen Verteidigung vorgeschlagen, die ihren Ursprung in der RL Jugendstrafverfahren haben. Entsprechend der „Bagatellgrenze“ des Art. 6 Abs. 6 der RL Jugendstrafverfahren soll mit der vorgeschlagenen Regelung die Trennlinie zwischen Verbrechen und Vergehen (§ 17 StGB) gezogen werden. Es soll mit dieser Grundsatzentscheidung verhindert werden, dass die Entscheidung, ob eine schwierige Sach- und Rechtslage vorliegt, im Einzelfall einem Polizisten aufgebürdet wird, der vor Ort entscheiden müsste, ob eine solche und – in weiterer Folge – ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.

In Jugendstrafverfahren wegen eines Verbrechens (§ 39 Abs. 1 Z 1 JGG) soll im gesamten Verfahren, also auch bereits im Ermittlungsverfahren und – aufgrund der Vorgaben der RL Jugendstrafverfahren – daher bereits bei der ersten polizeilichen Vernehmung, notwendige Verteidigung vorgesehen werden. Der Zeitpunkt, zu dem der jugendliche Beschuldigte über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren, den Tatverdacht und seine Rechte zu informieren ist, soll dafür maßgeblich sein. Sobald nach § 50 StPO ein Beschuldigter über das ihn geführte Ermittlungsverfahren wegen eines Verbrechens und den gegen ihn bestehenden Tatverdacht sowie über seine wesentliche Rechte im Verfahren zu informieren ist, ist ein Verteidiger beizugeben.

In Jugendstrafverfahren wegen eines Vergehens wird aus Gründen der Praktikabilität eine Differenzierung vorgeschlagen: In einem Großteil der aller Strafverfahren (auch) wegen eines Vergehens endet das Ermittlungsverfahren bereits mit dem ersten Bericht der Kriminalpolizei, der z. B. Anfalls- und Abschlussbericht in einem ist. Da durch die vorgeschlagene Neuregelung von § 37 Abs. 1 JGG bereits gesichert ist, dass ein jugendlicher Beschuldigter grundsätzlich nicht ohne Begleitung von der Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft vernommen werde darf, erscheint in diesen Fällen die notwendige Beigabe eines Verteidigers nicht verhältnismäßig. Sollten aber nach Einlangen eines Berichts der Kriminalpolizei (vgl. § 100 StPO) weitere Ermittlungen in Auftrag gegeben werden, wird eine Komplexität des Verfahrens angenommen, die nach der RL Jugendstrafverfahren die Beigebung eines Verteidigers notwendig erscheinen lässt (§ 39 Abs. 1 Z 2 JGG).

Die Formulierung „im gesamten Verfahren“ fand sich bisher schon in § 61 Abs. 1 Z 1 und 2 StPO sowie in § 39 Z 1 JGG. Die StPO unterschied auch bisher Fälle notwendiger Verteidigung für Verfahrensabschnitte und für einzelne Verfahrenshandlungen. Diese Unterscheidung soll auch im JGG übernommen werden.

Bei notwendiger Verteidigung ist Sorge zu tragen, dass einem Beschuldigten ein Verteidiger beigegeben wird (Abs. 4). Daraus ergibt sich aber nicht, dass der Verteidiger an allen Verfahrenshandlungen teilnehmen muss. Dieses – im Übrigen unverzichtbare – Erfordernis soll sich aus der Bestimmung des § 37 Abs. 1 JGG ergeben.

In allen Verfahren – sei es wegen eines Verbrechens oder wegen Vergehens, sei es vor dem Bezirks- oder dem Landesgericht – wird mit der vorgeschlagenen Regelung Vorsorge getroffen, dass spätestens in der Hauptverhandlung eine Vertretung durch einen Verteidiger erfolgt (§ 39 Abs. 1 Z 4 JGG). Das soll der RL Jugendstrafverfahren entsprechen, die fordert, dass ein Jugendlicher in einem Strafverfahren, in dem als Strafe eine Freiheitsstrafe möglich ist, jedenfalls durch einen Verteidiger vertreten sein muss. Dabei differenziert die RL Jugendstrafverfahren im Übrigen nicht zwischen einer bedingt nachgesehenen oder einer unbedingt verhängten Freiheitsstrafe.

Mit der Anführung in § 5 Z 12 JGG soll hervorgehoben werden, dass eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme wegen einer Jugendstraftat nur verhängt werden darf, wenn der Angeklagte während der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war. Ergänzend zum Ministerialentwurf soll zur Klarstellung auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen des § 5 Z 12 JGG und des § 39 Abs. 1 Z 4 JGG hingewiesen werden: während ein Verstoß gegen § 39 Abs. 1 Z 4 JGG formelle Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 1a bzw. Z 3 StPO bewirkt, die nur im Fall erfolgreicher Anfechtung wahrzunehmen ist, wird durch die Verhängung einer der in Rede stehenden Sanktionen ohne die in § 5 Z 12 JGG angeordnete Zulässigkeitsbedingung der Vertretung durch einen Verteidiger die Strafbefugnis überschritten und damit zugleich auch der – materielle – Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 erster Fall (§ 345 Abs. 1 Z 13 erster Fall) StPO verwirklicht, der solcherart aber auch ohne Anfechtung von Amts wegen wahrzunehmen ist (§ 290 Abs. 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Die Notwendigkeit der Vertretung in einer Hauptverhandlung soll durch die Einführung eine Nichtigkeitssanktion in § 39 Abs. 1 Z 4 JGG abgesichert werden.

Gegenüber dem Ministerialentwurf, der noch in § 39 Abs. 1 Z 2 JGG Tatrekonstruktion, Gegenüberstellung oder kontradiktorische Vernehmung als Fälle notwendiger Verteidigung anführte, entfielen Teile dieser Auflistung (vgl. auch oben zu Z 7 bis 9). Eine kontradiktorische Vernehmung, wie auch eine Tatrekonstruktion wird von einem Gericht angeordnet, sodass auch für diese Fälle nach dem vorgeschlagenen § 39 Abs. 1 JGG sowohl nach Z 1, als auch nach Z 2 ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt. Diese beiden Fälle sollen daher zur Vermeidung einer doppelten Regelung nicht zusätzlich in § 39 JGG erwähnt werden. Eine Gegenüberstellung, für die Art. 6 Abs. 4 lit. c) (i) der RL Jugendstrafverfahren ebenfalls die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand verlangt, kann aber nicht nur nach Anordnung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts durchgeführt werden, sondern auch von der Kriminalpolizei aus eigenem durchgeführt werden. Diese Fälle wären weder ein Fall der notwendigen Verteidigung, noch wäre zwingend ein Verteidiger beizuziehen. Auch die neue Bestimmung über Verfahrenshilfe in § 62 Abs. 2a StPO würde für sich alleine keine Abhilfe bringen. Die Gegenüberstellung soll daher – nun in Z 3 – gesondert angeführt werden. Dadurch sollen auch die Bestimmungen über die Verfahrenshilfe anwendbar gemacht werden.

Aufgrund der Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren soll der ursprünglich vorgesehene Abs. 4 idF des Ministerialentwurfs entfallen. Mit der neuen Formulierung des § 37 Abs. 1 JGG soll an dieser Stelle besser auch die tatsächliche Beiziehung eines Verteidigers geregelt werden. Hingegen wird nun auch eine neue Formulierung des § 39 Abs. 4 JGG vorgeschlagen, der das Vorgehen in der Praxis, wie eine Beiziehung eines notwendigen Verteidigers erfolgt, besser regeln soll. Hier soll das Zusammenspiel von Staatsanwaltschaft und Gericht geregelt und die Beigebung eines notwendigen Verteidigers formell abgesichert werden. Die im Ministerialentwurf noch in § 32 Abs. 3a JGG vorgesehene Bestimmung erfüllte den vorgesehenen Zweck, nämlich die Ermöglichung einer raschen Beigabe eines Rechtsbeistandes, nicht. Eine entsprechende Regelung soll nun – auch thematisch besser passend – in § 39 JGG erfolgen. In den Fällen der notwendigen Verteidigung soll nun in Abs. 4 vorgesehen werden, dass eine Ladung bereits die Aufforderung enthält, binnen angemessener Frist einen Verteidiger zu bevollmächtigen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen. In der Praxis wird sich zur Beschleunigung des Verfahrensablaufs anbieten, dass bereits die Kriminalpolizei diese Aufforderung einem jugendlichen Beschuldigten mündlich zu Kenntnis bringt und auch zusätzlich mit der Ladung zu einer Vernehmung darauf hinweist. Es kann jedoch auch dadurch nicht ausgeschlossen werden, dass trotz dieser Aufforderung ein jugendlicher Beschuldigter ohne Verteidiger zu seiner Vernehmung kommt – insbesondere bei Ladung zu einem zeitnahen Termin. Allenfalls könnte auch bereits früh im Verfahren (daher von der Kriminalpolizei) zusätzlich ein Formular zur Beantragung der Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ausgehändigt werden.

Die noch im Ministerialentwurf vorgesehene Änderung des § 32 Abs. 3 JGG soll entfallen. Da die Abläufe im Zusammenhang mit der Beiziehung eines Verteidigers einheitlich in § 39 JGG vorgesehen werden sollen, hat die ursprünglich vorgesehene unverzügliche Verständigung der Staatsanwaltschaft durch die Kriminalpolizei keinen Mehrwert mehr. Wurde einem Jugendlichen die Freiheit entzogen, soll bei Notwendigkeit, also wenn der jugendliche Beschuldigte keinen Verteidiger hat oder benennt, – von ihm selbst, oder der Kriminalpolizei (siehe unten Punkt 4.) – ein Verteidiger in Bereitschaft beizuziehen sein. In den übrigen Fällen ist nach § 39 Abs. 4 JGG vorzugehen.

Das noch im Ministerialentwurf in § 32 Abs. 3a JGG vorgesehene Verfahren für die tatsächliche Beigebung eines Verteidigers bei einer Vernehmung eines jugendlichen Beschuldigten soll zur besseren Verständlichkeit und Einordenbarkeit der Regelung in § 39 JGG erfolgen. Dadurch soll die Überschneidung der Bestimmungen des Ministerialentwurfs verhindert werden, sodass nun die Beiziehung eines Verteidigers oder einer Vertrauensperson bei einer Vernehmung, Tatrekonstruktion und Gegenüberstellung in § 37 JGG, und jene, die die notwendige Verteidigung betreffen, in § 39 JGG geregelt werden sollen.

Die Anführung der Fälle in § 39 Abs. 1 Z 5 JGG (diese entsprechen teilweise § 61 Abs. 2 Z 6 StPO) soll weitere, nämlich alle, Fälle des Rechtsmittelverfahrens einschließen, in denen notwendigen Verteidigung vor allem zur Wahrung der Rechte des Jugendlichen vorgesehen sein soll.

4. Das Erfordernis der notwendigen Verteidigung bedeutet auch eine weitreichende Erweiterung im System des Verteidigers in Bereitschaft. Daher soll dafür Sorge getragen werden, dass das nationale System des Verteidigers in Bereitschaft erweitert wird. Es soll daher in § 39 Abs. 3 JGG festgelegt werden, dass dann, wenn ein jugendlicher Beschuldigter nach der Festnahme oder nach der sofortigen Vorführung nicht einen frei gewählten Verteidiger beizieht, ihm bis zum Beginn einer Vernehmung die Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger in Bereitschaft (§ 59 Abs. 4 StPO) zu ermöglichen ist.

In den Fällen, in denen ein jugendlicher Beschuldigter zwingend von einem Verteidiger begleitet sein muss, soll der konkrete Ablauf nicht etwa durch Untätigkeit des Beschuldigten verzögert werden können. Wenn der jugendliche Beschuldigte keinen Verteidiger kontaktiert, soll daher auch die Kriminalpolizei einen Verteidiger in Bereitschaft beizuziehen haben.

Mit § 39 Abs. 5 JGG soll gemäß einer Empfehlung der RL Jugendstrafverfahren eine einmal erfolgte Beigebung aufrecht bleiben, selbst wenn der Jugendliche im Laufe des Verfahrens das achtzehnte Lebensjahr überschreitet. Das erscheint praxisgerecht, weil der Aufwand, die erfolgte Bestellung rückgängig zu machen, in keiner Relation zum Nutzen steht.

Zu Z 17 bis 21 (§ 43 Abs. 1, 1a, 1b, 2 und 3, § 48 Z 1 JGG):

1. Wie schon im Allgemeinen Teil bemerkt, sind die modernen Bestimmungen des österreichischen Jugendgerichtsgesetzes bei dem Entwurf für die Erstellung von Mindeststandards auf europäischer Ebene Pate gestanden. Dies trifft besonders auf das Eingehen auf die Persönlichkeit eines jugendlichen Beschuldigten zu, die in Form von Jugenderhebungen schon bisher Eingang in einen Jugend-Strafakt fanden. Die RL Jugendstrafverfahren misst diesen Jugenderhebungen noch mehr als die bisherige österreichische Rechtslage einen besonderen Stellenwert bei, indem sie bestimmt, dass nur in Ausnahmefällen Strafantrag oder Anklage eingebracht bzw. erhoben werden kann, wenn die Jugenderhebungen nicht vorliegen. Spätestens die Ausschreibung einer Hauptverhandlung soll nur mehr erfolgen dürfen, wenn Jugenderhebungen vorliegen.

2. Nach der bisherigen Regelung im JGG konnten Jugenderhebungen unterbleiben, soweit unter Berücksichtigung der Art der Tat ein näheres Eingehen auf die Person des Beschuldigten entbehrlich erschien. Diese Regelung entspricht jedoch nicht der RL Jugendstrafverfahren. Die Neuregelung in § 43 Abs. 1 JGG schlägt daher vor, dass in allen Jugendstrafverfahren Jugenderhebungen einzuholen sind. Um jedoch Ressourcen sinnvoll einzusetzen, soll die Verpflichtung zur Einholung von Jugenderhebungen nicht bestehen (aber sehr wohl weiterhin die Möglichkeit dazu bestehen bleiben), wenn ein diversionelles Vorgehen in Aussicht genommen wird und zusätzlich ein näheres Eingehen auf die Person des Beschuldigten entbehrlich erscheint.

Es ist jedoch Vorsorge zu treffen, dass keine ungewollte Verzögerung in Jugendstrafsachen eintritt, wenn aus faktischen Probleme bei der Erstellung von Jugenderhebungen bestehen. Die Hauptursache für eine Verzögerung ist, dass jugendliche Beschuldigte die Termine bei der Jugendgerichtshilfe nicht wahrnehmen. § 43 Abs. 1a JGG nimmt darauf Bezug, als dass Jugenderhebungen soweit möglich unter Einbeziehung des Beschuldigten durchzuführen sein sollen. Sollte diese nicht möglich sein, werden sich die Erhebungen der Jugendgerichtshilfe auf die Verwertung vorhandener Informationsquellen beschränken müssen. In anderen Fällen, in denen aus tatsächlichen Gründen gar keine Erhebungen der Jugendgerichtshilfe möglich sind, werden die Jugenderhebungen in entsprechender Kürze ausfallen.

Die vorgeschlagenen Änderungen in § 43 Abs. 1a JGG sollen darüber hinaus auch klar regeln, dass das Personal der Jugendgerichtshilfe seine Ausbildung in den Bereichen der Sozialarbeit, Psychologie oder Pädagogik absolviert haben muss, sowie dass die Jugenderhebungen im Rahmen eines multidisziplinären Vorgehens durchgeführt werden sollen.

Die RL Jugendstrafverfahren trifft für jene Fälle Vorsorge, in denen ein oben erwähntes faktisches Problem eine Verzögerung bei der Erstellung der Jugenderhebungen bewirkt. Nach Art. 7 Abs. 6 kann ein Strafantrag oder eine Anklageschrift trotz des Fehlens der Jugenderhebungen eingebracht werden, wenn das dem Kindeswohl dient und die Jugenderhebungen in jedem Fall zu Beginn der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen. Mit dem vorgeschlagenen § 43 Abs. 1b JGG soll diesen Vorgaben entsprochen werden. In diesen Fällen offenbart sich, dass die RL Jugendstrafverfahren betreffend den Schutz von jugendlichen Beschuldigten und Angeklagten von einem beweglichen System ausgeht. Es ist das besondere Beschleunigungsgebot und das Gebot Jugenderhebungen vorzunehmen gegeneinander abzuwägen. Im Einzelfall ist dem Kindeswohl entsprechend zu entscheiden, ob ein schnell angestrebtes Hauptverfahren diesem mehr entspricht.

Einer weiteren Vorgabe der RL Jugendstrafverfahren entsprechend, soll in § 43 Abs. 3 JGG vorgesehen werden, dass Jugenderhebungen von Amts wegen zu ergänzen sind, wenn sich die Umstände, die diesen zugrunde liegen, wesentlich ändern. Insbesondere wenn zwischen Beginn des Ermittlungsverfahrens samt rascher Beauftragung der Jugendgerichtshilfe zur Vornahme von Jugenderhebungen und der Hauptverhandlung ein längerer Zeitraum vergeht, ist besonders auf eine allfällige Ergänzung zu achten.

3. Mit den zu § 43 Abs. 2 JGG vorgeschlagenen Änderungen soll lediglich die Terminologie an jene der StPO angepasst werden.

4. Mit der Erweiterung des § 48 Z 1 JGG soll die Beschreibung von Jugenderhebungen jener der RL Jugendstrafverfahren angepasst sowie das Redaktionsversehen des unterbliebenen Einfügens der Wortfolge „zu erheben“ behoben werden.

Zu Z 22 (§ 48 Z 4 und 5 JGG):

Die bisher vorgesehene Aufgabe der Jugendgerichtshilfe in Z 5, nämlich der Übernahme der Verteidigung in bezirksgerichtlichen Jugendstrafsache, ist mit ihren sonstigen Aufgaben nicht in Einklang zu bringen. Die Jugendgerichtshilfe muss die (innerliche) Distanz wahren können. Wenn die notwendige Verteidigung ausgebaut ist, besteht kein Anlass für diese „Notverteidigung“. Es wird daher der Entfall dieser Bestimmung vorgeschlagen. Zur Angleichung der Begrifflichkeiten wird vorgeschlagen, in Z 4 den auch in Z 1 verwendeten Begriff „erheben“ zu verwenden.

Zu Z 23 und 24 (§ 50 Abs. 3 JGG):

Im Zuge des Ausbaus der Jugendgerichtshilfe, ihrer Eingliederung in die Familiengerichtshilfe und Verschmelzung mit dieser zur Familien- und Jugendgerichtshilfe wurde das datenschutzrechtliche Problem aufgeworfen, dass die Jugendgerichtshilfe aufgrund der herrschenden Rechtslage in § 47 Abs. 2 JGG („..erstatten dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft … Bericht“) und § 50 Abs. 3 zweiter Satz JGG anderen (behördlichen) Einrichtungen, und daher auch sogar der Familiengerichtshilfe, keine Informationen weitergeben darf.

Die Jugendgerichtshilfe ist als Unterstützung für Staatsanwaltschaften und Gerichte vorgesehen und wird entweder in deren Auftrag tätig oder, zur Beschleunigung in Fällen der Haft, aus eigenem direkt aufgrund der Bestimmungen des JGG. Für die Erstellung ihrer Berichte hat die Jugendgerichthilfe im Sinne des in Pkt. 1.2.4. des Einführungserlasses vom 23. Jänner 2015 über die Einführung einer bundesweit tätigen Jugendgerichtshilfe ausgedrückten Zusammenarbeitsgebotes mit allen relevanten Stellen, die bisher in der Betreuung eines jugendlichen oder jungen erwachsenen Beschuldigten tätig waren (insbesondere Pflegschaftsgerichte, Soziale Dienste der Justizanstalten, Kinder- und Jugendhilfe, Bewährungshilfe) in Kontakt zu treten.

Aufgrund eines Strafverfahrens, das in der Öffentlich breit diskutiert wurde, in dem sowohl Polizeidienststellen untereinander, als auch andere beteiligte Behörden nicht bzw. nicht optimal zusammenarbeiteten, wurde eine Sonderkommission gebildet (Soko Brunnenmarkt), die die problematischen Vorgänge herausarbeiten sollte. Im Ergebnis forderte die Kommission unter anderem (wenn auch teilweise unter Verkennung der Aufgaben der Jugendgerichtshilfe), dass die Jugendgerichtshilfe eine „Drehscheibe“ für Informationen sein sollte, damit andere Einrichtungen auch auf diesen Informationen aufbauen und – zur Wahrung der ihnen übertragenen Aufgaben – verwenden können. Die herrschende Rechtslage im JGG ist mit diesen Vorschlägen aber nicht in Einklang zu bringen.

Die vorgeschlagene Änderung in § 50 Abs. 3 JGG soll diese Problematik entschärfen und ermöglichen, dass die Jugendgerichtshilfe erhobene Daten an die genannten Einrichtungen weitergegeben kann. In der Praxis werden sich diese Daten/Informationen, die die Jugendgerichtshilfe erhoben hat, zumeist in einer Haftentscheidungshilfe oder in den Jugenderhebungen finden. Das würde bedeuten, dass die Berichte weitergegeben werden können, so diese im Einzelfall zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bilden. Es soll mit dieser Bestimmung auch verhindert werden, dass diese Informationen unbeachtet bleiben könnten, obwohl sie für die Betreuung eines Jugendlichen einen wertvollen Beitrag leisten könnten. Bloß beispielsweise kann dafür die Tätigkeit der Familiengerichtshilfe oder jene des Vereins Neustart, auch bei der Durchführung von Sozialnetzkonferenzen, angeführt werden.

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll auch bewirkt werden, dass Informationen, die im Hinblick auf eine effiziente Betreuung einer jugendlichen oder jungen erwachsenen Person essenziell sind, auch tatsächlich beachtet werden können. Damit sollen Informationsdefizite, wie sie die Soko Brunnenmarkt bemängelt hat, so weit wie möglich verhindert werden. Es soll somit eine bessere Vernetzung der Jugendgerichtshilfe mit diesen Einrichtungen, nämlich den Pflegschaftsgerichten, der Familiengerichtshilfe, den Sozialen Diensten in den Justizanstalten, den Kinder- und Jugendhilfeträgern, der Bewährungshilfe oder den Sicherheitsbehörden ermöglicht werden. Sollte die Weitergabe der Daten an andere als die aufgezählten Einrichtungen angezeigt sein – zu denken wäre etwa an Krankenhäuser, wenn sich ein Jugendlicher dort z. B. zur psychiatrischen Behandlung befindet –, kann das wie bisher mit Entscheidung des Auftraggebers, somit Staatsanwaltschaft oder Gericht, erfolgen.

Im Übrigen könnten mit der vorgeschlagenen Änderung in den Bereichen der Familien- und Jugendgerichtshilfe jene Synergieeffekte wieder erreicht werden, die zu den Zeiten, als die Wiener Jugendgerichtshilfe sowohl in Pflegschaftsagenden als auch Jugendstrafsachen befasst war, bereits erreicht wurden.

Zu Z 26 (§ 55 JGG):

Im Hinblick auf die anhaltend geringe Auslastung der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf wurde eine Abteilung für junge erwachsene Strafgefangene eingerichtet.

Die Entscheidung, einen jungen erwachsenen Häftling dem Jugendvollzug zu unterstellen, obliegt nach geltender Rechtsordnung dem Gericht (§ 55 Abs. 4 JGG). Dies stellt eine Anomalie in der österreichischen Rechtsordnung dar: Außerhalb des JGG entscheidet darüber das Bundesministerium für Justiz (s. etwa die Klassifizierung in § 134 StVG). Eine Einsicht in die Materialien zum JGG 1961 ergab, dass diese Konstruktion in § 55 Abs. 4 JGG gewählt wurde, weil gegen die alte Bestimmung des § 48 JGG 1949 verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht wurden, wobei nicht erhoben werden konnte, worin diese genau lagen. Es wird nun vorgeschlagen, diese Anomalie zu beseitigen und die Entscheidung über die Unterstellung einer jungen erwachsenen Person in den Jugendstrafvollzug dem Bundesministerium für Justiz zu überlassen.

Zu Artikel 4 (Änderung des EU-JZG)

Zu Z 9 (§ 2 Z 10 EU-JZG)

Es wird vorgeschlagen, Eurojust, die Agentur der EU für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, durch einen Verweis auf die neue Rechtsgrundlage, d.h. Art. 1 der Eurojust-VO, zu definieren.

Zu Z 11 (§ 5 Abs. 4 und 6 EU-JZG – Verfassungsbestimmung)

§ 5 EU-JZG betrifft Regelungen im Zusammenhang mit der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen österreichische Staatsbürger und steht – wie auch § 12 ARHG – im Verfassungsrang. Durch die vorgeschlagene Novellierung soll lediglich eine redaktionelle Änderung vorgenommen werden: der Verweis in Abs. 4 auf die §§ 39 bis 44 EU-JZG soll richtiggestellt werden. Nach erfolgter Umsetzung des RB Vollstreckung von Freiheitsstrafen durch das EU-JZG Änderungsgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 134/2011) in §§ 39 bis 42g EU-JZG ist nun richtigerweise auf § 41j Z 1 EU-JZG zu verweisen.

In Abs. 6 soll lediglich (in Einklang mit den Legistischen Richtlinien) der Verweis auf die StPO richtiggestellt werden.

Für die Beschlussfassung der Änderungen von § 5 Abs. 4 und 6 EU-JZG ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen im Nationalrat gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG erforderlich.

Zu Z 13 (§ 16a Abs. 1 Z 3 EU-JZG):

Durch die Ergänzung von § 16a Abs. 1 Z 3 EU-JZG soll klargestellt werden, dass die bereits im geltenden Recht vorgesehene Belehrung über das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers auch das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft umfasst (siehe im Übrigen unten Art. 3 Z 6, zu § 29 Abs. 3 ARHG).

Die Rechtsbelehrung die dem Jugendlichen anlässlich seiner Festnahme aufgrund eines EHB zu erteilen ist, soll in Entsprechung von Art. 5 RL Jugendstrafverfahren so bald wie möglich auch dem gesetzlichen Vertreter zu erteilen sein.

Zu Z 14 und 15 (§ 16a Abs. 2 und 3 EU-JZG):

1. Die Änderung in Abs. 2 dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens.

2. Die RL Jugendstrafverfahren fordert in Art. 17, dass die Bestimmungen über die Rechtsbelehrung nach Art. 4 auch für Jugendliche, die gesuchte Personen sind, nach ihrer Festnahme aufgrund des Verfahrens zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls entsprechend gelten. Der vorgeschlagene neue Absatz 3 soll anordnen, dass die Bestimmungen über die Rechtsbelehrung in § 32a JGG sinngemäß auf diese Personen anzuwenden sein sollen.

Die bisherige Überschrift von § 16a EU-JZG– „Rechtsbelehrung nach Festnahme“ – wäre daher für diese neue Bestimmung zu eng und soll daher erweitert werden.

Zu Z 16 (§ 19 Abs. 4, § 52a Abs. 1 Z 11 und § 53a Z 11 EU-JZG)

Es werden lediglich redaktionelle Änderungen vorgeschlagen, die sich aufgrund des Vertrags von Lissabon ergeben haben.

Zu Z 17 (§ 27a EU-JZG)

Art. 27 und 28 RB-EHB enthalten Regelungen betreffend die Strafverfolgung der aufgrund eines Europäischen Haftbefehls übergebenen Person wegen weiterer Straftaten und betreffen die sogenannte Weiterlieferung, d.h. die weitere Übergabe (an einen anderen Mitgliedstaat) oder Auslieferung (an einen Drittstaat). Soweit es sich nicht um eine Auslieferung an einen Drittstaat handelt, ist ein nachträgliches Übergabeverfahren nur dann durchzuführen, wenn die betroffene Person nicht im Rahmen eines vereinfachten Übergabeverfahrens übergeben wurde. Dieses setzt nämlich voraus, dass die betroffene Person auf die Spezialität verzichtet hat. Im Fall der Weiterlieferung an einen Drittstaat sieht Art. 28 Abs. 4 RB-EHB in jedem Fall vor, dass die Zustimmung des Vollstreckungsstaats einzuholen ist.

Für Österreich als Ausstellungsstaat eines europäischen Haftbefehls sind entsprechende Regelungen in § 31 Abs. 4 bis 6 EU-JZG enthalten. Für Österreich als Vollstreckungsstaat eines europäischen Haftbefehls fehlen derzeit im EU-JZG explizite Regelungen zur Umsetzung der erwähnten Bestimmungen. Auch § 4 Abs. 5 EU-JZG (sog. akzessorische Übergabe) kann nicht herangezogen werden, weil damit nur die Bewilligung zur Strafverfolgung/-vollstreckung wegen Straftaten erfasst ist, die Gegenstand der Entscheidung über die Übergabe (§ 21 EU-JZG) waren. Nach § 1 Abs. 2 EU-JZG sind die Bestimmungen des ARHG anzuwenden, soweit sich aus den Bestimmungen des EU-JZG nichts Anderes ergibt. Aufgrund dessen wäre § 40 ARHG auf diesen Fall anzuwenden. Da es insbesondere in verfahrensrechtlicher Hinsicht bedeutende Unterschiede zwischen Auslieferungs- und Übergabeverfahren gibt, wird eine ausdrückliche Regelung in § 27a EU-JZG vorgeschlagen.

Der Vorschlag sieht vor, dass das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft über ein Ersuchen um Zustimmung zur Verfolgung bzw. Vollstreckung anderer Taten bzw. um Weiterlieferung entscheiden soll (Abs. 1). Festzuhalten ist, dass das Ersuchen des Ausstellungsstaats nicht zwingend in Form eines Europäischen Haftbefehls zu stellen ist (vgl. auch Art. 27 Abs. 4 RB-EHB). Die Zustimmung zur Verfolgung weiterer Taten bzw. Vollstreckung anderer Strafen oder zu Weiterlieferung soll erteilt werden, wenn die Voraussetzungen nach dem Zweiten Abschnitt des II. Hauptstücks vorliegen. Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der betroffenen Person hat die Staatsanwaltschaft die ausstellende Justizbehörde aufzufordern, eine Erklärung der betroffenen Person zum Ersuchen anzuschließen, wenn diese bereits übergeben und eine solche Erklärung nicht übermittelt wurde. Wurde die betroffene Person allerdings noch nicht an die ausstellende Justizbehörde übergeben, kann die betroffene Person im Übergabeverfahren angehört werden.

Für das Verfahren (Abs. 2) wird vorgeschlagen, ebenso wie in § 21 Abs. 1 EU-JZG auf die entsprechenden Verfahrensvorschriften über die Zulässigkeit der Auslieferung des ARHG zu verweisen, nämlich § 31 Abs. 1 erster Satz, Abs. 2 bis 5 und Abs. 6 erster bis dritter Satz. Allerdings soll dabei berücksichtigt werden, dass eine Verhandlung im nachträglichen Übergabeverfahren nur dann stattfinden kann und soll, wenn der Betroffene noch nicht übergeben wurde.

Im Hinblick auf die Fristen zur Entscheidung wird in Abs. 3 vorgeschlagen, auf die Bestimmungen des § 21 Abs. 1 und 2 EU-JZG zu verweisen (vgl. dazu auch EuGH 30.5.2013, C-168/13, Jeremy F.).

Für die Weiterlieferung an einen Drittstaat soll in Abs. 4 vorgesehen werden, auf das Verfahren nach § 40 ARHG zu verweisen, um den Besonderheiten des Auslieferungsverfahrens gerecht zu werden. Neben der Übermittlung des Auslieferungsersuchens, d.h. die die nationale Festnahmeanordnung enthaltenden Auslieferungsunterlagen, wird auch hier vorgeschlagen, dass nur dann ein Protokoll mit der Erklärung der betroffenen Person vom Mitgliedstaat zu übermitteln ist, wenn die Person bereits an den Mitgliedstaat übergeben wurde. Andernfalls ist die Person im Auslieferungsverfahren vom Gericht zu hören, sodass das Recht der betroffenen Person auf rechtliches Gehör gewahrt ist.

Zu Z 18 und 19 (§ 30a Abs. 2 und 3 EU-JZG):

Gemäß Art. 5 Abs. 2 der RL Prozesskostenhilfe hat der Ausstellungsmitgliedstaat sicherzustellen, dass gesuchte Personen, gegen die ein Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zum Zwecke der Strafverfolgung anhängig ist und die ihr Recht auf Benennung eines Rechtsbeistands im Ausstellungsmitgliedstaat zur Unterstützung des Rechtsbeistands im Vollstreckungsmitgliedstaat wahrnehmen, insoweit Anspruch auf Prozesskostenhilfe im Ausstellungsmitgliedstaat für die Zwecke eines solchen Verfahrens im Vollstreckungsmitgliedstaat haben, als Prozesskostenhilfe erforderlich ist, um den wirksamen Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten.

Im Fall der Festnahme eines Beschuldigten aufgrund eines aus Österreich stammenden Europäischen Haftbefehls in einem anderen Mitgliedstaat wird in aller Regel das Kriterium des schwierigen Sach- und Rechtslage nach § 61 Abs. 2 Z 4 StPO erfüllt sein; es besteht somit jedenfalls ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe iSd RL Prozesskostenhilfe. Daher beschränken sich die vorgeschlagenen Bestimmungen auf Folgendes:

In § 30a Abs. 2 EU-JZG werden die Pflichten zur Information des Festgenommenen erweitert, wobei die Terminologie an jene der StPO angepasst (und ein Verweis auf § 59 StPO richtiggestellt) werden soll.

Weiters soll § 30a EU-JZG um einen neuen Absatz 3 dahingehend ergänzt werden, dass die Tätigkeit eines nach § 61 Abs. 2 StPO im Inland beigegebenen Verfahrenshilfeverteidigers erforderlichenfalls auch die Unterstützung des Verteidigers im Vollstreckungsstaat umfasst.

Zu Z 20, 23 und 24 (§ 3 Abs. 4, § 31 Abs. 8 und § 38 EU-JZG)

§ 38 EU-JZG nimmt einerseits Bezug auf völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich im Zusammenhang mit den internationalen Strafgerichten bzw. dem internationalen Strafgerichtshof (Abs. 1) und setzt andererseits Art. 21 des RB-EHB um (Abs. 2). Art. 21 des RB-EHB betrifft den Fall, dass Österreich den europäischen Haftbefehl eines anderen Mitgliedstaats vollstrecken soll, allerdings die betroffene Person zuvor von einem Drittstaat an Österreich ausgeliefert wurde und der weiteren Übergabe an den Mitgliedstaat der Grundsatz der Spezialität entgegensteht. Darüber hinaus ist es auch möglich, dass Österreich anlässlich der Auslieferung von dem Drittstaat Bedingungen übernommen hat (z.B. Rücküberstellung zur Strafvollstreckung), die der weiteren Übergabe an den Mitgliedstaat entgegenstehen.

Die Bestimmung des § 38 EU-JZG wurde von der Lehre zum einen als „systematisch deplatziert“ kritisiert, weil sie im fünften Abschnitt des II. Hauptstücks angesiedelt ist, der die Durchlieferung beinhaltet, und zum anderen als „dringend reformbedürftig“, weil Abs. 2 leg. cit. aufgrund eines Redaktionsversehens noch immer auf den Untersuchungsrichter verweist (Hinterhofer in Höpfel/Ratz WK² EU-JZG § 38 Rz 1 und 4).

Aufgrund dessen wird vorgeschlagen, Abs. 1 des § 38 EU-JZG als neuen Abs. 4 dem § 3 EU-JZG anzufügen, der die Grundlagen im Zusammenhang mit der Vollstreckung Europäischer Haftbefehle regelt.

Abs. 2 des § 38 EU-JZG soll – neu formuliert – als neuer Abs. 8 dem § 31 EU-JZG angefügt werden, der die Spezialität sowohl im Zusammenhang mit der Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls als auch mit der Erwirkung der Vollstreckung durch Österreich regelt. Vorgeschlagen wird insbesondere, dass die Staatsanwaltschaft möglichst bei Einleitung des Übergabeverfahrens die Behörde kontaktiert, die den europäischen Haftbefehl ausgestellt hat, und unter Hinweis auf die der Übergabe entgegenstehenden Hindernisse (Spezialität oder übernommene Bedingung) im Verhältnis zum Drittstaat, um Übermittlung der für die Erwirkung der Auslieferung erforderlichen Unterlagen unter Anschluss einer vom Drittstaat akzeptierten Übersetzung ersucht. Eine Übersetzung der Auslieferungsunterlagen in die deutsche Sprache ist nicht erforderlich, weil im Übergabeverfahren auf Basis des Europäischen Haftbefehls zu entscheiden ist. Nach Einlangen der Unterlagen sollen diese der Bundesministerin für Justiz mit dem Ersuchen um Erwirkung der Zustimmung des Drittstaats zur Übergabe an den Mitgliedstaat weitergeleitet werden.

Die für das Übergabeverfahren an den Mitgliedstaat maßgeblichen Fristen nach § 20 Abs. 1 und 2 EU-JZG beginnen erst zu laufen, sobald der Übergabe weder der Grundsatz der Spezialität noch Bedingungen des Drittstaats entgegenstehen (vgl. auch Art. 21 RB-EHB).

Zu Z 21 und 22 (§ 36 Abs. 1 und 2 EU-JZG)

Die vorgeschlagenen Novellierungen sind eine Folge der nun in § 29 EU-JZG enthaltenen Zuständigkeitsregelungen, die auf die Neuordnung der Aufgaben von Gericht und Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren durch das Strafprozessreformgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 19/2004) zurückgehen.

Zu Z 25 (§ 40 Z 2 EU-JZG)

Nach § 40 Z 2 EU-JZG ist die Vollstreckung unzulässig, wenn zum Zeitpunkt des Einlangens des Ersuchens weniger als sechs Monate der verhängten Freiheitsstrafe oder der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme zu vollstrecken sind. Durch die vorgeschlagene Ergänzung soll klargestellt werden, dass zwecks Berechnung des maßgeblichen Zeitraums mehrere zu vollstreckende Freiheitsstrafen oder Strafreste zusammenzurechnen sind. Eine entsprechende Regelung ist bereits bei der Umsetzung des RB-EHB in § 4 Abs. 2 letzter Satz EU-JZG zu finden.

Zu Z 26 (§ 42b Abs. 7a EU-JZG)

Nach § 42b Abs. 7a hat im Falle der bloß teilweisen Übernahme der Strafvollstreckung durch den Vollstreckungsstaat (§ 2 Z 7 lit. e EU-JZG) jenes Gericht, das „zuletzt in erster Instanz erkannt hat“, festzustellen, welcher Teil der verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen auf diejenigen Straftaten entfällt, hinsichtlich derer die Vollstreckung übernommen wird.

Die Zuständigkeit desjenigen Gerichts, das zuletzt in erster Instanz erkannt hat, hat in der Praxis in jenen Fällen zu Problemen geführt, in denen dem Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung Freiheitsstrafen zugrunde lagen, die von verschiedenen Gerichten verhängt wurden. In diesem Fall ist es dazu gekommen, dass ein Gericht über die Entscheidung eines anderen Gerichts zu befinden und die dortige Strafbemessung neu zu berechnen hatte. Es wird nun vorgeschlagen, dass in einem solchen Fall jenes Gericht zu befassen ist, welches über die betroffene strafbare Handlung erkannt hat. Unerheblich ist, ob nachträglich etwa eine bedingt nachgesehene Strafe von einem anderen Gericht widerrufen wird. Sind mehrere Urteile von der Neuberechnung betroffen, wären alle Urteilsgerichte zu befassen.

Zu Z 27 (§ 42e Abs. 3 EU-JZG)

Durch die vorgeschlagene Novellierung soll klargestellt werden, welches Gericht für die Durchführung der Übergabe zuständig sein soll, wenn eine verurteilte Person in einen anderen Mitgliedstaat zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe überstellt werden soll. Vorgeschlagen wird, dass diese Aufgabe dem Gericht zukommt, dessen Freiheitsstrafe gerade vollstreckt wird. Dies wird im Fall von mehreren Verurteilungen in der Regel auch jenes Gericht sein, dass die längste Freiheitsstrafe verhängt hat.

Zu Z 28 (§ 42f Abs. 1 EU-JZG)

Dieser Bestimmung liegt zugrunde, dass eine in Österreich verurteilte Person die verhängte Freiheitsstrafe in einem anderen Mitgliedstaat, oft ihrem Heimatstaat, verbüßen soll.

Nicht selten wurde die verurteilte Person auch in diesem Mitgliedstaat verurteilt oder es wird gegen sie ein Strafverfahren geführt, weswegen der Mitgliedstaat, der von Österreich die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe übernimmt, ein Interesse daran hat, die Person auch wegen der dort begangenen Taten zu verfolgen bzw. bereits verhängte Freiheitsstrafen zu vollstrecken. Dies ist allerdings aufgrund von Spezialitätsbestimmungen nur möglich, wenn Österreich zustimmt. § 42f Abs. 1 EU-JZG regelt die Zuständigkeit für eine derartige Zustimmung. Ersuchen um Zustimmung von diesem Mitgliedstaat sind sowohl vor als auch nach der Übergabe an den Mitgliedstaat möglich. § 42f Abs. 1 EU-JZG sieht dazu gegenwärtig keine genaue Zuständigkeitsbestimmung vor, weil lediglich auf „das Gericht“ verwiesen wird. Darunter können das Vollzugsgericht (§ 16 Abs. 1 StVG) oder das Urteilsgericht (bzw. jedes im Fall mehrerer Verurteilungen) subsumiert werden. Zur näheren Bestimmung der Zuständigkeit wird vorgeschlagen, dass jenes Gericht zuständig ist, dessen Strafe gerade vollstreckt wird. Wenn ein Ersuchen um Zustimmung nach der Übergabe gestellt wird, soll jenes Gericht zuständig sein, dessen Strafe zuletzt, also vor der Übergabe, vollstreckt wurde. Dieses Gericht wird in der Regel auch die Übergabe durchgeführt haben bzw. durchzuführen haben (§ 42e Abs. 3 EU-JZG), wenn die Übergabe noch nicht stattgefunden hat.

Weiters wird vorgeschlagen, den in § 42f Abs. 1 EU-JZG enthaltenen Verweis auf § 5 Abs. 5 EU-JZG entfallen zu lassen, weil Fälle der Erwirkung der Vollstreckung der über einen österreichischen Staatsbürger im Inland verhängten Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme entsprechend den Voraussetzungen des RB Vollstreckung von Freiheitsstrafen nicht in Betracht kommen.

Zu Z 29 und 30 (§ 55c Abs. 3 und 5 EU-JZG):

Die vorgeschlagenen Änderungen in Abs. 3 dienen der Beseitigung eines redaktionellen Versehens – die Zuständigkeiten der Gerichte für die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung sollen jenen des ARHG entsprechen (vgl. § 55 Abs. 1a ARHG).

Die Änderungen in Abs. 5 sollen die Begrifflichkeiten an das VStG anpassen, das den Begriff der „Verwaltungsübertretung“ und nicht der „Verwaltungsvergehen“ verwendet.

Zu Z 31 (§ 57a EU-JZG)

§ 57a EU-JZG wurde in Umsetzung des RB Informationsaustausch durch das EU-JZG Änderungsgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 134/2011) eingefügt und durch das EU-JZG Änderungsgesetz 2013 (BGBl. I Nr. 175/2013) geändert.

Art. 3 Abs. 3 RB Informationsaustausch sieht insbesondere vor: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten Bedingungen gelten, die nicht strenger sind als die Bedingungen, die auf nationaler Ebene für die Zurverfügungstellung und Anforderung von Informationen und Erkenntnissen gelten.“

Innerstaatlich ist die Bestimmung des § 76 Abs. 4 StPO einschlägig, wobei im Rahmen des anhängigen Ermittlungsverfahrens regelmäßig die Staatsanwaltschaft als die für die Leitung des Ermittlungsverfahrens zuständige Justizbehörde über Ersuchen um Aktenübermittlungen zu entscheiden hat. Um den Anforderungen des Art. 3 Abs. 3 RB Informationsaustausch gerecht zu werden, wird deswegen vorgeschlagen, auf § 76 Abs. 4 StPO zu verweisen und die weiteren in Z 1 und 2 vorgesehenen Voraussetzungen entfallen zu lassen.

§ 76 Abs. 4 StPO idF des BGBl. I Nr. 105/2019 sieht positive Voraussetzungen vor, dass nämlich die Übermittlung nur dann zulässig ist, wenn auch die Verwendung der Daten als Beweismittel in einem Strafverfahren zulässig ist. Außerdem sind Umstände festgelegt (§ 76 Abs. 4 Z 1 und 2 StPO), unter denen die Übermittlung zu unterbleiben hat.

Zu Z 32 (§ 63 EU-JZG)

Regelungsgegenstand des geltenden § 63 EU-JZG sind die Aufgaben und Ziele, die durch Eurojust verfolgt werden, wobei bereits Abs. 1 auf die bisherige Rechtsgrundlage von Eurojust (Eurojust-Beschluss) verweist.

Mit dem Inkrafttreten der Eurojust-VO am 12.12.2019 gelten deren Bestimmungen zu einem großen Teil unmittelbar, bedürfen damit keiner Umsetzung mehr. Mit Blick auf § 63 EU-JZG sind etwa die Aufgaben und Zuständigkeiten von Eurojust in Art. 2 und 3 Eurojust-VO geregelt: Nach Art. 2 Abs. 1 unterstützt und verstärkt Eurojust „die Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden, die für die Ermittlung und Verfolgung von schwerer Kriminalität, die gemäß Artikel 3 Absätze 1 und 3 in den Zuständigkeitsbereich von Eurojust fällt, zuständig sind, von der zwei oder mehr Mitgliedstaaten betroffen sind oder die eine Verfolgung auf gemeinsamer Grundlage erfordert; Eurojust stützt sich dabei auf die von den Behörden der Mitgliedstaaten, von Europol, der EUStA und von OLAF durchgeführten Operationen und gelieferten Informationen.“

Die Zuständigkeiten von Eurojust werden nunmehr originär in der Eurojust-VO geregelt und ergeben sich insbesondere aus einem Verweis in Art. 3 Abs. 1 auf den Anhang I zur Eurojust-VO, in dem jene Kategorien von Straftaten angeführt sind, für die Eurojust eine Zuständigkeit hat. Aus Art. 3 Abs. 4 ergeben sich darüber hinaus Zuständigkeiten von Eurojust für Straftaten, die einen engen Zusammenhang mit den in Anhang I genannten Straftaten aufweisen (z.B. Vorbereitungs- oder Beitragshandlungen). Über die in Anhang I genannten Straftaten hinaus kann Eurojust nur auf Ersuchen einer Behörde eines Mitgliedstaats tätig werden (Art. 3 Abs. 3 Eurojust-VO). In territorialer Hinsicht kann Eurojust auf Ersuchen einer Behörde eines Mitgliedstaats auch tätig werden, wenn neben diesem Mitgliedstaat nur ein Drittstaat betroffen ist (Art. 3 Abs. 5). Die diesbezüglichen Zuständigkeiten ergeben sich gegenwärtig aus § 64 Abs. 3 EU-JZG.

Eine detaillierte Auflistung der operativen Aufgaben von Eurojust, die in § 63 Abs. 2 EU-JZG lediglich exemplarisch ist, ist Gegenstand von Art. 4 der Eurojust-VO.

Da die unmittelbar anwendbare Eurojust-VO die Bestimmungen des § 63 EU-JZG obsolet macht, wird vorgeschlagen, diese durch den bloßen Hinweis zu ersetzen, dass der Vierte Unterabschnitt der Durchführung der Eurojust-VO dient.

Zu Z 33 und 34 (§ 64 Abs. 1 und 2 EU-JZG)

Gemäß Art. 7 Abs. 2 Eurojust-VO wird das nationale Mitglied von einem Stellvertreter und einem Assistenten unterstützt, die grundsätzlich ihren Arbeitsplatz am Sitz von Eurojust haben sollen. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, die weiteren Sätze des § 64 Abs. 1 EU-JZG entfallen zu lassen. In diesen finden sich Bestimmungen zu Ernennungsvoraussetzungen, Entsendungsdauer und Wiederbestellung des nationalen Mitglieds sowie zu Auswirkungen auf die Entsendungsdauer für den Fall der Wahl des nationalen Mitglieds zum Präsidenten oder Vizepräsidenten von Eurojust. Der Regelungsgehalt ergibt sich auch hier mit Inkrafttreten der Eurojust-VO unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 und 5 und Art. 11 Abs. 5, weswegen zur Umsetzung der Eurojust-VO der zweite bis fünfte Satz des § 64 Abs. 1 EU-JZG entfallen sollen.

Darüber hinaus wäre auch gesetzlich dafür Vorsorge zu treffen, dass nicht nur das nationale Mitglied und der Stellvertreter an die Weisungen der übergeordneten Behörden bzw. Organe gebunden sind, sondern auch der Assistent (Abs. 2).

Zu Z 35 (§ 64 Abs. 3 und 4 EU-JZG)

1. Zu Abs. 3 (bisherige Abs. 3 bis 7)

§ 64 Abs. 3 bis 7 EU-JZG regelt bisher die Befugnisse des nationalen Mitglieds. Es wird vorgeschlagen, die bisherigen Abs. 3 bis 7 auf den vorgeschlagenen neuen Abs. 3 zu reduzieren, weil sich Befugnisse des nationalen Mitglieds grundsätzlich unmittelbar aus der Eurojust-VO ergeben:

Art. 8 Abs. 1, 3 und 4 der Eurojust-VO zählt die Befugnisse auf, die dem nationalen Mitglied zumindest zukommen müssen. Nach Art. 7 Abs. 4 Eurojust-VO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das nationale Mitglied zumindest mit den in dieser Verordnung genannten Befugnisse auszustatten.

Die Eurojust-VO stellt es den Mitgliedstaaten außerdem frei, den nationalen Mitgliedern darüberhinausgehende Befugnisse zu übertragen. Es wird vorgeschlagen, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, weil die Befugnisse des nationalen Mitglieds ohnehin durch die Eurojust-VO erweitert werden (s. dazu gleich) und durch die vorgeschlagene Umsetzung beinahe eine Gleichstellung mit den Befugnissen der Staatsanwaltschaft in einem inländischen Strafverfahren erreicht wird.

Eine Erweiterung der Befugnisse im Vergleich zum Eurojust-Beschluss ergibt sich vor allem durch Art. 8 Abs. 3 lit. b Eurojust-VO, wonach die nationalen Mitglieder im Einklang mit ihrem nationalen Recht mit Zustimmung der zuständigen nationalen Behörde Rechtshilfeersuchen oder Entscheidungen betreffend die gegenseitige Anerkennung ausstellen oder erledigen (lit. a), Ermittlungsmaßnahmen, die in der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vorgesehen sind, anordnen, darum ersuchen oder erledigen (lit. b) können. Demgegenüber erlaubt es § 64 Abs. 5 Z 2 EU-JZG, der die Vorgaben des Eurojust-Beschlusses umsetzt, dem nationalen Mitglied nur, jene Ermittlungsmaßnahmen anzuordnen, die im Rahmen eines von Eurojust einberufenen Koordinierungstreffens für erforderlich erachtet wurden.

Auch durch Art. 8 Abs. 4 Eurojust-VO kommt es im Vergleich zur bestehenden Rechtsgrundlage zu einer Erweiterung der Befugnisse des nationalen Mitglieds. Das nationale Mitglied soll nämlich in „dringenden Fällen“ sämtliche, in Art. 8 Abs. 3 (s.o.) genannten Maßnahmen auch ohne Zustimmung der zuständigen nationalen Behörde setzen können. Bisher ist es dem nationalen Mitglied in Fällen von Gefahr im Verzug nur möglich, eine kontrollierte Lieferung anzuordnen und im Rahmen der Befugnisse der Staatsanwaltschaft Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats zu erledigen (§ 64 Abs. 6 EU-JZG).

Art. 8 Abs. 5 Eurojust-VO erlaubt es, verfassungsrechtliche und funktionale (Aufgabenverteilung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht) Besonderheiten der nationalen Rechtsordnung des Mitgliedstaats zu berücksichtigen. Stehen derartige Hindernisse der Durchführung der in den Art. 8 Abs. 3 und 4 genannten Maßnahmen entgegen, so kann das nationale Mitglied der zuständigen nationalen Behörde einen Vorschlag zur Durchführung dieser Maßnahmen zu unterbreiten.

Art. 8 Abs. 1, 3 und 4 Eurojust-VO über die Befugnisse des nationalen Mitglieds ist grundsätzlich unmittelbar anzuwenden. Für die Umsetzung in Österreich wird vor dem Hintergrund des oben erwähnten Art. 8 Abs. 5 Eurojust-VO vorgeschlagen, die Ausübung der Befugnisse des nationalen Mitglieds – wie auch schon bisher (§ 64 Abs. 4 und 5 EU-JZG) – nur im Umfang der Zuständigkeiten (§ 20 StPO) und Aufgaben (§ 101 StPO) der Staatsanwaltschaft zuzulassen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass z.B. das nationale Mitglied Anträge beim zuständigen Gericht auf Bewilligung einer Maßnahme, etwa einer Anordnung zur Durchsuchung einer Wohnung (§ 117 Z 2 lit. b StPO) oder einen Antrag auf Beschlagnahme von Vermögenswerten (§ 109 Z 2 lit. b StPO) usw. stellen kann. Das nationale Mitglied kann damit jene Befugnisse nicht ausüben, die nach den nationalen Verfahrensvorschriften ausdrücklich Gerichten vorbehalten sind. Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Bewilligung (vgl. § 101 Abs. 2 StPO) bleibt unberührt. Weitere Einschränkungen gegenüber den Aufgaben der national ermittelnden Staatsanwaltschaft ergeben sich aus der Eurojust-VO selbst: so können etwa Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich nur mit Zustimmung der zuständigen nationalen Behörden, d.h. der verfahrensführenden Staatsanwaltschaft, angeordnet werden (Art. 8 Abs. 3 Eurojust-VO). Ohne deren Zustimmung ist die Anordnung nur in dringenden Fällen (Art. 8 Abs. 4 Eurojust-VO) zulässig. Der Begriff „dringende Fälle“ ist ein Begriff des Unionsrecht (Zuständigkeit zur Auslegung liegt nach Art. 267 AEUV beim EuGH), er umfasst wohl zumindest innerstaatliche Fälle von „Gefahr im Verzug“.

Die gegenwärtig in § 64 Abs. 4 EU-JZG vorgesehenen Befugnisse betreffend Ersuchen des nationalen Mitglieds zur Einleitung eines Strafverfahrens oder zur Übernahme der Strafverfolgung oder Erwirkung der Übernahme der Strafverfolgung ergeben sich unmittelbar aus Art. 4 Abs. 2 lit. a und b Eurojust-VO und können ebenso entfallen.

2. Zu Abs. 4

Nach Art. 9 Eurojust-VO sollen die nationalen Mitglieder gemäß ihrem nationalen Recht Zugang zu den folgenden Arten von Registern ihres Mitgliedstaats oder zumindest zu den darin enthaltenen Informationen haben: Strafregister, Register festgenommener Personen (d.h. der integrierten Vollzugsverwaltung (IVV)), Ermittlungsregister (d.h. der Verfahrensautomation Justiz (VJ), DNA-Register und sonstige Register öffentlicher Behörden ihres Mitgliedstaats, wenn die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind (d.h. insbesondere Firmenbuch und Grundbuch). Das Strafregister und das DNA-Register fallen in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Inneres.

Abs. 4 dient der Umsetzung der beschriebenen Vorgaben der Eurojust-VO in der Weise, dass das nationale Mitglied unmittelbar (vgl. EG 15 der Eurojust-VO) Zugang zu den innerstaatlichen automationsunterstützten Datenverarbeitungen erhalten soll, und zwar im Umfang der Aufgaben der Staatsanwaltschaft, d.h. nur soweit als auch die Staatsanwaltschaft selbst unmittelbaren Zugang zu den Registern hat. Soweit die Register von anderen Ressorts, etwa dem Bundesministerium für Inneres, geführt werden und die Staatsanwaltschaften selbst keinen direkten Zugang zu den Registern haben, z.B. genetische Daten (§ 67 SPG) aus der zentralen erkennungsdienstlichen Evidenz (§ 75 SPG), kann das nationale Mitglied auf seine Befugnisse nach der Eurojust-VO (Art. 8 Abs. 1 lit. b) zurückgreifen und sich die Informationen im unmittelbaren Geschäftsverkehr mit den Sicherheitsbehörden beschaffen. Unter einem soll auch eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass Sicherheitsbehörden in den nationalen automationsunterstützten Datenverarbeitungen gespeicherte, personenbezogene Daten an das nationale Mitglied übermitteln dürfen bzw. dass das nationale Mitglied darin gespeicherte, personenbezogene Daten abfragen kann.

Da das nationale Mitglied, wie oben zu Abs. 3 beschrieben, mit Zustimmung der national zuständigen Behörde und in dringenden Fällen mehr oder weniger dieselben Befugnisse wie die Staatsanwaltschaft hat, sind weitergehende Einschränkungen beim Zugriff auf die nationalen Datenbanken nicht mit dem Sinn der Eurojust-VO vereinbar. Die Eurojust-VO verfolgt nämlich insbesondere den Zweck, die operative Effizienz von Eurojust durch einheitliche Definition des Status und der Befugnisse der nationalen Mitglieder zu verbessern, vgl. Vorschlag der Europäischen Kommission COM (2013) 535 final, S. 5.

Zu Z 37 (§ 65 EU-JZG)

Es wird vorgeschlagen, diese Bestimmung grundlegend umzugestalten, weil es die in § 65 EU-JZG vorgesehene gemeinsame Kontrollinstanz aufgrund des neuen Datenschutzregimes in der EU, das auch mit der Eurojust-VO nachvollzogen wird, nicht mehr gibt. Zuständig für die datenschutzrechtliche Kontrolle ist nunmehr grundsätzlich der Europäische Datenschutzbeauftragte (im Folgenden: EDSB, vgl. Art. 40 Eurojust-VO), der allerdings bei speziellen Fragen, die eine Einbeziehung der Mitgliedstaaten erfordert, mit der nationalen Kontrollbehörde, d.h. der Datenschutzbehörde zusammenzuarbeiten hat. Eine solche Zusammenarbeit kommt nach der Eurojust-VO insbesondere dann in Betracht, wenn „der EDSB oder eine nationale Kontrollbehörde größere Diskrepanzen zwischen den Verfahrensweisen der Mitgliedstaaten oder möglicherweise unrechtmäßige Übermittlungen über die Informationskanäle von Eurojust feststellt, oder bei Fragen einer oder mehrerer nationaler Aufsichtsbehörden zur Umsetzung und Auslegung“ der Eurojust-VO (Art. 41 Abs. 1 Eurojust-VO).

Art. 47 Eurojust-VO regelt Grundsätze im Zusammenhang mit der Übermittlung von Daten durch Eurojust an Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, an Drittstaaten oder an internationale Organisationen. Die an die genannten Stellen zu übermittelnden Daten werden aber in der Regel von Behörden der Mitgliedstaaten stammen, weswegen Abs. 5 leg. cit. vorsieht, dass Eurojust die Zustimmung der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats einzuholen hat, es sei denn, dass der Mitgliedstaat für eine solche Weiterübermittlung seine vorherige allgemeine oder unter bestimmten Bedingungen stehende Zustimmung erteilt hat. Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden. Es wird daher einerseits vorgeschlagen, dass Ausnahmen von dieser Zustimmung zur Weiterübermittlung grundsätzlich nicht vorgesehen werden sollen, sodass bei jeder Weiterübermittlung die Zustimmung einzuholen ist. Andererseits sollen die Vorgaben der Eurojust-VO durch eine Zuständigkeitsbestimmung umgesetzt werden: zuständige Justizbehörde für die Erteilung der Zustimmung ist im Rahmen des Ermittlungsverfahrens daher die Staatsanwaltschaft, nach Einbringung der Anklage das Gericht des Hauptverfahrens. Dies entspricht auch dem Verständnis von § 57a EU-JZG, denn die Staatsanwaltschaft, die für das Ermittlungsverfahren zuständig ist, soll nicht nur wissen, welche weiteren möglichen Bezüge das Strafverfahren hat, sondern auch für die Weitergabe von Daten ausschließlich verantwortlich sein. So ist etwa nach § 76 Abs. 4 StPO eine Weitergabe bestimmter Daten an Verwaltungsbehörden (z.B. OLAF) nur in eingeschränktem Umfang möglich. Soweit es um die Weiterübermittlung von Daten durch Eurojust an einen Drittstaat geht, sind von der zuständigen Justizbehörde auch die Voraussetzung des § 9a ARHG beachtlich. Letztlich werden durch die vorgeschlagene Vorgehensweise auch Fragen des Rechtszuges (der Beschwerde nach §§ 106f StPO und wegen Verletzung des Rechts auf Datenschutz) eindeutig geklärt.

Zu Z 38 und 46 (§ 67 EU-JZG und Anhang XIV)

Auch die Verständigungspflichten sollen grundlegend umgestaltet werden, weil sie sich künftig materiell unmittelbar aus Art. 21 Eurojust-VO ergeben. Es ist allerdings nach wie vor erforderlich, die innerstaatlichen Zuständigkeiten zu regeln, wobei mit § 67 Abs. 1 EU-JZG die Beibehaltung der bisherigen, an die StPO anschließende Zuständigkeitsverteilung vorgeschlagen wird. Bisher war der Inhalt der Verständigung vor allem durch Anhang XIV zum EU-JZG determiniert, wie er sich aus dem Eurojust-Beschluss ergibt. Die Eurojust-VO übernimmt dies allerdings nicht mehr: Art. 21 Abs. 5 Eurojust-VO sieht nämlich nur vor, dass die Informationen in strukturierter Weise gemäß den Festlegungen von Eurojust übermittelt werden sollen. Zur Umsetzung der Eurojust-VO soll daher auch der Anhang entfallen.

Mit Abs. 2 wird die Umsetzung der in Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses 2005/671/JI vorgesehenen Verständigungspflichten vorgeschlagen, um eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung an Eurojust zu gewährleisten. Abweichend von § 67 Abs. 1 EU-JZG soll ausschließlich die in § 68a Abs. 1 Z 3 benannte Eurojust-Anlaufstelle in Terrorismusfragen für die Verständigungen zuständig sein. Diese, nunmehr im Bundesministerium für Justiz eingerichtete (vgl. Z 31), Anlaufstelle kann die Informationen aus den von den Staatsanwaltschaften zu übermittelnden Berichten entnehmen (vgl. Erlass vom 19.7.2017 über die Neuregelung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten (Berichtspflichtenerlass 2016, in der Fassung 2017, BMJ-S22/0001-IV 5/2017, S. 12).

In Abs. 3 wird die Umsetzung von Art. 17 Abs. 7 des RB-EHB vorgeschlagen. Dieser sieht die Verpflichtung zur Verständigung von Eurojust für den Fall vor, dass die im Rahmenbeschluss vorgesehenen Fristen zur Entscheidung über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls im Einzelfall aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht eingehalten werden können, wobei die Gründe für die Verzögerung anzugeben sind.

Zu Z 39 (§ 68 EU-JZG)

Der vorgeschlagene Entfall ergibt sich aus der unmittelbaren Anwendung von Art. 4 Abs. 6 Eurojust-VO. Dieser sieht vor: „Die zuständigen Behörden des betroffenen Mitgliedstaats antworten unverzüglich auf die Ersuchen von Eurojust gemäß Absatz 2 und auf die schriftlichen Stellungnahmen gemäß Absatz 4 oder 5. Die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats können es ablehnen, solchen Ersuchen stattzugeben oder den schriftlichen Stellungnahmen zu folgen, wenn dies wesentliche nationale Sicherheitsinteressen beeinträchtigen oder den Erfolg einer laufenden Ermittlung oder die Sicherheit einer Person gefährden würde.“

Zu Z 40 (§ 68a EU-JZG)

§ 68a EU-JZG trifft Regelungen im Zusammenhang mit dem nationalen Eurojust-Koordinierungssystem. Da sich der Inhalt der Abs. 2 bis 4 mit Inkrafttreten der Eurojust-VO unmittelbar aus deren Art. 20 ergibt wird, insbesondere aus Abs. 5 bis 8, wird vorgeschlagen, die Abs. 2 bis 4 entfallen zu lassen.

Da die in § 68a Abs. 1 Z 3 EU-JZG angeführte Eurojust-Anlaufstelle in Terrorismusfragen mittlerweile im Bundesministerium für Justiz angesiedelt ist, soll die entsprechende Bestimmung geändert werden.

Die in Art. 20 Abs. 3 lit. b Eurojust-VO angeführte Eurojust-Anlaufstelle für Angelegenheiten in Bezug zur Zuständigkeit der EUStA einzurichten, wird erst mit Umsetzung der Verordnung (EU) 2017/1939 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA), ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1, erwogen werden.

Zu Z 41 (§ 97a EU-JZG)

Diese Bestimmung soll in Umsetzung von Art. 16 Abs. 3 RB Bewährungsüberwachung dem § 92 Z 8 EU-JZG entsprechende Verständigungspflichten für das inländische Gericht gegenüber der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaats nach erfolgter Übernahme der Überwachung vorsehen. Der Zweck dieser Verständigungspflichten besteht darin, der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats die allfällige Erlassung einer Folgeentscheidung (Widerruf der Bewährungsmaßnahme o.ä.) zu ermöglichen.

Zu Z 42 (§ 120 Abs. 2 EU-JZG)

Die Änderung wird lediglich zur Beseitigung eines Redaktionsversehens vorgeschlagen: es wäre, so wie auch in Abs. 1, auf die Behörde des Vollstreckungsstaats abzustellen.

Zu Z 43 (§ 140 Abs. 9, Abs. 17 und Abs. 18 – Verfassungsbestimmung – EU-JZG)

1. § 140 Abs. 9 benennt jene Mitgliedstaaten, die im Zusammenhang mit der Übernahme der Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach Art. 28 Abs. 2 RB Vollstreckung von Freiheitsstrafen Erklärungen abgegeben haben, wonach in Fällen, in denen das rechtskräftige Urteil vor dem in der Erklärung angegebenen Zeitpunkt ergangen ist, als Ausstellungs- und Vollstreckungsstaat weiterhin die vor dem 5.12.2011 für die Überstellung verurteilter Personen geltenden Rechtsinstrumente angewendet werden. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 24.6.2019 in der Rechtssache C-573/17, Poplawski ausgesprochen, dass eine nach Annahme des RB Vollstreckung von Freiheitsstrafen, also nach dem 5.12.2011, abgegebene Erklärung ungültig ist. Da sich mittlerweile gezeigt hat, dass keiner der in Abs. 9 leg. cit. genannten Mitgliedstaaten seine Erklärung zum Zeitpunkt der Annahme abgegeben hat, soll diese Bestimmung entfallen.

2. Mit § 140 Abs. 17 wird vorgeschlagen, dass die vorgeschlagenen Änderungen des EU-JZG grundsätzlich mit dem der Kundmachung des bezeichneten Bundesgesetzes folgenden Tag in Kraft treten sollen.

3. Mit § 140 Abs. 18 wird das Inkrafttreten der Verfassungsbestimmungen in § 5 Abs. 4 und 6 (oben zu Z 11) ebenso mit dem der Kundmachung des bezeichneten Bundesgesetzes folgenden Tag vorgeschlagen.

Für die Beschlussfassung von § 140 Abs. 18 ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrats und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen im Nationalrat gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG erforderlich.

Zu Z 45 (Anhang IV zum EU-JZG)

Nach § 60 Abs. 3 EU-JZG haben Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe die im Formblatt Anhang IV angeführten Angaben zu enthalten. Anhang IV in der derzeitigen Fassung stimmt mit dem Anhang zur Entschließung 2010/C-70/01 zu einem Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe samt Anlagen überein. Die betreffenden Formblätter wurden mit Entschließung des Rates zu einem Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe, ABl. C 18 vom 19.1.2017, S. 1, aktualisiert. Dementsprechend wäre auch Anhang IV samt Anlagen entsprechend zu ändern.

Zu Artikel 5 (Änderung des ARHG)

Zu Z 1 (§ 9 Abs. 2 ARHG)

Nach § 9 Abs. 1 ARHG sind die Bestimmungen der StPO grundsätzlich auch im Auslieferungsverfahren sinngemäß anzuwenden, soweit sich aus den Bestimmungen des ARHG nichts Anderes ergibt. Davon macht Abs. 2 einige Ausnahmen. Es wird zunächst vorgeschlagen, in Abs. 2 klarzustellen, dass sich die dort vorgesehenen Ausnahmen lediglich auf das Verfahren zur Auslieferung von Personen aus Österreich beziehen (vgl. auch schon zur bisherigen Rechtslage: Martetschläger in Höpfel/Ratz, WK2 ARHG § 9, Rz 2). Im umgekehrten Fall, d.h. zur Auslieferung eines Beschuldigten nach Österreich, wird kein gesondertes Verfahren geführt, sondern die Auslieferung im Rahmen eines im Inland anhängigen Strafverfahrens begehrt. Auf dieses Strafverfahren sind die Bestimmungen der StPO in vollem Umfang anzuwenden.

Im Hinblick auf das Auslieferungsverfahren aus Österreich ist darüber hinaus durch den gegenwärtig enthaltenen Verweis auf die §§ 64 und 71 bis 73 StPO klargestellt, dass die in der StPO enthaltenen Bestimmungen über Haftungsbeteiligte, Privatankläger und Subsidiarankläger auf das Auslieferungsverfahren nicht sinngemäß angewandt werden. Die Rechtsprechung (vgl. OLG Wien, 12.1.2010, 22 Bs 324/09x) hat auch Opfern und Privatbeteiligten eine Verfahrensstellung bzw. die Ausübung von Rechten (etwa auf Akteneinsicht) im Auslieferungsverfahren abgesprochen. Allerdings fehlt ein gesetzlicher Verweis auf die §§ 65ff StPO betreffend Opfer und Privatbeteiligte. Zur Schaffung von Rechtssicherheit sollen die vorgesehenen Ausnahmen der Anwendung der Bestimmungen der StPO auf die §§ 65 bis 70 StPO erweitert werden. Im Auslieferungsverfahren geht es lediglich um die Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung und gerade nicht um ein Verfahren zur Feststellung der Schuld oder Unschuld der betroffenen Person. Außerdem können Opfer und Privatbeteiligte, die sich zumeist selbst in jenem Staat aufhalten, der um Auslieferung ersucht, mögliche Rechte als Opfer im inländischen Auslieferungsverfahren aufgrund der räumlichen Distanz faktisch gar nicht ausüben. Aufgrund dessen gehen die Rechte von Opfern und Privatbeteiligten nach der StPO im Auslieferungsverfahren (vgl. § 66 Abs. 1 und § 67 Abs. 6 StPO) weitgehend ins Leere.

Zu Z 2 bis 5 (§ 9a Abs. 1, 2 und 4 Z 3 ARHG):

Die vorgeschlagenen Änderungen in Abs. 1 sollen Redaktionsversehen beseitigen. Die Vorgaben von Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2016/680 sind nicht nur im Fall anzuwenden, dass die Daten von einem anderen Mitgliedstaat übermittelt wurden, sondern auf jegliche Übermittlung von personenbezogenen Daten aus Österreich an ein Drittland.

Mit der Änderung von Abs. 1 Z 3 soll klargestellt werden, dass die Bezug habenden Adäquanzentscheidungen der Europäischen Kommission auf Grundlage von Art. 36 der Richtlinie (EU) 2016/680 ergangen sein müssen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen keine derartigen Entscheidungen der Europäischen Kommission.

Zu Z 6 und 8 (§ 29 Abs. 1 und 4 ARHG)

Die RL Jugendstrafverfahren verlangt in Art. 17, dass bestimmte in der RL vorgesehene Rechte auch gelten, wenn ein Jugendlicher in einem Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls festgenommen wurde.

Bisher sieht § 29 Abs. 1 zweiter Satz ARHG vor, dass die Bestimmungen über die Untersuchungshaft sinngemäß anzuwenden sind, soweit sich aus den Bestimmungen des ARHG nichts Anderes ergibt. Damit sind, der herrschenden Meinung folgend, nur die Bestimmungen der StPO gemeint. Die vorgeschlagene Ergänzung in § 29 Abs. 1 ARHG soll anordnen, dass künftig auch alle ergänzenden Bestimmungen des JGG über die Untersuchungshaft (dabei geht es vor allem um die §§ 35, 35a und 36 JGG) in einem Verfahren über die Auslieferung eines Jugendlichen anzuwenden sind.

Die vorgeschlagene Ergänzung von § 29 Abs. 4 ARHG soll anordnen, dass in einem Verfahren über die Auslieferung eines Jugendlichen notwendige Verteidigung unabhängig davon besteht, ob die Auslieferungshaft verhängt wurde, also schon ab der Festnahme des Jugendlichen im Inland.

Beide Bestimmungen werden zufolge § 18 Abs. 2 EU-JZG auch im Übergabeverfahren anzuwenden sein.

Zu Z 7 (§ 29 Abs. 3 ARHG)

Gemäß Art. 5 Abs. 1 der RL Prozesskostenhilfe hat der Vollstreckungsmitgliedstaat sicherzustellen, dass gesuchte Personen ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme aufgrund eines Europäischen Haftbefehls bis zu ihrer Übergabe oder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung, diese nicht zu übergeben, rechtskräftig geworden ist, Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben.

Nach geltender Rechtslage ist nur Personen, über die bereits die Auslieferungs- bzw. Übergabehaft verhängt wurde und die nicht durch Verteidiger vertreten sind, sogleich ein Verteidiger (§ 61 Abs. 1 Z 1 StPO) beizugeben, wobei § 61 Abs. 2 bis 4 und § 62 StPO sinngemäß anzuwenden sind. Wurde die Person festgenommen und hat sie noch keinen Verteidiger, so ist nach § 59 StPO vorzugehen (§ 18 Abs. 2 EU-JZG iVm § 29 Abs. 3 und 4 ARHG). Da Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie Prozesskostenhilfe den Anspruch von gesuchten Personen auf Prozesskostenhilfe ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme normiert, bedarf es der Sicherstellung des kostenlosen Zugangs zu einem Verteidiger schon ab diesem Zeitpunkt (und nicht erst ab Verhängung der Auslieferungs- bzw. Übergabehaft).

Zwar würde sich aus der RL Prozesskostenhilfe selbst nur eine Verpflichtung zur entsprechenden Erweiterung im Übergabeverfahren nach dem EU-JZG, nicht jedoch im Auslieferungsverfahren nach dem ARHG ergeben. Die Aufnahme der Regelung in das ARHG scheint jedoch aus systematischen Erwägungen sinnvoll, weil bereits die Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs, ABl. Nr. L 294 vom 6.11.2013 S. 1 primär in § 29 ARHG erfolgte (Strafprozessrechtsänderungsgesetz II 2016, BGBl I Nr. 121/2016, siehe RV 1300 BlgNR XXV. GP, S. 16); die Bestimmung ist über § 18 Abs. 2 EU-JZG im Übergabeverfahren anwendbar.

Da § 29 Abs. 3 ARHG bereits in seiner geltenden Fassung einem auch aufgrund eines Europäischen Haftbefehls Festgenommenen die Möglichkeit der Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft aus dem rechtsanwaltschaftlichen Bereitschaftsdienst bietet, wird vorgeschlagen, § 29 Abs. 3 ARHG dahin zu ergänzen, dass die für das Strafverfahren vorgeschlagenen Regelung über die Kostentragung (§ 59 Abs. 5 StPO) auch im Auslieferungsverfahren (über § 18 Abs. 2 EU-JZG wiederum: auch im Übergabeverfahren) einem Festgenommen zugutekommen soll.

Zu Z 9 (§ 31 Abs. 1 ARHG)

Art. 15 RL Jugendstrafverfahren fordert das Recht des Kindes, sich vom Träger der elterlichen Verantwortung bei Gerichtsverhandlungen begleiten zu lassen, wobei dies auch in Verfahren zur Vollstreckung eines EHB zu gelten hat (Art. 17 RL Jugendstrafverfahren). Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen dieses Recht bzw. die Möglichkeit des gesetzlichen Vertreters zur Beteiligung am Verfahren, sichergestellt werden.

Zu Z 10 (§ 31 Abs. 1a ARHG)

1. In den Urteilen vom 6.9.2016, C-182/15, Petruhhin, und vom 10.4.2018, C-191/16, Pisciotti, hat der EuGH ausgesprochen, dass der Mitgliedstaat, dem ein Auslieferungsersuchen eines Drittstaats in Bezug auf einen Unionsbürger zugekommen ist, den Heimatstaat des Betroffenen vom zugrundeliegenden Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und ihm Gelegenheit zum Erlass eines Europäischen Haftbefehls wegen dieses Sachverhalts zu geben hat. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob zwischen dem um Auslieferung ersuchten Mitgliedstaat und dem Drittstaat eine vertragliche Grundlage für die Auslieferung (völkerrechtlicher Vertrag) besteht oder nicht.

In seinem weiteren Urteil vom 6.9.2017 in der Rechtssache C‑473/15, Schotthöfer & Steiner, hat der EuGH diese Grundsätze auch für Auslieferungsersuchen zur Strafvollstreckung aufrechterhalten, wobei es im Gegensatz zum Urteil vom 13.11.2018 in der Rechtssache C-247/17, Raugevicius nicht um einen Unionsbürger ging, der seinen dauerhaften Wohnsitz im ersuchten Mitgliedstaat hatte, sondern um einen solchen, der sich nur vorübergehend dort aufgehalten hat bzw. aufhalten hätte wollen.

2. Um der zitierten Judikatur des EuGH Rechnung zu tragen, wird zunächst vorgeschlagen (§ 31 Abs. 1a), dass das Gericht den Heimatstaat vom Auslieferungsverfahren verständigt. Dabei ist diesem mitzuteilen, welche Behörde im Drittstaat das Verfahren führt und zu welcher Aktenzahl das Verfahren geführt wird. Diese Angaben sollen es der Behörde des Heimatmitgliedstaats ermöglichen, ggf. ein Rechtshilfeersuchen an den Drittstaat zu richten, um weitere Information oder eine Aktenkopie zu erlangen. Darüber hinaus hat das Gericht den Heimatmitgliedstaat um Mitteilung zu ersuchen, ob ein Europäischer Haftbefehl gegen den Betroffenen wegen desselben Sachverhalts erlassen werden wird.

Festzuhalten ist, dass sich die Betroffenen in den urteilsgegenständlichen Fällen jeweils gegen die Auslieferung an den Drittstaat ausgesprochen haben. Zu der gegenteiligen Situation der Zustimmung des Betroffenen zur Auslieferung an den Drittstaat enthalten die EuGH-Urteile keine Feststellungen. Im Hinblick darauf, dass den Urteilen offensichtlich der Gedanke des Schutzes des Betroffenen zugrunde liegt, erscheint deswegen die Befassung des Heimatstaates bei Zustimmung nicht erforderlich. Zur Abklärung, ob der Betroffene der Auslieferung an den Drittstaat zustimmt oder nicht, ist dieser daher zunächst vom Gericht zu vernehmen (s. § 31 Abs. 1 ARHG). Im Hinblick auf die bestehenden Fristen für die Auslieferungshaft (§ 29 ARHG) ist dem Heimatstaat für die allfällige Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls eine (angemessene) Frist zu setzen.

Übermittelt in der Folge der Heimatmitgliedstaat einen Europäischen Haftbefehl, ist nach § 16 EU-JZG ein Übergabeverfahren einzuleiten, in dem insbesondere § 23 EU-JZG zu beachten ist, der das Zusammentreffen eines Europäischen Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen regelt.

3. Grundsätzlich soll mit dem Auslieferungsverfahren fortgefahren werden, auch wenn der Heimatstaat des Betroffenen mit der Frage befasst worden ist, ob wegen desselben Sachverhalts ein europäischer Haftbefehl erlassen wird. Allerdings soll verhindert werden, dass eine Übergabe des Betroffenen an den Drittstaat stattfindet, solange die Frist zur Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls für den Heimatstaat des Betroffenen noch nicht abgelaufen ist. § 37 Z 2 ARHG ermöglicht einen Aufschub, wenn gegen die auszuliefernde Person ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht geführt wird. Der Begriff des „Strafverfahrens“ ist ggf. weit auszulegen, sodass auch Übergabeverfahren, die aufgrund der Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls eingeleitet wurden, davon erfasst sind.

Zu Z 11 (§ 40 ARHG)

Aus § 40 ARHG geht nicht eindeutig hervor, ob die nachträgliche Entscheidung über ein ergänzendes Auslieferungsersuchen auch für den Fall ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgt, dass sich die auszuliefernde Person noch im ersuchten Staat befindet. Nunmehr soll klargestellt werden, dass auch in jenen Fällen, in denen bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung vorliegt, vor Entscheidung über das ergänzende Auslieferungsersuchen eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden kann, wenn die betroffene Person noch nicht übergeben wurde.

Zu Z 12 (§ 55 Abs. 4 ARHG)

Im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen (SEV Nr. 182, BGBl. III Nr. 22/2018) kann Rechtshilfe auch in Verfahren wegen Verwaltungsdelikten geleistet werden, soweit gegen die Entscheidung der zuständigen Behörde ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Rechtshilfeübereinkommen). Die vorgeschlagene Regelung soll klarstellen, wie mit derartigen, den österreichischen Justizbehörden zugekommenen Rechtshilfeersuchen zu verfahren ist, die nach österreichischem Recht in die Zuständigkeit der Verwaltungs- oder Finanzstrafbehörden fallen: die Justizbehörden sollen das Ersuchen an die zuständige Verwaltungs- oder Finanzstrafbehörde weiterleiten. Eine korrespondierende Regelung ist in § 55c Abs. 5 EU-JZG enthalten.

Zu Z 13 (§ 58a ARHG)

Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll klargestellt werden, dass in Entsprechung von Art. 35 Abs. 1 lit. e der Richtlinie (EU) 2016/680 zu unterscheiden ist, ob die Daten ursprünglich durch eine österreichische Justizbehörde in Österreich ermittelt wurden oder durch eine Behörde eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, z. B. im Wege der Rechtshilfe oder der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung usw. an eine österreichische Justizbehörde übermittelt wurden und danach an eine Behörde des Drittlandes weitergeleitet wurde. Im ersten Fall wäre die Abwägungsentscheidung betreffend Ersuchen der zuständigen Behörde des ersuchenden Staats um Zustimmung zur (neuerlichen) Weiterleitung (erster Satz) von der zuständigen Behörde in Österreich zu treffen. Im zweiten Fall ist jedoch eine Behörde jenes Mitgliedstaats der Europäischen Union um Zustimmung zur Übermittlung zu ersuchen, aus dem die personenbezogenen Daten ursprünglich übermittelt wurden (zweiter Satz).

Zu Z 14 (§ 76 Abs. 1 ARHG)

In § 42b Abs. 7a und § 42e Abs. 3 EU-JZG (s. Z 26 und 27 des Artikel 2) werden Änderungen bei der Zuständigkeit vorgeschlagen. § 76 ARHG beinhaltet die Zuständigkeitsregelungen im Bereich des ARHG für die Erwirkung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in einem Drittstaat. Es wird vorgeschlagen, die Zuständigkeiten weitgehend gleichlautend zum EU-JZG vorzusehen. Auch im Bereich des ARHG hat sich gezeigt, dass es nicht sachgerecht erscheint, jenes Gericht für zuständig zu erklären, das zuletzt eine Freiheitsstrafe verhängt hat, sondern jenes, das über die strafbare Handlung entschieden hat (s. auch Erläuterungen zu Artikel 2 Z 26).

Zu Artikel 6 (Änderung des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof – IStGH-ZG):

Zu Z 3 (§ 3 IStGH-ZG)

1. Die geltende Fassung von § 3 nennt als jene Verbrechen, die in die (komplementäre) Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichthofs (IStGH) fallen, Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; dies entspricht dem Stand des Völkerrechts (Art. 5 Abs. 1 lit. a – c und insbesondere Art. 6, 7 und 8 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, BGBl. III Nr. 180/2002) zur Zeit der Erlassung des Gesetzes (siehe RV 1168 BlgNR XXI. GP, S. 17).

Zwar war schon damals in Art. 5 Abs. 1 lit. d des Statuts das Verbrechen der Aggression genannt. Allerdings enthielt die Stammfassung des Statuts keine Umschreibung dieses Delikts, es wurde in Art. 5 Abs. 2 lediglich in Aussicht gestellt, Bestimmungen auszuarbeiten und anzunehmen, die das Verbrechen der Aggression definieren und die Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit festlegen.

2. Dies ist mittlerweile erfolgt: Durch die auf der Überprüfungskonferenz von Kampala angenommene Änderung des Statuts wurden eine Definition des Verbrechens der Aggression als Art. 8bis und Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit als Art. 15bis und 15ter in das Statut eingefügt (Ratifikation durch Österreich: BGBl. III Nr. 96/2015). Demnach kann der IStGH seine Gerichtsbarkeit bei Unterbreitung durch einen Vertragsstaat oder aus eigener Initiative nur über solche Aggressionsverbrechen ausüben, die zumindest ein Jahr nach Ratifikation oder Annahme der Änderung des Statuts durch 30 Vertragsstaaten begangen wurden. Weiters ist ein Beschluss der Vertragsstaaten, der nach dem 1. Jänner 2017 mit qualifizierter Mehrheit zu fassen ist, für die Ausübung der Gerichtsbarkeit über dieses Verbrechen durch den IStGH erforderlich.

Die Voraussetzung von 30 Ratifikationen ist seit 26. Juni 2016 erfüllt. Schließlich haben die Vertragsstaaten im Rahmen ihrer 16. Versammlung mit Resolution ICC-ASP/16/Res.5 vom 14. Dezember 2017 die Ausübung der Gerichtsbarkeit gemäß Art. 15bis Abs. 3 und Art. 15ter Abs. 3 des Römischen Statuts aktiviert und als Tag der Aktivierung den 17. Juli 2018 festgelegt (dazu näher Tichy/Bühler/Bittner/Köhler, Recent Austrian practice in the field of international law, Report 2017, ZÖR 2018, S. 147 [S. 175 ff]).

3. Die vorgeschlagene Neufassung von § 3 soll daher zunächst das Verbrechen der Aggression in die Liste der Verbrechen aufnehmen, die in die Zuständigkeit des IStGH fallen. Der bisher enthaltene Verweis auf § 5 des Statuts kann nun entfallen, weil die bisherige Einschränkung des Verweises auf Z 1 bis 3 gegenstandslos geworden ist und Art. 5 ohnehin nur eine Liste der Verbrechen enthält, die in Art. 6, 7, 8 und 8bis umschrieben sind.

Die im letzten Teil von § 3 enthaltene Regelung über den Zeitpunkt, ab dem der IStGH Gerichtsbarkeit ausüben kann, muss zunächst um das neue Datum für das Verbrechen der Aggression erweitert werden. Bei dieser Gelegenheit soll für die schon bisher genannten Verbrechen der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Statuts (1. Juli 2002) datumsmäßig in das Gesetz aufgenommen werden.

Es genügt hier anzumerken, dass die Einzelheiten für die Ausübung der Gerichtsbarkeit des IStGH für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Art. 11 bis 15 des Statuts, jene für das Verbrechen der Aggression in Art. 15bis und 15ter des Statuts zu finden sind; ausdrücklicher Verweise auf diese Bestimmungen im Gesetzestext bedarf es nicht, schon wegen des ohnehin beizubehaltenden allgemeinen Verweises auf die Bestimmungen des Statuts über die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit.

Zu Z 4, 5, 6, 13 und 15 bis 17 (§ 17 Abs. 1 Z 2, § 17 Abs. 2, § 22 Abs. 1, § 26 Abs. 5, § 33 Abs. 4, § 41 Abs. 2 sowie § 42 Abs. 3 IStGH-ZG)

Hier handelt es sich um die Aktualisierung von Verweisen auf Bestimmungen anderer Gesetze, die aufgrund von Änderungen nicht mehr aktuell sind.

Zu Z 7, 8 und 11 (§ 23 Abs. 1, § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 1 IStGH-ZG)

Die vorgeschlagenen Änderungen sind eine Konsequenz der mit dem Strafprozessreformgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 19/2004) erfolgten Abschaffung des Untersuchungsrichters und der dementsprechend geänderten Rollenverteilung im Strafverfahren, die auch Niederschlag im Auslieferungs- und Übergabeverfahren gefunden hat (vgl. §§ 26 und 27 ARHG bzw. §§ 16 und 17 EU-JZG). Entsprechend dieser Rollenverteilung soll auch im IStGH-ZG vorgesehen werden, dass die Einleitung eines Überstellungsverfahrens und die entsprechende Antragstellung (zur Bewilligung einer Festnahmeanordnung, auf Verhängung der Überstellungshaft bzw. Bewilligung der Überstellung) bei Gericht, Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist. Das Gericht soll, wie dies auch im Rahmen eines im Inland geführten Ermittlungsverfahrens der Fall ist (§ 101 Abs. 2 und § 105 Abs. 1 StPO), ausschließlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft tätig werden.

Zu Z 9, 10 und 12 (§ 24 Abs. 2 und 4, § 25 Abs. 1 und 2, § 26 Abs. 2 und 7, § 27 Abs. 1 und 3 sowie § 28 Abs. 2 IStGH- ZG)

Die vorgeschlagenen Änderungen stellen ebenso nur Anpassungen an das Strafprozessreformgesetz 2004 dar und sind im Wesentlichen nur sprachlicher Natur.

Zu Z 14 (§ 26 Abs. 9 IStGH-ZG)

Es wird vorgeschlagen, den letzten Satz des § 26 Abs. 9 IStGH-ZG entfallen zu lassen. Dieser sieht vor, dass gegen den Beschluss, mit dem das Überstellungsverfahren eingeleitet wird, ein Rechtsmittel nicht zusteht. Ihm liegt das Verständnis des formellen Beschuldigtenbegriffs zugrunde, der dem Strafverfahren vor Inkrafttreten der Strafprozessreform im Jahr 2008 zugrunde lag. Nachdem mit dem Strafprozessreformgesetz 2004 auf den materiellen Beschuldigtenbegriff abgestellt wird, sollte auch der Satz entfallen.

Zu Artikel 7 (Änderung des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten – IG-ZG)

Zu Z 2 (§ 1a IG-ZG)

1. Es hat sich gezeigt, dass nicht nur mit den in § 1 IG-ZG angeführten Gerichten und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH-ZG) eine strafrechtliche Zusammenarbeit erforderlich ist. Im Rahmen der Vereinten Nationen wurde mit Resolution 71/248 der Generalversammlung vom 21.12.2016 ein unabhängiger Mechanismus zur Unterstützung bei der Untersuchung und Verfolgung der seit dem Jahr 2011 in Syrien begangenen schwersten Verbrechen (IIIM) geschaffen. Weiters wurde mit Resolution 2379 (2017) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 21.9.2017 ein Ermittlungsteam zur Förderung von Verantwortlichkeit für die vom Islamischen Staat im Irak und in der Levante begangenen Verbrechen (UNITAD) eingerichtet.

Bei diesen Einrichtungen handelt es sich nicht um Gerichte; die erforderlichen Voraussetzungen richterlicher Unabhängigkeit werden nicht gewährleistet. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die Aufgaben der genannten Einrichtungen fundamental von jenen eines Gerichts (etwa des Internationalen Strafgerichtshofs oder der in § 1 IG-ZG genannten Gerichte): die Aufgaben beschränken sich im Wesentlichen auf die Sammlung, Konservierung und Aufbewahrung von Beweismitteln zur späteren Verwendung in Strafverfahren vor (nationalen oder internationalen) Gerichten.

In den erwähnten Resolutionen werden die Staaten aufgefordert, mit diesen Stellen weitestgehend zusammenzuarbeiten, somit Rechtshilfe zu leisten.

2. Um derartigen Resolutionen Rechnung zu tragen, wird in § 1a Abs. 1 vorgeschlagen, eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen, dass österreichische Behörden diesen Einrichtungen Rechtshilfe leisten können; dazu sollen die §§ 2, 6, 7, 10 und 12 des IG-ZG sinngemäß anzuwenden sein; das sind jene Bestimmungen des Gesetzes, die Rechtshilfe betreffen, sowie die Bestimmung über Vorrechte und Immunitäten (s. dazu auch die Aufgabenstellungen, „terms of reference“, der Vereinten Nationen für die o.g. Einrichtungen). Die übrigen Bestimmungen des IG-ZG sind ohne Relevanz; Überstellungen, Übernahme der Strafvollstreckung usw. sollen angesichts des Aufgabenbereichs dieser Einrichtungen nicht ermöglicht werden.

3. Die Festlegung der Einrichtungen, denen Rechtshilfe geleistet werden kann, soll im Wege einer Verordnung erfolgen; dazu wird in § 1a Abs. 2 die gesetzliche Ermächtigung vorgeschlagen. Durch eine Verordnung kann rascher und flexibler auf die Errichtung (aber auch Umbenennung oder Beendigung) solcher Einrichtungen auf internationaler Ebene reagiert werden. Die Verordnung soll von der Bundesministerin für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und dem Bundesminister für Inneres erlassen werden.

Derzeit ist beabsichtigt, die beiden oben erwähnten Einrichtungen mit Verordnung kundzumachen.

Zu Z 3 und 4 (§ 4 Abs. 3 und 4 IG-ZG)

In § 4 Abs. 3 IG-ZG werden Änderungen vorgeschlagen, die sich aufgrund der Begrifflichkeiten der StPO und aufgrund der mit dem Strafprozessreformgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 19/2004) geänderten Rollenverteilung im Strafverfahren zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften ergeben. Nach § 4 Abs. 3 IG-ZG hat das „Gericht“ alle zur Sicherung der Person und der Beweise erforderlichen Veranlassungen zu treffen und sodann das Verfahren „vorläufig einzustellen“, wenn ein förmliches Ersuchen eines Internationalen Gerichts um Überlassung der Strafverfolgung vorliegt. Leiterin des Ermittlungsverfahrens ist nach Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes 2004 (BGBl. I Nr. 19/2004) allerdings die Staatsanwaltschaft, weswegen vorgeschlagen wird, dass ihr diese Rolle auch bei der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Gericht zukommt. Darüber hinaus wäre das Verfahren auch nicht vorläufig einzustellen, sondern in sinngemäßer Anwendung nach § 197 StPO abzubrechen. Als Konsequenz wird darüber hinaus in § 4 Abs. 4 IG-ZG vorgeschlagen, dass das Verfahren von der Staatsanwaltschaft in den dort genannten Fällen formlos, d.h. ohne Beschluss fortgesetzt werden kann.

Zu Z 5 und 12 (§ 13 Abs. 1 und § 20 Abs. 4 IG-ZG)

Diesbezüglich handelt es sich um die Aktualisierung von Verweisen auf Bestimmungen anderer Gesetzes, die aufgrund von Änderungen nicht mehr aktuell waren.

Zu Z 6, 7 und 10 (§ 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 und § 16 Abs. 1 IG-ZG)

Die vorgeschlagenen Änderungen sind eine Konsequenz der mit Strafprozessreformgesetz 2004 (BGBl. I Nr. 19/2004) geänderten Rollenverteilung im Strafverfahren, die auch Niederschlag im Auslieferungs- und Übergabeverfahren gefunden hat (vgl. §§ 26 und 27 ARHG bzw. §§ 16 und 17 EU-JZG). Entsprechend dieser Rollenverteilung soll auch im IG-ZG vorgesehen werden, dass die Einleitung eines Überstellungsverfahrens und die entsprechende Antragstellung (zur Bewilligung einer Festnahmeanordnung, auf Verhängung der Überstellungshaft bzw. Bewilligung der Überstellung) bei Gericht, Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist. Das Gericht soll, wie dies auch im Rahmen eines im Inland geführten Ermittlungsverfahrens der Fall ist (§ 101 Abs. 2 und § 105 Abs. 1 StPO), ausschließlich auf Antrag der Staatsanwaltschaft tätig werden und umfassenden Rechtsschutz gewährleisten.

Zu Z 8, 9 und 11 (§ 15 Abs. 2 und 3, § 16 Abs. 2 und 5, § 17 Abs. 1, 3 und 4 IG-ZG)

Die vorgeschlagenen Änderungen stellen ebenso nur Anpassungen an das Strafprozessreformgesetz 2004 dar und sind im Wesentlichen nur sprachlicher Natur.

Zu Artikel 8 (Änderung des Börsegesetzes 2018)

Zu Z 1 (§ 164 Abs. 5 BörseG 2018)

1. Nach der Aufdeckung der Manipulation des LIBOR-Referenzwertes im Jahr 2011, die zu massiven Erschütterung des Vertrauens in die Märkte, zu erheblichen Verlusten der Anleger und zu Verzerrungen der Realwirtschaft führte, sah man auf Unionsebene die Notwendigkeit, Sanktionen u.a. für die Manipulation der Berechnung von Referenzwerten vorzusehen: Art. 30 Abs. 1 iVm Art. 15 und Art. 12 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung, im Folgenden auch: MAR), ABl. Nr. L 173 vom 12.6.2014 S. 1, verpflichtet die Mitgliedstaaten der Union, einen Verwaltungsstraftatbestand der Manipulation der Berechnung von Referenzwerten zu schaffen; Art. 5 der Marktmissbrauchsrichtlinie (im Folgenden auch: MAD) verlangt von den Mitgliedstaaten, für schwere und vorsätzlich begangene Fälle von Marktmanipulation gerichtliche Strafbarkeit vorzusehen.

Der österreichische Gesetzgeber hat zur Umsetzung der MAR und der MAD das Börsegesetz 1989 dahin geändert (BGBl. I Nr. 76/2016), dass die „Manipulation der Referenzwertberechnung“ (ausschließlich) als Verwaltungsstraftatbestand normiert wurde (§ 48c Abs. 1 Z 3); von der Schaffung einer gerichtlichen Strafbarkeit der „Manipulation der Referenzwertberechnung“ wurde damals Abstand genommen, vor allem, weil damals kein taugliches Kriterium zur Abgrenzung schwerer Fälle ersichtlich war. Das neu erlassene Börsegesetz 2018, BGBl. I Nr. 107/2017, übernahm § 48c BörseG 1989 inhaltlich unverändert in § 154 BörseG 2018.

Die Verordnung (EU) Nr. 1011/2016 vom 8.6.2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Benchmark-VO) brachte mit der Einteilung der Referenzwerte in drei Kategorien (kritische, signifikante und unbedeutende Referenzwerte) ein taugliches Abgrenzungskriterium für die Qualifikation einer schwerwiegenden Manipulation der Berechnung von Referenzwerten.

Damit scheint es nun möglich, auch für die „Manipulation der Referenzwertberechnung“ (Art. 5 Abs. 2 lit. d MAD) zwischen schweren und anderen Fällen zu unterscheiden.

2. Schwere Fälle der „Manipulation der Referenzwertberechnung“ sollen künftig – auch um einem wesentlichen Kritikpunkt der Europäischen Kommission in dem Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2019/2121 zu entsprechen – gerichtlich strafbar sein. Dazu soll § 164 BörseG 2018 um einen neuen Absatz 5 erweitert werden.

Nach der geltenden Rechtslage ist die Manipulation der Berechnung von (allen) Referenzwerten verwaltungsrechtlich strafbar (§ 154 BörseG 2018). Nach dem Entwurf soll nunmehr hinsichtlich kritischer Referenzwerte eine gerichtliche Strafbarkeit vorgesehen werden, was zu einer Ausweitung der gerichtlichen Strafbarkeit im Vergleich mit der geltenden Rechtslage führt.

Kritische Referenzwerte werden in Art. 3 Abs. 1 Z 25 Benchmark-VO (EU) 1011/2016 definiert. Danach sind kritische Referenzwerte jene, die auf der nach Art. 20 Abs. 1 Benchmark-VO von der Europäischen Kommission erstellten und aktuell zu haltenden Liste stehen. Die Kommission ist mittels Durchführungsverordnung (EU) 1368/2016 vom 11.8.2016 zur Erstellung einer Liste der an den Finanzmärkten verwendeten kritischen Referenzwerte gemäß der Verordnung (EU) 1011/2016 ihrer Durchführungspflicht nachgekommen. Die Liste wurde bereits mehrfach aktualisiert, zuletzt durch die Durchführungsverordnung (EU) 482/2019 vom 22.3.2019 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 368/2016 zur Erstellung einer Liste der an den Finanzmärkten verwendeten kritischen Referenzwerte gemäß der Verordnung (EU) 1011/2016. Als kritisch werden derzeit folgende Referenzwerte definiert: Euro Interbank Offered Rate (EURIBOR®), Euro Overnight Index Average (EONIA®), London Interbank Offered Rate (LIBOR), Stockholm Interbank Offered Rate (STIBOR) und Warsaw Interbank Offered Rate (WIBOR).

Der Bezug auf die durch die Europäische Kommission festgelegte Definition kritischer Referenzwerte wird im Entwurf mittels einer dynamischen Verweisung auf die Durchführungsverordnung „in der geltenden Fassung“ sichergestellt. Dabei handelt es sich um eine Verweisung auf unmittelbar anwendbares Unionsrecht, weswegen die verfassungsrechtlichen Bedenken zur Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen auf Rechtsakte eines anderen (nationalen) Normsetzers nicht bestehen (vgl. Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht5, S. 117).

§ 164 BörseG 2018 erfasst in Abs. 1 und 2 bereits schwerwiegende Fälle (Transaktionswert über 1 Million Euro) der handelsbasierten Marktmanipulation im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. a und b MAD. Absatz 5 soll daher an die Formulierung der bereits vorhandenen Tatbestände angelehnt werden. Eine wortgleiche Übernahme der Bestimmung aus der Marktmissbrauchsrichtlinie ist nicht erforderlich.

3. Die Höhe der angedrohten Freiheitsstrafen im Entwurf berücksichtigt einerseits das Mindesterfordernis der MAD (Art. 7 Abs. 2: Höchstmaß von mindestens vier Jahren) und andererseits den in § 164 Abs. 1 und 2 BörseG 2018 bereits vorhandenen und mit der im österreichischen Strafrecht gängigen Staffelung konformen Strafrahmen.

4. Im Einklang mit dem Grundsatz (und Grundrecht) ne bis in idem (Verbot der Doppelverfolgung und –bestrafung: Art. 4 7. Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 50 GRC) und Art. 30 Abs. 3 vorletzter Unterabsatz der Marktmissbrauchsverordnung sind nach § 22 Abs. 1 VStG bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der gerichtlichen Straftatbestände in den § 164 BörseG 2018 keine verwaltungsrechtlichen Sanktionen zu verhängen.

5. Die schon bisher bestehende verwaltungsstrafrechtliche Pönalisierung der Manipulation von Referenzwerten hat noch nicht zur Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren geführt; daher kann davon ausgegangen werden, dass der neue Straftatbestand nicht zu nennenswertem Mehraufwand führen wird.

Zu Z 2 (§ 194 Abs. 7 BörseG 2018)

Die neue Bestimmung soll zum frühest möglichen Zeitpunkt in Kraft treten.

Zu Artikel 9 (Änderung des Tilgungsgesetzes 1972)

Die Änderungen folgen der neuen Terminologie des am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen 2. Erwachsenenschutz-Gesetzes. Unter schutzberechtigten Personen sind – wie bisher – Personen zu verstehen, die unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen, also Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen (§ 21 ABGB). Der Begriff des gesetzlichen Vertreters richtet sich nach § 1034 ABGB und umfasst somit Personen, die für ein minderjähriges Kind im Rahmen der Obsorge oder sonst im Einzelfall gesetzlich mit dessen Vertretung betraut sind, Vorsorgebevollmächtigte, sobald die Vorsorgevollmacht wirksam ist, gewählte, gesetzliche Erwachsenenvertreter nach der Registrierung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis sowie gerichtliche Erwachsenenvertreter sowie Kuratoren. Einer expliziten Anführung des Vorsorgebevollmächtigten bedarf es somit nicht mehr.