77 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (4 der Beilagen): Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits

Das Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Gemäß dem Zirkulationsbeschluss der Bundesregierung vom 22. November 2017 und der entsprechenden Ermächtigung durch den Herrn Bundespräsidenten wurde das Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits am 22. November 2017 in Brüssel vom Ständigen Vertreter Österreichs bei der Europäischen Union am Rande des ASTV II für die Republik Österreich unterzeichnet. Am 24. November 2017 erfolgte am Rande des Gipfels der Östlichen Partnerschaft in Brüssel die Unterzeichnung durch die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und den Außenminister der Republik Armenien.

Nachdem Armenien im September 2013 entschieden hatte, das bereits ausverhandelte Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, sondern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) beizutreten, wurde am 29. November 2013 beim Gipfel der Östlichen Partnerschaft in Vilnius in einer schriftlichen Erklärung der Wille beider Seiten zur weiteren Stärkung der Zusammenarbeit auf neuer vertraglicher Grundlage bekundet.

Die Verhandlungen zwischen der EU und der Republik Armenien über ein neues Abkommen wurden im Dezember 2015 eröffnet. Am 21. März 2017 wurde das Abkommen in Jerewan paraphiert.

Ein Hinweis auf die Vereinbarkeit der Mitgliedschaft Armeniens in der EAWU mit den Zielsetzungen des politischen Dialoges, die sich aus dem neuen Abkommen ergeben, findet sich in Art. 3.1 und 5.1 der Präambel des Abkommens. Diese Bezugnahme auf bestehende Verpflichtungen der Vertragspartner stellt keinen Präzedenzfall für zukünftige ähnliche Verträge mit Drittstaaten dar.

Die EU ist für die Republik Armenien neben Russland der wichtigste Handelspartner und in geringerem Maße auch Investor. Ziel des Abkommens ist es, die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und der Republik Armenien noch weiter zu stärken sowie ein neues Klima und bessere Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau der Handels- und Investitionsströme zu schaffen. Armenien hofft darauf, dass europäische Unternehmen nunmehr über Investitionen in Armenien Zugangschancen zum großen EAWU-Markt suchen werden. Das Abkommen sollte auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Armenien, die zuletzt durch einen starken Rückgang der österreichischen Exporte nach Armenien gekennzeichnet waren, stärken.

Der umfassende Geltungsbereich des neuen Abkommens erstreckt sich auf Fragen, die in die Zuständigkeit der EU fallen und ihre Interessen betreffen, und spiegelt die große Bandbreite der bestehenden Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Handel und Politik sowie bei sektorspezifischen Maßnahmen wider. Mit dem Abkommen werden diese Bereiche ausgebaut und damit eine dauerhafte Grundlage für die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Armenien geschaffen. Durch die Stärkung des politischen Dialogs und die Verbesserung der Zusammenarbeit in einem breiten Spektrum von Bereichen bildet das Abkommen die Grundlage für eine wirksamere Zusammenarbeit mit Armenien.

Das Abkommen umfasst die üblichen politischen Klauseln der EU über Menschenrechte, die internationalen Strafgerichtshöfe, Massenvernichtungswaffen, Kleinwaffen und leichte Waffen sowie die Terrorismusbekämpfung. Es enthält außerdem Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Verkehr, Energie, Gesundheit, Umwelt, Klimawandel, Steuern, Bildung und Kultur, Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Banken und Versicherungen, Industriepolitik, Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, Tourismus, Forschung und Innnovation und Bergbau. Darüber hinaus erstreckt es sich auf die justizielle Zusammenarbeit, die Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, organisierte Kriminalität und Korruption.

Das Abkommen enthält einen umfangreichen Titel „Handel“, mit wichtigen Verpflichtungen in mehreren handelspolitischen Bereichen. Diese Regelungen werden die Rahmenbedingungen für den Handel zwischen der EU und Armenien verbessern und dabei den Verpflichtungen Armeniens als Mitglied der EAWU in vollem Umfang Rechnung tragen. Sie gewährleisten ein besseres Regelungsumfeld für Wirtschaftsbeteiligte in Bereichen wie Handel mit Waren und Dienstleistungen, Gründung und Führung von Unternehmen, Kapitalverkehr, öffentliches Beschaffungswesen und geistiges Eigentum, nachhaltige Entwicklung und Wettbewerb.

Das Abkommen zielt in bestimmten Bereichen auf eine schrittweise Annäherung der armenischen Rechtsvorschriften an den Besitzstand der EU, ohne jedoch die Schaffung einer Assoziation zwischen der EU und Armenien vorzusehen.

Das Abkommen ist ein sog. gemischtes Abkommen, da es sowohl Angelegenheiten regelt, die in die Kompetenz der EU fallen, als auch solche, die in die Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten fallen. Daher bedarf es auch der Genehmigung durch alle EU-Mitgliedstaaten. Im Einklang mit Art. 385 wird das Abkommen seit 1. Juni 2018 zwischen der Union und Armenien provisorisch angewandt, allerdings nur insoweit, als es sich auf Angelegenheiten erstreckt, die in die Zuständigkeit der Union fallen.

 

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 10. März 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Armenien andererseits (4 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2020 03 10

                            Dr. Reinhold Lopatka                                             Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau