91 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über den Antrag 362/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesrahmengesetz und Bundesstrategie für Raumordnung und Flächenmanagement

Die Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 27. Februar 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Aktuelle Zahlen des Umweltbundesamtes belegen: Der Flächenverbrauch in Österreich ist nach wie vor viel zu hoch und alles andere als nachhaltig. Zwar gab es in den letzten fünf Jahren einen Rückgang von etwa 20 Hektar neu verbrauchter Fläche pro Tag auf knapp zwölf, allerdings ist dieser Wert nach wie vor der höchste in der EU. Von Entwarnung kann schon allein deshalb nicht die Rede sein, weil der Bedarf an Baufläche laut Umweltbundesamt mit 5,4 Hektar am Tag der höchste seit fünf Jahren ist. Damit einhergehend ist die hohe Versiegelungsrate: 41 Prozent der neu verwendeten Fläche 2018 ist versiegelt, wodurch der Boden seine Fähigkeit, Wasser aufzunehmen oder Kohlenstoff zu speichern, verliert. Gleichzeitig haben Verkehrs- und Betonflächen einen negativen Einfluss auf das Mikroklima, weil sie an Sommertagen die Hitze nicht absorbieren und sich so die Umgebungstemperatur deutlich erhöht. Insgesamt waren 2018 in Österreich schon ca. 233.000 Hektar versiegelt –fast drei Prozent des gesamten Staatsgebiets. Ausufernder Flächenverbrauch und Flächenversiegelung sind nur zum Teil Folge eines erhöhten Flächenbedarfs bedingt durch Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum oder demographische Entwicklungen (Migration, Trend zu kleineren Haushalten, etc.). Laut wissenschaftlichem Konsens liegen die Ursachen vor allem bei einer disproportionalen Kompetenzanhäufung auf Gemeindeebene, mangelnder Kontrolle durch Länder und Bund sowie einem jahrzehntelangen Mangel einer bundesweiten, überregionalen Planungs- und Verkehrs- und Widmungsstrategie. So kommt es, dass, während in Österreich traditionelle Ortskerne aussterben und laut Schätzungen bundesweit mittlerweile etwa 40.000 Hektar Gebäudefläche leer stehen, Gemeinden durch ihre Widmungspolitik Neubauten auf der grünen Wiese begünstigten und einen regelrechten Wildwuchs von Einkaufszentren abseits der gewachsenen Strukturen ermöglichten (seit 2000 hat sich die Einkaufsfläche in Österreich verdoppelt und ist pro Einwohner gerechnet die zweithöchste in Europa). Damit stieg auch der Bedarf an Verkehrsfläche rasant an und liegt ebenfalls im europäischen Spitzenfeld. Dieser voranschreitende Bodenverbrauch hat schlimme Folgen für die Umwelt: Der anhaltende Verlust von Natur- und Grünflächen gilt als eine der Hauptursachen für das immer drastischer werdende Artensterben, weil Lebensräume, Nahrungssysteme und Nistplätze verloren gehen. Hinzu kommt, dass Verkehrsflächen und verbautes Gebiet Ökosysteme zerteilen und voneinander isolieren. Aber auch landwirtschaftliche Nutzfläche geht verloren: Österreich verliert jährlich 0,5 Prozent seiner Ackerfläche (doppelt so viel wie Deutschland). Bis zum Jahr 2050 entspricht dies 15 Prozent weniger Ackerland, was den Wandel hin zu einer schonenderen, regionaleren und nachhaltigeren Landwirtschaft zusätzlich erschwert. Der Flächenverbrauch, die Zersiedelung und das dadurch verursachte Verkehrsaufkommen erschweren zusätzlich den Kampf gegen den Klimawandel und steigende Emissionen: So sind etwa Alltagswege länger und können kaum mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln wird erschwert, weil Strecken länger sind und potentielle Fahrgäste weiter voneinander entfernt wohnen. Fern- und Abwärmenetze sind aufgrund der größeren Distanzen weniger effizient und teurer zu erhalten und zu konstruieren, gleiches gilt für den für die Energiewende notwendigen Stromnetzausbau. Außerdem benötigen selbst hocheffiziente, alleinstehende Einfamilienhäuser deutlich mehr Heizenergie als ein Mehrparteienhaus.

Es ist also klar, dass diese Fehlentwicklungen in der Raumordnungspolitik immer gravierendere Auswirkungen haben werden, wenn sie nicht von Grund auf erneuert wird. Es ist eine mutige, evidenzbasierte Neuorientierung der Raumordnungspolitik notwendig, mit gesamtheitlichem Blick auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, landwirtschaftlichen und nachhaltigkeitspolitischen Auswirkungen. Gleichzeitig sind aber auch Maßnahmen in anderen Politikfeldern notwendig, um den Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung effektiv zu bekämpfen. Fachleute sind sich erstaunlich einig, was zu tun ist: Sowohl die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) als auch das Umweltbundesamt empfehlen die Schaffung eines bundespolitischen Rahmens für die österreichische Raumordnung und Flächenmanagement. Dies würde es nicht nur erleichtern, Zielsetzungen im Flächen-, Boden-, Umwelt- und Naturraumschutz zu erreichen, sondern wäre auch für die Schaffung einer kohärenten, überregionalen Infrastruktur- und Verkehrsplanung unabdingbar und würde die Transparenz und Kontrolle bei Planungs- und Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen erhöhen.“

 

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 10. März 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Michael Bernhard die Abgeordneten Nikolaus Prinz, Dr. Astrid Rössler, Erwin Angerer, Walter Rauch, Ing. Martin Litschauer und Andreas Kollross.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Johannes Schmuckenschlager, Dr. Astrid Rössler, Michael Bernhard, Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Maßnahmen zum Schutz unserer wertvollen Böden eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Unsere vitalen und fruchtbaren Böden bilden die Grundlage für Nahrungsproduktion, sauberes Trinkwasser, Naturräume und Siedlungsentwicklung. Bedingt durch den Flächenverbrauch steht Österreich jedoch vor großen Herausforderungen. In den letzten drei Jahren verloren wir hierzulande durch Verbauung jährlich rund 14.000 Hektar Boden, davon 4.000 Hektar wertvoller Agrarflächen. Diese Entwicklung ist problematisch, weil es die Ernährungssouveränität Österreichs gefährdet. Zudem ist Österreich durch das Risiko weiterer Wetterextreme, wie Hochwasser und Überschwemmung betroffen. Auch der Klimawandel wird durch den Wegfall des Bodens als CO2-Speicher beschleunigt. Die Bundesregierung hat sich daher im Regierungsprogramm dazu bekannt, umfassende Maßnahmen für gesunde Böden und eine zukunftsfähige Raumordnung zu ergreifen.“

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 362/A(E) der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Nikolaus Prinz gewählt.

 

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 362/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 03 10

                                 Nikolaus Prinz                                                                  Lukas Hammer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann