187 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Familie und Jugend

über den Antrag 479/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinder und Jugendliche stärker in den Fokus rücken 

Die Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 22. April 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind besonders stark durch die Corona-Maßnahmen betroffen, denn sie können aktuell weder in Kindergärten/Schulen/Ausbildungsstätten lernen, noch Freizeit- bzw. Sportaktivitäten ausüben oder soziale Teilhabe leben. Auch für ihren Bereich im Gesundheitssystem sind die vielen medizinischen Leistungen, Untersuchungen, Therapien ausgesetzt oder drastisch reduziert.

Während einer Krisensituation muss dennoch genauso auf die Kinderrechte geachtet und Maßnahmen auf deren Einhaltung geprüft werden! Die Kinder- und Jugendanwaltschaften, die Bundesjugendvertretung und viele weitere Institutionen haben bereits mehrfach auf die Nicht-Priorisierung von Kinder- und Jugend-Agenden hingewiesen und diverse Vorschläge auf den Tisch gelegt. [1] [2]

Gerade jetzt müssen wir rasch und umsichtig vorsorgen, damit psychologische Betreuung und Beratung, sowie ein ausreichendes Angebot an Streetwork, Kinder- und Jugendhilfe, usw. während und nach der Krise für alle Kinder und Jugendlichen gesichert ist. Diese besonders schwierige Situation wirft viele Fragen auf, hinterlässt Spuren, führt zu sozialer Isolation – wir müssen dafür sorgen, dass kein Kind zurückgelassen wird und dessen Bedürfnisse stärker in den Fokus rücken.

Deshalb fordern wir konkrete Maßnahmen für Kinder und Jugendliche:

1.      Kinder und Jugendliche bei Krisenmanagement in den Vordergrund stellen

Die derzeitigen Maßnahmen greifen essentiell in Kinderrechte und konkrete Lebensweisen ein. So wie in diversen Krisenstäben die Kreisläufe von Wirtschaft, Sozialem, Bildung, Arbeit, Gesundheit und Finanzen berücksichtigt werden, ist auch eine Gesamtbetrachtung der Auswirkungen jener Einschränkungen und Maßnahmen, die die Anliegen und Rechte junger Menschen fokussieren, unumgänglich.

2.      Kinderschutz ausbauen

Präventionsangebote, Beratungsmöglichkeiten und Krisendienste für Akutfälle müssen nicht nur aufrechterhalten bleiben, sondern auch ausgebaut und dauerhaft finanziell abgesichert werden. Neben häuslicher Gewalt ist die Thematik „Gewalt an Kindern – Gewalt in der Erziehung“ eigenständig zu thematisieren und in präventiven Programmen zu bearbeiten, um die breit diskutierten Befürchtungen auch zu adressieren und jene Familien zu erreichen, die online wenig mit entsprechenden Informationen versorgt werden können.

3.      Sozialarbeiterische Unterstützung der Exekutive

Die Polizei ist aktuell angehalten bei Vergehen gegen die Covid-19-Maßnahmen notfalls mittels Strafen auf die Einhaltung hinzuwirken – je länger die Ausgangsbeschränkungen andauern, desto mehr Strafen werden verhängt, da Jugendliche sich im öffentlichen Raum aufhalten und gegen die Maßnahmen verstoßen werden. Strafen sind bei Jugendlichen jedoch zumeist kontraproduktiv, hier ist vielmehr auf Wissen und Angebote der Sozialen Arbeit zu setzen. So kann die Polizei z. B. von Streetwork oder Angeboten der offenen Jugendarbeit unterstützt werden.

4.      Medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen sicherstellen

In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Vertrags-KinderärztInnen und Kinder- und JugendpsychiaterInnen im niedergelassenen und stationären Bereich stark verringert und fehlende Diagnostik- und Therapieplätze für Kinder mit besonderen Bedürfnissen stehen an der Tagesordnung – es herrscht in diesem Bereich eine Unterfinanzierung. Es gilt daher, der medizinischen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen unmittelbar höchste Priorität einzuräumen (durch z. B. auch Versorgung mit Schutzkleidung).

Eine Abstimmung der pädiatrischen Angebote (auch durch Miteinbeziehung von WahlärztInnen) gilt es flächendeckend in ganz Österreich sicherzustellen und den PatientInnen und ihren Eltern eine gemeinsame Darstellung der Öffnungszeiten aller KinderärztInnen verfügbar zu machen – Versorgungswirksamkeit muss sichergestellt werden.

5.      Planungssicherheit für Kinder- und Jugendarbeit garantieren

Viele Vereine, NGOs und Jugendzentren reagierten rasch auf die Corona-Maßnahmen und Ausgangsbeschränkungen durch Ausbau sowie Neugestaltung ihrer digitalen Angebote. Eine wichtige Initiative, um Kindern und Jugendlichen auch weiterhin mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, da diese vulnerable Gruppe besonders von den Eingriffen in die persönliche Freiheit betroffen ist. Auch nach Aufhebung der Maßnahmen wird es ein verstärktes Angebot im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit benötigen, um die Erlebnisse der Krise aufarbeiten und wieder am sozialen Leben teilhaben zu können. Deshalb braucht es Planungssicherheit für Kinder- und Jugendarbeit, die in der kommenden Zeit dringend benötigt wird – ob mobil oder stationär.

6.      SchulpsychologInnen ausbauen

Die Schule ist nach wie vor der Ort, wo ein Großteil der Kinder und Jugendlichen erreicht werden kann. Um mit der Verarbeitung des Erlebten bestmöglich voranschreiten zu können, braucht es den Ausbau, sowie langfristige Finanzierung von SchulpsychologInnen. Bereits während der Krise unterstützten einige im Auftrag des Bildungsministeriums z. B. bei der Hotline von Rat auf Draht. Diese Arbeit ist wichtig und unabdingbar, vor allem während und auch nach der Krise. Das Bildungsministerium kündigte einen entsprechenden Ausbau bereits an – dieser muss jedoch möglichst rasch erfolgen! [3]

 

Der Ausschuss für Familie und Jugend hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 19. Mai 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, die Abgeordneten Barbara Neßler, Claudia Plakolm, Edith Mühlberghuber, Michael Bernhard und Mag. Christian Drobits.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Norbert Sieber, Barbara Neßler, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Kinder und Jugendliche in der Krise stärken eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, F, G, N, dagegen: S) beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Die COVID-Krise hat besonders starke negative Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Das Regierungsprogramm sieht zahlreiche Maßnahmen vor, welche Kinder und Jugendliche in der Krise stärken können. Um nur einige zu nennen:

•       Sensibilisierungskampagne zu Gewalt gegen Frauen und Kinder

•       Schulen und Lehrende bei Gewaltprävention unterstützen

•       Schaffung von Therapieoptionen für Kinder und Jugendliche

•       Bereitstellung von Supportpersonal: Schulisches Unterstützungspersonal (administrativ und psychosozial) bedarfsgerecht aufstocken, damit sich Pädagoginnen und Pädagogen auf den bestmöglichen Unterricht konzentrieren können

•       Facharztoffensive für Fächer mit Unterversorgung und Ausbau versorgungswirksamer Strukturen, insbesondere im niedergelassenen Bereich bei Kinderärztinnen bzw. Kinderärzten und Kinder- und Jugendpsychiaterinnen bzw. -psychiater

Diese Maßnahmen und die bereits erfolgten Schritte, um Familien, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, bieten eine gute Grundlage, um das Krisenmanagement der Regierung langfristig stärker auch auf Kinder und Jugendliche auszurichten.“

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 479/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Barbara Neßler gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Familie und Jugend somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 479/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 05 19

                                 Barbara Neßler                                                                  Norbert Sieber

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann



[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200331_OTS0062/schutzschirm-fuer-kinder-und-jugendliche-auch-in-zeiten-von-covid-19

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200331_OTS0054/bundesjugendvertretung-zu-corona-massnahmen-familien-entlasten

[3] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200320_OTS0023/fassmann-schulpsychologen-und-schulsozialarbeiter-unterstuetzen-ab-sofort-die-notrufnummer-rat-auf-draht