255 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über den Antrag 688/A(E) der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufklärung des Störfalls im AKW Temelín und für einen weltweiten Atomausstieg 

Die Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 17. Juni 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In der Nacht auf den 15. Mai 2020 kam es im Block 1 des tschechischen AKW Temelín zu einem Zwischenfall, woraufhin der Reaktor heruntergefahren wurde. Trotz der weiterhin ungeklärten Ursache, wurde der Betrieb in Reaktorblock 1 wenige Tage später wiederaufgenommen. Dieser Störfall reiht sich in eine jahrzehntelange Kette an Störfällen im AKW Temelín ein und benötigt dringend Aufklärung. Diese steht bis dato jedoch aus, obwohl das Melker Protokoll eine Informations-Hotline über relevante Ereignisse im AKW Temelín von Tschechien an Österreich vorsieht.

 

Umweltorganisationen beschreiben das AKW Temelín bereits länger als unsicher und störanfällig. Trotzdem beantragte der teilstaatliche Kraftwerksbetreiber CEZ Ende März für den 20 Jahre alten Reaktorblock 1 eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung.

 

34 Jahre nach Tschernobyl und neun Jahre nach Fukushima erinnern Störfälle wie jener im AKW Temelín an die anhaltende Gefährlichkeit von Atomkraft. Das macht weitere Anstrengungen für eine Zukunft ohne Atomstrom nötig. Gerade auch in Bezug auf die Klimakrise und die notwendige Energiewende muss klar sein, dass Atomstrom keine Alternative zu fossilen Energieträgern ist und der richtige Weg daher nur in der Entwicklung und dem Ausbau erneuerbarer Energiegewinnung liegen kann. Sowohl die Gefährlichkeit des Betriebs eines AKWs als auch die Frage der Endlagerung abgebrannter Brennelemente sind mit dem Ziel einer lebenswerten Zukunft unvereinbar.

 

Österreich nimmt mit seiner konsequenten Anti-Atom-Politik eine klare Haltung in Europa ein und muss sich daher weiterhin mit starker Stimme für einen europäischen und weltweiten Atomausstieg einsetzen!“

 

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 24. Juni 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Julia Elisabeth Herr die Abgeordneten Michael Bernhard, Johannes Schmuckenschlager, Ing. Martin Litschauer, Nikolaus Prinz, Robert Laimer, Dietmar Keck sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N dagegen: V,G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Nikolaus Prinz, Julia Elisabeth Herr, Michael Bernhard, Walter Rauch einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend tschechische Atommüll-Endlagerproblematik, Informationen über Ereignisse in Atomkraftwerken sowie europäischer und weltweiter Ausstieg aus Atomkraft eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Abgebrannte Brennelemente werden momentan in Tschechien in Zwischenlagern gehalten. Für alle bereits angefallenen und in Zukunft noch anfallenden hochradioaktiven Abfälle benötigt es aber Endlager. 2065 will Tschechien ein erstes Endlager für hochradioaktiven Atommüll in Betrieb nehmen. Es kam bei diesem Zeitplan aber bereits zu großen Verzögerungen, was die Standortauswahl betrifft:

Gemäß dem tschechischen nationalen Konzept zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen und abgebrannten Brennstäben aus dem Jahr 2002 hätten bis 2015 zwei Standorte ausgewählt sein müssen, was nicht geschah. In der tschechischen Endlagerstrategie 2017 heißt es sodann, dass erst 2020 zwei geeignete Standorte ausgewählt und 2025 ein endgültiger Standort ausgewählt werden müsse. Bisher wurden jedoch keine geologischen Tiefenuntersuchungen durchgeführt. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern scheint der Zeitplan für die Standortauswahl daher kaum halten zu können. Sowohl beim Transport des Atommülls zu einer Lagerstätte als auch in der Lagerstätte selbst kann es zu Unfällen und Kontaminationen von Wasser kommen, deren Folgen vor nationalen Grenzen nicht Halt machen. Bei der Frage der Standortwahl muss Österreich eine Mitsprache gewährt werden. Österreich hat Atomkraft stets abgelehnt und seit jeher auf die Konsequenzen der Nutzung dieser Energieform hingewiesen. Die Folgen der Nutzung von Kernenergie durch unsere Nachbarländer darf nicht zu Beeinträchtigungen österreichischer Schutzgüter führen.

 

Das letzte Ereignis im KKW Temelín hat ein weiteres Mal gezeigt, dass Österreich Zugang zu sämtlichen Informationen über Störungen in Atomkraftwerken zum Schutz seiner Bevölkerung haben muss. Kurz nach Mitternacht am Freitag, dem 15. Mai 2020, löste die automatische Steuerung eine automatische Schnellabschaltung aus. Schnellabschaltungen an sich sind nicht bedrohlich, treten Schnellabschaltungen allerdings gehäuft auf, beschleunigen sie die Alterung wichtiger System und Komponenten. Somit sind sie für die nukleare Sicherheit von Relevanz. Österreich hat ein Recht, über sämtliche Vorkommnisse in grenznahen Kernreaktoren informiert zu werden.

 

Atomkraft ist weder sicher noch nachhaltig. Im Gegenteil - sie konterkariert den Ausbau erneuerbarer Energien, weist ungelöste Sicherheitsprobleme auf und ist marktwirtschaftlich nicht wettbewerbsfähig. Atomkraft stellt eine gescheiterte Technologie dar und darf bei der anstehenden Energiewende in Europa und der Welt keine Rolle mehr spielen.“

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Ing. Martin Litschauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 688/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 06 24

                           Ing. Martin Litschauer                                                           Lukas Hammer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann