303 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 529/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische und menschenrechtliche Situation in Venezuela

Die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 13. Mai 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Venezuela befindet sich in einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Krise.

Seit seiner Amtsübernahme 2013 hat Präsident Maduro die venezolanische Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zunehmend ausgehöhlt, was 2017 in der Entmachtung der von der Opposition kontrollierten Nationalversammlung durch die neu geschaffene verfassungsgebende Versammlung gipfelte.

Am 20. Mai 2018 fanden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt, aus denen Nicolas Maduro als Sieger hervorging. Die Europäische Union und weite Teile der internationalen Gemeinschaft erkannten diese Wahlen nicht als fair und frei an, da internationale Mindeststandards für einen glaubhaften Prozess nicht erfüllt und politischer Pluralismus, Demokratie, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit nicht respektiert wurden.

Am 23. Jänner 2019 wurde der rechtmäßig und demokratisch gewählte Parlamentspräsident Juan Guaidó unter Berufung auf die venezolanische Verfassung zum Interimspräsidenten Venezuelas erklärt. Die Mehrheit lateinamerikanischer Staaten, die USA und Kanada haben Juan Guaidó als Präsidenten anerkannt. Österreich und die Europäische Union unterstützen die Nationalversammlung als demokratisch legitimierte Institution und deren Vorsitzenden Juan Guaidó. Ziel der Unterstützungsbemühungen ist eine nachhaltige, friedliche und demokratische Lösung, die dem Land politische Stabilität bringt und den dringenden Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden kann. An Massenprotesten gegen Präsident Maduro beteiligten sich laut Schätzungen mehr als 100 000 Menschen. Es gab zahlreiche Tote und Verletzte. Berichten zufolge kam es dabei auch zu Festnahmen von mehreren hundert Demonstranten.

Die letzten Parlamentswahlen im Dezember 2015 boten ein ähnliches Bild. Denn nach einem Sieg der Opposition verließen die Abgeordneten der Regierungsfraktion von Präsident Maduro die konstituierende Sitzung des Parlaments im Jänner 2016. Die Regierung kündigte zudem an, Beschlüsse des Parlaments nicht mehr umzusetzen und darüber hinaus eigene Beschlüsse auf den Weg zu bringen, die das Parlament weiter schwächten. Im weiteren Verlauf wurde, in Zusammenarbeit mit dem Obersten Gerichtshof von Venezuela, die Immunität der Abgeordneten aufgehoben. Die Aufhebung der Gewaltenteilung war somit durch diese Ereignisse Realität geworden.

Parallel zu dem, bereits über Jahre hin andauernden, politischen Chaos, leidet die Bevölkerung unter den verheerenden Auswirkungen der politischen, humanitären, sozialen und wirtschaftlichen Krise. Berichte der Vereinten Nationen dokumentieren zahlreiche systematische Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Bevölkerung. Gemäß Angaben des Amtes für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) sind aktuell über 7 Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 3,2 Millionen Kinder.

Die öffentliche Infrastruktur ist zusammengebrochen, Strom und Wasser werden rationiert, lebensnotwendige Güter wie Nahrungsmittel und Medikamente sind knapp geworden. Laut OCHA sind 3,7 Millionen Menschen von Nahrungsmittelknappheit betroffen. 4,3 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und entsprechender Abwasserversorgung. Das Gesundheits- und Bildungssystem ist nicht mehr funktionsfähig, Krankheiten wie Malaria und SARS-CoV-2 Virus sind auf dem Vormarsch.

Die Inflation ist explodiert, was eine Flucht in die Fremdwährung US-Dollar zur Folge hatte. Der Schwarzmarkt floriert und gleichzeitig existiert Medienberichten zufolge eine Art Parallelwelt für Luxusgüter. Zudem steigt die Kleinkriminalität, aber vor allem auch die Drogen- und Waffenkriminalität.

Zusätzlich zur humanitären Krise unterdrückt die Regierung unter Präsident Maduro jegliche Form der kritischen Meinungsäußerung. Laut Berichten der Vereinten Nationen sind die venezolanischen Sicherheitskräfte für außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen sowie exzessive Gewaltanwendung verantwortlich.

Diese zunehmend untragbaren Lebensbedingungen für den Großteil der Bevölkerung haben eine der größten Fluchtbewegungen in Lateinamerika hervorgerufen. Laut UNHCR haben bereits über 4 Millionen Venezolaner ihre Heimat verlassen, um der dramatischen Notlage und der zunehmenden politischen Repression zu entkommen. Laut UNHCR könnte die Anzahl der venezolanischen Flüchtlinge bis Ende 2020 auf 6,5 Millionen Menschen steigen. Von diesen Flüchtlingsbewegungen sind vor allem Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, Panama und Peru sowie die Südkaribik betroffen.

Ohne internationale Hilfe zur Verbesserung der Lage für die Menschen in Venezuela scheint die Situation aussichtlos. Eine friedliche, nachhaltige und demokratische Lösung benötigt faire und freie Wahlen und eine Stärkung des Parlaments sowie eine unabdingbare Einhaltung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Henrike Brandstötter, Petra Bayr, MA MLS und Mag. Dr. Martin Graf sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Mag. Alexander Schallenberg, LL.M. und die Ausschussobfrau Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc.

 

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 06 30

                            Dr. Reinhold Lopatka                                             Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau