304 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

Berichtigte Fassung vom 06. Juli 2020

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 726/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verurteilung der türkischen Luftangriffe im Nordirak

Die Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 18. Juni 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Mit Luftschlägen hat die Türkei in der Nacht vom 15. Juni 2020 Stellungen kurdischer Rebellen im Nordirak angegriffen. Nach Angaben des türkischen Militärs wurden dabei 81 Ziele der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK getroffen. Augenzeugen berichten von mehr als 20 Raketen und Bomben, die hauptsächlich in der Nähe der Kandil-Berge nahe der iranischen Grenze niedergegangen sein sollen.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf das Ministerium berichtet, richtete sich die Operation Claw-Eagle jedoch nicht nur gegen die Region der Kandil-Berge nahe der iranischen Grenze, rund 100 Kilometer südlich der Türkei. Zusätzlich sollen auch Stellungen in Sindschar, Hakurk, Zap und Avasin-Basyan angegriffen worden sein. Auch in der Nähe des höchsten Gipfels des Shingal-Gebirges, Çilmêra, wo sich ein jesidisches Flüchtlingslager befindet, fanden laut Medienberichten mehrere Luftangriffe statt.

Die gesamte Region befindet sich derzeit in einer ohnehin langsam voranschreitenden Wiederaufbauphase und die Zivilbevölkerung vor Ort ist den türkischen Angriffen ohne Schutz ausgeliefert. Insbesondere in der Shingal-Region ist es vor allem die jesidische Gemeinschaft, die die größten Leidtragenden dieser Luftangriffe sind.

Laut der Neuen Züricher Zeitung stellen regierungskritische Stimmen in der Türkei die Offensive in einen innenpolitischen Zusammenhang und vermuten eine Verbindung zu dem Protestmarsch, den Anhänger der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) an jenem Montag begonnen haben. Mit diesem Protestmarsch wolle die linke Oppositionspartei gegen die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von zweien ihrer Abgeordneten Anfang Juni sowie den allgemein steigenden Druck auf die HDP protestieren. Von den 65 HDP-Bürgermeistern, die nach den Lokalwahlen 2019 ihr Amt antraten, wurden seither mehr als 50 von der Regierung abgesetzt (vgl. Neue Züricher Zeitung, https://www.nzz.ch/international/kurdenkonflikt-tuerkei-startet-offensive-gegen-pkk-im-nordirak-ld.1561292; Stand: 17.06.2020). Der Militärschlag überlagerte laut NZZ alle Nachrichten über den Marsch.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Henrike Brandstötter, Dr. Harald Troch, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Michel Reimon, MBA, Dr. Susanne Fürst, Eva Maria Holzleitner, BSc, Dr. Helmut Brandstätter und Dr. Ewa Ernst-Dziedzic.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N dagegen: V, G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Harald Troch, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend türkische Militäroperation im Nordirak im Juni 2020 eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Am 15. Juni 2020 führte das türkische Militär Luftangriffe in den Regionen Shingal, Machmur und Qandil durch, bei denen laut Medienberichten unter anderem auch ein Flüchtlingslager und ein Krankenhaus getroffen wurden.

Laut türkischem Verteidigungsministerium richtete sich die Militäroperation „Adlerkralle“ gegen die in der Türkei verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die in den nordirakischen Kandil-Bergen ihren Hauptsitz hat. Dieser Luftoffensive folgte eine Bodenoffensive, ebenfalls angeblich im Namen der nationalen Sicherheit.

Seit Jahrzehnten bekämpfen sich der türkische Staat und die kurdische PKK. Waffenstillstände sind bisher gescheitert. Seit 2015 führt die Türkei wieder regelmäßig militärische Angriffe gegen die kurdische PKK im Nordirak und in der Südosttürkei. In den letzten Wochen hat die Türkei ihre Militäreinsätze gegen die PKK verschärft. Die Verletzungen der Souveränität des Iraks durch die Türkei gehen über das erlaubte Maß der Selbstverteidigung hinaus und sind unverhältnismäßig. Auch die Einstufung der PKK als terroristische Vereinigung auf EU-Ebene stellt in keiner Weise eine Rechtfertigung für die türkische Militäroffensive dar.

Momentan befindet sich die seit Jahren durch den Konflikt destabilisierte nordirakische Region im Wiederaufbau. Erst unmittelbar vor den schweren Angriffen türkischer Drohnen und Kampfflugzeuge am 15. Juni waren viele vor Jahren vom IS vertriebene Jesidinnen und Jesiden in ihre Heimatregion Shingal zurückgekehrt. Die türkischen Militärangriffe verhindern nicht nur die Rückkehr von Vertriebenen und den Wiederaufbau; sie destabilisiert die gesamte Region.“

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 726/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 06 30

                          Dr. Ewa Ernst-Dziedzic                                            Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau