323 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 675/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Arbeitsmarktreform- Einführung eines Weiterbildungskontos

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 17. Juni 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Daher braucht der österreichische Arbeitsmarkt Maßnahmen und Lösungen, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer_innen als auch jenen der Betriebe entsprechen. Außerdem besteht Bedarf an sinnvollen Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für Menschen, deren Branchen aufgrund der Covid-19-Pandemie einen dauerhaften oder jedenfalls nachhaltigen Einbruch erlitten haben. Zudem hat die Wirtschaftskrise 008 bereits gezeigt, dass solche Krisen die Digitalisierung nicht nur vorantreiben, sondern sogar beschleunigen. Dadurch wird Berufsqualifizierung immer wichtiger.

Aktive Arbeitsmarktpolitik ist unumstritten von besonderer Bedeutung, um langfristige Erwerbschancen zu steigern und nachhaltig zu sichern. Gerade vor dem Hintergrund einer alternden Erwerbsbevölkerung ist auf das Arbeitskräftepotenzial älterer Arbeitnehmer_innen und auf die Weiterbildungschancen dieser Gruppe ein Hauptaugenmerk zu legen. Der Länderbericht der Europäischen Union hält fest, dass besonders ältere Arbeitnehmer_innen in Österreich unverhältnismäßig oft von Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. Um einer durch die Krise verursachte Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken, schlecht qualifizierte Personengruppen schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, aber auch den Anforderungen der Wirtschaft gerecht zu werden, fordern wir eine in die Zukunft gerichtete Umgestaltung der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Österreich. Dazu benötigt es ein treffsicheres und gruppenspezifisches Qualifizierungs- und Umschulungsangebot.

Eine zukunftsgerichtete Arbeitsmarktpolitik wirkt schon zu einem Zeitpunkt, in dem Personen noch voll in den Arbeitsmarkt integriert sind. Problematisch an vielen der bestehenden Arbeitsmarkt- und Weiterbildungsförderungen ist, dass diese erst in Anspruch genommen werden können, wenn man bereits arbeitslos ist. Eine stark verbesserte Wirkung lässt sich vor allem dann erzielen, wenn bereits präventiv Weiterbildungsmöglichkeiten während der Erwerbstätigkeit angeboten und Anreize zur Weiterbildung gesetzt werden, damit es erst gar nicht zur Arbeitslosigkeit kommt. Außerdem erschweren erhebliche bürokratische Barrieren und eine Vielzahl an Förderstellen den Überblick über die Möglichkeiten zur Weiterbildung und Förderung, speziell auch durch den Aufbau bundeslandspezifischer Fördermodelle. Arbeitnehmer_innen sind mit der Unübersichtlichkeit der Förderstrukturen überfordert - das schränkt dahingehend das Potenzial zur Teilnahme an Weiterbildungen ein. Nur besonders gut Informierte können die verschiedenen Förderkanäle optimal nützen, was die Treffsicherheit einschränkt.

Es ist daher Zeit, Maßnahmen zu etablieren, die nachhaltig sind und langfristig wirken. Viele bereits entworfenen Modelle von Bildungskonten sind nie zur Umsetzung gekommen. Jene ‚Bildungskonten‘, die in verschiedenen Bundesländern bereits angeboten werden, stellen wiederum keine wirklichen Konten dar, sondern einfache Weiterbildungszuschüsse, die den Titel des ‚Bildungskontos‘ als Marketing-Gag einsetzen. Österreich braucht ein echtes Weiterbildungskonto, das sich an den Beitragsleistungen zur Arbeitslosenversicherung orientiert, eine (bausparartige) Prämienkomponente in sich trägt, aber auch ökonomisch schlechter gestellte Arbeitnehmer_innen überproportional fördert. So soll ein Teil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages als fiktiver Beitrag auf dieses Weiterbildungskonto angerechnet (‚einbezahlt‘) werden und eine staatliche Prämie diesen Beitrag zum Konto aufbessern.

Schlussendlich sollen Arbeitnehmer_innen die Möglichkeit haben, auf dieses Weiterbildungskonto zuzugreifen und diesen Betrag für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen eigenverantwortlich für arbeitsmarktrelevante Qualifikationsmaßnahmen zu nutzen. Ein solches Konto steht nicht erst im Falle einer Arbeitslosigkeit zur Verfügung, sondern ist bereits frühzeitig zur Sicherung der Erwerbschancen nutzbar. Anwartschaften auf Weiterbildungskonten, die bis zum Pensionsantritt nicht in Anspruch genommen werden, verfallen zugunsten der Versichertengemeinschaft. Finanzierbar ist die Maßnahme durch die Zusammenführung verschiedenster Weiterbildungsförderungen, die nicht nur auf Bundesebene vergeben werden, sondern auch durch einen Kostenanteil der Bundesländer, die derzeit eigene Weiterbildungsförderungen ausbezahlen sowie die Abschaffung der geblockten Altersteilzeit, die keine arbeitsmarktfördemde Wirkung hat. Bereits existierende Weiterbildungsförderungen von Bund, Ländern und Kammern sollen auf diese Weise gebündelt und individuell nutzbar gemacht werden.

Eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik muss immer Maßnahmen der aktiven und der passiven Arbeitsmarktpolitik umfassen. Ergänzend zum gegenständlichen Antrag werden daher parallel weitere Anträge eingereicht.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 02. Juli 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Gerald Loacker die Abgeordneten Mag. Markus Koza, August Wöginger, Dr. Dagmar Belakowitsch, Tanja Graf, Fiona Fiedler, BEd, Alois Stöger, diplômé, Norbert Sieber, Ing. Markus Vogl, Julia Elisabeth Herr, Rebecca Kirchbaumer, Mag. Christian Drobits, Dr. Gudrun Kugler, Bedrana Ribo, MA, Michael Schnedlitz, die Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher sowie der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Rudolf Anschober und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen keine Stimmenmehrheit (für den Antrag: N,
dagegen: V, S, F, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Markus Koza gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2020 07 02

                              Mag. Markus Koza                                                              Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann