330 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über den Antrag 604/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Untersagung der ultranationalistisch-faschistischen Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk
Die Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 29. Mai 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Alljährlich wird im Mai im Kärntner Bleiburg/Pliberk durch den Verein ‚Bleiburger Ehrenzug‘ die ultranationalistisch-faschistische kroatische Gedenkfeier zum Gedenken an das historisch höchst umstrittene sogenannte ‚Massaker von Bleiburg‘ im Jahre 1945 organisiert. Es wird einer Tragödie gedacht, welche - so wie sie dargestellt wird - nie stattgefunden hat: einem angeblichen Massaker am Feld. Bewiesenermaßen gab es am Ort des Geschehens Tote und Verletzte vom 14. und 15. Mai 1945 rund um Bleiburg/Pliberk sowie diverse Suizide am Loibacher Feld/Libuško polje. Die Vorstellung des vermeinlichen Blutbades lebt im geschichtsrevisionistischen Bewusstsein weiter.[1]
Im Jahr 1952 kam es erstmals zu einer Gedenkveranstaltung am Friedhof in Unterloibach/Spodnje Libuče, ab 1965 wurden Flächen am Bleiburger Feld erworben und seitdem werden auch dort die jährlichen Feierlichkeiten abgehalten, welche sich über die Jahre zunehmend zu einem revisionistischen Aufmarsch entwickelten und von der kroatischen Innenpolitik instrumentalisiert werden.
Seit 2003 wurde der Veranstaltungsort in Bleiburg/Pliberk vom Verein ‚Bleiburger Ehrenzug‘ massiv ausgebaut (Bühne, Soldatenfriedhof). Im gleichen Jahr übernahm die kroatische Bischofskonferenz die Schirmherrschaft über die Feier, nachdem zu diesem Zeitpunkt die Schirmherrschaft durch die kroatische Regierung entzogen worden war. Seither genoss diese revisionistische Feier als ‚kirchliche Feier' einen rechtlichen Sonderstatus. Gemäß § 5 Versammlungsgesetz sind nämlich ‚[…] Aufzüge, Leichenbegängnisse, Prozessionen, Wallfahrten und sonstige Versammlungen oder Aufzüge zur Ausübung eines gesetzlich gestatteten Kultus, wenn sie in der hergebrachten Art stattfinden,‘ von den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes ausgenommen.
Bei dem mittlerweile stark ausgeweiteten Treffen auf dem
Bleiburger Feld
(2015 ca. 30.000 TeilnehmerInnen) treten neonazistische und faschistische
Gruppen immer stärker in Erscheinung.
Die Veranstalter ziehen sich seit Jahren auf das Argument zurück, dass die Feierlichkeiten auf einem Privatgrundstück stattfinden und erklären, dass sie religiösen Charakter hätten, nicht zuletzt auch um die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes zu umgehen.
Dass diese Rechtsansicht verfehlt ist, belegen sowohl die
Ausführungen des seinerzeitigen Diözesanadministrators Dr. Engelbert
Guggenberger, als auch das Rechtsgutachten von
em. Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer im Auftrag der zuständigen
Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt /
Velikovec)
Guggenberger führte in seiner Stellungnahme aus, dass ‚die liturgische Feier am Bleiburger Feld eingewoben ist in eine Veranstaltung‚ die politische Manifestationen zulässt und ihr dient‘.‘[2]
Heinz Mayer bezieht sich in seiner Analyse auf die
Ausführungen Wieshaiders, der auf den
‚rein religiösen‘ Charakter der Veranstaltung verweist, der
gegeben sein müsse, wenn Ausnahmen vom
§ 5 Versammlungsgesetz angewandt werden sollen. Guggenberger selbst
verweist jedoch darauf, dass die ‚politische Manifestation zum Kern der
Feier am Bleiburger Feld gehört‘[3], womit der rein
religiöse Charakter nicht mehr gegeben ist.
Hinzu kommt, dass nicht nur unzählige Bilddokumente das
politische Selbstverständnis des
‚Bleiburger Ehrenzugs‘ dokumentieren, sondern auch die Kommission 3
der Volksanwaltschaft ‚in ihrem Schreiben vom 26.05.2018 an die
Landespolizeidirektorin von Kärnten und den Bezirkshauptmann von
Völkermarkt/Velikovec festgehalten (hat, d. V.), dass ein großer
Teil der Messebesucher offen Symbole ihrer nationalsozialistischen Orientierung
zeigte.‘[4] Im weiteren stellte die
Kommission der Volksanwaltschaft fest, dass im Rahmen der Messfeiern politische
Reden gehalten wurden und wies auf deren Einseitigkeit hin.
Hierbei wird auch auf Artikel 9 des Staatsvertrages von Wien 1955 verwiesen, welcher Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet‚ alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten dass [nazistische] Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden[…].‘ Diese ‚völkerrechtliche Verpflichtung umfasst auch die Verantwortung der Republik, alle Maßnahmen zu setzen, um nazistische Tätigkeiten und Propaganda zu verhindern, um damit sicherzustellen, dass eine politische Propaganda mit diesen inhaltlichen Tendenzen nicht einmal ansatzweise ihre Ideen verbreiten kann, damit das demokratische System dadurch nicht bedroht wird,‘ so Heinz Mayer in seinem Gutachten.[5]
Aus all diesen angeführten Gründen kommt Heinz
Mayer zum folgenden Ergebnis:
‚Im Lichte dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die
Untersagung der geplanten Gedenkveranstaltung nicht nur zulässig, sondern
geboten.‘[6]
2019 wurde den Veranstaltern die Erlaubnis für die
Abhaltung einer Gedenkmesse von der Diözese Gurk entzogen. Die
katholischen Kirchenvertreter in Gurk fanden deutliche Worte: ‚Die
Analyse der Gedenkfeier 2018 habe demnach gezeigt, dass die im Vorfeld vom
damaligen Kärntner Bischof
Alois Schwarz als Bedingung für die Erlaubnis zur Messe festgelegten
Auflagen und Vorgaben
‚zum überwiegenden Teil nicht eingehalten wurden bzw. werden
konnten‘, begründet Guggenberger die Entscheidung in einem Schreiben
an die Kroatische Bischofskonferenz. Die heilige Messe am Bleiburger Feld sei
‚Teil einer Veranstaltung, die politisch instrumentalisiert und Teil
eines politisch-nationalen Rituals ist, das einer selektiven Wahrnehmung und
Deutung von Geschichte dient‘.‘[7]
Nachdem die Diözese Gurk dem Antrag der Kroatischen
Bischofskonferenz 2019 erstmals die Zustimmung verweigerte, wurde die Veranstaltung
- erstmals seit 2003 - als politische Kundgebung
(und nicht als religiöse Feier nach § 5 Versammlungsgesetz)
abgehalten.
Die Geschichtsverzerrung, Verharmlosung und Glorifizierung des faschistischen Ustascha-Regimes kann aktuell als zentraler Charakter der Veranstaltung in Bleiburg/Pliberk bezeichnet werden und als Ziel der Veranstalter. Fotos dokumentieren die faschistische Aufmachung und Gesinnung einer nicht unbeträchtlichen Zahl der BesucherInnen und die zur Schau gestellten Abzeichen.
Die nachstehend angeführten Fotos[8] zeigen selbstverständlich nur einen Bruchteil der Realität. Eine Fotostrecke würde jedoch den Rahmen dieses Entschließungsantrages sprengen, so dass sie nur stellvertretend angeführt werden.
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Aus Erfahrung kann zudem gesagt werden, dass kroatische
Parteien in Wahljahren besonderes Interesse an der Bleiburger Veranstaltung
zeigen. Auch im Gedenkjahr 2020 war aufgrund der Wahlen zum kroatischen
Parlament (Sabor) und aufgrund des 75. Jubiläums des Kriegsendes wieder
eine großangelegte Feier mit mehreren zehntausenden Besuchern erwartet
worden, jedoch fiel die Teilnehmerzahl auf Seiten der
ultranationalistisch-faschistischen Sympathisanten aufgrund der
COVID-19-Pandemie dieses Jahr sehr gering aus. Jedoch diente auch in diesem
Jahr das Gedenken politischen Zwecken, wie dies etwa auch in einer
Kranzniederlegung am Loibacher Feld/Libuško polje
durch den kroatischen Botschafter in Österreich offensichtlich wurde.
Darüber hinaus fand am 16. Mai 2020 eine Gedenkmesse (‚Messe für Bleiburg‘) statt, die vom Kardinal Vinko Puljić in der Herz-Jesu-Kathedrale in Sarajevo veranstaltet wurde. Diese Messe führte zu heftigen Protesten tausender Menschen, vieler politischer Parteien, des Bürgermeisters von Sarajevo, der serbisch-orthodoxen Kirche und jüdischer Verbände.[9] Gegen die Abhaltung der Gedenkmesse wurde auch von Seiten Israels[10] und seitens der US-Botschaft in Bosnien und Herzegowina[11] protestiert.[12]
Angeblich hatten die kroatische und die bosnische Bischofskonferenz ursprünglich sogar beschlossen, dass Kardinal Puljić diese Messe im Kärntner Bleiburg/Pliberk hätte feiern sollte, doch sei dies aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen.[13] Laut Diözese Gurk gab es hingegen ‚aus bekannten Gründen (Corona) keine Anfrage seitens der Kroatischen Bischofskonferenz‘.[14]
Die Abhaltung einer sog. ‚Messe für Bleiburg‘ in Sarajevo mit ausdrücklichem Österreichbezug schadet der Reputation Österreichs als demokratischer Republik und unterminiert den antifaschistischen und antitotalitären Grundkonsens. Die Gedenkfeier stößt auch in Kärnten und darüber hinaus auf stetig wachsendes Unverständnis. So verlangte zuletzt das Mauthausenkomitee in einer – unbeantwortet gebliebenen - Anfrage an die Diözese Gurk, dass die ultranationalistisch-faschistische Gedenkfeier abgesagt werde. Kardinal Christoph Schönborn wies bereits im Vorjahr darauf hin, dass die Entscheidung kirchenrechtlich allein bei der Diözese Gurk und nicht bei der kroatischen Bischofskonferenz liege.[15]
Für 2021 ist – wie auch in den Vorjahren –
wieder mit einem Massenaufgebot an
ultranationalistisch-faschistischen Teilnehmern aus Kroatien zu rechnen. Damit
läuft Österreich Gefahr, erneut Schauplatz der größten
faschistischen Veranstaltung Europas zu werden und Ewiggestrigen eine
Bühne für das Zur-Schau-Tragen und Weitertradieren von
rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen
Gedankengutes zu bieten, welche die Naziideologie verherrlichen und die
NS-Opfer verhöhnen.
Im Gedenkjahr 2020, 75 Jahre nach der Befreiung Österreichs, wird die Bundesregierung außen- und innenpolitisch daran gemessen, ob sie verantwortungsvoll mit den Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg umgeht und ein Zeichen gegen die politische Vereinnahmung der Feierlichkeiten zu setzen gewillt ist. Allein schon aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung Österreichs gemäß Artikel 9 Staatsvertrag von Wien wäre eine Verhinderung der Gedenkfeierlichkeiten in Bleiburg/Pliberk geboten, um ein deutliches Signal zu setzen, dass ultranationalistisch-faschistischen Gruppierungen keine Bühne geboten wird.
Gemäß § 6 Abs. 1 Versammlungsgesetz sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, von der Behörde zu untersagen. Gemäß § 6 Abs. 2 Versammlungsgesetz kann eine Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft, untersagt werden.“
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den
gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 03. Juni
2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der
Berichterstatterin Abgeordneten Sabine Schatz die Abgeordneten Mag.
Hannes Amesbauer, BA,
Dr. Stephanie Krisper, Andreas Minnich, Christian Ries,
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic,
Mag. Wolfgang Gerstl, Philip Kucher, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff
sowie der Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc und der
Ausschussobmann Abgeordneter Karl Mahrer.
Die Verhandlungen wurden vertagt.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den
gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 06. Juli 2020
erneut in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die
Abgeordneten
Mag. Peter Weidinger, Dr. Stephanie Krisper, Sabine Schatz,
Mag. Hannes Amesbauer, BA,
Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Philip Kucher, Mag. Georg Bürstmayr
und der Ausschussobmann Abgeordneter Karl Mahrer.
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Peter Weidinger gewählt.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Sabine Schatz, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen keine Stimmenmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2020 07 06
Mag. Peter Weidinger Karl Mahrer, BA
Berichterstatter Obmann
[1] Mythos Bleiburg, 2019, S. 16, 17
[2] Rechtsgutachten von Heinz Mayer, 22. April 2019, S. 2.
[3] Ibid, S. 3.
[4] Ibid.
[5] Ibid.
[6] Ibid.
[7] https://www.katholisch.at/aktuelles/124940/dioezese-gurk-erteilt-keine-erlaubnis-fuer-gedenkmesse-am-loibacher-feld, pt. 24.02.2020.
[8] Foto 1 und 2 aus ‚Addendum ‚Bleiburg: Geschichte ist, was man daraus macht‘, 20.05.2019 (https://www.addendum.org/news/bleiburg-ustasa/ pt 25.02.2020); Foto 3 von ‚stopptdierechten‘ Bleiburg/Pliberk: Magnet für Faschisten, 27.05.2015 (https://www.stopptdierechten.at/2015/05/27/bleiburg-pliberk-magnet-fur-faschisten/ pt. 25.02.2020; Foto 4-6 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_01199/fname_152035.pdf).
[9] ORF.at, Sarajevo: Proteste gegen faschistisches Bleiburg-Gedenken, 16.05.2020, https://orf.at/stories/3165990/; Times of Israel, Thousands in Sarajevo protest against Mass for Nazi collaborators, https://www.timesofisrael.com/thousands-in-sarajevo-protest-against-mass-for-nazi-collaborators/; Katholische Presseagentur Österreichs, Kardinal Puljic verteidigt ‚Bleiburg-Gedenkmesse‘ in Sarajevo, https://www.kathpress.at/goto/meldung/1890834/kardinal-puljic-verteidigt-bleiburg-gedenkmesse-in-sarajevo.
[10] Times of Israel, Bosnian Catholic cardinal to honor Nazi collaborators in memorial service, https://www.timesofisrael.com/bosnian-catholic-cardinal-to-honor-nazi-collaborators-in-memorial-service/.
[11] ‚Wenn wir über den Zweiten Weltkrieg nachdenken, müssen wir die Geschichte in ihrer Gesamtheit anerkennen und uns daran erinnern. Wir fordern diejenigen, die das Bleiburger Gedenken in Bosnien und Herzegowina organisieren, auf, von historischem Revisionismus und rückläufiger Rhetorik Abstand zu nehmen.‘ [‘In reflecting on WWII, we must recognize and remember history in its totality. We call on those organizing the Bleiburg commemoration in BiH to refrain from historical revisionism and retrograde rhetoric.’], offizieller Twitter-Account der US-Botschaft in Bosnien und Herzegowina, https://twitter.com/USEmbassySJJ.
[12] Al Jazeera, Empörung über den Plan für die von Kroatien unterstützte Bleiburg-Messe in Sarajev (Outrage over plan for Croatian-backed Bleiburg mass in Sarajevo), https://www.aljazeera.com/news/2020/05/outrage-plan-croatian-backed-bleiburg-mass-sarajevo-200514051239016.html
[13] Der Standard, Proteste gegen Gedenkmesse zu 1945 in Sarajevo, 16.05.2020, https://www.derstandard.de/story/2000117526871/proteste-gegen-gedenkmesse-zu-1945-in-sarajevo.
[14] Ibid.
[15] Ibid.