423 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie

über den Antrag 967/A der Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998, das Ziviltechnikergesetz 2019 und das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert werden

Die Abgeordneten Peter Haubner, Dr. Elisabeth Götze, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 15. Oktober 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Zu Art. 1:

Die rechtlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, die im Frühjahr 2020 ergriffen wurden, haben die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Das Organisationsrecht sieht nämlich die Fassung einer Reihe von fristgebundenen Beschlüssen, so über Voranschlag und Rechnungsabschluss sowie deren Genehmigung einerseits und im Zusammenhang mit der Festsetzung der Grundumlagen andererseits, vor, deren Fassung regelmäßig den Zusammentritt des jeweils zuständigen Kollegialorgans voraussetzt. Es hat sich gezeigt, dass mit den bestehenden Möglichkeiten der Abhaltung der Sitzungen in der Form einer Videokonferenz und der Fassung von Umlaufbeschlüssen Präsenzsitzungen nicht vollständig substituiert werden können, da manche Organe von ihrer Mitgliederzahl her schlichtweg zu groß für deren effiziente Nutzung sind und da zudem das geltende Einstimmigkeitsprinzip bei Umlaufbeschlüssen jedem Organmitglied ein Vetorecht einräumt, das auch taktisch eingesetzt werden kann.

Ein besonderes Problem in diesem Zusammenhang stellt die Zuständigkeit der Fachgruppentagungen, der Vollversammlung aller Mitglieder einer Fachgruppe (§ 45 Abs. 4 WKG), zur – fristgebundenen (siehe die §§ 3 Abs. 1 UO und 132 Abs. 1 WKG) – Beschlussfassung über die Grundumlage und den Rechnungsabschluss (§ 45 Abs. 5 Z 3 und 4 WKG) dar. Viele Fachgruppen haben nämlich mehrere hundert, zum Teil sogar mehrere tausend Mitglieder. Auch wenn üblicherweise bei weitem nicht alle Mitglieder an den Tagungen ihrer Fachgruppe teilnehmen, ist es unter der Geltung des bundesrechtlichen Regimes zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, das auch für formell von ihm nicht erfasste Bereiche die Einhaltung insbesondere von Abstandsregeln nahelegt, offenkundig, dass die Abhaltung von Tagungen aus technisch-organisatorischen Gründen oftmals nicht möglich sein wird: Einerseits steht der Abhaltung von Tagungen als Präsenzsitzungen in mitgliederstärkeren Fachgruppen der Bedarf an erheblich größeren Sitzungssälen als üblich zur Gewährleistung der Einhaltung gebotener Sitzabstände und zur Vorhaltung ausreichender Platzkapazitäten entgegen. Andererseits findet deren Abhaltung als Videokonferenz eine natürliche Grenze in den großen Mitgliederzahlen und in der nicht ausreichenden Verbreitung der technischen Voraussetzungen zur Teilnahme an einer solchen. Gleiches gilt für die Wirtschaftsparlamente im Hinblick auf deren Zuständigkeiten zur Beschlussfassung über Voranschlag und Rechnungsabschluss (vgl. die §§ 25 Abs. 2 Z 3 und 37 Abs. 2 Z 5 iVm § 132 WKG).

Mit dem neuen § 61a sollen erweiterte Möglichkeiten geschaffen werden, notwendige Organsitzungen im Falle außergewöhnlicher Verhältnisse durchführen zu können. Abs. 1 trifft eine Lösung für die Problematik der Abhaltung von Fachgruppentagungen und Wirtschaftsparlamenten: Können diese nicht stattfinden, so gehen deren fristgebundene Zuständigkeiten im ersten Fall auf den Fachgruppenausschuss, im zweiten auf das Erweiterte Präsidium über. Voraussetzung dafür ist, dass das Erweiterte Präsidium der jeweiligen Wirtschaftskammer aufgrund seiner Nähe zu den von der Kammer errichteten Fachgruppen mit Beschluss feststellt, dass die Durchführung von Fachgruppentagungen generell oder in bestimmten Fällen sowie allenfalls des Wirtschaftsparlaments aufgrund von rechtlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 oder weiteren übertragbaren Krankheiten nicht möglich ist.

Schließlich wird für bestimmte fristgebundene Beschlüsse der Ausschüsse der Fachorganisationen, der Erweiterten Präsidien und der Präsidien der Kammern in Orientierung an Art. 117 Abs. 1 B-VG die Möglichkeit vorgesehen, diese dann, wenn die Abhaltung der Sitzungen als Präsenzsitzungen aufgrund von rechtlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 oder weiteren übertragbaren Krankheiten erheblich erschwert ist (z. B. Mangel an geeigneten Sitzungsräumlichkeiten zur Wahrung von Abstandserfordernissen, eingeschränkte Reisemöglichkeiten) und wenn deren Abhaltung auch nicht in der Form einer Videokonferenz erfolgen kann (etwa weil nicht alle Organmitglieder über die erforderlichen technischen Voraussetzungen dafür verfügen), im Umlaufweg mit einfacher Mehrheit der Stimmen der Organmitglieder zu fassen, sofern nicht für die betreffende Angelegenheit strengere Mehrheitserfordernisse vorgesehen sind.

Ursächlich für die Änderung des § 126 Abs. 2 zweiter Satz ist die Organisationsreform der Finanzverwaltung. Mit dem Finanz-Organisationsreformgesetz (FORG), BGBl. I Nr. 104/2019, und dem 2. Finanzorganisationsreformgesetz (2. FORG), BGBl. I Nr. 99/2020, wurde die Behördenstruktur der Finanzverwaltung grundlegend reformiert. Dies führt zur Änderung der Zuständigkeitsregelungen von Behörden der Bundesfinanzverwaltung, welche bislang im Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 – AVOG 2010, BGBl. I Nr. 9/2010 idgF geregelt sind. Die Neuregelung sieht vor, dass mit 1. Jänner 2021 anstelle der derzeit bestehenden Finanz- und Zollämter folgende Ämter treten werden: das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe, das Zollamt Österreich, das Amt für Betrugsbekämpfung, die Zentralen Services und der Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge. Mit dem Entfall der Wendung „, in deren räumlichem Wirkungsbereich die zuständige Finanzbehörde ihren Sitz hat,“ wird der Organisationsreform der Finanzverwaltung Rechnung getragen, was es jedoch erforderlich macht, zu bestimmen, welcher Landeskammer (welchen Landeskammern) neben der Bundeskammer Parteistellung zukommt, nämlich derjenigen (denjenigen), die durch das Rückzahlungsverfahren in Ansehung ihrer Umlage gemäß § 122 Abs. 8 WKG betroffen ist (sind).

Zu Art. 2:

Aufgrund von Covid-19 Maßnahmen sind die Durchführungen der Kammervollversammlungen der Ziviltechnikerkammern nicht in allen Kammern, insbesondere aufgrund der Anzahl der teilnahmeberechtigten Mitglieder möglicherweise auch mit technischen Mitteln nicht durchführbar. Gegenständliche Bestimmung soll die Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Ganges der Verwaltung in den Kammern gewährleisten.

Zu Art. 3:

Die notwendigen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, die vom Gesetzgeber seit dem Frühjahr 2020 ergriffen wurden, um einer weiteren Verbreitung von COVID-19 entgegenzuwirken, stellen auch die Arbeiterkammern vor große Herausforderungen.

In jenen Fällen, in denen infolge der herrschendenden Infektionsgefahr ein physisches Zusammentreffen von Organmitgliedern nicht zu verantworten ist, soll die Arbeiterkammer bzw. Bundesarbeitskammer Maßnahmen treffen können, die ihren Organen auch weiterhin Willensbildung und Entscheidungsfindung ermöglichen.

Die vorliegenden Regeln der Sitzungsorganisation, die derzeit eine physiche Anwesenheit der Mitglieder voraussetzen, bedürfen sohin dringend der Ergänzung um die Möglichkeit der Durchführung virtueller Sitzungen (Tagungen).

Dadurch soll den Organen der Arbeiterkammer und der Bundesarbeitskammer die Möglichkeit eröffnet werden, künftig Sitzungen durchzuführen, im Rahmen derer mittels elektronischer Kommunikationstechnologie eine virtuelle Sitzungsöffentlichkeit organisiert wird, die den Mitgliedern einen im Vergleich zur Anwesenheit vor Ort adäquaten Raum zum Meinungsaustausch und zur Entscheidungsfindung bietet.

Die Durchführung einer virtuellen Sitzung (Tagung) ist in technischer Hinsicht sehr herausfordernd. Durch die unterschiedliche Verfügbarkeit technischer Übertragungskapazitäten bzw. Standards bei den teilnehmenden Organmitgliedern kann eine stabile akustisch und optische Zweiweg-Verbindung in Echtzeit nach derzeitigem Stand der Technik noch nicht in jedem Fall lückenlos gewährleistet werden.

Um auch jenen Organmitgliedern die Teilnahme an einer virtuellen Versammlung zu ermöglichen, die noch nicht über eine vollständig ausgebildete akustisch und optische Zweiweg-Verbindung verfügen, soll in diesem Fall auch eine akustische Verbindung ausreichen, sofern diese Mitglieder auf anderem Weg die Möglichkeit haben, sich (z.B. via Chat oder E-Mail) an Meinungsbildung und Entscheidungsfindung zu beteiligen. Diese Mitglieder sind jedoch nicht auf die Zahl der für die Beschlussfähigkeit des betreffenden Organes erforderlichen Mitglieder anzurechnen.

In jenen Fällen, in denen die Durchführung virtueller Sitzungen aufgrund der Zahl der Mitglieder des betreffenden Organs oder wegen mangelnder technischer und organisatorischer Voraussetzungen derzeit nicht möglich ist, soll die Möglichkeit zur Verschiebung dieser Sitzungen auf einen Zeitpunkt, zu dem der Rückgang der Infektionsgefahr eine Durchführung vor Ort erlaubt, geschaffen werden.

Für den Fall einer notwendigen Verschiebung von Sitzungen (Tagungen) bedarf es der Klarstellung, dass die Organe von der Pflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu deren Durchführung sowie zum Beschluss des Rechnungsabschlusses vorläufig entbunden werden.

Der Beschluss des Jahresvoranschlages ist, sofern eine Beschlussfassung durch die Vollversammlung im Weg einer virtuellen Tagung nicht möglich und eine Verschiebung untunlich ist, zur Sicherstellung eines geordneten Budgetvollzugs durch den Vorstand zu fassen.“

 

Der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 22. Oktober 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA, die Abgeordneten Josef Schellhorn, Dr. Christoph Matznetter, Dr. Elisabeth Götze, Erwin Angerer und Dr. Nikolaus Scherak, MA.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Peter Haubner und Dr. Elisabeth Götze einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Redaktionelle Änderungen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2020 10 22

               Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA                                                Peter Haubner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann