428 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 697/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ethikunterricht für alle

Die Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 17. Juni 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Je rasanter sich eine Gesellschaft im globalen Kontext verändert, desto wichtiger ist es, Orientierung zu finden. Fragen zu Weltanschauungen, Grundwerten, Menschenrechten und unterschiedlichen gesellschaftlichen Normsetzungen erfordern die Fähigkeit zu differenzierten, individuellen Beurteilungen und eigenverantwortlichem, prinzipiengeleitetem Handeln. Es geht auch um die Fähigkeit Toleranz zu entwickeln, also andere Standpunkte und Lebensweisen zu akzeptieren und andere Meinungen zu zulassen. Toleranz ist ein Schlüssel für eine funktionierende Demokratie.

Der Ethikunterricht soll einen Rahmen für eine qualifizierte Auseinandersetzung über diese Fragestellungen bieten und wäre auch ein Beitrag zur politischen Bildung und Entwicklung einer soliden Wertehaltung. Schule ist der geeignete Raum, um die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen in einem geordneten Umfeld zu führen. Die Coronakrise zeigt, wie wichtig es ist, dass sich alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit gesellschaftlichen Herausforderungen und Fragestellungen auseinandersetzen: "Ist es wirklich so, dass Sicherheit und Gesundheitsschutz die Einschränkung der Freiheitsrechte der Menschen rechtfertigen? Ist es wirklich so, dass Gesundheitsschutz es rechtfertigt, dass man ältere Menschen wegsperrt, sie isoliert?" Diese Themen bräuchten ethische Reflexion genauso wie Migration, Klimakrise, Digitalisierung oder künstliche Intelligenz. Der Ethikunterricht wirkt auch als wichtige Präventionsmaßnahme vor Fundamentalismus und Extremismus.

In der von der Regierung in Begutachtung geschickten Variante werden lediglich SchülerInnen erreicht, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben bzw. konfessionslos sind. Eingeführt wird der Ethikunterricht lediglich in der Sekundarstufe II (Oberstufe), UnterstufenschülerInnen und auch BerufsschülerInnen sind damit nicht umfasst. Das Ministerium rechnet folglich mit rund 100.000 SchülerInnen, die dann den Ethikunterricht besuchen werden. Mit einem Anteil von nicht einmal 10% der SchülerInnen wird hier lediglich ein „Minderheitenprogramm“ verwirklicht.

Mit der vorgeschlagenen Variante kann es nun nicht mehr zu einer Diskussion von SchülerInnen verschiedener Glaubensrichtungen kommen. Dabei hat der Ethikunterricht eigentlich nichts bzw. nur wenig mit Religion zu tun. Es geht um Fragestellungen, die uns alle betreffen – unabhängig vom religiösen Bekenntnis. Warum also der Ethikunterricht nur für jene SchülerInnen eingerichtet wird, die sich von Religion abmelden, und nicht für alle SchülerInnen, konnte bisher sachlich nicht ausreichend gerechtfertigt werden.

Außerdem zeigt eine vor kurzem veröffentlichte Umfrage des Gallup Instituts, dass der Großteil der österreichischen Bevölkerung sich für einen allgemeinen Ethikunterricht ausspricht. 70,1% stimmen dafür. Das von der Regierung forcierte Modell eines Pflichtethikunterrichtes ausschließlich für Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, genoss hingegen sehr geringe Zustimmungswerte (16% der Befragten). Lediglich 13,5% der Befragten lehnten die Einführung eines Ethikunterrichtes grundsätzlich ab.

Neben den inhaltlichen Kritikpunkten ist auch die von der Regierung gewählte Vorgangsweise im Gesetzwerdungsprozess eine demokratiepolitische Zumutung. Parallel zum Entwurf des Bildungsministeriums wurde eine Änderung des Forstgesetzes durch das BMLRT vorgeschlagen, die die Einführung des Ethikunterrichts an landwirtschaftlichen Schulen beinhaltet. Die Begutachtungsfrist dieser Ministerialvorlage endete bereits am 04. Juni, während die Frist für die Begutachtung des Schulorganisationsgesetzes mit 3. Juli endet. Dies löste auch Kopfschütteln bei Verfassungs- und Verwaltungsexperte Heinz Mayer aus: „Dass die diskriminierende Einführung eines Ethikunterrichtes in einem Atemzug mit dem Verkauf von Schadholz genannt wird, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die dringliche Behandlung dieser Gesetzesänderung. Dieses Verfahren ist reine Frotzelei“. (APA 04.06.2020).“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag erstmals in seiner Sitzung am 2. Juli 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Nurten Yılmaz, Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, MMMag. Gertraud Salzmann und Mag. Sibylle Hamann. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Die Verhandlungen wurden am 22. Oktober 2020 wieder aufgenommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Sibylle Hamann, Mag. Martina Künsberg Sarre, Nurten Yılmaz, MMMag. Gertraud Salzmann, Hermann Brückl, MA, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G ).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete MMMag. Gertraud Salzmann gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2020 10 22

                   MMMag. Gertraud Salzmann                                         Mag. Dr. Rudolf Taschner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann