Erläuterungen

Allgemeiner Teil

 

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

 

A. Berücksichtigung des EuGH-Urteils in der Rechtssache C-383/18 ("Lexitor")

Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. Nr. L 133 vom 22.05.2008 S. 66, (in der Folge: Verbraucherkredit-Richtlinie) betrifft die Rechte des Verbrauchers bei vorzeitiger Kreditrückzahlung.

Der EuGH hat mit Urteil vom 11. September 2019 in der Rechtssache C-383/18 ("Lexitor") diese Bestimmung in einer Weise ausgelegt, die in einem Spannungsverhältnis zur österreichischen Umsetzung in § 16 Abs. 1 Verbraucherkreditgesetz (VKrG) steht:

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 16 Abs. 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasst. § 16 Abs. 1 VKrG nennt hingegen nur die laufzeitabhängigen Kosten.

Zur Sicherstellung einer richtlinienkonformen Rechtslage soll § 16 Abs. 1 VKrG im Sinne des EuGH-Urteils angepasst werden.

Parallel dazu soll auch der wortgleiche § 20 Abs. 1 Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HIKrG) geändert werden, weil die dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Vorgaben in Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. Nr. L 60 vom 28.02.2014 S. 34, (in der Folge: Wohnimmobilienkredit-Richtlinie) jenen in Art. 16 Abs. 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie entsprechen.

Auf die Auslegung der bisherigen Rechtslage nimmt die Neuregelung keinen Einfluss.

 

B. Erweiterte Ausnahme für Kredite im Kontext der Wohnbauförderung

Die Ausnahme für Kredite im Kontext der Wohnbauförderung soll erweitert werden, weil insbesondere die strengen Regeln über die Kreditwürdigkeitsprüfung in diesem Bereich nicht sachgerecht sind.

 

C. Redaktionelle Anpassungen

Das Vorhaben soll überdies genutzt werden, um (ohne inhaltliche Änderung) redaktionelle Anpassungen an die geänderte Rechtslage im Bereich des Datenschutzes vorzunehmen.

 

Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG (Zivilrechtswesen).

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.


 

 

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Verbraucherkreditgesetz)

Zu Z 1 (§ 4)

Wenngleich Förderkredite im Anwendungsbereich des Verbraucherkreditgesetzes keine praktische Rolle mehr spielen dürften, weil Hypothekar- und Wohnimmobilienkreditverträge seit 2016 nur noch im HIKrG geregelt sind, soll die geplante Änderung der Parallelbestimmung in § 5 Abs. 2 Z 3 HIKrG (Näheres dazu in den Erläuterungen zu Artikel 2) auch im VKrG nachvollzogen und die Formulierung der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 2 Z 5 an die korrespondierende Ausnahmemöglichkeit der Richtlinie angeglichen werden.

Zu Z 2 und Z 4 (§ 7 Abs. 4 und § 8)

Die bisherigen Verweise auf das Datenschutzgesetz 2000 sind durch Verweise auf die Datenschutz-Grundverordnung zu ersetzen. Damit wird wie bisher Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge umgesetzt, in dem seit 25. Mai 2018 die Verweise auf die Richtlinie 95/46/EG auf Grund der ausdrücklichen Anordnung in Art. 94 Abs. 2 der Datenschutz-Grundverordnung als Verweise auf die Datenschutz-Grundverordnung gelten.

Zu Z 3 (§ 7 Abs. 5)

Der bisherige § 7 Abs. 5, der keine Vorgaben in der Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge hat, verweist auf § 28 Abs. 2 DSG 2000 und nimmt bestimmte Informationsverbundsysteme von der Anwendung dieser Bestimmung aus. § 28 Abs. 2 DSG 2000 wurde inzwischen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben (BGBl. I Nr. 132/2015). Seither geht der § 7 Abs. 5 ins Leere. § 28 Abs. 2 DSG 2000 sah vor, dass gegen eine nicht gesetzlich angeordnete Aufnahme in eine öffentlich zugängliche Datenanwendung der Betroffene jederzeit auch ohne Begründung seines Begehrens Widerspruch erheben kann. In der Datenschutz-Grundverordnung findet sich keine Bestimmung, die mit dem Regelungsinhalt des § 28 Abs. 2 DSG 2000 unmittelbar vergleichbar ist. § 7 Abs. 5 kann daher ersatzlos entfallen.

Zu Z 5 (§ 16)

Bisher ist in § 16 Abs. 1 im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung nur eine Verringerung der laufzeitabhängigen Kosten angesprochen. Das ist im Lichte des EuGH-Urteils in der Rechtssache C‑383/18 ("Lexitor") zu einschränkend, weil der EuGH den dieser Bestimmung zu Grunde liegenden Art. 16 Abs. 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie so auslegt, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasst (also auch die laufzeitunabhängigen Kosten).

Die Bezugnahme auf „laufzeitabhängig“ ist daher zu streichen.

Auf welche Kosten sich das Mäßigungsrecht des Verbrauchers im Detail bezieht, kann vom nationalen Gesetzgeber nicht spezifiziert werden. Die Entscheidung über die Auslegung von Art. 16 Abs. 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie und damit von § 16 Abs. 1 VKrG liegt allein beim EuGH. In der Verbraucherkredit-Richtlinie und daher auch in § 2 Abs. 5 VKrG sind die Gesamtkosten sehr weit definiert und umfassen im Wesentlichen alle Kosten, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Dieses weite Verständnis ist nachvollziehbar, soweit der Verbraucher – wie von der Richtlinie vorgegeben – über die für ihn mit dem Kredit einhergehende Gesamtbelastung informiert werden muss, etwa auch bei der Berechnung des effektiven Jahreszinses. Wenngleich die Richtlinie im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung ebenfalls den Begriff „Gesamtkosten“ verwendet, sollte aber aus Sachlichkeitserwägungen von einem engeren Verständnis der erfassten Kosten ausgegangen werden. Neben den explizit ausgenommenen Notariatsgebühren sollten wohl auch andere Zahlungen an Dritte (etwa an Kreditvermittler) von einer vorzeitigen Rückzahlung unberührt bleiben, unabhängig davon, ob sie vom Kreditnehmer unmittelbar oder im Wege des Kreditgebers an den Dritten geleistet wurden.

Zu Z 6 (§ 29)

Die neue Fassung des § 16 Abs. 1 soll auf alle Verträge anwendbar sein, die nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-383/18 ("Lexitor"), also nach dem 11. September 2019, geschlossen werden, aber eingeschränkt auf vorzeitige Rückzahlungen, die nach dem Inkrafttreten geleistet werden.

Die bisherige Fassung des § 16 bleibt für jene Verträge maßgeblich, die bis zu dieser EuGH-Entscheidung geschlossen wurden, sowie – unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses – für vorzeitige Rückzahlungen, die bis zum Inkrafttreten geleistet wurden.

Zu Artikel 2 (Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz)

Zu Z 1 (§ 5)

Art. 3 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher sieht vor, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, die Richtlinie nicht anzuwenden bei Kreditverträgen, die Kredite zum Gegenstand haben, die einem begrenzten Kundenkreis im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen im Gemeinwohlinteresse gewährt werden, sei es zinslos oder zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz oder zu anderen, für den Verbraucher günstigeren als den marktüblichen Bedingungen und zu Zinssätzen, die nicht über den marktüblichen Zinssätzen liegen.

Von dieser Ausnahmemöglichkeit wurde in § 5 Abs. 2 Z 3 HIKrG Gebrauch gemacht, wobei die Ausnahme nach dem Vorbild der Parallelausnahme in § 4 Abs. 2 Z 5 VKrG in ihrer Textierung auf Wohnbauförderungskredite zugeschnitten war. Nach den damaligen Intentionen des Gesetzgebers sollte die Ausnahme durch diese spezifisch auf die österreichischen Gegebenheiten der Wohnbauförderung abstellende Formulierung in ihrer inhaltlichen Reichweite gegenüber jener der Richtlinie nicht eingeschränkt werden. Vielmehr sollten nur die in Österreich vorkommenden Arten von Krediten, „die einem begrenzten Kundenkreis im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen im Gemeinwohlinteresse gewährt werden“, konkreter umschrieben werden.

Inzwischen hat sich aber herausgestellt, dass die gewählte Formulierung („die von einem Land, einem von einem Land eingerichteten Fonds oder einer von einem Land beauftragten juristischen Person nach den gesetzlichen Vorschriften über die Wohnbauförderung geschlossen werden“) wohl zu eng gefasst ist und nicht alle Kredite im Wohnbauförderungskontext erfasst sind, die nach der Ausnahme in der Richtlinie erfasst sein könnten. Im Besonderen bestehen Zweifel darüber, ob die Ausnahmebestimmung auch im Rahmen der Wohnbauförderung gewährte Haftungsübernahmen und Zinszuschüsse erfasst.

Da der Schutzbedarf von Verbrauchern im Zusammenhang mit Wohnbauförderungskrediten nicht mit sonstigen Hypothekar- und Immobilienkrediten vergleichbar ist, soll die Ausnahme der Richtlinie zur Gänze ausgeschöpft werden, um sicherzustellen, dass Kredite im Wohnbauförderungskontext so umfassend vom Anwendungsbereich des HIKrG ausgenommen sind, wie es die Richtlinie zulässt. Aus diesem Grund soll der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Z 3 an den Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 lit. c der Richtlinie angeglichen werden.

Damit soll – soweit es die Richtlinie zulässt – auch einer Vorgabe im Regierungsprogramm Rechnung getragen werden, nämlich der Ankündigung einer „Überprüfung des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes hinsichtlich der Weitergabe der Kreditkonditionen bei der Übergabe von der Wohnbaugenossenschaft auf den Mietkaufenden“. Die im HIKrG vorgesehene strenge Kreditwürdigkeitsprüfung wird im Anwendungsbereich der nunmehr an die Richtlinienformulierung angeglichenen Ausnahme einer Weitergabe der Kreditkonditionen nicht mehr entgegenstehen.

Zu Z 2, Z 3 und Z 4 (§§ 9, 10 und 11)

Die bisherigen Verweise auf das Datenschutzgesetz 2000 und auf die Richtlinie 95/46/EG sind durch Verweise auf die Datenschutz-Grundverordnung zu ersetzen. Damit werden wie bisher Art. 18 Abs. 5 lit. b und Abs. 7, Art. 20 Abs. 5 und Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher umgesetzt, in denen seit 25. Mai 2018 die Verweise auf die Richtlinie 95/46/EG auf Grund der ausdrücklichen Anordnung in Art. 94 Abs. 2 der Datenschutz-Grundverordnung als Verweise auf die Datenschutz-Grundverordnung gelten.

Der bisherige § 11 Abs. 3 erster Satz, der keine Vorgaben in der Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher hat, verweist auf § 28 Abs. 2 DSG 2000 und nimmt bestimmte Informationsverbundsysteme von der Anwendung dieser Bestimmung aus. § 28 Abs. 2 DSG 2000 wurde inzwischen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben (BGBl. I Nr. 132/2015). Seither geht § 11 Abs. 3 erster Satz ins Leere. § 28 Abs. 2 DSG 2000 sah vor, dass gegen eine nicht gesetzlich angeordnete Aufnahme in eine öffentlich zugängliche Datenanwendung der Betroffene jederzeit auch ohne Begründung seines Begehrens Widerspruch erheben kann. In der Datenschutz-Grundverordnung findet sich keine Bestimmung, die mit dem Regelungsinhalt des § 28 Abs. 2 DSG 2000 unmittelbar vergleichbar ist. § 11 Abs. 3 erster Satz kann daher ersatzlos entfallen.

Zu Z 5 (§ 20)

Bisher ist § 20 Abs. 1 (auf Grund der beinahe wortgleichen Vorgaben in der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie einerseits und in der Verbraucherkredit-Richtlinie andererseits) wortgleich mit § 16 Abs. 1 VKrG formuliert.

Da auf Grund der Auslegung der Verbraucherkredit-Richtlinie durch den EuGH eine Klarstellung in § 16 Abs. 1 VKrG erforderlich ist, soll auch der § 20 HIKrG entsprechend geändert werden.

Die Entscheidung über die Auslegung von Art. 25 der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie und damit von § 20 Abs. 1 HIKrG liegt allein beim EuGH. Werden laufzeitunabhängige Kosten erfasst, so sind die zu § 16 VKrG angestellten Sachlichkeitserwägungen auch im Zusammenhang mit § 20 HIKrG relevant. Auch im Anwendungsbereich des HIKrG sollten neben den explizit ausgenommenen Notariatsgebühren wohl auch andere Zahlungen an Dritte (etwa an Kreditvermittler) von einer vorzeitigen Rückzahlung unberührt bleiben.

Zu Z 6 und Z 7 (§ 27)

Der geänderte Wortlaut der Ausnahme in § 5 Abs. 2 Z 3 ist auch in § 27 zu berücksichtigen. Überdies muss – da im Text des § 27 nicht mehr explizit auf die Wohnbauförderung Bezug genommen wird – die Bezeichnung des 4. Abschnitts geändert werden.

Zu Z 8 (§ 31)

Alle Änderungen sollen nur auf Verträge anwendbar sein, die nach ihrem Inkrafttreten geschlossen werden.