509 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (463 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Kommunikationsplattformen-Gesetz erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert wird

Der gegenständliche Gesetzesentwurf enthält folgende Hauptgesichtspunkte:

Den zentralen Anlass für die Konzeption des vorliegenden Gesetzentwurfs bildet die besorgniserregende Entwicklung, dass das Internet und die Sozialen Medien neben den Vorteilen, die diese neuen Technologien und Kommunikationskanäle mit sich brachten, auch eine neue Form der Gewalt etabliert hat und Hass im Netz in Form von Beleidigungen über Bloßstellungen, Falschinformationen, bis hin zu Gewalt- und Morddrohungen zunimmt. Die Angriffe basieren überwiegend auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen und homophoben Motiven. Dieser Befund wird durch den jährlichen ZARA Rassismus Report und auch hinsichtlich Frauen durch eine Studie aus dem Jahr 2018 im Auftrag von BKA und BMDW bestätigt. An den Verein ZARA wurden im Berichtsjahr 2019 1.070 Fälle von rassistischen Übergriffen im Netz gemeldet. 51 % dieser Übergriffe kamen von Nutzern auf Facebook. Grundsätzlich findet die Gewalt aber in allen genutzten Online-Kommunikationskanälen statt.

Ein wesentliches Merkmal von Hass im Netz, das auch von Betroffenen als besonders belastend beschrieben wird, ist die oftmals große Öffentlichkeit und Sichtbarkeit, in der Gewalterfahrungen stattfinden. Die Erfahrung von Online-Gewalt hat neben sozialen Folgen auch psychische, emotionale und psychosomatische Auswirkungen auf die Betroffenen. Andauernde Beschimpfungen, Herabwürdigungen und Drohungen können das Selbstbewusstsein beeinträchtigen, Angst und Unruhe verursachen, krankmachen und sogar zum Tod von Menschen führen. Fast ein Drittel aller Betroffenen partizipiert nach einer Gewalterfahrung im Netz weniger am virtuellen öffentlichen Leben beziehungsweise zieht sich daraus zurück.

Das Regierungsprogramm 2020 – 2024 sieht daher eine Reihe von Maßnahmen vor, um der zunehmenden Verbreitung von Hasspostings im Internet zu begegnen, da die immer mehr um sich greifenden Fälle verbaler, psychischer und sexueller Angriffe bzw. Beleidigungen im Netz verhindert werden müssen. Hass und Gewalt im Netz sind Phänomene, die einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz verlangen. Es bedarf einer umfassenden Strategie und eines Maßnahmenbündels, das von Prävention bis hin zu Sanktionen reicht. Diese Strategie baut auf den beiden Säulen Plattformverantwortlichkeit und Opferschutz auf, wobei das vorliegende Gesetzesvorhaben die Sicherstellung der Plattformverantwortlichkeit betrifft.

Der bestehenden Verpflichtung, im Fall der Kenntnisnahme von rechtswidrigen Inhalten diese unverzüglich zu löschen oder den Zugang zu diesen zu sperren, sobald sie davon Kenntnis erlangt haben, kommen Anbieter von Sozialen Medien und Online-Foren oftmals nicht in zufriedenstellender Weise nach. Zudem werden von Nutzern gemeldete Inhalte von den Plattformen in der Regel nur anhand ihrer eigenen Community-Leitlinien geprüft und nicht anhand der nationalen Straftatbestände. Betroffene sind daher häufig gezwungen, den Gerichtsweg zu beschreiten, um eine Löschung zu erwirken. Im Lichte dessen gilt es daher, Kommunikationsplattformen viel stärker als bisher in die Pflicht zu nehmen. Da dies eine grenzüberschreitende Herausforderung ist, ist eine wirksame Regelung auf europäischer Ebene die beste Lösung. Die Bundesregierung hat daher in ihrem Ministerratsbeschluss vom 9. Juli 2020 die von der Europäischen Kommission für das Jahresende angekündigte Vorlage eines „Rechtsaktes über digitale Dienste“ (Digital Services Act) begrüßt. Da dieser laufende Konsultationsprozess und insbesondere das entsprechende Rechtssetzungsverfahren auf europäische Ebene aber noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werden, ist es erforderlich – auf der Grundlage der Erfahrungen der deutschen und französischen Gesetzesinitiativen – legistische Maßnahmen zu ergreifen, ehestmöglich für mehr Transparenz, Verantwortung und Rechenschaftspflicht der Plattformen zu sorgen.

Die Dringlichkeit des Themas erfordert die Umsetzung unmittelbarer nationaler Maßnahmen. Bis zur Beseitigung des Regelungsdefizits auf europäischer Ebene soll zur effektiven Bekämpfung von Hass im Netz ein Gesetz zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen geschaffen werden, um durch die gesetzliche Verpflichtung für Plattformen zur Einrichtung eines Beschwerdemanagementsystems für den Umgang mit strafrechtswidrigen Inhalten Abhilfe zu schaffen. So zielt der vorliegende Entwurf im Detail auf Folgendes ab:

-       Einrichtung eines effektiven und transparenten Meldeverfahrens für den Umgang mit strafrechtswidrigen Inhalten;

-       leicht und ständig erreichbare Meldemöglichkeit für Nutzer auf der Plattform;

-       Prüfungspflicht bei konkreten Meldungen und allf. unverzügliche Löschung von bestimmten strafrechtswidrigen Inhalten, abgestuft nach dem Grad der Erkennbarkeit;

-       Informationspflichten des Plattformbetreibers gegenüber den Nutzern;

-       Bereitstellung einer Überprüfungsmöglichkeit bei Beschwerden wegen angeblich ungerechtfertigter oder mangelnder Löschung;

-       Pflicht zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten;

-       Sicherstellung der Erreichbarkeit und Erfüllung der Rechenschaftspflicht;

-       Berichtspflicht der Plattformen über ihren Umgang mit Meldungen über strafrechtswidrige Inhalte;

-       Angemessene Sanktionierung bei Gesetzesverstößen.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 25. November 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc die Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger, Katharina Kucharowits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Alexander Melchior, Henrike Brandstötter, Mag. Ulrike Fischer, Dr. Susanne Fürst, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Dr. Nikolaus Scherak, MA und Mag. Harald Stefan sowie Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Bundesministerin für EU und Verfassung Mag. Karoline Edtstadler.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1 (Art. 1 § 10 Abs. 2):

Im Schlussteil soll die Wortfolge „oder in Abs. 1“ entfallen, dafür werden zwei weitere Ziffern in Z 1 eingefügt, die über den im Schlussteil enthaltenen Verweis auf Z 1 erfasst werden. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Diensteanbieter für die mangelnde Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten oder eines Zustellbevollmächtigten bestraft werden kann.

Zu Z 2 (Art. 1 § 12 Abs. 3 dritter Satz):

Ein Redaktionsversehen wird zum Anlass genommen, diesen Satz umzuformulieren.

Zu Z 3 (Art. 1 § 14):

Das Datum des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes wird mit 1. Jänner 2021 festgelegt, und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes von dessen Bestimmungen erfassten Diensteanbieter haben die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verpflichtungen bis zum 31. März 2021 umzusetzen.

Zu Z 4 (Art. 2 Z 6 [§ 44 Abs. 25]):

Das Datum des Inkrafttretens dieser Novelle wird mit 1. Jänner 2021 festgelegt.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer, BSc, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2020 11 25

                  Eva-Maria Himmelbauer, BSc                                            Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann