Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. Nr. L 173 vom 9.7.2018 S. 25, für den Bereich des Bundes umgesetzt werden. Die genannte Richtlinie wird in weiterer Folge mit der Abkürzung VP-RL bezeichnet.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Das Regelungsziel der VP-RL ergibt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen (ErwG) der Richtlinie:

Die Berufsfreiheit ist ein Grundrecht, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sind Grundprinzipien des Binnenmarktes, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert sind. Nationale Bestimmungen, die den Zugang zu reglementierten Berufen regeln, sollten daher keine ungerechtfertigten oder unverhältnismäßigen Hindernisse für die Ausübung dieser Grundrechte schaffen. (ErwG 1)

Bestehen im Unionsrecht keine spezifischen Rechtsvorschriften zur Harmonisierung der Anforderungen an den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder zur Ausübung eines solchen Berufs, so fällt die Entscheidung, ob und wie ein Beruf zu reglementieren ist, in den Zuständigkeitsbereich eines Mitgliedstaats, solange die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. (ErwG 2)

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass nationale Maßnahmen, welche die im AEUV garantierte Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Bedingungen erfüllen sollten, sie sollten nämlich: in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden, durch Ziele des öffentlichen Interesses gerechtfertigt sein, geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. (ErwG 3)

Die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom 30.9.2005 S 22, in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU, ABl. Nr. L 345 vom 28.12.2013 S. 132, enthält eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Verhältnismäßigkeit der eigenen Anforderungen, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, zu prüfen und die Ergebnisse dieser Prüfung der Kommission vorzulegen, wodurch der Prozess der gegenseitigen Evaluierung eingeleitet wird. Dieser Prozess bedeutet, dass die Mitgliedstaaten eine Überprüfung sämtlicher Rechtsvorschriften zu allen in ihrem Hoheitsgebiet reglementierten Berufen vornehmen mussten. (ErwG 4)

Die Ergebnisse des Prozesses der gegenseitigen Evaluierung offenbarten einen Mangel an Klarheit hinsichtlich der von den Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anforderungen für den Zugang zu reglementierten Berufen oder ihre Ausübung anzuwendenden Kriterien sowie eine uneinheitliche Kontrolle dieser Anforderungen auf allen Regulierungsebenen. Um eine Fragmentierung des Binnenmarktes zu vermeiden und Schranken bei der Aufnahme und Ausübung bestimmter abhängiger oder selbstständiger Tätigkeiten abzubauen, sollte es daher ein gemeinsames Verfahren auf Unionsebene geben, das den Erlass unverhältnismäßiger Maßnahmen verhindert. (ErwG 5)

Dieses gemeinsame Verfahren ist die im Rahmen der VP-RL geschaffene Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Diese Richtlinie berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, die Organisation und den Inhalt ihrer Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung zu bestimmen, dies gilt insbesondere für die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Berufsorganisationen die Befugnis zur Organisation und Überwachung der Berufsausbildung zu übertragen. Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung nicht beschränken, einschließlich redaktioneller Änderungen oder technischer Anpassungen des Inhalts von Ausbildungsgängen oder der Aktualisierung von Ausbildungsvorschriften, sollten nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen. Besteht die Berufsausbildung jedoch aus vergüteten Tätigkeiten, sollten die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr gewährleistet sein. (ErwG 9)

Mit dem Ziel der Umsetzung der Richtlinie für den Bereich des Bundes sollen durch den vorliegenden Entwurf alle durch Bundesvorschriften reglementierte Berufe erfasst und somit eine „horizontale“ Regelung auf Bundesebene geschaffen werden. Normadressaten dieses Gesetzes sind jene Organe, die mit der Vorbereitung bzw. mit der Erlassung entsprechender Bundesvorschriften betraut sind und dementsprechend zur Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung verpflichtet werden. Dies sind die Bundesminister, Bundesministerinnen und allenfalls die Bundesregierung als Kollektivorgan sowie Organe, die zur Erlassung von Rechtsvorschriften im Anwendungsbereich dieser Richtlinie ermächtigt sind, z.B. Berufskammern und andere Selbstverwaltungskörper bzw. beliehene Organe.

Vom Gesetzentwurf nicht erfasst werden der Nationalrat bzw. Abgeordnete zum Nationalrat im Rahmen ihres Initiativrechts. Diesbezügliche Regelungen wären allenfalls durch das Geschäftsordnungsgesetz 1975 zu treffen, für dessen Abänderungen besondere Mehrheitserfordernisse bestehen.

Die in diesem Gesetz geregelte Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt gemäß § 2 Abs. 1 des Entwurfs vor der Erlassung von Reglementierungen zur Anwendung und tritt gemäß § 10 des Entwurfs mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. Es wird somit keine gesetzliche Grundlage für die Überprüfung bis dahin bestehender Reglementierungen geschaffen, sondern nur für die Überprüfung neuer Regelungen und für die Änderung bestehender Vorschriften ab dem Datum des Inkrafttretens.

Den EU-rechtlichen Grundsätzen zufolge wird der Verpflichtung zur Umsetzung der wesentlichen Inhalte einer Richtlinie in innerstaatliches Recht grundsätzlich nicht durch einen bloßen Verweis auf die Richtlinie bzw. auf einzelne Bestimmungen der Richtlinie Genüge getan, sodass der vorliegende Entwurf die ausdrückliche Implementierung der einzelnen Vorgaben der Richtlinie beinhaltet.

Insbesondere die Festlegung des Inhalts und der Kriterien der durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, die das Kernstück der gegenständlichen EU-Richtlinie darstellt, wird nicht durch einen bloßen Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere Art. 7, geregelt, sondern ausdrücklich ausformuliert und – in der Anlage zum VPG – durch ein entsprechendes Prüfschema konkretisiert.

Weitere wesentliche Inhalte des Entwurfs sind Regelungen über Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung, das durchzuführende Begutachtungsverfahren sowie die nachträgliche Überwachung.

Art. 9 der VP-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass im Einklang mit den innerstaatlich vorgesehenen Verfahren ein wirksamer Rechtsbehelf hinsichtlich der in dieser Richtlinie geregelten Angelegenheiten zur Verfügung steht. ErwG 32 der Richtlinie beruft sich in diesem Zusammenhang auf Art. 47 der EU Grundrechte-Charta betreffend das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht sowie auf Art. 19 EUV betreffend den Europäischen Gerichtshof und folgert daraus, „dass die nationalen Gerichte im Einklang mit den im einzelstaatlichen Recht festgelegten Verfahren und mit Verfassungsgrundsätzen imstande sein müssen, die Verhältnismäßigkeit von Anforderungen, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, zu prüfen, um zu gewährleisten, dass jede natürliche oder juristische Person das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Beschränkungen der Freiheit, eine Beschäftigung zu wählen, gegen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit hat.“

Den daraus sich ergebenden Anforderungen ist aus den im Folgenden angeführten Gründen bereits durch das bundesverfassungsgesetzlich festgelegte verwaltungs- und verfassungsgerichtliche Rechtsschutzsystem entsprochen, ohne dass es hiefür ergänzender Umsetzungsbestimmungen auf einfachgesetzlicher Ebene bedarf: Bescheide, mit denen auf der Grundlage bundesgesetzlicher Vorschriften über den Berufszugang oder die Berufsausübung entschieden wird, können ebenso wie einschlägige Strafbescheide wegen Nichteinhaltung berufsrechtlicher Regelungen mittels Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpft werden. Gegen dessen gegebenenfalls abschlägige Entscheidung ist die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof möglich. Das Verwaltungsgericht hat ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof auf Gesetz oder Verordnung beruhende unionsrechtswidrige (weil unverhältnismäßige) Reglementierungen aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes unangewendet zu lassen (vgl. VwGH 10.10.2018, Ra 2017/03/0108), womit der einschlägigen Richtlinienbestimmung des Art. 9 hinsichtlich des Individualrechtsschutzes entsprochen ist.

Soweit solche Reglementierungen nicht nur den unionsrechtlichen Grundfreiheiten und damit auch der Richtlinie widersprechen, sondern diese auch gegen die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten nach Art. 15 bzw. gegen die unternehmerische Freiheit nach Art. 16 der EU Grundrechte-Charta verstoßen, besteht ein unionsrechtskonformer Rechtsschutz weiters im Weg der gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerichteten Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (beginnend mit VfSlg. 19.632/2012) zufolge bilden nämlich im Anwendungsbereich des Unionsrechtes (im Anlassverfahren präjudizielle) Bestimmungen der EU Grundrechte-Charta wie die hier gegenständlichen, welche in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gleichen, als solche einen Prüfungsmaßstab seiner Rechtskontrolle. Dementsprechend können Verstöße gegen die EU Grundrechte-Charta der in Rede stehenden Art, wenn diese unmittelbar (ohne die Erlassung eines Bescheides) gegen eine Person wirksam geworden sind, auch mittels Individualantrag nach Art. 139 bzw. Art. 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden.

Zu Art. 10 der VP-RL besteht kein legistischer Umsetzungsbedarf. Die EK informierte jüngst in der Gruppe der Koordinatoren der RL 2005/36/EG darüber, dass der gemäß Art. 10 vorgesehene Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Koordinatorengruppe sowie eventueller zusätzlicher Treffen stattfinden solle. Es erscheint nicht erforderlich, dafür eine gesetzliche Maßnahme vorzusehen.

Auch hinsichtlich Art. 11 der VP-RL betreffend die Eingabe bestimmter Informationen in die Datenbank für reglementierte Berufe wird kein legistischer Umsetzungsbedarf erkannt. Die betroffenen Bundesressorts haben bereits Zugang zu dieser schon bestehenden Datenbank bzw. können zusätzliche Zugangs- und Eingabeberechtigungen jederzeit problemlos verschafft werden. Gemäß Art. 59 Abs. 5 RL 2005/36/EG sind zusätzliche Anforderungen an reglementierte Berufe binnen sechs Monaten nach ihrer Einführung der Kommission mitzuteilen. Es ist davon auszugehen, dass anlässlich dieser Mitteilung auch Angaben nach Art. 11 der VP-RL in die Datenbank für reglementierte Berufe eingegeben werden können (z.B. Hochladen der Verhältnismäßigkeitsprüfung). Es erscheint nicht erforderlich, für diese schon eingerichteten Abläufe bundesgesetzliche Maßnahmen vorzusehen.

Der Entwurf sieht eine Umsetzung der VP-RL lediglich in dem Ausmaß vor, zu dem der Bund aufgrund der Vorschriften des Unionsrechts verpflichtet ist, und keine darüber hinaus gehenden Maßnahmen.

Die Umsetzung dieser Richtlinie für landesgesetzliche Regelungen hat entsprechend der bundesverfassungsgesetzlichen Kompetenzverteilung auf Ebene der Bundesländer zu erfolgen.

Inkrafttreten:

Die Umsetzung der VP-RL hat bis längstens 30. Juli 2020 zu erfolgen, das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz soll daher unmittelbar mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft treten.

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz zur Regelung der Anforderungen für den Antritt oder die Ausübung reglementierter Berufe schließt auch die Kompetenz mit ein, Verwaltungsorgane zu verpflichten, vor Erlassung entsprechender Bestimmungen die Verhältnismäßigkeit der in Aussicht genommenen Anforderungen zu prüfen. In diesem Sinne stützt sich der vorliegende Entwurf auf die Kompetenzen des Bundes zur Regelung des Zugangs und der Ausübung von reglementierten Berufen, die in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. Dies sind beispielsweise Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten der Rechtsanwälte), Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie; Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken), Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG (Angelegenheiten der Patentanwälte), Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG (Kraftfahrwesen), Art. 10 Abs. 1 Z 10 B-VG (Forstwesen), Art. 10 Abs. 1 Z 12 (Gesundheitswesen), Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG, (Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Bundesbediensteten) und Art. 14 Abs. 2 B-VG (Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Lehrer für öffentliche Pflichtschulen).

Besonderer Teil

Zu § 1:

Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 2 der VP-RL legt fest, dass die Mitgliedstaaten bei Erlassung der zur Einhaltung dieser Richtlinie notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in den Maßnahmen selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug nehmen.

§ 1 enthält den entsprechenden Umsetzungshinweis.

Zu § 2:

In § 2 werden Gegenstand und Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes festgelegt:

Abs. 1: Der Geltungsbereich wird entsprechend des Art. 2 Abs. 1 der VP-RL festgelegt. Demnach gilt die die VP-RL für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die unter die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen fallen und die die Aufnahme oder Ausübung eines Berufs oder einer bestimmten Art seiner Ausübung beschränken. Dies schließt das Führen einer Berufsbezeichnung und die im Rahmen dieser Berufsbezeichnung erlaubten beruflichen Tätigkeiten ein.

Aus der Festlegung des Geltungsbereichs sowohl der VP-RL als auch des vorliegenden Entwurfs folgt gleichzeitig, dass die den Beruf des Notars betreffenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften nicht in den Anwendungsbereich des VPG fallen (nach Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2005/36/EG gilt diese als Ganzes „nicht für durch einen Hoheitsakt bestellte Notare“).

Entsprechend der bundesverfassungsrechtlichen Regelungskompetenz sind von diesem Bundesgesetz ausschließlich Berufsreglementierungen in Bezug auf bundesgesetzlich zu regelnde Berufe erfasst. Es werden nicht jene Gebiete des Berufsrechts abgedeckt, die in die Regelungskompetenz der Landesgesetzgeber fallen.

Im gegebenen Zusammenhang ist es unionsrechtlich nicht von Belang, durch welche Art von Regelung oder durch welche Regelungsorgane eine Berufsreglementierung erfolgt. Daher umfasst der Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes Reglementierungen sowohl auf Gesetzes- als auch Verordnungsebene, die durch Bundesorgane, im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung durch die Landeshauptleute (z.B. Verordnungsermächtigung in § 125 GewO 1994) oder durch andere ermächtigte Organe, z.B. Kammern, auf der Grundlage von Bundesgesetzen erlassen werden.

Der Begriff „Verwaltungsvorschriften“, wie er in Art. 2 Abs. 1 der VP-RL gemeinsam mit dem Begriff „Rechtsvorschriften“ verwendet wird, hat in der österreichischen Rechtsordnung keinen klaren Bedeutungsinhalt. Die Begrifflichkeit der „Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ im Sinne der VP-RL zielt auf verbindliche Vorschriften von rechtssetzenden Organen ab. Bei der innerstaatlichen Umsetzung ist daher im Sinne der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit der entsprechende Begriff der österreichischen Rechtsordnung zu verwenden, der diesem Bedeutungsinhalt entspricht. Dies ist ausschließlich der Begriff „Rechtsvorschriften“. Davon sind neben (verfassungs-)gesetzlichen Vorschriften auch andere rechtsverbindliche Vorschriften wie etwa Verordnungen erfasst, die von Verwaltungsorganen, aber auch Organen der beruflichen Selbstverwaltung erlassen werden.

Abs. 2: Da Art. 2 Abs. 1 der VP-RL auf die Richtlinie 2005/36/EG verweist, wird in Abs. 2 zum Zweck der Rechtsklarheit die entsprechende Definition des Begriffs des reglementierten Berufes gemäß Art. 3 dieser Richtlinie aufgenommen. Wesentlich für diesen Begriff des reglementierten Berufes ist vor allem die Bindung der Aufnahme oder der Ausübung des jeweiligen Berufs an eine bestimmte vorgeschriebene Berufsqualifikation.

Abs. 3 dient der Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieses Bundesgesetzes:

Z 1 stellt in Übereinstimmung mit dem ErwG 9 der VP-RL klar, dass Vorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung nicht beschränken, einschließlich redaktioneller Änderungen oder technischer Anpassungen des Inhalts von Ausbildungsgängen oder der Aktualisierung von Ausbildungsvorschriften, nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen und somit nicht einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz zu unterziehen sind. Vorschriften, die Erleichterungen oder zumindest keine Erschwernis für den Berufszugang oder die Ausübung des jeweiligen Berufs zum Inhalt haben, sind somit ebenso wenig erfasst. Der Umstand, dass die Beschreibung einer Qualifikation aufgrund neuer bildungswissenschaftlicher Ansätze wie Kompetenzorientierung in Sprache und Aufbau verändert wurde, begründet für sich allein keine derartige Erschwernis. Ausschlaggebend für die Anwendung oder Nichtanwendung im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 sind der Inhalt und die Wirkung der Rechtsvorschrift im Hinblick auf den Berufszugang und die Berufsausübung.

Z 2 schließt entsprechend Art. 2 Abs. 2 der VP-RL jene Materien aus dem Anwendungsbereich aus, für die in einem gesonderten Rechtsakt der Europäischen Union spezifische Anforderungen an einen bestimmten Beruf festgelegt sind, wenn dieser Rechtsakt den Mitgliedstaaten keine Wahl der genauen Art und Weise der Umsetzung dieser Anforderungen und damit keinen Spielraum bei der Umsetzung lässt.

Z 3 schließt zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten im Sinne der Rechtsklarheit jene Materien, für die der Bundesgesetzgeber gesonderte spezielle Vorschriften zur Umsetzung der VP-RL erlassen hat, aus dem Anwendungsbereich des vorliegenden Gesetzes aus. Dies betrifft beispielsweise die im Rahmen des Berufsrechts-Änderungsgesetzes 2020, BGBl. I Nr. 19/2020, geschaffenen Regelungen der §§ 27a und 37 Abs. 2 Rechtsanwaltsordnung (RAO) und § 9 Abs. 1 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt). Ebenso wären von dieser Ausschlussbestimmung auch die im Entwurf der Änderung des Patentanwaltsgesetzes für den Beruf der Patentanwälte vorgeschlagenen einschlägigen Regelungen zur Umsetzung der VP-RL erfasst, sofern der sektorelle Regelungsansatz für dieses Gesetz beibehalten werden sollte.

Zu § 3:

Art. 7 Abs. 1 und Art. 5 der VP-RL normieren die Vorgaben der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes bei der Einführung und Änderung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken.

In § 3 werden diese Grundsätze umgesetzt, wobei sich dieses spezifische Verbot der Diskriminierung – unbeschadet verfassungsrechtlicher Vorgaben, z.B. Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG – auf Berufsangehörige beschränkt, die dem Recht der Europäischen Union unterliegen.

Zu § 4:

In § 4 werden die Normadressaten und das zeitliche Prozedere für die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausdrücklich festgelegt:

Gemäß Abs. 1 werden die nach dem Bundesministeriengesetz 1986, in der jeweils geltenden Fassung, zuständigen Bundesminister, Bundesministerinnen bzw. diese gegebenenfalls in ihrer Gesamtheit als Bundesregierung verpflichtet.

Mit der Formulierung „vor Einbringung eines Gesetzesantrages in den Nationalrat“ wird ein Zeitpunkt vorgegeben, vor dem der Bundesminister, die Bundesministerin bzw. die Bundesregierung die Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen hat. In den Fällen, in denen Gesetzesvorschläge von der Bundesregierung gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG als Regierungsvorlagen dem Nationalrat zur parlamentarischen Behandlung vorgelegt werden, wird das zuständige Organ die Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits vor Einbringung in den Ministerrat durchzuführen haben. Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat gemäß Art. 41 Abs. 1 B-VG als Vorlagen der Bundesregierung, Abs. 1 soll nicht insinuieren, dass ein Gesetzesvorschlag von einem Bundesminister an den Nationalrat einzubringen wäre.

Durch Abs. 2 werden ausdrücklich andere Organe verpflichtet, die zur Festlegung von in die Regelungszuständigkeit des Bundes fallenden Vorschriften gemäß § 2 Abs. 1 ermächtigt sind, die Verhältnismäßigkeitsprüfung spätestens vor Erlassung der Vorschriften durchzuführen. Organe nach Abs. 2 können beispielweise Selbstverwaltungskörper gemäß Art. 120a ff. B-VG, wie insbesondere Kammern, oder auch die Landeshauptleute im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß Art. 102 B-VG oder gegebenenfalls auch beliehene Organe oder Körperschaften sein.

Durch das vorliegende Bundesgesetz werden der Nationalrat bzw. Abgeordnete zum Nationalrat im Rahmen ihres Initiativrechts nicht erfasst. Diesbezügliche Regelungen wären allenfalls durch das Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats zu treffen, für dessen Abänderungen besondere Mehrheitserfordernisse bestehen. Als vergleichbare Regelung für diese könnte etwa § 28 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz 1975 betrachtet werden, wonach selbständige Anträge, nach welchen eine über den Bundesvoranschlag hinausgehende finanzielle Belastung des Bundes eintreten würde, zugleich Vorschläge darüber enthalten müssen, wie der Mehraufwand zu decken ist.

Zu § 5:

In § 5 sind die Anforderungen festgelegt, denen die Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen hat:

In Abs. 1 wird die Vorgabe des Art. 4 Abs. 2 der VP-RL betreffend den je nach Art, Inhalt und Auswirkungen der Vorschrift differenzierten Umfang der Prüfung umgesetzt.

Abs. 2 dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 3 der VP-RL, wonach die Vorschriften mit Erläuterungen zu versehen sind, die eine Bewertung der Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermöglichen.

In Abs. 3 wird der Anforderung nach Art. 4 Abs. 4 der VP-RL Rechnung getragen, wonach die Begründung der Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit durch qualitative und, soweit möglich und relevant, quantitative Elemente zu substantiieren ist.

Zu Abs. 4: Der in Art. 4 Abs. 5 der VP-RL vorgeschriebenen Sicherung der Objektivität und Unabhängigkeit der Prüfung soll durch Festschreibung von zu beachtenden Qualitätskriterien nachgekommen werden. Diese Qualitätskriterien entsprechen den Kriterien des § 3 der WFA-Grundsatzverordnung. Die Objektivität und Unabhängigkeit der Prüfungen wird außerdem durch die im VPG einheitlich vorgegebene Vorgangsweise und das in der Anlage einheitlich vorgegebene und nachvollziehbare Prüfschema gesichert.

Gegenüber Kammern und sonstigen nachgeordneten Körperschaften sind darüber hinaus bereits (verfassungs-)rechtliche Kontrollrechte der Oberbehörden, in Form des Aufsichtsrechts über Rechtsakte im eigenen Wirkungsbereich bzw. des Weisungsrechts für Rechtsakte im übertragenen Wirkungsbereich, verankert, die eine rechtliche Garantie auch zur Sicherung der Qualität einschließlich der Objektivität und Unabhängigkeit von Verhältnismäßigkeitsprüfungen bieten.

Zu § 6 und zur Anlage:

Die Vorgaben für die einzelnen Inhalte der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind in der VP-RL in den Art. 5, Art. 6 und insbesondere in Art. 7 festgelegt. Diese Inhalte und Kriterien der durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung bilden das Kernstück der Richtlinie. Sie sind im Sinne der EU-rechtlichen Grundsätze betreffend die Verpflichtung zur Umsetzung von Richtlinien in innerstaatliches Recht, ausdrücklich und spezifisch für das jeweilige innerstaatliche System der Gesetzgebung zu implementieren. In diesem Sinne werden die inhaltlichen Prüfungsvorgaben und -kriterien der Richtlinie durch Schaffung eines im nationalen Recht ausgestalteten systematischen, nachvollziehbaren und in der Praxis für die mit der Erlassung der entsprechenden Vorschriften betrauten Behörden und Organen vollziehbaren Rahmens umgesetzt.

Zu diesem Zweck werden in § 6 Abs. 1 die grundsätzlichen Inhalte anhand der weiter zu bearbeitenden Fragestellungen aufbereitet und durch ein entsprechendes gemäß Abs. 2 für die Prüfung anzuwendendes Prüfschema anhand eines Fragenkatalogs konkretisiert, der in der Anlage den verpflichteten Organen zur Verfügung gestellt wird. Um den mit der Vorbereitung und Erlassung der betroffenen Vorschriften betrauten Organen die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erleichtern, ist in der Folge geplant, die technische Möglichkeit einzurichten, Verhältnismäßigkeitsprüfungen in das Software-Programm des Bundes „WFA-IT-Tool“ hochzuladen, sodass die Verhältnismäßigkeitsprüfung als Bestandteil der Ergebnisse der Wirkungsorientierten Folgenabschätzung (WFA) im Rahmen der Begutachtung mitausgesendet werden kann (vgl. auch § 7).

Die in Abs. 1 angeführten Themen korrespondieren dabei mit den jeweiligen Fragenbündeln in der Anlage. Die Umsetzung der Inhalte der Richtlinie wird dabei wie folgt abgedeckt:

Z 1: Allgemeininteresse und zu begegnende Risiken entsprechen Art. 6, ErwG 17, Art. 7 Abs. 5 und Art. 7 Abs. 2 lit. a VP-RL.

Zu Sicherstellung der richtlinienkonformen Umsetzung werden in Punkt 1.a. der Anlage nur jene Allgemeininteressen aufgelistet, die in der VP-RL einschließlich der Erwägungsgründe ausdrücklich angeführt sind. Der Punkt 1.a.16. „Sonstiges“ ermöglicht es, anderweitige bzw. ergänzende Gründe des Allgemeininteresses zu berücksichtigen, wie etwa Schutz des Vermögens, Schutz des Ansehens eines Berufsstandes, Qualität der freiberuflichen Dienstleistungen, Erhalt der Baukultur, ökologisches Bauen etc.

Nach ständiger Rechtsprechung und wie in Art. 6 Abs. 3 der VP-RL und ErwG 17, letzter Satz ausdrücklich klargestellt, stellen Gründe, die rein wirtschaftlicher Natur sind, wie die Förderung der nationalen Wirtschaft zum Nachteil der Grundfreiheiten, sowie rein verwaltungstechnische Gründe, etwa die Durchführung von Kontrollen oder das Erfassen von statistischen Daten, keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar.

Wie in ErwG 30 ausgeführt, sollten bei der Festlegung der Politik für Gesundheitsdienstleistungen berücksichtigt werden, dass die Zugänglichkeit, die hohe Qualität der Dienstleistungen und die angemessene und sichere Versorgung mit Arzneimitteln entsprechend den Erfordernissen der öffentlichen Gesundheit im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats sowie die Notwendigkeit, die berufliche Unabhängigkeit von Fachkräften im Gesundheitswesen sicherzustellen, gewährleistet werden müssen. Hinsichtlich der Reglementierung von Gesundheitsberufen sollten die Mitgliedstaaten im Rahmen des Ermessensspielraums nach Artikel 1 dieser Richtlinie das Ziel berücksichtigen, ein hohes Gesundheitsschutzniveau, einschließlich Zugänglichkeit und einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für die Bürger, und eine angemessene und sichere Versorgung mit Arzneimitteln zu gewährleisten.

Z 2: Geeignetheit und Angemessenheit der Regelung entsprechen Art. 7 Abs. 2 lit. c VP-RL.

Z 3: Verhältnismäßigkeit der Regelung unter Berücksichtigung gelinderer Mittel entspricht Art. 7 Abs. 2 lit. b und e VP-RL.

Z 4: Verhältnis zu bestehenden Vorschriften und kombinatorische Effekte insbesondere in Bezug auf bestimmte berufsrechtliche Anforderungen entsprechen Art. 7 Abs. 2 lit. f und Abs. 3 VP-RL.

Z 5: Auswirkungen auf den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr, die Wahlmöglichkeit für Verbraucher und die Qualität der Dienstleistung entsprechen Art 7 Abs. 2 lit. d VP-RL.

Z 6: berufsspezifische Zusammenhänge zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Berufsqualifikation entsprechen Art. 7 Abs. 2 Unterabsatz 2 VP-RL.

Z 7: spezifische Anforderungen an die vorübergehende Erbringung von Dienstleistungen entsprechen Art. 7 Abs. 4 VP-RL, wobei darunter nicht Maßnahmen fallen, durch die die Einhaltung geltender Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleistet werden soll, die im Einklang mit dem Unionsrecht anzuwenden sind (Art. 7 Abs. 4 letzter Unterabsatz sowie ErwG 29 letzter Satz).

Z 8: Nichtdiskriminierung entspricht Art. 5 VP-RL.

Zu § 7:

Art. 8 der VP-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten, bevor sie neue Rechts- und Verwaltungsvorschriften einführen oder bestehende Vorschriften ändern, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken,

-       Bürgern/-innen, Dienstleistungsempfängern/-innen und anderen einschlägigen Interessenträgern, auch solchen, die keine Angehörigen des betroffenen Berufs sind, auf geeignete Weise Informationen zur Verfügung stellen,

-       alle betroffenen Parteien in geeigneter Weise einzubeziehen und ihnen die Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt darzulegen und

-       soweit relevant und angemessen, öffentliche Konsultationen im Einklang mit ihren nationalen Verfahren durchzuführen.

Diesen Anforderungen wird durch die in § 7 vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines (erweiterten) Begutachtungsverfahrens Rechnung getragen. Was die in Art. 8 der VP-RL genannten Zielgruppen als Empfänger der Informationen („Bürger, Dienstleistungsempfänger und andere einschlägige Interessenträger“ bzw. „alle betroffenen Parteien“) betrifft, so würde eine wörtliche Wiedergabe dieser Begrifflichkeiten zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, da die verwendeten Begriffe innerhalb der österreichischen Rechtsordnung eine Reihe von Unklarheiten aufweisen. Es wird daher eine Formulierung gewählt, die eine jedermann zugängliche Veröffentlichung sowie eine allgemeine Möglichkeit zur Stellungnahme vorsieht. Diese offene und umfassende Formulierung wird den Anforderungen der unionsrechtlichen Verpflichtungen jedenfalls gerecht, ohne dass einzelne nicht näher definierte Gruppen aufgezählt werden.

Es wird auf den für die Bundesministerien geltenden Erlass des Bundeskanzleramtes vom 6.11.2017, BKA-600.614/0005-V/2/2017, betreffend „Erweitertes Begutachtungsverfahren; Erläuterungen zu Gesetzesvorhaben: Darstellung des Vorhabens in verständlicher Sprache; Darstellung berücksichtigter Begutachtungsanregungen“, hingewiesen, bei dessen Einhaltung die Erfordernisse der VP-RL an ein Begutachtungsverfahren jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. Des weiteren ist geplant, die technische Möglichkeit einzurichten, Verhältnismäßigkeitsprüfungen in das Software-Programm des Bundes „WFA-IT-Tool“ hochzuladen. Dadurch kann die Verhältnismäßigkeitsprüfung Teil der Dateien der legistischen Begleitmaterialien werden, insoweit den betroffenen Organen das WFA-IT-Tool zur Verfügung steht.

Hinsichtlich anderer Rechtssetzungsorgane, wie beispielweise Berufskammern, werden von diesen in Umsetzung des § 7 entsprechende Maßnahmen zu setzen sein.

Zu § 8:

Dieser dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 6 der VP-RL, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten nach der Erlassung bzw. Änderung von entsprechenden Berufsreglementierungen die Übereinstimmung der neuen oder geänderten Rechtsvorschriften, die den Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränken, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit überwachen und Entwicklungen, die nach dem Erlass der betreffenden Vorschriften eingetreten sind, gebührend Rechnung tragen.

In Abs. 1 wird die grundsätzliche Verpflichtung zur Überwachung und zur Berücksichtigung weiterer Entwicklungen nach der Erlassung der Vorschriften umgesetzt.

Die in der Richtlinie nicht näher umschriebene Überwachung soll auch im Gesetzestext nicht näher konkretisiert werden, um den jeweiligen Organen die erforderliche Flexibilität bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu geben, um im Rahmen ihres Ermessensspielraums die für die entsprechende Reglementierung adäquate Überwachungsmaßnahme setzen zu können. Ein generell vorgegebenes Überwachungs­instrumentarium würde dem erforderlichen Gestaltungsspielraum zuwiderlaufen und – da auch von der Richtlinie nicht vorgegeben – in einem nicht erwünschten „gold plating“ resultieren.

Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung und einer einheitlichen Vorgangsweise bei vergleichbaren Maßnahmen können als Vorbild die Grundsätze der Evaluierung nach § 11 der WFA-Grundsatzverordnung herangezogen werden. Da die Vorgabe der VP-RL im Zusammenhang mit den Berufsreglementierungen keine Evaluierung, sondern lediglich eine Überwachung vorsieht, können diese Grundsätze auch in vereinfachter Form angewendet werden, etwa durch Analyse, Bewertung und Prüfung, ob die im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung getroffenen Annahmen über Zusammenhänge zwischen dem Regelungsziel und den gesetzten Maßnahmen zutreffend sind. Insbesondere könnte geprüft werden:

1.     ob und in welchem Ausmaß das angestrebte Regelungsziel durch die zur Zielerreichung gesetzten Maßnahmen erreicht wurde,

2.     inwieweit die geplanten Maßnahmen umgesetzt wurden und

3.            ob und in welchem Ausmaß die erwarteten oder andere Auswirkungen eingetreten sind.

In Abs. 2 werden auch für die Überwachung Qualitätskriterien festgelegt.

Klargestellt wird, dass sofern von einem Organ eine Evaluierung nach § 11 der WFA-Grundsatzverordnung durchgeführt wird, damit jedenfalls auch der Verpflichtung zur Überwachung nach § 8 dieses Entwurfs nachgekommen wird.

Zu § 9:

Die Zuständigkeit zur Vollziehung ist aus der Zuständigkeit für eine bestimmte Rechtsmaterie abzuleiten, wie sie sich aus dem Bundesministeriengesetz 1986, in der jeweils geltenden Fassung, oder nach besonderen Vollziehungsvorschriften in den Materiengesetzen für den jeweiligen Bundesminister, die jeweilige Bundesministerin bzw. die Bundesregierung ergibt (siehe auch Ausführungen zur Kompetenzgrundlage).