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UmweltAusschuss

 


Auszugsweise Darstellung
verfasst von der Abteilung 1.4/2.4
– Stenographische Protokolle

 

9. Sitzung

Mittwoch, 16. Dezember 2020

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

TOP 1

Volksbegehren Klimavolksbegehren (348 d.B.)

9.04 Uhr – 12.45 Uhr

Camineum

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Obmann Lukas Hammer eröffnet die 9. Sitzung des Umweltausschusses zunächst nicht öffentlich und begrüßt die Anwesenden.

1. Punkt

Volksbegehren „Klimavolksbegehren“ (348 der Beilagen)

Obmann Lukas Hammer geht in die Tagesordnung ein und kommt sogleich zu Tagesordnungspunkt 1 und der Wiederaufnahme der am 11. November 2020 vertagten Verhandlungen.

Es sei vereinbart, ein öffentliches Hearing zum heutigen Tagesordnungspunkt abzuhalten, für das folgende Expertinnen und Experten nominiert seien:

I. Zukunft ermöglichen: Recht auf Klimaschutz in die Verfassung!

Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Janko (Johannes-Kepler-Universität Linz)

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand (Universität Wien)

ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian M. Piska (Universität Wien)

Assoz.-Prof. Mag. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M. (Universität Wien)

Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M. (Universität Graz)

II. Zukunft sichern: Stopp klimaschädlicher Treibhausgase

Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher (Institut für Höhere Studien)

Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl (Wirtschaftsuniversität Wien)

Dipl.-Ing. Dr. Dietrich Wertz (Gemeindevorstand Bad Tatzmannsdorf)

Univ.-Prof. Mag. Dr. Gottfried Kirchengast (Universität Graz)

*****

Einstimmige Annahme.

Der Obmann weist darauf hin, dass die heutige Sitzung des Umweltausschusses gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 der Geschäftsordnung öffentlich sei und somit auch Ton- und Bildaufnahmen während des Hearings zulässig seien.

Über das öffentliche Hearing werde eine auszugsweise Darstellung verfasst.

Abstimmung darüber, die auszugsweise Darstellung zu veröffentlichen. – Einstimmige Annahme.

Anschließend ersucht Obmann Hammer darum, den Livestream der Sitzung zu starten, und begrüßt die ProponentInnen des Volksbegehrens, die Bevollmächtigte des Volksbegehrens, Frau Katharina Rogenhofer, MSc, sowie die von ihr für diese Sitzung nominierten Stellvertreter, Herrn Florian Schlederer, BA MSc und Herrn Stefan Weiß-Fanzlau, MSc, die gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung den Verhandlungen über das Klimavolksbegehren beizuziehen seien.

Weiters begrüßt der Obmann die gemäß § 40 der Geschäftsordnung geladenen Expertinnen und Experten, bedankt sich, dass diese der Einladung des Umweltausschusses gefolgt seien, und weist darauf hin, dass sich Herr Prof. Kirchengast online zuschalten werde.

Anschließend begrüßt der Obmann Frau Bundesministerin Leonore Gewessler, BA und Herrn Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. und dankt ihnen für ihr Kommen.

Es folgen technische Mitteilungen betreffend die Redeordnung.

Obmann Hammer hält fest, dass sie alle heute hier seien, weil das Klimavolksbegehren mehr als 100 000 Unterschriften erhalten habe. Konkret seien es 380 590 Menschen gewesen, die das Klimavolksbegehren unterzeichnet haben. Das Klimavolksbegehren sei auch von den großen Religionsgemeinschaften, von vielen Unternehmerinnen und Unternehmern und von sehr, sehr vielen Freiwilligen, die ihre Freizeit dafür aufgewendet hätten, für dieses Klimavolksbegehren zu werben, unterstützt worden. Man wisse, dass die Klimakrise die größte Herausforderung sei, der sich die Menschheit je stellen musste.

Vor genau fünf Jahren sei der Pariser Klimavertrag unterzeichnet worden, und man wisse, dass Österreich noch sehr weit davon entfernt sei, die Ziele, die dort beschlossen wurden, zu erreichen. Diese Ziele würden über das Überleben und über das Leben aller nachfolgenden Generationen entscheiden. Das Klimavolksbegehren richte sich nun mit einigen wesentlichen Forderungen an das Hohe Haus als gesetzgebendes Organ der Republik. Diese Forderungen würden in diesem Ausschuss im Rahmen von zwei Expertenhearings diskutiert, heute zu den ersten beiden Themenblöcken und am 13. Jänner 2021 zu zwei weiteren Themenblöcken.

Der Obmann erklärt, dass er sich über das Zustandekommen dieses Hearings und auf einen intensiven und sachlichen Austausch freue und dass er hoffe, dass am Ende der Beratungen mit den ExpertInnen und InitiatorInnen ein gemeinsamer, fraktionsübergreifender Beschluss in Form eines Entschließungsantrages stehen werde, in dem auf einige wesentliche Forderungen des Klimavolksbegehrens eingegangen werde.

Obmann Hammer macht darauf aufmerksam, dass Bundesministerin Gewessler und Staatssekretär Brunner den Ausschuss aufgrund des Ministerrates um 11 Uhr verlassen müssten.

Eingangsstatements der VertreterInnen des Klimavolksbegehrens

Stefan Weiß-Fanzlau, MSc: Werte Damen und Herren! Werte Mitglieder des Umweltausschusses! Wir alle kennen die Meldungen über ständig neue Hitzerekorde und klimawandelbedingte Katastrophen rund um den Globus. Die von der Wissenschaft publizierten Statistiken, Daten und Fakten zu klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten und die Folgeschäden wirken bedrohlich, teilweise verstörend und sind dieser Runde sicherlich auch hinreichend bekannt.

Zahlen, Daten, Fakten stellen zweifellos die Grundlage für eine effektive Strategie und die Entscheidungen, wie wir die Klimakrise bekämpfen wollen. Zahlen sind aber offensichtlich nicht einprägsam genug, um uns den nötigen Tritt in den Allerwertesten zu geben, um jetzt sofort ins Handeln zu kommen.

Beim internen Start des Klimavolksbegehrens sind wir mit vielen persönlichen und ergreifenden Geschichten sowie individuellen Perspektiven Betroffener konfrontiert worden. Das hat etwas mit uns gemacht, das hat etwas mit mir gemacht, denn auf einmal bekamen all diese Daten und die beschriebenen Fakten und Zukunftsszenarien Gesichter. Ich spreche hier wahrscheinlich nicht nur für mich, aber erst durch diese persönlichen Geschichten und individuelle Betroffenheit habe ich in vollem Umfang begriffen, was ein mögliches Versagen, die Erderwärmung in einem vertretbaren Maß zu halten, eigentlich bedeutet.

Die Klimakrise ist Fakt, und Fakt ist auch, dass die ersten Vorboten in Österreich nicht mehr zu leugnen sind. Wenn wir über die dramatischen Auswirkungen der Erderhitzung auf unsere Gesundheit und unsere Ökosysteme lesen, wenn wir vom Rückgang des Grundwasserspiegels in weiten Teilen Österreichs erfahren, wenn wir von massiven Ernteausfällen, Überschwemmungen und anderen Extremwetterereignissen hören oder wenn wir von einem beispiellosen Waldsterben aufgrund der zu schnellen klimatischen Veränderungen Notiz nehmen, dann müssen wir uns gleichzeitig auch vor Augen halten, dass dies ganz persönliche Tragödien sind, die bereits jetzt passieren und in Zukunft dramatisch zunehmen werden.

Um da ein Beispiel zu nennen: Land- und Forstbetriebe, die über viele Generationen in einer Familie geführt wurden und nun plötzlich vor dem Aus stehen, weil ihre Bäume sterben, ihre Äcker veröden, ihre Ernte durch das nächste Extremwetter zerstört wurde. Neben den verheerenden ökonomischen Folgen stehen immer auch vom Menschen geschaffene Lebenswerke, die mit einem Mal nicht mehr sind. Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass die Erderhitzung aufgrund der topografischen Gegebenheiten hier in Österreich noch höher ausfallen wird als im weltweiten Durchschnitt.

Wirklich treffen wird es wahrscheinlich speziell unsere Kinder und unsere Kindeskinder, also all jene, die jetzt noch keine Stimme haben, und leiden werden auch wieder einmal zuerst die Schwächsten unserer Gesellschaft. Das alles wissen Sie aber wahrscheinlich auch schon, denn wir vernehmen unisono aus allen Fraktionen, dass dringend etwas getan werden muss, und das gefühlt seit mindestens zehn Jahren.

Ja, es stimmt, dieses Jahr wurden endlich umfassende Budgets zur Bekämpfung der Klimakrise beschlossen, punktuelle Einzelmaßnahmen getroffen und weitere Absichtserklärungen formuliert. Eine umfassende und langfristige Strategie und vor allem die Sicherstellung der konsequenten Zielverfolgung des 1,5-Grad-Ziels, zu dem sich Österreich verpflichtet hat, stehen aber immer noch aus.

Bei der unumstrittenen Wichtigkeit, die Coronapandemie jetzt zu bekämpfen, läuft uns trotzdem und unwiederbringlich die Zeit davon. Mit jedem Zuwarten wird es schwerer, die Folgen der Klimakrise zu begrenzen. Und, meine Damen und Herren, wir sprechen hier von unumkehrbaren Folgen für unsere Umwelt, unsere Gesundheit, unsere Lebensexistenz, die dann zur neuen Normalität unserer nächsten Generationen werden.

Werte Damen und Herren! Wir diskutieren heute über nichts Geringeres als darüber, wie wir der wahrscheinlich größten Herausforderung der Menschheitsgeschichte hier in Österreich effektiv und konsequent begegnen wollen. Ja, es ist ein globales Mammutprojekt und es wird Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik gleichermaßen fordern, und ja, es wird nur gemeinsam funktionieren.

Ihre Verantwortung, werte Repräsentantinnen und Repräsentanten der Politik, ist es, jetzt die geeigneten Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass unser Beitrag im gemeinsamen Kampf für eine lebenswerte Zukunft umfassend und konsequent vorangetrieben werden kann und die Zielverfolgung des 1,5 Grad-Ziels auch langfristig sichergestellt ist.

Die Klimakrise wird uns nämlich nicht ein, zwei oder drei Jahre beschäftigen, sondern uns jahrelang unsere vollste Aufmerksamkeit und Priorität abverlangen, und genau da setzt auch die erste der heute zu behandelnden Forderungen an. Wir fordern: Klimaschutz als weiteres Grundrecht in der Verfassung, damit sichergestellt ist, dass Klimaschutz auch zukünftig bei unseren Gesetzen und Entscheidungen mitbedacht werden muss, ganz egal, wer uns zukünftig regiert, ganz egal, welche unvorhersehbaren Herausforderungen uns noch begegnen werden, denn wir und die Generationen, die nach uns kommen, haben ein Recht auf den Schutz unserer Lebensgrundlage, unserer Umwelt. Wir haben ein Grundrecht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. – Vielen Dank.

Florian Schlederer, BA MSc: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Abgeordnete! Werte Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Journalismus! Liebe Betroffene zu Hause, deren Stimmen wir vertreten dürfen! Als Physiker interessiert mich die Welt und wie sie funktioniert. Betrachte ich diese Welt heute, dann ist eines glasklar: Wir stehen vor einer Zeitenwende. Das fossile Zeitalter ist zu Ende, eine neue Ära ist angebrochen.

Die Anzeichen dafür sind überall. Weltweit sind erneuerbare Energien die günstigste Energieform. Investorinnen und Investoren flüchten aus fossilen Anlagen. Versicherungen verweigern Kohleprojekte, Banken verlagern ihr Kapital raus aus Öl, Kohle und Gas, ja sogar Ölkonzerne wie BP ändern den Kurs. Niemals in der Geschichte wurde einem Sektor so viel Geld in so kurzer Zeit entzogen.

Die gewaltigen Veränderungen in diesem Jahr waren unmissverständlich. Alle erkennen die Zeichen der Gegenwart, und sie erkennen sie als Startschuss für den Wettlauf unserer Generation, den Climate Race, mit dem Ziel: Klimaneutralität. Dieser Wettlauf ist ein Wettlauf des Überlebens, aber auch ein Wettlauf, bei dem es sehr viel zu gewinnen gibt: eine stabile Wirtschaft, eine gerechte Gesellschaft und – am allerwichtigsten, weil unsere Lebensgrundlage – eine intakte Natur.

Seit 30 Jahren verharren wir in Österreich in den Startlöchern, die anderen sind mittlerweile losgelaufen. Die USA schlagen einen neuen Klimakurs ein, die EU hat letzten Freitag das Tempo beschleunigt, China hat zu laufen begonnen. Die Staaten überschlagen sich mit Zielversprechen: 2050! 2040! 2035! Und, meine Damen und Herren, lassen Sie sich nicht täuschen, die anderen laufen schnell, sie überholen uns! Wir dürfen nicht die Letzten werden. Wir müssen losstarten und auf die Gewinnerseite wechseln, denn unser Erfolg wird gleichzeitig ein Erfolg für die Europäische Union, für die Vereinten Nationen und für alle Menschen sein.

Sehr geehrte Abgeordnete! Wir alle wollen, dass Österreich diesen Climate Race gewinnt. Wir wollen, dass Österreich nicht wie jetzt als Schlusslicht, sondern mit den Ersten durch das Ziel läuft. Wir wollen ein Vorbild in Europa werden. Jeder/jede Marathonläufer/in profitiert von Tempomachern, die es ihm/ihr ermöglichen, über sich hinauszuwachsen – wir brauchen einen Tempomacher, um das festgesetzte Ziel der Netto-null-Emissionen bis 2040 zu erreichen, und nichts anderes fordern wir: einen Tempomacher für Österreich!

Welches Tempo benötigen wir im Climate Race? – Um in 20 Jahren null klimaschädliche Treibhausgase auszustoßen, müssen wir in zehn Jahren die Emissionen um mindestens 57 Prozent reduziert haben. Das sind jährlich etwa 8 Prozent Reduktion, das ist eine mächtige Herausforderung, ein Spitzentempo. Und wir müssen jetzt, mit 2021, losstarten, denn jede Sekunde, die wir verlieren, ist eine weitere Sekunde, in der uns andere überholen, in der wir verlieren!

Diese genannten Zwischenziele sind wissenschaftlich fundiert. Sie sind der konservativste Weg, um 2040 emissionsfrei zu sei, sie sind der beste Weg, um das Pariser Klimaziel einzuhalten, und sie sind der einzige Weg, um Österreich zum Vorreiter zu machen.

Wie sieht so ein Tempomacher aus? – Das Klimavolksbegehren hat gemeinsam mit den Menschen und der Wissenschaft einen ausgearbeitet. Als Tempomacher fordern wir mit knapp 400 000 Österreicherinnen und Österreichern einen ehrgeizigen Reduktionspfad mit verbindlichen Zwischenzielen, ein gesetzlich verankertes CO2-Budget von verbleibenden 700 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten und einen Klimarechnungshof. So, wie der Rechnungshof unseren Staatshaushalt prüft, wird der Klimarechnungshof unseren Klimahaushalt prüfen. Er wird unser CO2-Budget im Auge behalten und unser Spitzentempo aufrechterhalten.

Ganz konkret wird er Gesetze und Verordnungen einem unabhängigen Klimacheck unterziehen. Er wird Klimamaßnahmen prüfen und Verbesserungen anbringen, sollten unsere Schritte nicht mehr Richtung Ziellinie weisen. Er wird künftige Bundes- und Landesregierungen in die Verantwortung ziehen, sollten diese nicht den Klimamut besitzen, den Sie, verehrte Teilnehmer an dieser Sitzung, heute beweisen werden.

Sie könnten heute entscheiden, Österreich zurückfallen zu lassen – entgegen wissenschaftlicher Empfehlung, entgegen demokratischer Mitbestimmung –, und sich ewig über den Verlust dieser verpassten Gelegenheit ärgern, oder Sie könnten ein leuchtendes Beispiel für Politik von morgen werden! Mit verbindlichen Zwischenzielen und einem Klimarechnungshof könnten Sie unser schönes Österreich, könnten Sie uns alle zu Siegern und Siegerinnen im Climate Race machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Katharina Rogenhofer, MSc: Werte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Medienvertreterinnen und Medienvertreter! Liebe Menschen, die Sie heute via Livestream zuschauen – übrigens ein historisches Ereignis, denn Sitzungen des Umweltausschusses sind normalerweise nicht öffentlich, aber die Diskussion über ein Volksbegehren ist, glaube ich, der richtige Zeitpunkt, das zu ändern. Was das Volksbegehren fordert, ist nicht absurd, es ist die logische Konsequenz der Klimawissenschaft und eine enorme Chance für Österreich – aus Verantwortung für unsere Zukunft.

Das Ziel, 2040 klimaneutral zu werden, bedeutet vor allem eines: Wir müssen jetzt anfangen. Ab jetzt müssen unsere Treibhausgasemissionen sinken, und dafür brauchen wir ein jährliches Budget, das nicht überschritten werden kann. Wir brauchen Maßnahmen, die die Einhaltung dieses Budgets garantieren, und eine Kontrollinstanz, die unseren Fortschritt prüft. Wir brauchen Sofortprogramme im Falle von Emissionsüberschreitungen, weil wir alle ein Recht darauf haben, in einer intakten Umwelt zu leben. Wir brauchen also eine umfassende Strategie für den Übergang in die Gesellschaft von morgen, eine Gesellschaft, in der jeder und jede ein sozial gerechtes, ökologisch verträgliches und ökonomisch abgesichertes Leben führen kann.

Klimaschutz muss vom Privileg zur Norm werden, etwas, für das man sich nicht entscheiden muss. Das zu sichern ist Ihre Aufgabe!

Wenn wir eines aus der Coronakrise gelernt haben, dann das, dass sich frühes Handeln lohnt! Sorglosigkeit hingegen bedeutet, dass viel später Maßnahmen ergriffen werden, die von Nachteil für Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft sind. Das zeigt uns: Jeder Tag, der in einer Krise verstreicht, macht spätere Maßnahmen teurer. Jede Entscheidung, die heute als zu schwierig vertagt wird, wird morgen noch schwieriger! Deshalb braucht es jetzt vorausschauende, zukunftsgerichtete Klimapolitik.

Sie haben die Hebel in der Hand, die Klimakrise zu bremsen – und mehr als das: Mit den richtigen Schritten können Sie nicht nur eine Katastrophe verhindern, sondern eine lebenswerte Zukunft für uns alle schaffen, eine Zukunft, in der klimafreundliches Handeln nicht vom Geldbörsel abhängt, in der nachhaltiges Leben die einfachste und bequemste Alternative ist, eine Zukunft, in der wir umweltfreundlich von A nach B kommen, eine Zukunft mit Grünflächen statt Turbobodenversiegelung, eine Zukunft mit regionaler erneuerbarer Energie, einer Wirtschaft, die Stoffkreisläufe schließt, und in der wir, statt Müllberge zu produzieren, die wunderschöne Natur unserer Berge erhalten.

Investitionen in den öffentlichen Verkehr, in regionale und nachhaltige Produktion, in den Ausbau von erneuerbaren Energien fördern zusätzlich regionale Wertschöpfung, verbessern die Gesundheit und schaffen Hunderttausende Arbeitsplätze.

Das alles und noch viel mehr können wir mit mutiger Klimapolitik gewinnen.

Die letzten eineinhalb Jahre haben die Klimadebatte in Österreich gedreht. Ohne den beispiellosen Einsatz der Menschen in Österreich wäre die Klimakrise weiterhin ein Randthema. Wir zeigen Ihnen heute, dass wir hinter ambitionierter Klimapolitik stehen, und alle Umfragen geben uns recht: Noch nie gab es eine so vielfältige und breite Bewegung zum Klimaschutz – und wir dürfen heute als Teil dieser Allianz vor Ihnen sprechen.

Wir, das sind knapp 400 000 Menschen, die mit ihrer Unterschrift ein Zeichen für ambitionierten Klimaschutz gesetzt haben. Wir, das sind Tausende Freiwillige in ganz Österreich, die neben ihrer Arbeit, neben dem Studium, neben Kindern und Familie unermüdlich für das Klima im Einsatz sind. Wir sind Betroffene, denen der Wald wegstirbt und die Ernte vertrocknet. Wir sind Expertinnen und Experten, die vielfältige Lösungen vorschlagen. Wir sind Kunst- und Kulturschaffende, die mit Kreativität wichtige Zukunftsfragen stellen. Wir sind Glaubensgemeinschaften, die um die Schöpfung bangen. Wir sind Unternehmen, die umdenken und zukunftsfähig werden. Wir sind Großeltern, die sich um die Enkelkinder sorgen. Und wir sind junge Menschen, teilweise noch zu jung, um das Klimavolksbegehren zu unterschreiben. Sie wurden heute vor dem Saal von ganz vielen Handabdrücken begrüßt, die alle von Kindern und Jugendlichen stammen, die um ihre Zukunft bangen.

Wir alle wissen, dass ein Weiter-wie-Bisher nicht möglich ist, dass ein Weiter-wie-Bisher fahrlässig wäre, und wir wissen, dass wir es ändern können, dass wir es ändern müssen. Die Menschen sind also beim Klimaschutz dabei. – Sind Sie es auch?

Das Gute ist: Die Lösungen liegen mit dem Klimavolksbegehren auf dem Tisch. Die Behandlung unserer Forderungen ist also gleichzeitig eine Aufforderung – eine Aufforderung, loszustarten und die Zeichen der Zeit zu erkennen, die Menschen in Österreich ernst zu nehmen, die Klimakrise ernst zu nehmen, die Chance zu ergreifen, vorausschauende Klimapolitik zu machen und mit uns gemeinsam einen mutigen Weg voranzugehen.

So wie die Menschen in Österreich mit vereinter Stimme Klimaschutz fordern, so können Sie in den kommenden Sitzungen Klimaschutz umsetzen. Im historischen Schulterschluss, wie es noch keiner gemacht hat – NEOS –, gehen wir klimamutig in die neuen Zeiten – ÖVP –, in eine faire, soziale, heimattreue Zukunft – FPÖ –, die der Anstand wählen würde – Grüne –, wo Menschlichkeit siegt – SPÖ –, jetzt! Das ist Ihre Verantwortung. – Danke schön.

Statement der Bundesministerin

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Werter Herr Vorsitzender! Liebe OrganisatorInnen des Klimavolksbegehrens – ich begrüße stellvertretend Katharina Rogenhofer! Werte Abgeordnete! Ich möchte mit einer Gratulation beginnen, mit einer Gratulation an die Initiatoren und an die vielen, unzähligen Freiwilligen des Klimavolksbegehrens, die uns zum Teil auch heute hier begrüßt haben. Mit über 380 000 Unterstützerinnen und Unterstützern hat dieses Volksbegehren ein wichtiges Zeichen gesetzt. 380 590 Menschen sind es genau, die den Kampf gegen die Klimakrise als so dringlich ansehen, dass sie sich die Zeit nehmen, ihre Forderungen deutlich an uns alle zu richten, und das ist beachtlich.

Es freut mich, dass es in der Bevölkerung einen so großen Rückhalt für den Klimaschutz gibt, denn wir bekommen die Auswirkungen dieser Krise von Jahr zu Jahr deutlicher zu spüren: Hitzewellen, Überflutungen, Wälder, die brennen, extreme Trockenheit, die wir alle spüren, und diese Situation wird sich verschärfen, wenn wir nichts tun.

Die Emissionen in Österreich lagen sowohl 2017 als auch 2018 über den Zielen, die uns die EU vorgibt. In absoluten Zahlen liegen wir ungefähr dort, wo wir vor 30 Jahren waren, und das obwohl wir alle bereits die Folgen unseres Handelns, die Auswirkungen der Klimakrise hautnah erleben. Auch 2019 war die Emissionssituation nach den vorläufigen Daten auf einem ähnlichen Niveau wie 2018, während uns der Zielpfad bis 2020 und darüber hinaus eine deutliche jährliche Reduktion vorgibt. Es ist völlig klar: So etwas darf uns nicht mehr passieren.

Vergangene Woche hat sich der Europäische Rat auf ein neues EU-Klimaziel geeinigt, nämlich: die Reduktion von mindestens 55 Prozent Treibhausgasemissionen gegenüber 1990. Das ist richtig, das ist notwendig, denn im Kampf gegen die Klimakrise ist scheitern einfach keine Option. Uns beginnt die Zeit davonzulaufen, deswegen brauchen wir beides: starke Ziele, aber auch entschlossene Maßnahmen. Nur so kann die Klimakrise in ihren Auswirkungen abgeschwächt werden.

Der Kampf gegen die Klimakrise und die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft sind große, transformative Aufgaben, denen wir mit grundlegenden Veränderungen begegnen müssen. Deswegen brauchen wir eine mutige Politik, die Verantwortung übernimmt, und deswegen brauchen wir auch eine Basis in der Gesellschaft, denn wir können die Aufgaben nur gemeinsam stemmen; nicht, wenn wir nur einige wenige sind, sondern nur, wenn wir viele sind, alle gemeinsam an einem Strang ziehen.

Genau das bewirkt eine Initiative wie das Klimavolksbegehren. Das Klimavolksbegehren schafft die Basis dafür, den Klimaschutz in die Breite zu tragen und kommunikativ, im Dialog und durch eine klare Botschaft an die Menschen und vor allem auch an die Politik in Österreich, zu wirken, zu vermitteln: Wir müssen etwas tun! Diese Botschaft ist an uns gerichtet, an uns hier in diesem Raum, deswegen sind wir heute hier.

Der rote Faden, der sich durch die Arbeit des Klimavolksbegehrens durchzieht, ist die Überparteilichkeit, die Unabhängigkeit, die Sachlichkeit, die Unterstützung durch unzählige Freiwillige, die Unterstützung durch die Wissenschaft, und genau das ist ein wertvoller und wichtiger Zugang und nur so können wir alle gehört werden und unseren Beitrag leisten.

Ich schaue kurz zurück in die Siebzigerjahre. Ich weiß, der Vergleich ist in Österreich strapaziert, aber in den Siebzigerjahren haben wir in Österreich eine Entscheidung getroffen, nämlich die Entscheidung gegen die Atomkraft, und die wirkt bis heute, die prägt das Land bis heute, die prägt die Politik bis heute. Ich erzähle das nicht, weil das ein politischer Erfolg war, ich zeige das als Erfolg einer Bewegung auf – als Erfolg einer Bewegung, die informiert hat, die die Debatte über dieses Thema unabhängig von politischen, sozialen, ökonomischen Hintergründen vorangetrieben hat, die mobilisiert hat, die gezeigt hat, jede einzelne Stimme, jeder einzelne Beitrag für den Klimaschutz zählt. Heute haben wir einen starken Konsens, und wir alle sind froh, dass wir damals die richtige Entscheidung getroffen haben.

Und genau an diesem Punkt stehen wir heute wieder, genau diese Kraft aus der Bewegung brauchen wir heute wieder. Ich bin davon überzeugt, auch das können wir in Österreich schaffen, gemeinsam, wenn wir an einem Strang ziehen, wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, wenn wir sie in transformative Maßnahmen übersetzen. Das Klimavolksbegehren trägt wirklich entscheidend dazu bei.

Die Klimabewegung, das sind alle, die meint alle, unabhängig vom Alter, unabhängig vom Beruf, von der politischen Meinung, von der finanziellen Situation, wir lassen niemanden zurück. Wir wollen diese Herausforderung gemeinsam meistern, denn bei der Bewältigung der Klimakrise geht es auch um Gerechtigkeit, das ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. All das spiegelt sich in den Forderungen des Klimavolksbegehrens wider, sei es die Forderung nach einem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, sei es die Forderung nach der ökosozialen Steuerreform mit einer steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit und einem fairen Preis für den Ausstoß von CO2.

Ja, wir haben in Österreich beste Voraussetzungen. Wir können vorangehen, wir können zeigen, dass es geht. Wir haben uns die politischen Ziele gesetzt, wir haben erste Schritte gemacht. Ich weiß aber auch, wir haben noch viel Arbeit vor uns, und ich weiß auch, das ist unsere Verantwortung, meine Verantwortung als Ministerin, unsere Verantwortung als Bundesregierung, Ihre Verantwortung, unsere gemeinsame Verantwortung als Abgeordnete in diesem Hohen Haus, und wir können und wir werden und wir haben diese historische Aufgabe erst gemeistert, wenn wir die Klimaneutralität erreicht haben. Wir sollten uns gemeinsam mit diesem Rückenwind auf den Weg machen!

Noch einmal ganz, ganz herzlichen Dank für die große Motivation und den Einsatz aller Freiwilligen des Klimavolksbegehrens, die vor allem auch im Dialog zum Klimaschutz etwas weitergebracht haben.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute, intensive, konstruktive Debatte im Nationalrat mit viel erneuerbarer Energie für den Austausch und den weiteren Austausch zum Thema unserer Generation, zum Klimaschutz. – Herzlichen Dank.

I.              Zukunft ermöglichen: Recht auf Klimaschutz in die Verfassung!

Statements der ExpertInnen

Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Janko: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem auch RepräsentantInnen des Klimavolksbegehrens! Ich freue mich und danke für die Gelegenheit, heute mit Ihnen über das im Klimavolksbegehren als Punkt 1 geforderte Grundrecht auf Klimaschutz diskutieren zu dürfen.

Gestatten Sie mir im Lichte des vom Herrn Obmann angesprochenen doch engen Zeitkorsetts, ohne allgemeine Vorbemerkungen zur Bedeutung des Klimaschutzes und zum Kampf gegen den Klimawandel als eine zentrale Herausforderung – wenn nicht die zentrale Herausforderung – der Gegenwart, die auch ich natürlich vollinhaltlich teile, gleich in die juristische Betrachtung einzugehen!

Grundrechte, meine Damen und Herren, sind lehrbuchhaft subjektive Rechte, also für Einzelpersonen durchsetzbare Ansprüche, die nicht bloß in einem einfachen Gesetz, sondern in der Verfassung verankert sind. Dieser Verfassungsrang bedeutet nicht, dass die jeweilige Berechtigung unantastbar wäre. Sie ist aber in dem von der Verfassung gezogenen Rahmen der Disposition der einfachen Parlamentsmehrheit entzogen. Zu Ihrer Abänderung bedarf es wieder eines Verfassungsgesetzes, und ein Verstoß gegen dieses Prinzip führt zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes und gegebenenfalls zu dessen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist natürlich der Inhalt der in der Verfassung verankerten Garantie von ganz zentraler Bedeutung, denn sie wird im Streitfall zum Prüfungsmaßstab vor dem Verfassungsgerichtshof. In der offiziellen Begründung zum Klimavolksbegehren wird in dieser Hinsicht zum einen die Reduktion der Emissionen im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und zum anderen die Bedachtnahme auf den Klimaschutz bei allen Regelungsvorhaben gefordert. Was Letzteres betrifft, steht wohl schon nach geltender Rechtslage außer Streit, dass im Sinne der klassischen Grundrechtsformel des VfGH ein erhebliches öffentliches Interesse an Maßnahmen gegen den Klimawandel besteht, und zwar ein solches Interesse, das gesetzliche Eingriffe in die Dispositionsfreiheit der Menschen natürlich legitimieren kann.

Um diesen Aspekt noch stärker zu betonen, braucht es nicht unbedingt ein Grundrecht. Eine Aufnahme in den Katalog wichtiger Staatsziele, etwa ein Bundes-Verfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit und so weiter, wäre ausreichend und zweckmäßig. Ich muss sagen, in diesem Sinne habe ich in Wahrheit auch die französischen Initiativen seitens der französischen Bürgerversammlung auf verfassungsrechtliche Verankerung des Klimaschutzes in der französischen Verfassung verstanden.

Praktisch etwas schwieriger zu handhaben wäre indes die zweite, für das Ziel des Klimavolksbegehrens natürlich wohl noch deutlich zentralere Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Absicherung einer Senkung der CO2-Emissionen. Ich meine, natürlich kann das Ziel einer schrittweisen Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen um einem bestimmten Prozentsatz oder auch das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichende Ziel einer vollständigen Klimaneutralität Österreichs problemlos in der Verfassung festgeschrieben werden. Man muss sich nur fragen, was genau die Konsequenzen sind und vor allem, was zu gelten hat, wenn dieses Ziel oder ein Teilziel am Weg zum endgültig zu erreichenden Ziel der Klimaneutralität nicht erreicht wird. Wie bereits erwähnt steht es dem Verfassungsgerichtshof nach geltender Rechtslage nur zu, Gesetze mit einem der Verfassung widerstreitenden Inhalt aufzuheben. Er ist also, wie man so schön sagt, nur negativer Gesetzgeber.

Im gegebenen Zusammenhang – das muss man sich immer verdeutlichen – geht es jedoch um eine Zielvorgabe, die nur mit einem umfassenden Bündel an erstzusetzenden Maßnahmen erreicht werden kann. Zu allem Überfluss gibt es auch nicht nur den einzig möglichen Weg, der zum Ziel führt, sondern das ganze Ziel kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise erreicht werden.

Für den Verfassungsgerichtshof, der Verstöße gegen die verfassungsrechtliche Zielvorgabe zu sanktionieren hätte, würde dies zunächst erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Prüfungs- und Aufhebungsumfangs nach sich ziehen, denn es gäbe angesichts der theoretisch zur Verfügung stehenden Maßnahmenfülle im Regelfall ja nicht die eine einfachgesetzliche Anordnung, die mit dem Klimaziel unvereinbar wäre, vielmehr wären bei Zielverfehlung potenziell alle gesetzlichen Regelungen, die in irgendeiner Weise klimarelevant sind und entsprechend geschärft werden könnten, vom Vorwurf der Verfassungswidrigkeit betroffen und müssten allenfalls der Aufhebung verfallen, wenn auch natürlich mit Fristsetzung, um der Gesetzgebung eine Nachbesserung zu ermöglichen.

Von den grundrechtlichen Schutz- und Gewährleistungspflichten her, die es ja bei vielen Grundrechten anerkanntermaßen gibt, ist diese etwas eigenwillige Konsequenz unseres Rechtsschutzsystems an sich hinlänglich bekannt. Eine bloße Feststellung, dass die verfassungsrechtlich verankerten Klimaschutzziele verfehlt wurden, steht dem VfGH nach geltender Verfassungsrechtslage nicht zu. Das heißt, eine derartige Kompetenz des Höchstgerichts müsste erst geschaffen werden. Als Ersatz für die Befugnis der Gesetzesaufhebung wegen Zielverfehlung würde so eine bloße Feststellung dem postulierten Grundrecht naturgemäß einiges an Attraktivität nehmen.

Eines muss man jedenfalls noch bedenken: Eine solche Neuregelung wäre auch nicht in der Lage, das Problem zu lösen, dass die verfassungsgerichtliche Feststellung der Zielverfehlung allein noch nicht garantieren kann, dass die aus Sicht des Klimaschutzes erforderlichen Maßnahmen in der Folge tatsächlich getroffen werden, und darum geht es ja.

Wie gesagt, der VfGH ist – das aus gutem Grund – nicht dazu berufen, selbst gesetzliche Anordnungen zu erlassen, hierfür fehlt nicht zuletzt auch die demokratische Legitimation. Maßnahmen zu erdenken und umzusetzen bliebe immer noch Sache der Politik. Ob diese durch individuelle Sanktionsdrohungen, zum Beispiel die Androhung von Beugestrafen gegen säumige Politikerinnen und Politiker, motiviert werden sollte, ist eine ganz andere Frage. Ich möchte aber nur dazusagen, diese hat vor nicht allzu langer Zeit in Bayern immerhin zu einem darauf bezogenen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH geführt, was dann allerdings mit einer negativen diesbezüglichen Feststellung geendet hat.

Die geforderte Verankerung eines Grundrechts auf Klimaschutz impliziert freilich nicht bloß die Beschränkung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums der einfachen Parlamentsmehrheit, sondern, wie eingangs schon erwähnt, auch die individuelle Durchsetzbarkeit der verbrieften Garantie durch die Anspruchsberechtigten. Was offenbar intendiert ist, ist die Öffnung eines Rechtswegs auch für Anträge wie jene Klimaklage, mit der mehr als 8 000 Personen erst kürzlich beim VfGH – wenn auch letztlich ohne Erfolg, weil die Prozessvoraussetzung nicht erfüllt war – die Aufhebung von Steuerbefreiungen für die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen begehrt haben.

Da Grundrechtsträger wohl jedenfalls alle Menschen wären, die sich in Österreich nicht bloß vorübergehend aufhalten, wäre die konsequent zu Ende gedachte Folge des geforderten Grundrechts ein doch ziemlich unüberschaubarer Kreis an Personen, die beim VfGH einen nicht unerheblichen Teil der Rechtsordnung mit der Behauptung der unzureichenden Erfüllung des Klimaschutzziels anfechten könnten. Das heißt, im Ergebnis hätten wir es fast mit einer Art von Popularklage zu tun, die den Gerichtshof in puncto Überlastung vielleicht auch ein bisschen in Probleme bringen könnte, wenn er nicht wie in den Neunziger-, Achtzigerjahren zum Individualantrag, der damals eingeführt wurde, eben wieder entsprechende Beschränkungen des Gerichtszugangs judiziert oder das Grundrecht vielleicht sogar wie bei manchen Verbürgungen in der EU-Grundrechtecharta zu bloßen Grundsätzen herabstuft und damit die hohen Erwartungen dann doch wieder enttäuscht.

Ein Problem würde sich selbst bei Akzeptanz einer derartig weitreichenden Antragsbefugnis an den VfGH stellen, wie zuerst schon angerissen, nämlich die Frage nach der Durchsetzbarkeit gesetzgeberischer Unterlassungen. Im Gegensatz zum Recht auf saubere Luft nach der Luftqualitätsrichtlinie der Europäischen Union, für das nach jahrelangem Hin und Her zumindest – wenn auch, aber doch – ein Recht auf bescheidmäßigen Abspruch über den Anspruch auf Erlassung eines Luftqualitätsplans anerkannt wurde, stünde beim Recht auf Klimaschutz im Fall von Zielverfehlung nicht bloß ein unterbliebenes Tätigwerden der Verwaltung, sondern über weite Strecken auch eine Säumnis der Bundes- und/oder Landesgesetzgebung zur Diskussion, und da ist dieser Weg natürlich juristisch nicht ganz so leicht gangbar.

Ich darf kurz zusammenfassen: Mit der Festschreibung eines Grundrechts auf Klimaschutz allein wäre es wohl nicht getan. Um Brüche zu vermeiden, bedürfte es auch flankierender Maßnahmen, insbesondere diverser Anpassungen im verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystem. Ob man diese Änderung aus Anlass oder speziell für Zwecke des Klimaschutzes vornehmen will, ist freilich keine primär rechtliche, sondern eine politische Frage. – Danke vielmals.

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Umweltausschusses, vielen Dank für die Einladung! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Frau Rogenhofer und Team als Gesicht einer wichtigen Initiative! Sehr geehrte Sachverständige und auch ZuseherInnen!

Ich finde, dass der Livestream ein demokratisches Moment in diese Initiative bringt, weil es eben sichtbar wird: Neben zivilgesellschaftlichem Engagement braucht es auch Öffentlichkeit, aber am Ende braucht es dann auch eine verbindliche Entscheidung, eine Regelsetzung, deswegen sind wir hier im Parlament und müssen immer wieder auch im Blick haben, was Parlament, Regierung und Rechtsprechung machen.

Ich halte das für einen sehr wichtigen Gegenstand und einen wichtigen Moment, weil sich ja, wie wir auch schon in den ersten Statements gehört haben, die Politik gerade glücklicherweise darin übertrifft, ambitionierte Klimaziele zu formulieren – es gibt gerade Paris plus fünf oder den EU-Ratsgipfel.

Allerdings ist es immer noch schwierig, die konkreten Maßnahmen zu formulieren und umzusetzen. Sie sind oft unzureichend. Was sind Entscheidungen für oder gegen bestimmte Infrastrukturen, für oder gegen bestimmte Energieträger, für oder gegen bestimmte Technologien, Institutionen? – Deshalb braucht es einen Rahmen, und für eine staatliche Bestimmung gibt es natürlich nichts Höheres als die Verfassung. Ich halte es auch deshalb für wichtig, weil die Politik – das hat die Bundesministerin auch angedeutet – endlich aus dem Modus des Reaktiven herauskommen könnte. Wir laufen mit einer sich zuspitzenden Klimakrise Gefahr, dass die Politik weiterhin auf Krisenphänomene reagiert und nicht agiert. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Ich werde nun nicht die Folien durchgehen, weil das Setting hier nicht so ist, dass Sie sich darauf konzentrieren können, sondern lasse die erste Folie stehen und mache nur einige Bemerkungen.

Eine Bemerkung vor dem Hintergrund der Forschung zu sozial-ökologischer Transformation – wir sind da gerade in Österreich mit einer sehr aktiven Forschungscommunity auch international gut unterwegs –: Was sind zentrale Aussagen und was können Sie hier für die Beratung mitnehmen? – Erst einmal, auch das ist angedeutet worden, braucht es mutige Politik. Die Wirksamkeit weitreichender Politik, also von Politik, die nicht unmittelbar Konsequenzen erzeugt, muss eben in einem größeren Rahmen abgesichert werden. Da ist aber Politik natürlich in Pfadabhängigkeiten eingezwängt: Wie sind Ministerien aufgebaut? Wie sind politische Prozesse aufgebaut? Was bedeutet Wachstumsorientierung, auch in der Gesellschaft, in der Wirtschaft?

Politik will Legitimität, aber was Legitimität betrifft – da würde ich den ersten Statements etwas widersprechen –: Es ist nicht so, dass die österreichische Bevölkerung, also alle, aktiv Klimaschutz will, sondern es muss dafür auch immer wieder geworben werden.

Wirksamkeit, Legitimität, Pfadabhängigkeiten – ich könnte andere Begriffe nennen –: In das ist die Politik eingezwängt. Deshalb braucht es richtungssichere Maßnahmen, die nicht, wie Kollege Janko gerade sagte, mit einer einfachen Mehrheit zurückgedrängt werden können.

Die Forschung zu sozial-ökologischer Transformation der letzten Jahre – gerade im Umweltausschuss werden viele das WBGU-Gutachten, das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung in Deutschland von 2011 kennen, das war gerade im deutschsprachigen Raum so der Auftakt der Diskussion – macht drei Punkte stark – ich mache das nun in den 8 Minuten natürlich sehr verkürzt –:

Der erste Punkt ist: Es reicht nicht, sich einen Transformationsprozess, einen sozial-ökologischen Umbauprozess aus rein technologischen Lösungen, aus technological fixes, zu erwarten. Zur Bekämpfung der Klimakrise reicht Geoengineering nicht – das hat ja eher auch negative Auswirkungen –, aber auch nicht die Hoffnung auf E-Automobilität.

Zweiter Punkt: Es wird nicht reichen, wenn wir weiter die Wachstumsorientierung stark lassen, also wenn man das mit grünem Wachstum oder nachhaltigem Wachstum labelt oder wie aktuell in der Krise davon spricht, wir wachsen aus der Krise heraus, sondern es muss – vor mir sitzt Kollegin Stagl, die ganz wesentliche Beiträge dazu geleistet hat – eine Infragestellung der unbedingten Wachstumsorientierung geben. Das ist ein wichtiges Ergebnis der Forschung zu sozial-ökologischer Transformation.

Der dritte Punkt, der auch wichtig ist, weil er gerade gegenüber den sozialen Bewegungen, gegenüber Fridays for Future immer wieder gebracht wird, ist die Individualisierung ökologischer Verantwortung: Auch das reicht nicht. Die Verhaltensökonomik argumentiert da stark in diese Richtung – wenn ihr nur richtig ökologisch konsumiert, wenn es genug Bewusstsein gibt, wenn es genug Anreize gibt, dann werden wir das hinkriegen! Das ist auch wichtig, wie die Forschungen zeigen, aber es wird nicht reichen, deshalb braucht es einen viel weitgehenderen Umbau unserer Produktionsweise, unserer Lebensweise sowie auch unserer Werte und Orientierung.

Deshalb zeigen die Forschungen, dass es – ich glaube, im Parlament muss ich das nicht besonders unterstreichen –, gerade weil es widerstreitende Interessen in der Gesellschaft gibt, weil es auch Planungsunsicherheit in der Wirtschaft gibt, klare, verbindliche Rahmenbedingungen braucht, und die kommen sehr stark vom Staat. Diese ermöglichen der Politik auch – ich habe es eingangs gesagt –, dass sie nicht weiterhin den Problemen hinterherhinkt.

Kollege Janko als Jurist hat schon gesagt, es müsste komplementäre Maßnahmen geben. Die Forschungen zu sozial-ökologischem Umbau zeigen auch, ein komplementärer oder vielleicht auch ein übergreifender Diskurs wäre gar nicht so sehr das ambitionierte Ziel der CO2- oder der Klimagasreduktion – wichtig genug, und das ist der Gegenstand hier –, sondern es ist ein anderes Wohlstandsmodell. Dieses andere Wohlstandmodell muss im Bereich von Mobilität entstehen – raus aus der Zentrierung von Auto- und Flugverkehr! –, im Bereich der Ernährung – raus aus der industriellen Landwirtschaft! Da gibt es jede Menge Forschung dazu. Wir wissen ja eigentlich auch, wie der Umbau aussehen kann, und das schafft am Ende auch die Legitimität für den Kampf gegen die Klimakrise. Wir brauchen Leitbilder. Ein gutes Leben für alle: Das ist eine Debatte, die gerade hier von Wien aus immer wieder geführt wird.

Das sind Aspekte aus der Forschung, die dann auch begründen, warum es sich lohnt – ich bin kein Jurist, ich spreche als Politikwissenschafter –, warum Klimaschutz, Klimaneutralität als Verfassungsziel nicht nur der Politik und damit auch der Gesellschaft klare Vorgaben gibt, sondern auch eine hohe Symbolik hat. Die Gesellschaft lebt auch davon, dass es starke politische Diskurse gibt, dass es starke Selbstverständigung gibt, und deshalb ist auch die Öffentlichkeit zu schaffen, wie es heute stattfindet.

Die Politik wird auch nicht darum herumkommen – damit bin ich schon bei der letzten Bemerkung –, wirtschaftliche Macht einzuhegen, die nicht in Richtung Nachhaltigkeit möchte, da sollten wir gar nicht drum herum sprechen oder uns drum herum winden. Es wird in den Entscheidungen für eine klimagerechte Gesellschaft auch Akteure geben – starke wirtschaftliche Akteure –, die verlieren.

Zwei Schlussbemerkungen, offene Fragen – ich stelle die Folien danach auch gerne zur Verfügung –: Der erste blinde Fleck in der Debatte um ambitionierte Klimapolitik ist die Frage der Produktionsseite. Wir müssen viel ernster nehmen, wie ein Produktionsmodell Österreich, das ja sehr stark von Automobilität und allem abhängig ist, umgebaut wird; die Debatte um Just Transition, um gerechten Strukturwandel. Ich zeige nur kurz eine Broschüre (eine Broschüre mit der Aufschrift „Abschied vom Auto?“ in die Höhe haltend), die wir gerade produziert haben, und zwar aus einem Forschungsprojekt des Klima- und Energiefonds, bei dem wir uns die Rolle der Gewerkschaften und Beschäftigten angesehen haben.

Der letzte Punkt ist die internationale Dimension – ich bin ja Professor für Internationale Politik – und das ist natürlich ein wichtiges Thema. Den Begriff, den ich für die Diskussion vorgeschlagen habe, ist die imperiale Lebensweise.

Ich will aber abschließend auf einen anderen Punkt eingehen. Klimaschutz ist BürgerInnenrecht, aber Klimaschutz ist auch Menschenrecht, und Menschenrecht heißt: nicht nur für die Menschen, die in Österreich leben.

Was wir also auch brauchen – wieder Stichwort flankierende Maßnahmen von Kollegen Janko –, sind Maßnahmen wie beispielsweise ein Lieferkettengesetz, wie Konzernverantwortung in Kombination mit Corporate Social Responsibility, also auch mit freiwilligen Maßnahmen, damit in der Gesellschaft und auch richtungssicher, also rechtlich deutlich, wird, wir sind in globale Waren- und Wirtschaftsströme eingebettet und müssen auch da politisch verantwortlich handeln. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Christian M. Piska: Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz auf einige wesentliche Punkte eingehen, die das Klimavolksbegehren beinhaltet. Klimaschutz ist außerordentlich wichtig und essenziell, da sind wir uns einig. Wir sind uns aber sicher auch einig, dass wir das mit einem ausgewogenen und verfassungskonformen Konzept umsetzen müssen. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Ich möchte auf zwei Punkte, die im Klimavolksbegehren zum Ausdruck kommen, näher eingehen. Der eine ist der Umstand, dass der Klimaschutz von einem öffentlichen Interesse zu einem Individualrecht gemacht wird – das wurde schon erwähnt –, und der zweite ist der Klimarechnungshof beziehungsweise der Klimadienst. Es gibt da zwei Dinge, die problematisch werden könnten, und zwar erstens die Beurteilung von laufenden Gesetzesvorhaben – unser Rechnungshof, wie wir ihn jetzt kennen, macht das ja nur im Nachhinein mit der Verwaltung –, und zweitens ist die Beratung von Gerichten etwas, das wir in dieser Form so noch nicht hatten.

Wir haben im BVG Nachhaltigkeit eine Regelung, die bereits den Klimaschutz miteinschließt. Umfassender Umweltschutz und insbesondere die Bewahrung der Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen werden dort proklamiert. Dort ist der Umweltschutz miteingeschlossen, und ich könnte mir vorstellen, dass man – für eine Signalwirkung – darin auch noch den Klimaschutz ausdrücklich mitverankert. Das wäre eine Alternative zur Schaffung eines Grundrechts.

Der Grundrechtsvorschlag selbst ist außerordentlich weitgehend. Jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels. Das Problem, das ich da sehe: Es sind alle Menschen, die von der Klimakrise betroffen sein könnten, erfasst. Das heißt, jeder kann dieses Grundrecht geltend machen, und zwar nicht nur im Rahmen der Gesetzgebung, sondern eventuell auch im Rahmen des Individualrechtsschutzes, und dadurch Verfahren eröffnen, mit denen er oder sie persönlich nichts zu tun hat. Es ist keine individuelle Betroffenheit mehr erforderlich.

Das Grundrecht fordert damit etwas, was in der Realität leider nicht umsetzbar ist. Es ist Österreich gar nicht möglich, jeden Menschen zu 100 Prozent vor den negativen Folgen des Klimawandels zu schützen, nicht einmal annähernd.

Es gibt da massive Vollzugsprobleme, die bei der Umsetzung eines solchen Grundrechts zum Ausdruck kommen. Grundrechte werden immer von der Gerichtsbarkeit geschützt beziehungsweise gewahrt und in ihrer Judikatur umgesetzt. Das heißt, hier wird die Gerichtsbarkeit im Prinzip als Motor des Klimaschutzes instrumentalisiert. Die Gerichtsbarkeit, insbesondere die Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, hat aber dem Gesetz zu dienen beziehungsweise das Gesetz auf seine Verfassungskonformität zu kontrollieren und nicht politische Ziele umzusetzen. Letzteres müsste die Gerichtsbarkeit angesichts dieses Grundrechts jedoch tun.

Halten wir fest: Es ist keine judizielle Aufgabe, Klimaschutzstrategien festzulegen. Hier werden die Möglichkeiten der Gerichtsbarkeit überstrapaziert. Das könnte dazu führen, dass in individuellen Verfahren, zum Beispiel bei der Erteilung von Betriebsanlagengenehmigungen, geprüft wird, ob diese Betriebsanlage vielleicht den Klimaschutz über Gebühr beeinträchtigt. Was dabei herauskommt, ist nicht vorhersehbar.

Es gibt bei den Forderungen leider auch massive inhaltliche Defizite. Was in der Ausformulierung vorgeschlagen wird, ist keine Smartregulation. Das heißt, wir haben da eine klassische Tendenz zu einer hochkomplexen Überregulierung, die in dem ganzen Entwurf omnipräsent ist. Das ist gar kein Vorwurf, wir bemerken das heutzutage leider laufend. Das ist viel zu kompliziert und unüberschaubar, um effektiv umgesetzt werden zu können.

Ich lehne außerdem die Idee, einen künstlichen Lenkungseffekt durch steuerliche Bestrafung von angeblich klimaschädlichen Maßnahmen zu erzielen, komplett ab, gerade in Coronazeiten. Man darf den Klimaschutz natürlich nicht vergessen, aber man muss auch berücksichtigen, dass wir nicht wissen, welche wirtschaftlichen Folgen auf uns zukommen. Da sollte man im Interesse der Bevölkerung mit viel Bedacht vorgehen.

Des Weiteren schließt sich der Entwurf einer Tendenz an, die wir heute bemerken: Wir schauen nur auf die Emissionsstandards, wir schauen aber nicht auf das nachhaltige Konsumverhalten. Das heißt, es bleibt komplett unberücksichtigt, dass Menschen ältere Produkte vielleicht auch längere Zeit benutzen. Das ist nachhaltiges Verhalten par excellence; denn ein Entwurf, der nur auf die Emissionen der verwendeten Produkte abstellt, fördert natürlich ungewollt – so will ich annehmen – durch die Favorisierung lediglich neuer Produkte die Konsumgesellschaft in extremer Weise.

Wir haben im Entwurf leider auch ganz massive rechtsstaatliche Probleme. Es gibt liberale Defizite. Der Klimaschutz als öffentliches Interesse schafft, wie schon erwähnt wurde, ein systemwidriges Grundrecht sui generis, das wir so noch nie hatten. Natürlich müssen wir neue Dinge ausprobieren, aber in diesem Fall haben wir das Problem, dass dieses Grundrecht kein Freiheitsrecht ist, wie wir es kennen, das die Freiheitssphäre des Einzelnen schützt, sondern es ist eigentlich ein Freiheitsbeschränkungsrecht. Es ermöglicht, einzufordern, die übrigen Grundrechte, zum Beispiel die Eigentumsfreiheit oder die Erwerbsfreiheit, massiv zu beschränken.

Es zeigen sich auch massive judizielle Defizite, wie ich schon erwähnt habe. Richter sind keine Klimastrategen. Die Rolle der Gerichtsbarkeit würde dadurch verändert. Insbesondere würde der Verfassungsgerichtshof zu einem Kontrollorgan politischer Strategien werden, und das ist abzulehnen.

Der Begriff Klimarechnungshof klingt harmlos, beinhaltet allerdings ein ziemliches Explosionspotenzial. Es ist in demokratischer Hinsicht hochproblematisch, denn es ist noch nie vorgekommen, dass dem Nationalrat eine Institution vor die Nase gesetzt wird, die aus Beamten besteht. Bitte, dieser Klimarechnungshof – das muss man ganz deutlich sagen – macht etwas ganz anderes als unser Rechnungshof, den wir kennen. Er kontrolliert nicht im Nachhinein die Verwaltung, er kontrolliert im Vorhinein den Gesetzgeber. Das ist für mich eine Veränderung demokratischer Grundstrukturen und ein No-Go, weil es dadurch zu einer indirekten institutionellen Beeinflussung des Gesetzgebers kommen könnte.

Ebenso – zweiter Aspekt – greift der Klimarechnungshof die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit an. Er soll ja – wohl auch in laufenden Verfahren – die Gerichte beraten – ebenfalls ein No-Go. Welcher Richter wird es wagen, einer fundierten Stellungnahme des Klimarechnungshofes zu widersprechen? Er wird das begründen müssen, dazu ist er nicht ausgebildet. Es wird dazu kommen, dass der Klimarechnungshof massiven indirekten Einfluss auf die Gerichtsbarkeit ausübt.

Aufgrund dieser Umstände und aufgrund dieser prinzipiellen Änderungen kommt es zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung. Ich komme daher zum Ende.

Mein Vorschlag wäre, nicht nur zu kritisieren, sondern zu sagen, wie man das vernünftig machen und trotzdem den Klimaschutz effektiv umsetzen könnte: kein neues Grundrecht sui generis, rein ins BVG Nachhaltigkeit, kein Klimarechnungshof, stattdessen die Aufgabe direkt an den Nationalrat übertragen sowie einen eigenen Ausschuss einrichten, der verpflichtet ist, sich gezielt mit Klimaschutzstrategien auseinanderzusetzen. Man könnte das durch eine Änderung der Geschäftsordnung des Nationalrates schaffen – meinetwegen auch als Verfassungsbestimmung, um dem Bestandskraft zu geben. Man könnte dann die budgetäre Kontrolle an eine eigene Abteilung des bestehenden Rechnungshofes übertragen: viel günstiger, viel billiger, viel straighter und auch klarer in der Vollziehung. Damit würde die genuine Rechtsetzungsaufgabe des Nationalrates erhalten bleiben und diese verfassungsrechtlichen Probleme würden sich nicht zeigen.

Meine Damen und Herren, wir alle wollen, dass die Erde gerettet wird. Wir wollen den Klimaschutz, aber bitte nicht auf eine Weise, die die Verfassung angreift, die unseren Rechtsschutz gefährdet und die letztlich auch für die Bevölkerung möglicherweise nichts Gutes bringt. Sie haben es in der Hand. – Danke schön.

Assoz.-Prof. Mag. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M.: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe ZuhörerInnen, Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich habe eine andere Einschätzung zu den Vorschlägen des Klimavolksbegehrens als meine beiden rechtswissenschaftlichen Vorredner. Wenn wir die Ziele des Pariser Abkommens – das ohnedies fast nicht mehr zu erreichende 1,5-Grad-Ziel und das 2-Grad-Ziel – ernst nehmen, dann sind die Vorschläge in der hier aufgeworfenen Form notwendig. Sie sind rechtswissenschaftlich umsetzbar und lassen sich auch in das österreichische Verfassungsrecht integrieren.

Wenn wir über ein Grundrecht auf Klimaschutz sprechen, dann müssen Sie sich schon vor Augen führen, dass wir derzeit eine extreme Schieflage haben, was die Schutzgüter unserer Grundrechte betrifft. Jedes Unternehmen in Österreich, das Treibhausgase emittiert, kann sich auf das Grundrecht auf Eigentum und auf das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit berufen. Wenn es eine negative behördliche Entscheidung gibt, können sich die davon betroffenen Unternehmen auf die Grundrechte berufen und die negativen Entscheidungen gerichtlich anfechten.

Die Menschen, die am Umweltschutz und am Klimaschutz interessiert sind und sich in diesen Bereichen engagieren wollen, haben keine entsprechenden Grundrechte, die sie vor den österreichischen Gerichten geltend machen können. Wir haben kein adäquates Grundrecht, das einen Rechtsanspruch auf Klimaschutzmaßnahmen gewährleistet und ein Recht auf den Erhalt der Umwelt einräumt.

Die Rechtsprechung, insbesondere jene des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, leitet aus Artikel 2 und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Recht auf Leben und Recht auf Achtung des Privatlebens, Abwehransprüche gegen Umweltbeeinträchtigungen ab. Da gibt es eine lange Judikaturliste. Diese Abwehransprüche sind aber erst dann wirksam und greifen erst dann, wenn eine unmittelbare Gefährdung der Gesundheit vorliegt. Das hilft uns heute, in einer Situation, in der wir Maßnahmen setzen müssen, damit die Klimakatastrophe in 20, 30, 40 Jahren nicht eintritt, nicht wirklich weiter.

Wir stehen aus grundrechtlicher Sicht vor der absurden Situation, dass ich im Anlagenrecht als Nachbar zwar eine Geruchsbelästigung gegen den benachbarten Würstelstand geltend machen kann, dass ich mich gegen eine Lärmbelästigung wehren kann, dass ich aber kein Recht darauf habe, die Genehmigung für eine Anlage, die so viele Treibhausgase emittiert, dass die österreichischen Reduktionsziele hinfällig werden, anzufechten oder zu bekämpfen. Weder das einfache österreichische Umweltrecht noch die verfassungsrechtliche Ebene sehen irgendwelche Genehmigungskriterien vor, die verhindern, dass derartige klimaschädliche Vorhaben bewilligungsfähig werden.

Ein Grundrecht auf Klimaschutz könnte Abhilfe schaffen, müsste Abhilfe schaffen und würde den Staat verpflichten, einerseits aktiv die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen zu setzen und andererseits das österreichische Umweltrecht in diesem Bereich zu adaptieren, sodass auch der einzelne Nachbar, der einzelne Bürger subjektive Rechte geltend machen kann.

Immer, wenn derartige neue Grundrechte vorgeschlagen werden, wird reflexartig gesagt: Wir haben ja die Staatszielbestimmungen, wir haben ja das Bundesverfassungsgesetz zu umfassendem Umweltschutz und jetzt zur Nachhaltigkeit. – Da darf ich meinen Habilitationsvater Bernd Raschauer zitieren, den viele der Abgeordneten wahrscheinlich auch noch kennen. Er hat einmal gesagt: Was diese Staatszielbestimmung des Umweltschutzes betrifft, so kann man diese eigentlich nur negativ beschreiben, indem man erklärt, was sie nicht ist.

Sie ist keine Kompetenzgrundlage. Sie regelt keine Zuständigkeit einer Behörde. Sie verpflichtet die Behörden zu nichts. Sie ist kein Genehmigungskriterium oder kein Kriterium für die Ablehnung einer Bewilligung. Ich nenne sie in meinen Lehrveranstaltungen Verfassungslyrik: klingt schön, verpflichtet aber zu nichts, ist daher bei der Politik sehr beliebt, weil suggeriert wird, dass etwas getan wird, ohne dass es aber zu irgendwelchen rechtlichen Konsequenzen kommt.

Wenn wir von Grundrechtsschutz sprechen, müssen wir auch über Klagebefugnisse reden. Das österreichische Rechtsschutzsystem im Umweltrecht hinkt dem europäischen Niveau meilenweit hinterher. In anderen Staaten ist es selbstverständlich, dass einzelne BürgerInnen und die Zivilgesellschaft die Regierungen dafür belangen können, wenn sie die Klimaziele nicht einhalten oder die Reduktionsziele viel zu wenig ambitioniert sind. Es gab derartige Verfahren in Irland, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und auch in Deutschland. Ob der Fall dann inhaltlich gewonnen wird, ist eine andere Entscheidung. Die Niederlande waren mit der Entscheidung zu Urgenda herausragend. Die Tatsache, dass es bei uns völlig undenkbar ist, dass Behörden dafür belangt werden können, wenn sie im Klimaschutz untätig bleiben, zeigt einfach, dass wir bei Weitem nicht mehr auf europäischem Niveau sind. Da brauchen wir Anpassungen, wie wir sie in Österreich teilweise etwa schon im Immissionsschutzgesetz – Luft haben.

Wenn wir über die Reduktionsziele im Verfassungsrang reden – bitte, das ist ja auch kein Bruch mit unserer Verfassungstradition. Im finanz- und wirtschaftspolitischen Bereich ist es selbstverständlich, dass wir das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht und den Europäischen Stabilitätsmechanismus im Verfassungsrang haben. Klimaneutralität ist eine politische Notwendigkeit. Bundesministerin Köstinger hat vor zwei Jahren in einer Anfragebeantwortung mitgeteilt, dass, sollten wir im Klimaschutz untätig bleiben, für die Verpflichtungsperiode 2021 bis 2030 Strafzahlungen in der Höhe von bis zu 6,6 Milliarden Euro anfallen können.

Da hilft uns die bisherige Grobplanung im Klimaschutz nicht mehr weiter. Das derzeitige Klimaschutzgesetz verdient den Namen nicht. Wir brauchen einen verbindlichen Reduktionspfad, der für alle Behörden einzuhalten und zu beachten ist. Dass man dem Nationalrat einen Klimarechnungshof oder andere beratende Organe zur Seite stellt, sollte für eine gesetzgebende Körperschaft an und für sich ein Benefit sein, davor sollte man sich nicht fürchten.

Die Herausforderungen im Klimaschutz sind so groß, dass die Einrichtung einer neuen beratenden Institution an sich wünschenswert wäre. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb mein Kollege Christian Piska behauptet, dass das eine grobe Einschränkung ist. Die Stellungnahmen eines Klimaschutzrechnungshofes könnten die gesetzgebende Freiheit des Parlaments natürlich niemals einschränken. Vorschläge gibt es beispielsweise auch vom Verfassungsdienst. Wir sind für die Expertise des Verfassungsdiensts dankbar. Ähnliches wäre im Klimaschutz durchaus wünschenswert.

Der Nationalrat hat vor neun Jahren das sogenannte Klimaschutzgesetz beschlossen. Damals wurde angekündigt, dass es einen Sanktionsmechanismus geben wird, das heißt, dass mit einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt wird, wer die Kosten für das Versagen im Klimaschutz zu tragen hätte. Dieses Abkommen wurde nie geschlossen. Stattdessen hat man dann im Finanzausgleich, gut versteckt, eine pauschale Aufteilung der Kosten für Strafzahlungen im Klimaschutz zwischen Bund und Ländern im Verhältnis von 80 : 20 vereinbart.

Das ist unintelligente Lenkung, weil sich dadurch keine Lenkungsmaßnahmen entwickeln können. Wir brauchen einen Verantwortungsmechanismus, sodass erkennbar ist, dass derjenige, der im Klimaschutz untätig bleibt, auch die finanziellen Lasten zu tragen hat. Andernfalls wäre das Ziel der Klimaneutralität nicht zu erreichen.

Abschließend nur eine persönliche Stellungnahme, eine politische, die Sie mir bitte verzeihen: Der Nationalrat hat vor einem Jahr den Klimanotstand ausgerufen. Das war eine – juristisch gesehen – völlig unverbindliche Erklärung. Sie beschrieb aber ein schönes politisches Ziel, weil dadurch gezeigt wurde, dass das Parlament die Dringlichkeit des Klimaschutzes erkannt hat. Wenn man nun aber infolgedessen untätig bleibt und keine Aktivitäten setzt, wäre dieser Klimanotstand ein relativ zynisches Signal. – Besten Dank.

Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M.: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren via Livestream! Ich möchte Ihnen im Namen des Teams, das die Initiatoren des Klimavolksbegehrens beraten hat, aus juristischer Sicht kurz dessen Eckpunkte darstellen, damit Sie wissen, worauf die Experten punktuell schon hingewiesen haben. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Sie sehen hier das Team unserer Juristinnen und Juristen. Es sind junge Leute, engagierte Leute, wissenschaftlich tätige Leute, Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen. Wir haben uns gemeinsam mit den Initiatoren des Klimavolksbegehrens überlegt, welche Eckpunkte es braucht. Der Grundrechtsschutz ist schon angesprochen worden. Es braucht aber im engeren Sinn auch einen Aktionsmechanismus – das muss nicht alles in der Verfassung stehen, auch wenn das heute das primäre Thema ist –, es braucht Vorgaben für effiziente Maßnahmen, für Planungen und es braucht auch Kontrolle.

Wie man dieses Kontrollorgan nennen möchte, ist natürlich Geschmackssache. Wenn wir von einem Treibhausgasbudget sprechen, wirkt es – ich möchte sagen – ansprechend, das Kontrollorgan Klimarechnungshof zu nennen. Last, but not least braucht es auch einen Kontrollmechanismus.

Ich kann auf die einzelnen Punkte nur kurz eingehen. Ich hoffe, Sie können die Folien nachher im Internet anschauen. Sie finden hier auch die gesamte Punktation. Ausgehend von dem Ziel der Klimaneutralität Österreichs bis 2040, das die Regierung ja schon in ihr Programm aufgenommen hat, ist es uns zunächst wichtig, ein Treibhausgasbudget in der Verfassung zu verankern. Die Naturwissenschaft hat ein entsprechendes Treibhausgasbudget berechnet. Darauf beruhend – das muss, wie gesagt, nicht alles in der Verfassung stehen – sollten dann ein Reduktionspfad, jährliche Emissionshöchstmengen und ein entsprechendes Maßnahmenprogramm vorgegeben werden. Und ja, es soll in weiterem Sinn auch Beschwerderechte und Klagebefugnisse für Umweltorganisationen geben.

Was in diesem Zusammenhang wichtig ist: Es geht um große Änderungen in der Gesellschaft. Wir sprechen von Dekarbonisierung in Gesellschaft und Wirtschaft und das wird nicht ohne Einschnitte – auch in unser gewohntes Leben – gehen. Da ist es ganz wichtig, dass diese Änderungen fair, sozial gerecht und auf Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen und unter Beteiligung der Betroffenen erarbeitet werden. Auch das sollte man in der Verfassung verankern.

Verankert werden sollte auch ein Grundrecht auf Klimaschutz. Wir können nachher in der Diskussion darüber debattieren, in welcher Variante. Wir haben uns ein eher klassisches Modell in dem Sinn überlegt, dass es darauf ankommt, dass Menschen – einzelne Personen – den Staat darauf klagen können sollen, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um die negativen Folgen des Klimawandels abzuwenden. Wir haben auch eine weitere, stärker ökozentrische Version des Grundrechts überlegt.

Es ist im Lichte des jüngsten Verfassungsgerichtshofserkenntnisses angesprochen worden: Die erste Klimaklage in Österreich ist im September dieses Jahres zurückgewiesen worden. Das heißt, der Verfassungsgerichtshof hatte gar nicht die Gelegenheit, in die inhaltliche Prüfung einzusteigen. Warum hat er sie zurückgewiesen? Das können wir nachher diskutieren: aufgrund der engen Zugangsvoraussetzungen. Da muss man einfach nachbessern, wenn man sich nicht die Frage stellen möchte, ob die österreichische Rechtsordnung überhaupt ein effektives Mittel zur Durchsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten – die wir ja aus der EMRK eindeutig ableiten – zur Verfügung stellt. Das betrifft ja die Frage, ob wir hier konventionskonform agieren.

Was uns auch wichtig ist, in die Verfassung aufzunehmen, ist ein Verbesserungsgebot – oder ein Verschlechterungsverbot –: Man soll beim Klimaschutz, wie das im Pariser Übereinkommen vorgesehen ist, immer nur besser werden können.

Aus zeitlichen Gründen gehe ich jetzt ein bisschen schneller vor. Es ist angesprochen worden: Das derzeit geltende Klimaschutzgesetz hat große Defizite. Wir haben das auch im Sommer in einer Untersuchung im Auftrag der Frau Bundesministerin herausgearbeitet und wir würden daher auch hier mit Reformen ansetzen wollen. Wir haben uns überlegt: Wir sind in einem föderalistischen Staat – Bund und Länder müssen ihre Maßnahmen aufeinander abstimmen. Da würden wir als zentralen Ansprechpartner die Frau Bundesministerin sehen, die in Übereinstimmung mit den Ländern ein entsprechendes Maßnahmenpaket schnüren sollte und auch müsste, basierend auf wissenschaftlichen Empfehlungen und der Einbindung der Öffentlichkeit.

Was uns auch wichtig ist – da haben wir ein bisschen eine Anleihe an Deutschland genommen –: Sie wissen, dass es in bestimmten Sektoren, etwa im Verkehr, viel schwieriger ist, die Klimaziele einzuhalten. Da muss man auch rasch gegensteuern und nicht etwa erst nach vier, fünf oder mehr Jahren korrigieren können. Der deutsche Gesetzgeber hat in seinem neuen Klimaschutzgesetz ein sogenanntes sektorspezifisches Sofortprogramm vorgesehen, das wir gerne auch hier einführen würden.

Alles sollte regelmäßig evaluiert werden, und es sollten hier auch Überprüfungsrechte für NGOs vorgesehen werden – ich kann im Einzelnen nicht darauf eingehen, aber –, analog zu den Möglichkeiten, die wir bereits jetzt haben, und zwar im Immissionsschutzgesetzt – Luft, wenn es um Luftreinhaltemaßnahmen geht.

Betreffend Klimarechnungshof, habe ich gesagt, kann man darüber diskutieren, wie man ihn nennt, aber dass wir eine unabhängige Stelle brauchen, die hier entsprechend kontrolliert, ist klar. Man kann natürlich auch beim Umweltbundesamt ansetzen und etwa im Umweltbundesamt bestimmte Abteilungen einrichten und diese unabhängig stellen, aber die Unabhängigkeit ist eben das Wichtige. Uns war es auch wichtig – und deshalb die Idee des Klimarechnungshofes –, dass das ein Organ ist, das gegenüber dem Parlament verantwortlich ist, aber auch organisatorisch dem Parlament – also der Gesetzgebung – zugehört, wie das der geltende Rechnungshof ist.

Aus Zeitgründen springe ich weiter. Es braucht Kontrolle, laufende Überwachung. Es geht darum, dass man sich nicht viele Jahre Zeit lässt, sondern dass der Klimarechnungshof laufend kontrolliert, allfällige Klimawarnungen aussprechen kann, wenn eine Überschreitung droht, und dass sofort entsprechend rückgekoppelt wird. Sie können sich das dann im Einzelnen in diesem Schema anschauen.

Es wurde auch schon angesprochen: Der derzeitige Sanktionsmechanismus ist sehr rudimentär. Wir haben nur die pauschale Aufteilung der Kosten für Emissionszertifikate im Finanzausgleichsgesetz. Da müsste man nachschärfen.

Wir waren der Meinung, dass allein finanzielle Sanktionen, die man sicherlich auch noch feiner vorsehen könnte, nicht ausreichen werden, sondern dass man einen zusätzlichen Sanktionsmechanismus nicht finanzieller Natur ins Auge fassen sollte, etwa indem man sich vorweg einigt, was gesetzlich zu tun wäre, wenn in einem bestimmten Sektor die Emissionshöchstwerte überschritten sind und schon vorweg – sozusagen auf Vorrat – gesetzliche Maßnahmen beschließt, die dann bei solchen Überschreitungen automatisch in Kraft treten könnten. – Danke schön.

Erste Fragerunde der Abgeordneten

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich möchte mich zunächst bei den Initiatoren des Klimavolksbegehrens für ihre Initiative bedanken, aufgrund derer wir das Thema heute und in einem zweiten Teil am 13. Jänner hier diskutieren, ebenso für die Ausführungen der Experten. Ich glaube, es ist wichtig, diese Expertise zu bekommen. Grundsätzlich sind wir uns hier im Hause, glaube ich, ja einig, und wir brauchen die politische Diskussion über die Bedeutung des Klimaschutzes für die Generationengerechtigkeit und die Zukunft unseres Landes nicht zu führen.

Wir stellen uns heute sehr technischen Fragen. Diese sind aber für uns letztendlich nicht unwesentlich, wenn es um die Forderung nach Institutionen geht, wenn es um die Forderung nach gesetzlicher Verankerung in den verschiedensten Materien geht. Ich möchte daher auch keine Wertung abgeben, aber mir ist es sehr wichtig, dass auch von den Experten zu diesen Fragen Stellung genommen wird. Die grundsätzliche Einstellung ist mir klar, aber uns geht es darum, dass wir uns ein Bild machen können, was das am Ende des Tages legistisch wirklich bedeutet.

In Bezug auf die beratenden Einrichtungen stellt sich gewiss auch die Frage, inwieweit da und dort beratende Einrichtungen ja schon vorhanden sind. Auch da, glaube ich, braucht es die Evidenz der Experten. Es ist ja nicht so, dass wir in dieser Republik komplett ohne beratende Einrichtungen unterwegs sind. Da wäre es interessant zu erfahren, ob Sie vielleicht den Eindruck haben, dass die Institutionen nicht funktionieren. Ich bitte darum, dass Sie vielleicht auch konkret Einrichtungen ansprechen könnten, die Ihrer Meinung nach vielleicht nicht entsprechend effizient agieren.

Ich hätte aber auch eine Frage vor allem in Bezug auf das Thema Verfassung: Was hätte es grundsätzlich für Auswirkungen in der Praxis – auch für die Gesetzgebung hier im Hause –, wenn wir letztendlich ein Grundrecht verankern und sozusagen den Klimaschutz in die österreichischen Bundesverfassung einbringen?

Es darf sich zu diesen zwei Fragen von den Experten angesprochen fühlen, wer möchte.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Danke den Initiatoren und Initiatorinnen des Volksbegehrens. Wir haben in den letzten Jahrzehnten gelernt: Klimaschutz funktioniert nur dann, wenn es auch tatsächlich großen Druck gibt. Der muss innerhalb des Parlaments, aber genauso auch außerhalb des Parlaments stattfinden. Sie haben es selbst vorhin als Tritt in den Allerwertesten formuliert. Ich kann das nur unterstreichen. Deshalb ist hier jeder Aktionismus, jeder verteilte Flyer auch tatsächlich ein Garant für unsere Zukunft.

Wir diskutieren gerade das Recht auf Klimaschutz und das Recht, sein Leben klimafreundlich zu gestalten. Da müssen wir festhalten, dass das derzeit nicht für alle Menschen möglich ist, dass wir eine Gruppe von Menschen in Österreich haben, für die der Klimaschutz leistbar ist, die sich auch vor den Auswirkungen der Klimakatastrophe schützen können – egal, ob das Hitze ist, egal, ob das Überschwemmungen sind oder sonstige Dürren beispielsweise –: Sie können sich davor schützen. Wir sehen aber: Andere Menschen können das nicht. Diese ungleichen Bedingungen, vor denen wir stehen, müssen wir auch benennen, denn wir müssen sie überwinden. Klimaschutz darf kein Elitenprogramm sein. Nur ein Klimaschutz, der alle Menschen mitnimmt und alle ins Boot holt, wird meiner Meinung nach auch erfolgreich sein. Dahin gehend dürfen wir die Verantwortung nicht auf Individuen abwälzen. Es braucht eine kollektive, es braucht eine gemeinsame Anstrengung von uns allen hier.

Es braucht einen starken Staat, der sich in der Verantwortung sieht, mutige Klimaziele zu setzen und die Überprüfung tatsächlich durchzuführen. Es braucht einen starken Staat, der nicht darauf wartet, dass die Privatwirtschaft aktiv wird, sondern auch dort vorschreibt, wie zu handeln ist, welche Produktkriterien wir tatsächlich einziehen wollen, und welche CO2-Mengen reduziert werden müssen. Wir brauchen einen starken Staat, der nicht nur Klimaschutz betreibt, sondern eine Transformation einleitet.

Egal, wie wir diese Debatte hier heute beenden, es muss klar sein: Es braucht auf die Frage, wie wir wirtschaften, wie wir Produkte überhaupt erzeugen, wie wir mit ihnen handeln, wie wir leben, wie wir wohnen, als Antwort einen Strukturwechsel. Nichts weniger erwarte ich mir auch von der heutigen Debatte. Die Transformation ist einzuleiten.

An dieser Stelle komme ich zum Schluss und bedanke mich vor allem bei Univ.-Prof. Brand, der hier von einer neuen Art von Wohlstand gesprochen hat. Ich glaube, so müssen wir Klimaschutz begreifen. – Danke schön.

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Auch von unserer Seite: Gratulation an die Initiatoren dieses Volksbegehrens! 380 000 Unterzeichner: Das nehmen wir als Abgeordnete des Parlaments sehr ernst. Was die Ziele betrifft, gibt es ja nicht unwesentliche Deckungsgleichheiten: Auch wir sind selbstverständlich für eine Reduktion der Fossilen. Wir sind selbstverständlich gegen Atomstrom. Wir Freiheitliche sind selbstverständlich für Circular Economy, also weg von der Wegwerfgesellschaft. Wir sind selbstverständlich für eine nachhaltige regionale Landwirtschaft.

Was die Umsetzungsmechanismen dieses Volksbegehrens betrifft, muss man durchaus über einiges diskutieren. Wir halten das in vielen Bereichen für überschießend. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt der Politik – der Mensch, der in Frieden leben soll, in Wohlstand, in Freiheit, in einer demokratischen Gesellschaft und, selbstverständlich, auch in einer sauberen Umwelt. Was die demokratische Gesellschaft und die Freiheit betrifft, haben wir hier doch ernste Sorgen. Wir finden, dass das Individualrecht auf Klimaschutz – ein Experte hat es schon erklärt – und die daraus resultierende Pflicht, diesem Ziel alles unterzuordnen, nicht ausgewogen ist. Die Kompetenzen des vorgesehenen Klimarechnungshofes und insbesondere des Klimadienstes, in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen, erachten wir als überschießende, nicht notwendige Beschneidung des demokratisch legitimierten Parlaments.

Die Geschichte mit den BürgerInnenräten, mit den Kommissionen, die dann maßgeblich die konkreten Maßnahmen festlegen sollen – wir haben vorher die Ziele gehört: schön und gut, aber es spießt sich ja dann in der Umsetzung der konkreten Maßnahmen –, erachten wir – mit null demokratischer Legitimation – auch als überschießend.

Also noch einmal: Ja zu den grundsätzlichen Zielen. Wir Freiheitliche haben aber einen etwas anderen Zugang, was die Ausgewogenheit des Zielportfolios betrifft. Für uns ist der Mensch, der in Frieden, in Wohlstand und in Freiheit und in einem demokratisch funktionierenden System leben soll, neben der sauberen Umwelt ein ganz wichtiges Ziel. – Vielen Dank.

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Hoher Ausschuss! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher via Livestream! Ich möchte auch mit einem Dank an die InitiatorInnen und UnterstützerInnen für ihren außerordentlichen Einsatz, für ihr Engagement, für ihre Expertise und auch für ihre Ausdauer beginnen.

Meinem Vorredner kann ich mich nicht anschließen – ganz im Gegenteil. Ich glaube, wir stehen hier nicht vor einer überschießenden Umsetzung für den Klimaschutz, für das Überleben unserer Erde und der Menschen, sondern überschießend ist momentan auf Österreich bezogen der Lebensstil. Wir verbrauchen gerade dreieinhalb Erden, und genau deshalb ist auch dieses Klimavolksbegehren überlebenswichtig.

Meine zwei Fragen richten sich ganz konkret an Herrn Prof. Ennöckl und Frau Prof. Schulev-Steindl.

Herr Prof. Ennöckl, ich würde Sie ersuchen, noch einmal ganz kurz den wichtigen Unterschied zwischen dem Staatsziel Klimaschutz und dem Grundrecht auf Klimaschutz zu erläutern und warum es so wichtig ist, von einem Grundrecht auf Klimaschutz zu sprechen.

Meine zweite Frage richtet sich an Frau Prof. Schulev-Steindl: Ausgehend von der notwendigen Verankerung des Grundrechts auf Klimaschutz im nationalen Recht, lautet meine Frage zu den Maßnahmen zur Umsetzung und Durchsetzung dieses Grundrechts: Wie kann Klimaschutz in unserer Rechtsordnung so verankert werden, dass im Genehmigungsverfahren bei der Abwägung von öffentlichen Interessen dem Klimaschutz der Vorrang eingeräumt werden kann?

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Geschätzte Frau Ministerin! Liebe Bevollmächtigte des Klimavolksbegehren! Ein herzliches Danke für diese Initiative. Das war ein sehr kraftvolles Zeichen und auch die heutigen Statements waren, finde ich, ein wichtiges Signal. Von unserer Seite gibt es große Unterstützung für fast alle Punkte, die vonseiten des Klimavolksbegehrens gefordert werden.

Ich möchte inhaltlich trotzdem eine etwas andere Stoßrichtung als meine VorrednerInnen einschlagen. Ich glaube, wir müssen einerseits anerkennen, dass die Industrialisierung, die Globalisierung und der Handel unsere Gesellschaft überhaupt erst in diese Situation gebracht haben, dass wir in den letzten 250 Jahren einen Wohlstand, eine Selbstbestimmung und auch eine breite Finanzierung für den Sozialstaat und die Wissenschaft ermöglicht haben. Zugleich hat diese Entwicklung aber auch dazu geführt, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher.

Ich möchte die Vergangenheit gar nicht verteufeln, sondern einfach eine andere Zukunft gestalten. Bezüglich dieser Zukunft möchte ich schon einen Unterschied herausarbeiten, nämlich: Die Antwort ist – und zwar ganz evidenzbasiert – nicht hauptsächlich der Staat, weil wir wissen, dass 90 Prozent der Investitionen beispielsweise bei der erneuerbaren Energie aus der Privatwirtschaft kommen. Daher glaube ich, es braucht beides: Es braucht eine sehr kluge Gesetzgebung, einen klaren Rahmen, einen nachvollziehbaren Treibhausgaspfad bis 2040, wo dann die Null steht, und es braucht eine Planbarkeit für die Wirtschaft, damit wir auch wirklich alle Mittel mobilisieren können, um diese Transformation zu finanzieren.

Ich habe drei Fragen, die ich auch gerne den eingeladenen Expertinnen und Experten stellen möchte. Die erste Frage geht an Frau Prof. Schulev-Steindl: Wie viel hat es tatsächlich gebracht, den Umweltschutz in den Verfassungsrang zu heben? Wurde auf Basis dieser Bestimmung jemals erfolgreich eingeklagt?

Die zweite Frage richte ich an Herrn Prof. Brand, den ich persönlich sehr schätze, mit dem ich aber inhaltlich oft geteilter Meinung bin. Sie sagen, dass das Wachstumsparadigma das falsche ist. Woher sollen aus Ihrer Sicht die Investitionen kommen, wenn wir die Wirtschaft so umbauen, dass sie kein Privatkapital mehr aufweist?

Die dritte Frage richtet sich an Herrn Prof. Ennöckl: Welche Vorteile hat aus Ihrer Sicht die Fixierung des Klimaschutzes im Verfassungsrang gegenüber einem starken schlagkräftigen Klimaschutzgesetz? – Vielen Dank.

Erste Antwortrunde der ExpertInnen

Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Janko: Ich werde versuchen, ein bisschen auf die Fragen einzugehen oder jetzt noch ein paar Punkte herauszugreifen. Was ist der Unterschied zwischen einem Grundrecht und einer gesetzlichen Verankerung? – Bitte, wir müssen uns beim Grundrecht immer Folgendes überlegen: Das wäre ein Anspruch vor allem gegen die Gesetzgebung auf Erlassung bestimmter Maßnahmen. Das ist einmal der wesentliche Unterschied und auch der Unterschied beim Sanktionsmechanismus. Beim Recht auf saubere Luft haben wir momentan die Verwaltung in der Pflicht, dass sie bestimmte Luftqualitätsprogramme erlässt. Wenn sie das nicht tut, dann kann ich mich dagegen wehren, kann einen Bescheid begehren und mich dann zur Not nachher bei den Verwaltungsgerichten beschweren. Das geht beim Grundrecht, zumindest nach der jetzigen Situation in unserem österreichischen Rechtsschutzsystem, nicht.

Zweitens möchte ich zu dem, was Kollege Ennöckl gesagt hat, zwei kleine Punkte anbringen, die auch ganz gut dazupassen. Das Haushaltsgleichgewicht ist angesprochen worden. Ja natürlich, das haben wir im Sinne einer Schuldenbremse implementiert.

Was mir aber wichtig ist: Wenn diese nicht eingehalten wird, führt das nicht zur Verfassungswidrigkeit des Budgets, sondern es führt zu gewissen, ausdrücklich normierten Konsequenzen, die uns letztlich auch im Unionsrecht vorgegeben sind. Ich glaube, es wäre ganz wichtig, dass wir diese Drohgebärde vermeiden, dass wir jedenfalls ausschließen, dass ein Gesetz oder viele Gesetze gegen die Verfassung verstoßen und damit ein großer Teil der Rechtsordnung von Verfassungswidrigkeit bedroht ist.

Ein dritter Punkt, das Genehmigungsverfahren: Ja, es ist tatsächlich so, dass Parteien im Genehmigungsverfahren aktuell aufgrund der einfachgesetzlichen Rechtslage klimarelevante Argumente nur relativ untergeordnet vorbringen können, allenfalls vorbringen können, wenn sie im Gesetz entsprechend verankert sind, und meistens gibt es da kein subjektives Recht. Meine Frage ist nur: Wenn es zum Grundrecht wird, soll das dann heißen, dass im Prinzip jeder und jede – denn das ist ja ein allgemeines Recht – auch Parteistellung in einem Genehmigungsverfahren besitzt und jenseits des Rechts oder jenseits der einfachgesetzlichen Rechtslage auch die Beachtung von Klimazielen einfordert? – Das werden wir so wohl nicht anstreben. Es wäre jedenfalls ein Bruch mit unserem jetzigen System.

Ein Schlusswort: Gehen tut, wie gesagt, alles, unsere Verfassung ist in jede Richtung sehr wandelbar.

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand: Es ist sehr spannend, hier mit vier Juristinnen und Juristen zu diskutieren. Ich lerne sehr viel und ich finde gerade die eingebrachte vergleichende Perspektive, sich Erfahrungen in anderen Ländern anzusehen, sehr faszinierend und wichtig.

Drei Punkte: Zunächst zu der von Frau Herr angesprochenen Ungleichheitsdimension: In dem erwähnten Forschungsprojekt zu den Beschäftigten in der Automobilindustrie haben wir in den Interviews herausbekommen, dass es ein hohes Problembewusstsein für die Klimakrise, für den Umstieg der Autoindustrie, für die Probleme des Verbrennungsmotors gibt.

Dann gibt es verschiedene Optionen – das will ich jetzt gar nicht so umfangreich ausführen –, es gibt, so nennen wir das, disparates Bewusstsein. Die Befragten haben auch Kinder, die bei den Fridays for Future sind, die wissen um die Probleme, aber sie wollen erstens den Arbeitsplatz behalten – und zwar legitimerweise – und sie wollen auch klare Rahmenbedingungen. Der Umbau der Autoindustrie wird also nicht nur auf der betrieblichen Ebene gelöst – das sehen wir gerade bei MAN in Steyr –, sondern braucht auch klare politische Ansagen. Das ist eine wichtige Einschätzung.

Der zweite Punkt, die Frage des Abgeordneten (in Richtung Abg. Kassegger) zur Freiheit des Individuums: Ja, wir sollten das unbedingt verteidigen, allerdings brauchen wir aus meiner Sicht, wenn wir die Klimaproblematik, die Klimakrise ernst nehmen, einen anderen Freiheitsbegriff. Der bisherig dominante Freiheitsbegriff ist individualistisch: Ich möchte möglichst frei und ohne Einschränkung leben – in Klammern –; ich lasse die Sau raus, wenn ich kann und wenn ich das Geld habe – ich sage das ein bisschen zugespitzt. Wir brauchen einen Freiheitsbegriff, einen sogenannten positiven Freiheitsbegriff, der umfasst: Ja, ich möchte in Freiheit leben, aber nicht auf Kosten anderer und nicht auf Kosten der Natur. – Wir müssen also diesen individualistischen Freiheitsbegriff, der stark am Geldbörsel hängt, infrage stellen.

Das ist ein gesellschaftlicher Diskurs, das kann die Politik nicht vorgeben, aber es ist ganz wichtig, glaube ich, das in allen Bereichen zu stärken.

Der letzte Punkt, betreffend die Frage von Herrn Bernhard: Die Infragestellung des Wachstumsparadigmas meint nicht Schrumpfung, meint nicht change by disaster, wie wir es heute haben – ein Rückgang des BIPs, und dann haben wir massive Probleme –, sondern die Infragestellung des Wachstumsparadigmas – die vermeintliche Antwort auf alle Probleme lautet aktuell mehr Wirtschaftswachstum: wir wachsen aus der Krise heraus! – bedeutet einen qualitativen Umbau. Es werden bestimmte Bereiche auch wachsen und andere werden zurückgebaut, müssen zurückgebaut werden. Das ist aus meiner Sicht die Keymessage dieser Infragestellung des Wachstumsparadigmas.

Assoz.-Prof. Mag. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M.: Herzlichen Dank noch einmal für das Interesse durch die Abgeordneten und die Fragen. Bezug nehmend auf die Frage von Frau Abgeordneter Rössler zum Unterschied zwischen einer Staatszielbestimmung und einem effektiven Grundrecht auf Klimaschutz: Die Staatszielbestimmung hat man Ende der Achtzigerjahre eingeführt, damals mit dem BVG Umweltschutz. Das ist dann wie die Wunschzettel der Kinder vor Weihnachten immer ein bisschen mehr angewachsen, man hat immer mehr reingepackt – und jetzt ist es eine sehr unübersichtliche diffuse Staatszielbestimmung zu Nachhaltigkeit geworden.

Wenn man sich die Wirkungsweise anschaut, erkennt man, dass diese Staatszielbestimmung ein Auftrag des Gesetzgebers an sich selbst, aktiv zu werden, ist. Das ist wie die Neujahrsvorsätze, die ich immer habe: Im nächsten Jahr mache ich sportmäßig oder so aber dann wirklich etwas.

Das heißt, das Parlament schreibt sich selbst vor, dass es dann aber wirklich etwas in Sachen Umwelt- und Klimaschutz machen soll – und wenn es nicht tätig wird, wenn es untätig bleibt, hat es keinerlei juristische Konsequenzen, weil die Untätigkeit des Gesetzgebers in der österreichischen Verfassungsordnung nicht bekämpft werden kann.

Wenn man sich anschaut, in welchen Entscheidungen der österreichische Verfassungsgerichtshof auf dieses BVG Umweltschutz oder Nachhaltigkeit zurückgegriffen hat, dann stellt man fest, dass es immer um Interessenabwägungen ging. Es ging etwa um ein Motorbootfahrverbot auf Kärntner Seen, da hat der Verfassungsgerichtshof dem Umweltschutz ein höheres Gewicht als der Erwerbsfreiheit und dem Eigentumsrecht der Beschwerdeführer eingeräumt. Die Entscheidung wäre aber eins zu eins die gleiche geblieben, wenn es dieses BVG Umweltschutz nicht gegeben hätte, denn dass Umwelt- und Klimaschutz ein Public Interest, ein öffentliches Interesse ist, das zur Beschränkung von Grundrechten führen kann, ist legitimiert und steht außer Streit.

Die Antwort auf die Frage, was wäre, wenn wir diese Staatszielbestimmung nicht hätten: Es wäre kein einziger Beistrich in der österreichischen Rechtsordnung anders, keine einzige Bewilligung würde in einem Punkt anders aussehen, wenn es dieses BVG nicht gäbe. Es ist Verfassungslyrik ohne politische oder rechtliche Wirkung. Ein Grundrecht auf Umweltschutz wäre eben einklagbar und hätte rechtliche Konsequenzen.

Die Hälfte der österreichischen Raumordnungsgesetze der Länder kennt noch keinen Klimaschutz, hat keinen Bezug dazu, obwohl die Raumordnung und die Raumplanung ganz wesentliche Instrumente für den Klimaschutz sind.

Das Bundesstraßengesetz sieht die Planung von Bundesstraßen vor, ohne dass das Wort Klima mit einem Wort vorkommt. Das sind Defizite in der Gesetzgebung, die nicht tragbar sind. Derartige Gesetze müssen angepasst werden, auch das wäre die Wirkung eines Grundrechts auf Klimaschutz.

Zur Frage des Abgeordneten Bernhard muss ich mich entschuldigen: Ich habe Sie akustisch nicht verstanden, weil die Akustik hier herinnen so schlecht ist.

Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M.: Ich beginne mit der Frage von Frau Abgeordneter Rössler: Wie kann sichergestellt werden, dass in Abwägungsvorgängen das öffentliche Interesse am Klimaschutz vorrangig berücksichtigt wird? – Also da sind wir dabei, wir haben diese Staatszielbestimmung Nachhaltigkeit, die Schutz der Umwelt, Schutz des Klimas umfasst, und die soll natürlich in solche Abwägungsentscheidungen einfließen. Wir kennen alle – und das nennen wir jetzt beim Namen – den Fall der dritten Piste, bei dem genau das versucht wurde, bei dem ein Verwaltungsgericht möglicherweise zum ersten Mal weltweit eine Genehmigung – nämlich für den Ausbau der dritten Piste – nach einer UVP aus Gründen des Klimaschutzes verweigert hat, indem es gesagt hat: Der Klimaschutz wiegt da mehr als alle anderen Interessen, die berücksichtigt wurden.

Wir kennen den Aufschrei, der daraufhin erfolgt ist. Es wurde versucht, dieses Staatsziel Umweltschutz in der Verfassung sozusagen zu neutralisieren, indem man ihm ein anderes Staatsziel zur Seite stellt, nämlich die Sicherung des Wirtschaftsstandortes und das Wirtschaftswachstum. Das ist dann nicht zustande gekommen.

Das sind die klassischen Versuche. Wir wissen aber natürlich, dass es wirtschaftliche Grundrechte gibt, die genau das auch hergeben, die also auch einen Gegenpol zum Klimaschutz bilden.

Was man natürlich nicht beeinflussen kann, ist, dass in jedem Einzelfall immer das Interesse Klimaschutz überwiegt, und ich glaube, das will man auch gar nicht. Worum es geht – und auch darum geht es dem Klimavolksbegehren –, ist, dass der Klimaschutz als öffentliches Interesse entsprechend anerkannt wird. Daher macht es natürlich schon Sinn, auch so eine Art Staatszielbestimmung oder einen ausdrücklichen Hinweis, einen Anspruch, dass Gesetzgebung, Verwaltung und auch die Judikatur den Klimaschutz als öffentliches Interesse zu berücksichtigen haben, in die Verfassung hineinzunehmen, um das klarzustellen.

Was aber nie gehen wird, ist, dass der Klimaschutz in jedem Einzelfall überwiegt, und das soll, glaube ich, auch gar nicht sein.

Zur nächsten Frage des Abgeordneten Bernhard, die schließt sich direkt daran an: Ist das jemals erfolgreich eingeklagt worden? – Nein, dieses Staatsziel Umweltschutz konnte nicht erfolgreich eingeklagt werden. Es ist ja auch nur ein Staatsziel.

Zweite Fragerunde der Abgeordneten

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Der rechtliche Rahmen ist natürlich Voraussetzung, um den Klimaschutz auch zu normieren.

Darüber hinaus steht bei uns – das ist wohl keine Überraschung – in der Sozialdemokratie ein sozial gerechter Klimaschutz ganz oben auf der Agenda. Bei der Politikgestaltung sind die Anliegen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie die Auswirkung auf die Beschäftigung von essenzieller und zentraler Bedeutung, um auch die Akzeptanz, die Teilhabe zu erreichen.

Jede Krise verschärft soziale Verwerfungen, daher darf und kann auch Klimaschutz kein elitäres Projekt sein, sondern muss vielmehr zu einem Gesellschaftsprojekt werden.

Knapp 400 000 Menschen haben dieses Klimavolksbegehren proaktiv unterstützt. Dafür sage ich einen herzlichen Dank. Es ist somit der Beginn einer gesellschaftlichen Agenda, aber noch nicht die ausschließliche Voraussetzung für eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Daher muss unserer Ansicht nach auch die Rolle der öffentlichen Dienstleistung gestärkt werden: rund um Wasser, Elektrizitätsversorgung, öffentlicher Transport, sozialer Wohnbau, Bildungs-, Betreuungs-, Gesundheitseinrichtungen. Das alles sind Indikatoren für eine erfolgreiche Transformation in die richtige Richtung einer konsequenten Klimaschutzpolitik.

Nur ein sozial gerechter Klimaschutz kann zu Klimagerechtigkeit führen. Eine neuerliche, vielleicht dann klimabedingte Umverteilung zulasten der Arbeitnehmer und des ohnehin stets stark wachsenden Prekariats darf nicht noch mehr Schieflage schaffen, als es ohnehin durch das geltende Wirtschaftssystem der Konsum- und Wegwerfgesellschaft gegeben ist. Daher: Klimaschutz gerecht gestalten und die damit verbundene soziale Frage auch wirklich wahrnehmen!

Meine Frage an Prof. Brand in Bezug auf die wichtige Frage des Lieferkettengesetzes der Konzerne: Welche Handlungsanweisungen würden Sie vorschlagen? – Vielen Dank.

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Herr Obmann! Frau Bundesminister! Hoher Ausschuss! Sehr geehrte Experten! Ganz kurz und allgemein möchte ich natürlich auch den Initiatoren recht herzlich zu diesem tollen Ergebnis und auch dazu, dass wir heute hier sitzen und diesen Ausschuss auch der Öffentlichkeit zugänglich machen, gratulieren. Das ist einzigartig und auch dafür den höchsten Respekt in Ihre Richtung.

Ich glaube, wir haben eine sehr, sehr gute Gesprächsbasis, was wichtig ist, auch wenn wir nicht in allen Punkten gleicher Meinung sind.

Wir haben in diesem Bereich auch schon Vorgespräche geführt. Jetzt ist die entscheidende Phase im Hinblick auf die Frage: Wie gehen wir mit diesem Klimavolksbegehren parlamentarisch um? Dazu gibt es einzelne Kritikpunkte, auch von den Experten, dahin gehend, dass die Politik da zu wenig macht, nichts macht. In Richtung der Frau Bundesminister: Auch Sie haben hohe Ziele und Forderungen diesbezüglich, zu denen wir natürlich auch den parlamentarischen Austausch brauchen.

Betreffend eben genau jenen Punkt, dass man mit diesem Klimarechnungshof oder Klimarat, wie man ihn auch immer bezeichnen möchte, eine weitere Ebene einziehen möchte, sind wir von unserer Seite her sehr, sehr kritisch. Wir sehen auch die Grund- und Freiheitsrechte in diesem Bereich für die Zukunft etwas eingeschränkt, denn – Herr Prof. Brand hat es ja erwähnt – für den Klimaschutz muss man die eine oder andere Freiheit einschränken – und dazu braucht es natürlich einen parlamentarischen Prozess. Dieser Prozess muss eingeleitet werden.

All diese Grund- und Freiheitsrechte, diese Staatsrechte kann man nicht einfach über einen Kamm scheren; man kann nicht einfach sagen, es steht nur mehr das Klima darüber. Man braucht da schon die nötigen Instrumente, und dafür sind der Parlamentarismus und auch das demokratische Prinzip hier in Österreich entscheidend, wovon wir ja nicht Abstand nehmen wollen.

Eine konkrete Frage an Herrn Prof. Brand: Was meinen Sie genau, wenn Sie sagen, man muss die Freiheitsrechte einschränken?

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Vielen Dank, dass das Klimavolksbegehren in letzter Zeit so gut getragen worden ist und zu diesem Erfolg geführt hat. Wir stehen vor ziemlich vielen Herausforderungen. Ich glaube, eines der größten Probleme ist, dass sehr viele mit fossilen Brennstoffen Profite machen und ein Großteil der Bevölkerung darunter leidet. Ich denke, das muss man aufdröseln, damit wir die Menschen da gut mitnehmen, aber die Klimakrise auch abwenden. Das ist in vielen Bereichen sehr komplex, aber ich denke, das müssen wir angehen.

An Prof. Dr. Ennöckl habe ich eine Frage: Inwieweit könnte ein Klimabudgetdienst hilfreich sein, um die Gesetze in Zukunft besser gestalten zu können? Wie könnte man einen Klimacheck rechtlich verankern, damit die Klimatauglichkeit von Gesetzen und Verordnungen sichergestellt werden kann?

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Ich habe mich nun selbst zu Wort gemeldet. Wir haben vorhin gehört, dass ein Grundrecht auf Klimaschutz beziehungsweise die Gerichtsbarkeit ein Motor für den Klimaschutz wäre.

Nun ist es so, dass in vielen Politikbereichen die Gerichtsbarkeit Motor für die Schaffung neuen Rechts war. Wenn wir zum Beispiel an die Gleichstellungspolitik denken, dann sehen wir, dass das Recht auf Ehe für alle auf ein Gerichtsurteil zurückgeht, weil das Verbot gegen das Grundrecht auf Nichtdiskriminierung verstoßen hat. Das heißt, in Österreich gibt es ja sogar schon historische Vorgaben, bei denen die Gerichtsbarkeit dazu da war, bestehende Grundrechte durchzusetzen.

Deshalb meine Fragen an die JuristInnen, insbesondere Dr. Ennöckl und Dr. Schulev-Steindl: Welchen Stellenwert haben aus Ihrer Sicht generell die Gerichte für die Durchsetzung von Grundrechten, und welche Auswirkungen hat das auf das bestehende österreichische Recht? Es ist vielleicht eine Herausforderung, das in 1, 2 Minuten zu erklären, aber vielleicht geht es grundsätzlich, denn das ist eine allgemeine Debatte, die da jetzt aufgekommen ist. – Danke

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Vorsitzender! Liebe Katharina Rogenhofer! Liebe Initiatoren des Klimavolksbegehrens! Auch von meiner, von unserer Seite darf ich ein riesengroßes Dankeschön für eurer Engagement im letzten Jahr, in den letzten Monaten, dafür, dass wir das heute hier diskutieren können, ausrichten.

Ich glaube, es ist bekannt, dass wir NEOS die Forderungen des Klimavolksbegehrens umfassend unterstützen, wenngleich wir den Schwerpunkt eher auf den Punkten sehen, die wir heute im zweiten Teil diskutieren werden. Warum? – Weil wir befürchten – und Kollege Bernhard hat es ja auch schon anklingen lassen –, dass eine Verankerung wie auch immer, vor allem aber als Staatszielbestimmung, als billiger Punkt umgesetzt werden könnte, der in der Öffentlichkeit vielleicht gut ankommt, aber nicht den Hebel darstellt, den er suggeriert zu sein. Prof. Ennöckl hat ja schon ausgeführt, welchen Hebel Staatszielbestimmungen haben – nämlich keinen.

Vor diesem Hintergrund würde ich gern zwei Fragen stellen, die sich auf einiges beziehen, was schon gesagt wurde, aber noch nicht in dieser Deutlichkeit. Die erste Frage an Frau Prof.in Schulev-Steindl – ich stelle die Frage deswegen, weil ich befürchte, dass gerade in dieser Regierungskonstellation eine Staatszielbestimmung als Kompromiss herauskommen könnte –: Würde die Verankerung des Klimaschutzes als Staatszielbestimmung tatsächlich auch nur irgendeine Möglichkeit schaffen, dieses Recht einzuklagen?

Die zweite Frage geht an Herrn Prof. Ennöckl, eingehend auf den Widerspruch, den Herr Prof. Piska auch aufgezeigt hat, dass ein Grundrecht auf Klimaschutzes ein Grundrecht sui generis darstellen würde: Ist so ein Grundrecht mit anderen subjektiven Rechten im Verfassungsrang vergleichbar, und wenn ja, mit welchen? Vielleicht könnten Sie darauf noch kurz eingehen. – Vielen Dank.

Zweite Antwortrunde der ExpertInnen

Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Janko: Ich bin zwar nichts gefragt worden, aber natürlich sind ein paar Fragen so geartet, dass ich auch etwas dazu sagen kann. Vielleicht noch einmal zum Grundrecht: Wie gesagt, die Konsequenz eines Grundrechts wäre, dass mit dem Grundrecht unvereinbare Gesetze verfassungswidrig sind und vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden können.

Wenn das Grundrecht auf Klimaschutz so konstruiert ist, dass im Prinzip jeder und jede, der/die nur irgendwie vom Klima betroffen sein könnte – und das ist praktisch jeder –, das Grundrecht einklagen kann, dann hätte jeder ein Individualrecht darauf, ein entsprechendes Verfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beginnen.

Ich möchte ein provokantes Beispiel bringen, nur um das ein wenig auf den Punkt zu bringen. Stellen Sie sich das vor: Wir haben aktuell die diversen Covid-Hilfen, zum Teil in Gesetzen verankert.

Es könnten jetzt bei einem Grundrecht auf Klimaschutz theoretisch x-beliebig viele Bürgerinnen und Bürger sagen: Diese Covid-Hilfe für ein Unternehmen, das klimafeindlich ist und damit in Wahrheit das Einhalten des Reduktionspfades erschwert oder verhindert, ist verfassungswidrig, verstößt gegen das Grundrecht, bitte hebt diese Förderung auf! – Das wäre eine von vielen Konsequenzen, wenn man das ganz strikt zu Ende denkt. Wie gesagt: Das wäre ein Novum. Das haben wir so in unserer Verfassung bisher in keiner Art und Weise. Wenn man es will, kann man es machen, aber ich glaube, dann würde wahrscheinlich auch der Verfassungsgerichtshof aufgrund der durch solche möglichen Wege auf ihn zukommenden zusätzlichen Arbeitsbelastung ein wenig stöhnen. Da sollte man sich auch etwas überlegen. – Danke.

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand: Drei ganz kurze Bemerkung noch zur ersten Runde:

Zur Frage keine Maßnahmen ohne gesellschaftliche Mehrheit oder Legimitationsakt möchte ich nur daran erinnern – das hat ja die Bundesministerin auch gesagt –: Viele gesellschaftliche Veränderungen werden von Minderheiten angestoßen. Zwentendorf ist wohl genannt worden. Auch das Klimavolksbegehren ist ja von sehr vielen unterstützt worden, aber es gibt natürlich auch noch Widerstände in der Gesellschaft. Ich möchte also nur daran erinnern: Wir müssen nicht immer vom ersten Schritt an – das sage ich jetzt auch als Politikwissenschaftler – auf die Mehrheiten schauen, sondern auch darauf, woher Innovationen aus der Gesellschaft kommen, solange sie nicht von anderen ganz offen abgelehnt werden.

Zweiter Punkt, Freiheit einschränken: Mein Punkt war nicht, dass die Freiheit per se eingeschränkt werden soll. Sie wird ja dauernd eingeschränkt. Wir haben zum Glück keine Kinderarbeit, wir haben ja auch schon Verbote, dass bestimmte ausbeuterische, naturzerstörerische Dinge nicht gemacht werden dürfen. Mein Punkt war: Was ist der Rahmen von Menschen? Also neben den subjektiven Voraussetzungen des eigenen Lebens, was ist der rechtliche Rahmen, dass man – das habe ich jetzt nicht als Jurist argumentiert – in Verantwortung frei leben kann, nicht zerstörerisch, nicht zulasten der Natur, nicht zulasten anderer Menschen? Und da ist das Klimavolksbegehren ein wichtiger Schritt, weil es uns ermöglicht, dass wir in Österreich Regeln haben, Bedingungen haben, damit wir besser leben können und eben nicht die zukünftige Generation mit der Verschärfung der Klimakrise gefährden.

Letzter Punkt, zum Lieferkettengesetz: Da fühle ich mich jetzt nicht befugt, das in 50 Sekunden auszuführen. Es wird ja inzwischen auch von der UNO ein Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten verhandelt. In Deutschland ist das Lieferkettengesetz im Bundestag bereits beschlussfähig.

Ich würde den Ball an Sie als Parlament zurückspielen, sich damit auf hohem Niveau zu beschäftigen, eben über solche Hearings und auch anderweitig. Es ist wieder eine Initiative aus der Zivilgesellschaft, die aber interessanterweise eben mit der UNO-Initiative auch schon fast regierungsamtlich ist.

Also da kann ich nur anregen: Bleiben Sie an dem Thema dran, es ist sehr wichtig und es hat sehr viel mit Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit zu tun!

Assoz.-Prof. Mag. Dr. Daniel Ennöckl, LL.M.: Ich fasse zwei Fragen zusammen, nämlich jene von Abgeordnetem Hammer und jene von Abgeordnetem Shetty: Welche Wirkung hätte dieses Grundrecht? Da muss ich ein bisschen auf Prof. Janko Bezug nehmen. Das ist immer so, wenn man ein neues Rechtsinstrument einführt – das haben wir auch beim Thema Informationsfreiheit, beim Umweltinformationsrecht und jetzt bei der Informationsfreiheit, die in Diskussion ist –: Um Gottes Willen, dann werden alle unsere Gerichte und Behörden lahmgelegt und dann wird nie wieder ein Arbeiten möglich sein! – Selbst wenn wir ein von jeder Person einklagbares Grundrecht auf Klimaschutz haben, werden es im Jahr vielleicht fünf Verfahren sein, die geführt werden. Die sind ja mit hohem juristischem Aufwand verbunden. Wir wissen das auch aus dem Ausland, wo sich NGOs beteiligen müssen. Das wird also unsere Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht aus den Angeln heben, das kann ich sagen.

Wenn wir einen Blick in andere europäische Länder werfen, dann bekommen wir eine Ahnung, wie sich ein derartiges Grundrecht auswirkt. Die Deutschen haben nämlich im Grundgesetz schon den Schutz künftiger Generationen und die Niederländer haben eine weitaus stärkere Verankerung des Umwelt- und Klimaschutzes in ihrem Verfassungsrecht. Dort sind dann einfach Initiativen gegen die Regierungen vorgegangen, und dann hat das niederländische Höchstgericht gesagt, dass eine Reduktionsverpflichtung von 17 Prozent für das Pariser Abkommen nicht ausreicht und dass 25 Prozent erforderlich sind. Das war die einzige erfolgreiche Klage.

In Deutschland hat das Verwaltungsgericht Berlin zu einer Klage von Greenpeace gesagt: Weil wir jetzt nur 32 statt 40 Prozent veranschlagt haben und die Ziele erst drei Jahre später erreichen, ist das noch keine Grundrechtsverletzung.

Ein Grundrecht auf Klimaschutz heißt nicht ein Fallbeil, dass nur noch der Klimaschutz maßgeblich ist, aber es verpflichtet zur Begründung, zur Abwägung und zur Berücksichtigung. Das sind alles Aspekte, die in der derzeitigen Verfassungsrechtslage nicht erforderlich sind. Noch einmal, ich wiederhole es: Die Hälfte unserer Raumordnungsgesetze kennt Klimaschutz nicht. Das ist eine Verabsäumung, die nicht mehr weiter tragbar ist.

Noch einmal zur Frage des Abgeordneten der NEOS: Ist das ein Grundrecht sui generis? – Nein, es ist eine Weiterentwicklung des Artikels 8 EMRK – das Recht auf Achtung des Privatlebens –, denn daraus hat die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch des Verfassungsgerichtshofs einen Abwehranspruch gegen Umweltbeeinträchtigungen allgemeiner Art vorgesehen. Es ist eine etwas speziellere und auf die Besonderheiten des Klimawandels ausgerichtete Weiterentwicklung, die wir mit diesem Grundrecht vorsehen würden.

Zum Klimabudget: Jede Form der Klimaschutzplanung, die die Regierung und das Parlament vornehmen, ist zweckmäßig und notwendig. Das Klimaschutzgesetz ist dazu ein völlig unzureichender Rechtsrahmen, und da ist wirklich jede Idee, die sagt, dass wir etwas vorausschauender und konkreter planen, ein Schritt in die richtige Richtung. – Danke.

Univ.-Prof. MMag. Dr. Eva Schulev-Steindl, LL.M.: Ich komme zur Frage von Abgeordnetem Hammer: Der Stellenwert der Gerichte bei der Durchsetzung der Grundrechte ist natürlich ein großer. Wenn wir nur den Verfassungsgerichtshof anschauen: Das ist sozusagen seine ureigenste Aufgabe. Aber auch der Oberste Gerichtshof versteht sich immer wieder als Hüter der Grundrechte, und natürlich muss auch jedes unterinstanzliche Gericht, wenn es Gesetze anwendet, dies verfassungskonform tun und immer auch die Grundrechte mitberücksichtigen.

Der große Knackpunkt in diesem Zusammenhang ist natürlich: Inwieweit sollen Gerichte Vorgaben machen, die letztlich im weiteren Sinne klimapolitisch sind? Das ist ja das Problem: Sollen Gerichte sozusagen Defizite der Klimapolitik substituieren können? Da muss man natürlich sehr vorsichtig sein, und das sind die Gerichte auch. Wir haben die Gewaltenteilung in der Verfassung verankert. Die Gerichte nehmen das wahr, halten sich auch im Sinne eines Judicial Self-Restraint bewusst zurück.

Da möchte ich jetzt als Beispiel das holländische Urgenda-Urteil nehmen, das Kollege Ennöckl gerade zitiert hat. Das wird natürlich dort genauso diskutiert wie in anderen Staaten. Was hat dieses Gericht gemacht? – Es hat sich auf die EMRK, auf die von dir zitierten Grundrechte gestützt, Artikel 2 und 8 EMRK, und hat gesagt: Die niederländische Regierung hatte sich schon einmal früher in einem Gesetz oder einem Dokument auf 25 Prozent Reduktion committet, also sich dazu verpflichtet. Dann ist sie im Lichte der EU-Diskussionen auf 17 Prozent zurückgegangen. Das Gericht hat jetzt nichts anderes gesagt als: Im Lichte aller Expertenmeinungen sind wir der Meinung, dass diese 17 Prozent zu wenig sind und dass die Regierung wieder zu ihrem ursprünglichen 25-Prozent-Ziel zurückkommen muss. Das Gericht hat aber nicht eine Fülle von einzelnen Maßnahmen oder sonstige Dinge vorgeschrieben.

Zur Frage von Abgeordnetem Shetty ganz kurz: Wenn man ein Staatsziel Klimaschutz verankert, hat das keine zusätzlichen Effekte. Es führt nicht zu einer individuellen Einklagbarkeit oder Durchsetzbarkeit.

Statement der Vertreterin des Klimavolksbegehrens

Katharina Rogenhofer, MSc: Vielen Dank für Ihre Fragen und danke den Expertinnen und Experten für ihre Statements. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Augenblick ist. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, Expertinnen und Experten zu Wort kommen zu lassen und gemeinsam zu diskutieren.

Allerdings will ich eines sagen: Viele der Forderungen wurden teilweise falsch dargestellt. Niemand von uns fordert, dem Klimaschutz alles und jedes Grundrecht unterzuordnen. Niemand sagt, es sollen aufgrund des Klimaschutzes alle Gesetze ausgehebelt werden. Es sind aus gutem Grund andere Grundrechte in unserer Verfassung enthalten: weil sie uns wichtig sind, weil wir uns dazu committet haben, dass jeder Mensch bestimmte Grundrechte hat.

Kollege Janko hat es schon gesagt: Klimaschutz hat derweil eher untergeordnetes Gewicht in Entscheidungen. Das wollen wir ausgleichen. Es hat derweil untergeordnetes Gewicht, und davon müssen wir wegkommen und Klimaschutz zu etwas machen, das in jede Entscheidung miteinbezogen werden muss, das als öffentliches Interesse wahrgenommen wird.

Ich will hier auch noch einmal sagen: Ein weiteres Grundrecht zu schaffen, ist ja keine Einschränkung, sondern eine Erweiterung unserer Grundrechte.

Das Problem ist, dass wir jetzt gerade gegen die Nichteinhaltung von Klimazielen nichts machen können. Wir können nichts machen! Dann können wir vielleicht etwas machen, und das ist in vielen verschiedenen Ländern schon passiert. Die Frage ist also nicht, ob wir alles dem Klimaschutz unterordnen, sondern wie wichtig uns, wie wichtig ist Ihnen als Abgeordneten Klimaschutz ist.

Vorhin hat Kollege Kassegger gesagt, die Menschen sollen im Mittelpunkt der Politik stehen. Ich gebe Ihnen ganz recht! Ich glaube, dass die Menschen in den Mittelpunkt der Politik gehören, und zwar auch der Schutz der Menschen. Wir haben vorhin von meinem Kollegen Stefan Weiß-Fanzlau die Folgen der Klimakrise sehr gut vor Augen geführt bekommen. Das heißt: Untätigkeit im Klimaschutz wird unsere Grund- und Freiheitsrechte einschränken, und zwar massiv. Das heißt, das Problem ist nicht das Recht auf Klimaschutz, sondern das Problem ist das Nichthandeln. Das wird viele Grund- und Menschenrechte langfristig einschränken. Wir müssen also jetzt etwas tun, und ein Grundrecht zu verankern, ist einer der wichtigen und symbolischen Schritte dafür, und dieses Recht kann dann über die Gerichtsbarkeit auch eingeklagt werden.

Weiters will ich auf den Klimarechnungshof eingehen, weil auch dieser ein wenig falsch dargestellt wurde. Der Klimarechnungshof macht keine Gesetze, sondern er gibt Empfehlungen ab. Er ist mit Expertinnen und Experten besetzt, so wie Sie heute Expertinnen und Experten eingeladen haben, und nicht umsonst haben Sie diese eingeladen, weil Sie ihre Expertise hören wollen.

Kollege Piska hat vorhin gemeint, die Gerichte seien ja nicht diejenigen, die Expertise zum Klimaschutz haben. Ich glaube auch, dass die Politik nicht immer Expertise zum Klimaschutz hat. Das heißt nicht, dass Sie nicht ein grundlegendes Verständnis von Ihrer Materie haben, das will ich damit gar nicht sagen, aber wir brauchen Expertinnen und Experten, die mit ihrer Expertise der Politik zur Seite stehen, die Fragen beantworten können und die hier Empfehlungen aussprechen können, wie wir gute Klimaschutzgesetze machen können.

Abschließend also noch einmal: Wie wichtig ist Ihnen Klimaschutz? Ich glaube, das sollten wir hier diskutieren, und das sollte sich auch in den Beschlüssen wiederfinden. – Danke schön.

II. Zukunft sichern: Stopp klimaschädlicher Treibhausgase

Statements der ExpertInnen

Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, diesen zweiten Themenkomplex zu eröffnen. Ich fange vielleicht so an: Im Gegensatz zu Corona, wo wir alle, glaube ich, noch im Nebel stochern und auch die Expertinnen und Experten noch keine endgültige Evidenz über gewisse Maßnahmen und gewisse Folgen haben, haben wir im Klimaschutz in der Wissenschaft eine relativ klare Fakten- und Evidenzlage.

Es gibt also nicht viel Neues, sondern die Frage ist eher: Wie kann man die Dinge, die bekannt sind, auch umsetzen. Das Erreichen der Klimaziele wird – und das, glaube ich, kann man so feststellen – für Österreich eine große Herausforderung darstellen.

Ich habe zwei Prämissen, mit denen ich starten möchte.

Die erste Prämisse: Wir wollen diese Ziele auch erreichen – sie sind durch die Europäische Union bis 2030 noch einmal verschärft worden –, und wir wollen sie erreichen, ohne dass wir insgesamt an wirtschaftlicher Kraft einbüßen. Es wird nicht gehen, dass niemand davon betroffen ist, das wäre, glaube ich, eine Illusion, es wird natürlich Branchen, Bereiche, Individuen geben, die höhere Kosten oder eine Einbuße an Möglichkeiten zu gewärtigen haben, aber es wird auch Bereiche, Branchen und Individuen geben, die mehr Möglichkeiten haben werden. Idealerweise schaffen wir es, Klimaschutz, Klimaziele mit wirtschaftlichen Chancen und Chancen für die Zukunft auch im wirtschaftlichen Bereich zu verbinden.

Was brauchen wir dafür? Sehr pragmatisch: Wir brauchen Ziele – die sind mittlerweile relativ klar –, wir brauchen Maßnahmen – darauf gehe ich gleich im Detail ein – und wir brauchen Prozesse und Institutionen, die auch im Volksbegehren zum Teil angesprochen werden.

Die Ziele sind bekannt: minus 55 Prozent bis 2030. Wie das auf die Länder heruntergebrochen wird, werden wir noch sehen; dazu sage ich jetzt nicht viel. Die Maßnahmen sind vielfältig, und ich glaube, es ist wichtig, diese Maßnahmen auch wirklich alle auszuschöpfen. Einige davon sind im Volksbegehren angesprochen, andere nicht. Es gibt ordnungsrechtliche Maßnahmen, die man gesetzlich vorschreiben kann, es gibt die Möglichkeit der Bepreisung von CO2 und anderen Treibhausgasen – ein ganz wichtiger Maßnahmenbestandteil aus meiner Sicht als Ökonom –, es gibt die Möglichkeit, Infrastruktur und andere Investitionen zu fördern, zu unterstützen, selbst als Regierung, als Parlament zu beschließen. Es gibt die Möglichkeit – und aus meiner Sicht auch die Notwendigkeit –, technologischen Fortschritt zu ermöglichen, also in diesem Bereich Wissenschaft, Forschung und Innovation zu fördern. Und natürlich gibt es auch – und das ist, glaube ich, wichtig – bestehende gesetzliche Maßnahmen, Anreize, die man überprüfen muss, weil sie vielleicht nicht mehr der aktuellen Situation entsprechen.

Das Volksbegehren geht sehr stark auf die Prozesse und die Institutionen ein. Ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, transparent zu sein, erstens über die Reduktion der Treibhausgasemissionen, also einen Reduktionspfad und vielleicht auch einen Preispfad – wie viel kostet eine Tonne CO2? – festzulegen. Da geht es um Planungssicherheit – ein ganz wichtiger Faktor! Irgendjemand hat gesagt, sektorspezifische Sofortmaßnahmen wären wichtig. Das kann schon im Einzelfall sein, dass das wichtig ist, ich glaube aber, dass über allem eine gewisse Planungssicherheit stehen muss, und zwar für alle Beteiligten; das betrifft Unternehmen genauso wie Individuen. Wenn man als Konsument weiß, dass die Tonne CO2 in fünf Jahren so und so viel kostet, wird man sein nächstes Auto anders auswählen, als wenn man dieses Wissen nicht hat oder wenn Unsicherheit darüber besteht.

Diese Offenheit, die Transparenz, den Pfad festzulegen, halte ich für eine ganz, ganz wichtige Sache. Es geht auch darum – das ist auch ganz wichtig –, diese Offenheit, diese Transparenz nicht auf 2030 oder 2040 zu beziehen, sondern es muss Zwischenziele und auch eine Überprüfung dieser Zwischenziele geben. Das heißt nicht, dass es eine lineare Reduktion geben muss. Deswegen ist dieses CO2-Budget, das gefordert wird, vielleicht gar nicht so einfach umzusetzen, weil das Ganze auch konjunkturabhängig sein wird. Dazu muss es auch noch weitere Forschung geben, wie man das machen kann. Es muss aber zumindest Zwischenziele geben, denn sonst stehen wir 2025, 2026 da und haben dann möglicherweise hohe Kosten, um die Ziele noch annähernd zu erreichen.

Es muss aus meiner Sicht – das ist wichtig, das geht, glaube ich, aus dem Volksbegehren nicht so stark hervor – auch die Aufforderung an die Politik geben, dass sie sich dafür einsetzt, dass sich auch alle anderen Staaten an die Ziele halten, also internationale Solidarität, was das betrifft, weil ich glaube, dass das auch für einen kleinen Staat wie Österreich wichtig ist. Österreich kann als einzelner Staat nur bedingt etwas erreichen, und es ist daher auch wichtig, dass man alle dazu bringt, mitzumachen. Wir haben aus rein wirtschaftstheoretischer Sicht das größte soziale Dilemma, das größte Gefangenendilemma – diejenigen, die das kennen, wissen, was ich meine – aller Zeiten, die größte Kooperationsherausforderung, weil alle Staaten eigentlich mitmachen müssen, zumindest alle großen Staaten, damit die Ziele weltweit auch erreicht werden.

Ich könnte noch relativ viel über die einzelnen Maßnahmen sagen. Ich sage vielleicht noch ein bisschen etwas, weil das als Hintergrund wichtig ist, zu möglichen Alternativen. Die Alternativen gibt es eigentlich nicht, im Sinne von dass es teurer würde, wenn wir nichts täten. Ich möchte ganz kurz eine Untersuchung des Büros des Fiskalrats erwähnen, die im Sommer publiziert wurde; das kann auch jeder nachlesen.

Darin hat man sich für das 43-Prozent-Ziel bis 2030 angesehen, welche Kosten entstünden, wenn wir dieses Ziel nicht erreichen. Es gibt zwei Emissionspfade, die da untersucht wurden.

Der eine Pfad bezieht sich auf die bestehenden Maßnahmen: Wenn man die bestehenden Maßnahmen, so wie sie jetzt existieren, weiterschreibt, dann kommen wir für das 43-Prozent-Ziel auf Kosten von 2 bis 4 Milliarden Euro für Österreich, um Zertifikate unter großer Unsicherheit zuzukaufen. Zertifikate werden 2030 nämlich andere Preise haben, als sie sie jetzt haben, möglicherweise teurer werden, je nachdem. Berücksichtigt man alle Maßnahmen, die im Nationalen Energie- und Klimaplan vorgesehen sind – davon sind viele noch nicht umgesetzt –, dann kommen wir auf Kosten von 0,8 bis 1,7 Milliarden Euro für das 43-Prozent-Ziel. Das heißt, es muss in den nächsten Jahren auf jeden Fall noch etwas passieren, um diese Ziele zu erreichen, ansonsten drohen uns fiskalische Kosten. Das sind nur die fiskalischen Kosten, keine andere Kosten, die auf uns zukommen, wie zum Beispiel durch Umweltschäden, aufgrund der Erwärmung oder ähnliche Kosten, die oft vergessen werden, frühere Todesfälle aufgrund von Hitze im Sommer und so weiter. Also ich glaube, das ist wichtig, dazuzusagen, dass es nur die fiskalischen Kosten sind.

Ich sage vielleicht noch zwei, drei Sätze zur Forderung betreffend einen Klimarechnungshof: Ich glaube, es gibt auch ein bisschen ein Missverständnis über die Tätigkeiten des Rechnungshofes, denn es wurde gesagt, der Rechnungshof prüfe die Staatsfinanzen. Das macht der Rechnungshof eigentlich nicht, dieser prüft die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns. Insofern, glaube ich, ist es wichtig, auch zu überlegen, was denn solch eine unabhängige Institution, und ich glaube, das ist eine gute Idee, wirklich tun können müsste, wie sie ausgestaltet sein müsste.

Sie müsste wahrscheinlich eine Prüfinstanz sein, die unabhängig – nämlich unabhängig von allen Institutionen, aus meiner Sicht auch vom Parlament – einfach feststellt, ob man die Vorgaben, die man sich gesetzt und zu denen man sich international verpflichtet hat, einhält und ob der Pfad, den man gewählt hat, in die richtige Richtung geht. Das kann zum Teil das Umweltbundesamt machen, das kann aber auch eine Institution wie der Fiskalrat für die fiskalische Einhaltung der Regeln, der europäischen Regeln sein, um eben als kleine Institution möglichst effektiv Expertise bereitzustellen. Mehr Sanktionsmechanismen kann solch eine Institution nicht haben oder festschreiben, das muss die Politik machen, wie zum Beispiel im Österreichischen Stabilitätspakt für die Finanzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl: Sehr geehrte Mitglieder des Umweltausschusses! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann aus ökonomischer Sicht eigentlich nur ergänzen, was Kollege Kocher schon gesagt hat, da wird es nicht viel Widerspruch geben. (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

In der Debatte um die Klimakrise geht es nicht nur um ethische Verpflichtungen gegenüber zukünftigen Generationen und anderen Spezien, es geht nicht nur um den Erhalt der stabilen Lebensbedingungen und Grundrechte für alle, sondern es geht auch um den wirtschaftlichen Erfolg, und zwar aus volkswirtschaftlicher Perspektive.

Das ist zwar unterschiedlich vom Erfolg einzelner Unternehmen, doch müssen wir auch bedenken, dass unter aktuellen Bedingungen manche Unternehmen, die schon jetzt nachhaltig agieren wollen, zurückgehalten werden. So wird es sein, dass manche Unternehmen davon natürlich negativ betroffen sein werden, wenn mehr Regulierungen bezüglich Klimaschutz implementiert werden. Das ist aber in der Wirtschaftsgeschichte nichts Ungewöhnliches, sonst wären wir noch immer bei den handbetriebenen Webstühlen und Pferdekutschen, mit denen wir uns fortbewegen würden. Das heißt, struktureller Wandel ist ein Teil einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung.

Der wirtschaftliche Erfolg beinhaltet aber auch das Wohlergehen der Bevölkerung. Es geht also nicht um Wirtschaft oder Umwelt, sondern es geht um klima- und umweltschädliche oder zukunftsfähige Wirtschaft.

In einer volkswirtschaftlichen Herangehensweise gibt es Grundprinzipien, die eingehalten werden sollen, sodass der wirtschaftliche Erfolg sichergestellt werden kann. Viele dieser Grundprinzipien sind derzeit nicht erfüllt, das heißt, das Haus ist nicht in Ordnung.

Dazu gehören die Kostenwahrheit und das Verursacherprinzip. Es gibt seit Jahrzehnten die Diskussion darüber, dass natürlich Klimagase bepreist werden müssen, ansonsten kommt es systematisch zu strukturellen Verzerrungen und zu Fehlentscheidungen von wirtschaftlichen Akteuren, Unternehmen wie Haushalten. Dazu würden wir eine Orientierung an den Vermeidungskosten vorschlagen.

Weiters: Die relativen Preise beeinflussen die Produktion und den Konsum, dazu wäre eine Korrektur durch eine ökosoziale Steuerreform wünschenswert. Es geht aber nicht nur um eine Korrektur der aktuellen Situation, also Günstigermachen des Faktors Arbeit, Verteuerung des Faktors natürliche Ressourcen sowie der Klimagase, es geht auch darum, in einer dynamischen Betrachtung der Wettbewerbsfähigkeit in einem sich verändernden Umfeld – China verpflichtet sich, die USA verpflichten sich, andere große Wirtschaftsblöcke verpflichten sich, klimaneutral zu werden – hier an der vorderen Front zu bleiben, um nicht zum Nachzügler zu werden, um sich nicht in der dynamischen Betrachtung einen Nachteil auf wirtschaftlicher Ebene einzuhandeln.

Nächstes Prinzip: Unsicherheit zu reduzieren und Planbarkeit zu erhöhen, das ist Teil der Politik. Es braucht Regulierung, und da wäre zum Beispiel ein flexibler Preispfad ein adäquates Mittel dafür. Es braucht Ziele, Zwischenziele – 2025, 2030 –, nicht nur die natürlich wünschenswerte Orientierung an 2040. Gesetzliche Grundlagen – darüber wurde schon gesprochen.

Es braucht natürlich klimaneutrale Handlungsoptionen, um die Option zu haben, in Freiheit entscheiden zu können. Diese entstehen aber nicht automatisch, sondern sie müssen geschaffen werden. Der erste Ökonom Adam Smith hat es so genannt: Es geht um ein Leben ohne Scham. – Das heißt, die Option zu haben, solche Entscheidungen treffen zu können, dass man nicht von Experten, Expertinnen in den Nachrichtensendungen gesagt bekommt, man soll sich klimaneutral verhalten, aber ich habe nicht die Möglichkeit, mich im Waldviertel klimaneutral fortzubewegen. Das heißt, hier müssen Optionen geschaffen werden, das heißt, Freiheit muss gemeinsam produziert werden. Das heißt, es braucht öffentliche und private Investitionen, es braucht soziale Innovationen, nicht nur technologische Innovationen.

Und letzter Punkt: Pfadabhängigkeiten sind natürlich etwas, was wir kennen, vor allem aus der Energiepolitik, aber auch im Mobilitätsbereich sind sie bedeutend. Wenn wir solche Pfadabhängigkeiten, die uns auf fossilintensive Produktionsweisen wie soziale Praktiken festschreiben, identifizieren, dann brauchen wir geordnetes Angehen, ein Divestment, also Rausgehen aus diesen Portfolios, wie auch Exnovation, also nicht nur Innovation, sondern auch das systematische Abarbeiten, Rückarbeiten in einer sozial abgefederten Form. 

 Mit dem Thema Bepreisung der Klimagase könnte man natürlich einen ganzen Tag oder eine ganze Woche füllen, ich möchte darauf nicht im Detail eingehen, sondern nur anmerken, dass der Preis, der für die EU-Emissionszertifikate derzeit am Markt erzielt wird, kaum Lenkungswirkung hat. Wir sind da ganz im unteren Bereich, die schwedische Kohlenstoffsteuer ist weiter oben, die finnische, die Schweizer und so weiter sind weiter oben. Das heißt, da gab es nationale Spielräume, die schon ausgenutzt wurden, und natürlich jetzt mit europäischer Koordination; das ist präferabel, das ist wünschenswert. Da müssen wir aber in andere Preisregime kommen, als wir uns derzeit befinden, nämlich auf das von ungefähr 25 bis 30 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. Das heißt, der Preis nach oben, aber angedeutet, um die Unsicherheit für die wirtschaftlichen Akteure herauszunehmen.

Aus positiver Sicht bedeutet das natürlich auch steuerliche Einnahmen, die man wieder für Klimaschutzmaßnahmen nutzen kann.

Der internationale Kontext: Natürlich gibt es ambitionierte Vorgaben von der europäischen Ebene. In Österreich wäre es eben wichtig, nicht nur das 2040er-Ziel zu haben, sondern das auch auf 2025 und auf 2030 herunterzubrechen, das ebenso ambitioniert sein muss – mindestens minus 25 Prozent bis 2025 und mehr als 50 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990.

Das ist also aus den Standardinstrumenten der volkswirtschaftlichen Betrachtung abzuleiten. Jetzt gibt es noch eine unerfreuliche, empirische Evidenz, und zwar, dass das, was wir uns üblicherweise vornehmen, nämlich Effizienzverbesserung durch technologische und soziale Innovationen und mehr Wachstum, um uns bessere Technologien eben leisten zu können, nicht ausreicht. Es gibt keine empirische Evidenz dafür, dass diese Entkoppelung ausreicht, um die erforderlichen Emissionsreduktionen zu schaffen. Das ist unerfreulich. Das würden wir uns alle anders wünschen, aber das ist die empirische Evidenz.

Daher ist es nötig, auch weitere Maßnahmen zu ergreifen, um sich vor allem kurzfristig nicht die Hürden noch höher zu legen. Zum Beispiel ist es im Zuge der Konjunkturpakete nach der Finanzkrise zu einer weiteren Koppelung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch gekommen, sodass diese Verbindung durch die Konjunkturmaßnahmen wieder verstärkt wurde. Das können wir uns diesmal nicht mehr leisten.

Wir sehen hier auf der Folie auf der linken Seite empirisch betrachtet den Zeitraum von 1996 bis 2015 und auf der rechten Seite den Zeitraum 2008 bis 2015: Die Entkoppelung ist zurückgegangen – das ist jetzt bezüglich Klimagase. Auf der nächsten Folie sehen wir es bezüglich anderer Umweltauswirkungen. Auch da kam es zu einer Rücknahme dieser Entkoppelung, die wir uns wünschen wollen. Das heißt, diese Entkoppelung passiert nicht automatisch, daran müssen wir systematisch arbeiten, um die notwendige Reduktion der Emissionen zu schaffen.

Das heißt, für die Transition zur klimaneutralen Wirtschaft brauchen wir eine Mobilisierung der transformativen Akteure, ein Bouncing Forward, einen Paradigmenwechsel und suffizienzorientierte Strategien.

Um abzuschließen: Um die Klimakrise zu adressieren, ist es notwendig, die volkswirtschaftlichen Bedingungen für zukunftsfähiges Wirtschaften zu schaffen, die langfristigen Ziele durch verbindliche mittel- und kurzfristige Ziele zu ergänzen und sich bei den politischen Instrumenten nicht nur auf marktbasierte Instrumente zu beschränken, sondern Maßnahmenbündel an der Effektivität der mehrdimensionalen Ziele, zum Beispiel der SDGs, zu messen. So kann zukunftsfähiges Wirtschaften gelingen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Dipl.-Ing. Dr. Dietrich Wertz: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir vielleicht, noch einmal ganz kurz zum zentralen Ziel des Klimavolksbegehrens zurückzukehren, eben zur Klimaneutralität 2040, um auch dieses Ziel, diesen Ausgangspunkt quasi ein wenig aus dem Fokus zu rücken und hier einen anderen Ausgangspunkt vorzuschlagen, und zwar als primäres Ziel und als primäre Forderung eben nicht die Klimaneutralität, sondern den Verzicht auf importierte fossile und eben auch – das ist, glaube ich, heute noch etwas zu kurz gekommen – atomare Energieformen, das heißt Erdöl, Erdgas, Kohle und aus österreichischer Perspektive natürlich Atomstrom.

Es ist mir bewusst, dass das Ziel natürlich nicht deckungsgleich, aber doch weitestgehend deckungsgleich wäre und umgekehrt bedeuten würde, dass wir es schaffen müssten, unser Energiesystem zu 100 Prozent auf wesentliche heimische erneuerbare Energien umzustellen. Das ist sicherlich eine Herausforderung, aber umgekehrt wäre das, glaube ich, ein Ziel, das viele Vorteile auch im Transport der Botschaft hat, weil es weniger abstrakt wirkt und weil es sich durchaus auch volkswirtschaftlich und in sehr, sehr vielen Fällen auch betriebswirtschaftlich besser darstellen lässt.

Ich glaube, auf geopolitischer Ebene darf man nicht übersehen, dass diese Befreiung der Abhängigkeit von oftmals fragwürdigen Lieferantenländern auch ein durchaus erstrebenswertes Ziel wäre und dass man eben mit heimischer erneuerbarer Energie vor allem die mittelfristige Versorgungssicherheit massiv erhöhen würde. Wir haben auch im Bereich der fossilen Energie entsprechende Speichervolumina, aber mittel- und langfristig letztlich natürlich nicht. Und wir könnten – das ist heute ja schon mehrfach genannt worden – unsere Außenhandelsbilanz, die ja derzeit durch die fossilen Importe massiv geschwächt wird, wesentlich verbessern.

Ich persönlich bin ein Freund des Zugangs, dass man mit diesen Grundzielen diese aus meiner Perspektive auch sehr wichtigen Klimaschutzziele nebenbei miterfüllen sollte. Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, dass es da wirklich nicht um eine ideologische oder parteipolitische Frage gehen sollte, sondern um eine Zukunftsfrage für die nächsten Generationen und auch in sehr vielen Bereichen um eine Systemfrage, wo einfach Handlungsbedarf längst sichtbar ist.

In der Wissenschaft ist mehr als deutlich geworden, dass die 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung in absehbarer Zeit nicht nur technisch möglich ist – aus meiner Sicht sicherlich bis 2040 –, sie ist auch nicht nur bezahlbar, sondern sogar ökonomisch höchst sinnvoll, und eben aus den schon genannten Gründen auch notwendig.

Ich denke, die Frage des Was ist aber ohnehin relativ unstrittig. Spannend ist vor allem auch die Frage des Wie, das heißt: Wie gelangen wir zu diesem Ziel? – Ohne auf die bekannten Vorschläge einzugehen , die ja wirklich sehr zahlreich vorhanden sind – ich denke nur an die vielen, vielen Berichte des Umweltbundesamtes zur Abschaffung kontraproduktiver Subventionen oder zur bekannten ökologischen Steuerreform, die ich natürlich alle jetzt nicht wiederholen will und deren Wirkung einmal stärker, einmal schwächer wäre, die aber im Wesentlichen unstrittig wären –, möchte ich einfach ein, zwei Dinge hervorheben, die jetzt abseits der schon gehörten juristischen Bewertung aus praktischen Gründen in diesem Bereich zu beachten wären.

Eine gewisse Kritik von meiner Seite ist, dass ich eben aus diesen praktischen Gründen zumindest von der Darstellung – ob das jetzt so gemeint wäre oder nicht, das wurde jetzt ohnehin schon diskutiert – der Schaffung neuer Institutionen entsprechend abraten würde – ein Klimarechnungshof, ein unabhängiger Klimadienst et cetera –, sondern aus meiner Sicht eher, wenn man eben Dinge schon in diese Richtung bündeln möchte, was durchaus sinnvoll sein kann, Umstrukturierungen und Fusionen bestehender Institutionen vorzunehmen wären. Es gibt ja das Umweltbundesamt, es gibt die Österreichische Energieagentur, es gibt sehr, sehr viele Länderinstitutionen und so weiter. Da wäre, glaube ich, das erste Anliegen, dass man nicht neue Institutionen um der Institutionen willen schafft, sondern bestehende Ressourcen bündelt.

Ich bin auch ein bisschen reserviert dahin gehend, was neue Reportingsysteme oder Schemata betrifft, denn Klimaschutzberichte, Sachstandsberichte et cetera gibt es ja wirklich schon sonder Zahl und es ist, glaube ich, nicht notwendig, dass wir neue Berichte oder in dem Fall neue Strukturen brauchen, um zu erkennen, dass wir die Ziele, die wir uns selbst gesetzt haben, laufend verfehlen.

Natürlich hätte es aus meiner Sicht auch sehr viel Sinn, mit diesen Klimaschutzmaßnahmen beziehungsweise Energiewendemaßnahmen, wenn man sie so bezeichnen möchte, punktuell Vorgänge in der Verwaltungsreform zu beschleunigen. Es ist mir vollkommen klar, dass es jetzt nicht die primäre Aufgabe einer Klimaschutz-NGO sein kann, die Bundesstaatsreform, an der ja auch schon andere in den letzten Jahrzehnten ein wenig gescheitert sind, auch noch in das eigene Aufgabenportfolio mit zu übernehmen, aber es gibt sehr wohl bei sehr vielen Maßnahmen, die für den Klimaschutz relevant wären, auch klare Indikationen, dass man mit einer Entbürokratisierung in diesem Bereich den Unternehmen, aber natürlich auch den Privathaushalten, den Kleininvestoren und so weiter das Leben mit der Energiewende wesentlich vereinfachen würde.

Ich möchte ein plakatives Beispiel bringen: Für eine Fotovoltaikanlage gibt es in Österreich eine Vielzahl an Fördermechanismen, die auch noch die unangenehme Eigenschaft haben, dass sie sich regelmäßig ändern. Die Unternehmen, die Fotovoltaikanlagen anbieten, aber auch die Endkunden sind regelmäßig damit beschäftigt, sich mit derartigen bürokratischen Dingen auseinanderzusetzen, und das geht dann auch noch so weit – Sie kennen wahrscheinlich alle den Oemag-Einspeisetarif und die entsprechenden Antragsformalismen –, dass man zunächst einmal eine Baugenehmigung braucht, um überhaupt einen Antrag stellen zu können und so weiter. Da laufen Fristen und Kosten an, bevor überhaupt noch effektiv für die Umwelt etwas getan wird. Ich glaube, das wäre einmal eine Geschichte, die Entbürokratisierung ein bisschen mit dem Klimaschutzthema in Verbindung zu bringen.

Ein zweiter wichtiger Katalysator wäre aus meiner Sicht, dass man das Modell von Experteninstitutionen, das da doch irgendwo skizziert wird, ein bisschen relativiert und diesem Modell vielleicht eine massive Stärkung der direkten Demokratie gegenüberstellt. Mein persönlicher Zugang ist nämlich, wenn ich das so pauschal sagen darf, dass die Bürokraten in Österreich, was die Energiewende betrifft, bei Weitem nicht so weit sind wie die Bevölkerung. Das heißt, man könnte auch aus rein strategischen Gründen die entsprechenden Maßnahmen auf politischer Ebene letztlich einfacher durchsetzen, wenn man die Bevölkerung sehr viel stärker mitnimmt. Es ist mir schon bewusst, dass das auch im Klimavolksbegehren angelegt ist, allerdings würde ich da – es geht da zum Beispiel um diese Bürgerräte – vielleicht noch besser herausarbeiten wollen, dass diese Bürgerräte letztlich nur in der – wie ich es in der letzten Fassung gelesen habe – Konzeptionsphase ihre Funktion haben und dass dann selbstverständlich das Parlament beziehungsweise dann – aus meiner Sicht wäre das eben wichtig – auch direkt die Bevölkerung über diese Vorschläge abstimmen sollte.

Ich glaube, das würde wirklich eine Dynamik in den Medien, in der Politik und vielleicht auch bei den NGOs selbst entfachen, und es würde zeigen, dass sehr viele Dinge doch einfacher sind, als sie oft dargestellt werden. Es könnte, glaube ich, zu einem entsprechenden Querschnittenergiewendegesetz oder -klimagesetz führen.

Natürlich möchte ich nicht relativieren, dass ein juristisch-theoretisches Grundkonzept notwendig, richtig und diskussionswürdig ist, aber ich glaube, es genügt oft schon, wenn man von einigen praktischen Herausforderungen ausgeht, das heißt, wenn man sich anschaut, wo es Herausforderungen im Kampf für die Energiewende gibt, und da sehe ich eigentlich sehr viele. Ich möchte jetzt nur einmal als Beispiel nennen, dass bei Infrastrukturtrassen, wenn Sie sich eine einfache Gemeinde anschauen, sehr viel graue Energie verwendet wird und sehr viele Ressourcen beansprucht werden, weil zum Beispiel die Einbautenträger überhaupt nicht miteinander koordiniert sind. Die graue Energie in Infrastrukturen ist ein nicht zu unterschätzendes Thema, das man sehr wohl nur mit juristischen und eben strukturellen Maßnahmen anpassen könnte.

Das heißt als Resümee zusammengefasst: Der erste Schritt zu einer solchen Vorgehensweise wäre vielleicht, dass man die bekannten Themen wie Ökologisierung des Steuersystems, Entbürokratisierung, Stärkung der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre im Energiebereich und Sicherung regionaler Wertschöpfungsketten bei gleichzeitiger Sicherung der heimischen Industrie – das ist, glaube ich, auch wichtig –, dass man diese Dinge zusammenfasst und man dann – das wäre eine wichtige Maßnahme, finde ich – noch wesentlich breiter mit der Bevölkerung diskutiert und parallel eben diese legistischen Ansätze entsprechend entwickelt.

Ich glaube, ökonomisch und technisch ist das Match für die erneuerbaren Energien ohnedies schon gewonnen. Es wäre jetzt halt noch schön, wenn wir es politisch auch gewinnen könnten. – Danke schön.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Gottfried Kirchengast (via Zoom zugeschaltet): Grüß Gott, sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Sie aus Graz willkommen heißen. Sehr geehrte Abgeordnete! Frau Bundesministerin, vor allem die Leute vom Klimavolksbegehren, auch Interessierte im Internet! Ich möchte mein Statement ergänzend auf das Treibhausgasbudget und den Reduktionspfad fokussieren, was hier ja ein Kernthema ist.

Erstens: Das Treibhausgasbudget, so wie wir es hier für Österreich als maximales Restbudget ab 2021 abgeleitet haben, hat einen ganz, ganz harten naturwissenschaftlichen, klimaphysikalischen weltweiten Hintergrund. Es ist – und dafür bin ich Zeuge aus meiner eigenen globalen Forschung – im Bereich der Begrenzung der globalen Erwärmung mit einem Satz zusammengefasst: Es lässt sich das Pariser Klimaziel, deutlich unter 2 Grad, mit 1,5 Grad angestrebt, nur erreichen, wenn die Menge an Treibhausgasen, vor allem Kohlendioxid, in der Atmosphäre nicht weiter zunimmt, was ausschließlich möglich ist, wenn die Emissionen aufhören, und das innerhalb von ein, zwei Jahrzehnten. Das wissen wir klipp und klar.

Wenn jetzt, nachdem wir das Pariser Abkommen haben, Österreich aus Fairnessgründen die gleichen Emissionen pro Person wie alle anderen weltweit im Abbau beiträgt, dann sind wir bei diesen maximal 700 Millionen Tonnen, die uns hier verbleiben.

Also erster Punkt in dem Sinn: Zur Erreichung der Pariser Klimaziele braucht es diesen Beitrag von uns in Österreich.

Weil vorher von sauberer Umwelt und Frieden, Freiheit, Wohlstandssicherung, auch unserer demokratischen Gesellschaft die Rede war: Es ist notwendig, dieses Budget einzuhalten, weil genau diese Ziele in Gefahr sind. Die Klimakrise hat pure physikalische Änderungen im Hintergrund. Ich kann Ihnen vor meinem wissenschaftlichen Hintergrund versichern, dass es zur Stützung dieser genannten gesellschaftlichen Ziele notwendig ist, dieses Budget zu verfolgen: maximal 700 Millionen Tonnen Treibhausgasbudget.

Zweiter wichtiger Punkt: Es ist wichtig, dass dieser Reduktionspfad als ein Grenzzielpfad, ein Mindestzielpfad, der jedenfalls zu erreichen ist, gesehen wird. Diese Interpretation, wenn das gesetzlich gemacht wird, ist sehr wichtig, insofern, weil auch von jährlichen Höchstmengen die Rede war. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht unserer Arbeit hinter diesen Zielpfadrechnungen so, dass unsere Bemühungen, dieses Gesamtbudget bis etwa 2040 einzuhalten, unterhalb der Orientierung der Klimaschutzmaßnahmen, unterhalb dieses Grenzzielpfades bleiben sollen. Also die Betonung auf, so ähnlich wie der europäische Kontext, diese mindestens 55 Prozent bis 2030 ist ganz, ganz wichtig. Hier handelt es sich um ein maximales Treibhausgasbudget und um einen Grenzzielpfad, unter dem wir in der praktischen Arbeit im Klimaschutz bleiben müssen.

Ein Punkt dazu, der auch wichtig ist: Es ist neben dem ganz dominierenden, notwendigen fossilen Emissionsabbau – es müssen ja mindestens 90 Prozent dieser Emissionsreduktion, vor allem CO2, durch ehrlichen Abbau fossiler Emissionen erreicht werden – sehr wichtig, auch den anderen Bereich, den Bereich der Landnutzungsänderung, der Forstwirtschaft, der Umstellung auch zum Teil der Landwirtschaft, Stichwort Kohlenstoffspeicherung in Böden, im Auge zu behalten. Dieser kann aber nur bis etwa 5 Prozent beitragen, nach dem besten Wissensstand, den wir hier haben.

Also Merkregel, könnte man sagen, aus dieser wissenschaftlichen Sicht: Fast alles muss mit einem ehrlichen fossilen Emissionsabbau passieren, und ein kleiner Teil, aber auch sehr, sehr wichtig, muss über diesen Bereich Landnutzung, Landnutzungsänderungen, Land- und Forstwirtschaft erreicht werden. Auch das muss strategisch und klug als Teil der Klimaschutzpolitik aufgebaut werden. Dazu gibt es neben europäischem Input auch den von der österreichischen Wissenschaft. Das ist wichtig bei der Interpretation dieses Inputs. Sie können ja das dahinterliegende Statement des Wegener Centers nachlesen, die Links dazu finden sich im Internet, aber diese Eckpunkte sind hier sehr wichtig.

Was mir zum Abschluss aus Wissenschaftssicht, vor allem auch als Vertreter der Wissenschaft im Nationalen Klimaschutzkomitee und auch als Initiator dieses Referenz-Nationalen Energie- und Klimaplans noch wichtig ist, hier einzubringen: Wir von der Wissenschaft in diesem Bereich verstehen uns wirklich als Teil der Lösung. Ich glaube, wir alle, auch Sie in der Politik, die Sie die Politik machen, müssen vom Teil des Problems, wenn Sie das noch wären, aber auch wenn Sie noch neutral sind, ganz klar zum Teil der Lösung werden. Teil der Lösung heißt, dass es selbstverständlich sein sollte, wenn man politische Verantwortung hat, und Sie haben das, dass wir mit Ihrer Richtungsentscheidung, dass hier so ein maximales Treibhausgasbudget, ein Pfad kommt, wirklich in Zukunft dafür sorgen, dass diese Werte einer sauberen Umwelt, einer freien, einer demokratischen Gesellschaft, Friede, Wohlstand, weiterleben.

Und von der Wissenschaftsseite ist es so: Wir werden schon ab Jänner 2021, von der Universität Graz ausgehend, Handreichungen, Werkzeuge unter dem Titel Carbonmanagement zum Beispiel veröffentlichen: Wie kann ich wirklich lösungs- und zielorientiert als Institution, als politische Körperschaft, Land und Gemeinde, als Firma, als Unternehmen, als Verein, auch als Einzelperson, als Haushalt, als Familie, in meinen Handlungsbereichen, Energie, Mobilität, wie ich meine Ressourcen bewirtschafte, wie ich mit Finanzinvestments zu Gebäudeänderungen beitragen kann, vielleicht auch zur Kohlenstoffspeicherung, vorgehen? Wir werden Handreichungen von der persönlichen Ebene über Unternehmen bis hin zu öffentlichen Körperschaften vorlegen, die unterstützen sollen, die ermächtigen sollen: Ich bin Carbonmanager, ich bin Carbonmanagerin als Politikerin, auch als unternehmensleitende Person, auch als Einzelperson, im Haushalt, in der Familie, und da hat, glaube ich, das Volksbegehren, diese Initiative ganz wichtige Türen aufgemacht.

Ich möchte damit sagen: Wir als Wissenschaft sind und wollen ganz klar Teil der Lösung sein, die Lösung ist notwendig. Die Politik muss Verantwortung übernehmen, und ich bitte Sie wirklich vor diesem Hintergrund, jetzt auch als Zeuge dieses globalen Klimawandels: Übernehmen Sie bitte die Verantwortung und seien Sie Teil der Lösung! – Danke schön.

Erste Fragerunde der Abgeordneten

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Vielen Dank an das Team vom Klimavolksbegehren, dass Sie heute alle hier sind. Die Pressekonferenz war gleich da drüben im Palmenhaus, vor zweieinhalb Jahren, hätte ich im Kopf, oder eineinhalb Jahren, im Sommer. Die InitiatorInnen waren ja damals beide von den Grünen, und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass das in die Breite getragen wird, weil ich merke, die Akzeptanz ist total gestiegen, seit das so breit aufgestellt ist, seit sich da viele Initiativen angeschlossen haben. Das halte ich für die Akzeptanz für ganz wichtig.

Herr Schlederer, Sie haben vorher so metaphorisch den Begriff Pacemaker oder Tempomacher verwendet. Ich meine, dass das etwas ganz Richtiges und Wichtiges ist, aber ich glaube, wir brauchen mehrere Tempomacher. Wir haben einige Unternehmen, die schon ganz weit vorne sind, aber ganz im Sinne der SDGs – Leave no one behind –, glaube ich, müssen wir schauen, dass wir viele mitnehmen, die da noch nicht einmal irgendwo sind. Ich merke, dass wir da eine extreme Breite haben, also wirklich ganz weit „auseinanderliegende Tempos“ – unter Anführungszeichen –, wo wir jetzt stehen.

Josef Riegler hat bereits in den Achtzigerjahren, also vor fast 30 Jahren, die ökosoziale Marktwirtschaft postuliert, die auf drei Säulen aufgebaut funktionieren kann. Im Endeffekt stehen wir heute genau so da, und deswegen braucht es sicher Reglements, klarere Bestrebungen, wie wir dorthin kommen.

Meine Fragen an die Experten sind jetzt: Minus 55 Prozent sind ein immens hohes Ziel. Manchen ist es noch zu wenig. Ich glaube, es ist hoch, vor allem, wenn man auch in Betracht zieht, wie lange unsere Umweltprüfungsverfahren dauern, und vor allem die wirtschaftlich angespannte Situation sieht, in der wir jetzt sind, diese hohe Arbeitslosigkeit, die wir haben. Es ist die größte Wirtschaftskrise, die wir, die unsere Generation je erlebt hat und hoffentlich je erlebt haben wird. Meine Frage ist: Wie flexibel sind da die Budgets und wie gehen wir mit dieser Situation jetzt um?

Was kann Österreich tun? – Für mich kommt die atomare Wende – es kam schon die Idee aus der Opposition, man könnte doch wieder über Atomkraft nachdenken – gar nicht infrage. Die Frage ist vielmehr: Wie schaffen wir es, aus erneuerbaren Quellen so schnell diese Sprünge zu machen, wie wir sie schaffen müssen. – Danke.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Zuerst will ich den Experten und Expertinnen für die vielen wirklich sehr brauchbaren Beiträge Danke sagen, auch für uns in unserer konkreten Praxis.

Wir unterstützen die Forderung nach einem Klimaschutzgesetz, das eben klare Ziele setzt, um auch Planbarkeit für die zum Beispiel angesprochenen Unternehmen zu schaffen. Wir glauben, es braucht auch Zwischenziele, 2030, es braucht aber auch genauso die spezifischen Ziele für die jeweiligen Branchen. Es braucht eine Verbindlichkeit und es braucht Sanktionen für den Fall, dass die Ziele nicht eingehalten werden. All das, diese Forderung unterstützen wir.

Wir unterstützen auch die Forderung nach einem CO2-Budget. Es braucht ganz einfach eine Berechnung: Wie viele Emissionen stehen uns noch zur Verfügung und wie können wir sie wann emittieren und wann ist die Grenze zu? Ich freue mich, dass diese Forderung nach einem CO2-Budget erstmals in Österreich im Regierungsabkommen der neuen Wiener Landesregierung verankert wurde.

Die nächste Forderung ist der Klimacheck, auch den unterstützen wir. Da soll es darum gehen, jegliche Verordnung oder jegliches Gesetz zuvor einer Prüfung zu unterziehen. Auch das unterstützen wir.

Zu guter Letzt zur Forderung nach dem Klimarechnungshof: Die Frage ist, wie wir den genau gestalten, wie der genaue Name dann auch lautet. Hier möchte ich verkünden, auch wir unterstützen die Forderung, dass die Wissenschaft eng eingebunden sein muss, dass es hier ein zeitnahes Monitoring gibt, eine zeitnahe Bewertung sämtlicher Maßnahmen und dass wir ebenfalls die Wissenschaft hier als Teil der Lösung begreifen und daraus sehr viel gewinnen können.

Auch bei der ersten Forderung des Klimavolksbegehrens nach einem Recht auf Klimaschutz stellt sich die Frage, wie wir das implementieren, aber die Stoßrichtung ist die richtige und wir unterstützen sie.

Das heißt, ich will für alle diese Punkte hier betonen, wir müssen da schnell zu einer Umsetzung kommen, auch wenn sie in der Praxis vielleicht schwer ist.

Somit komme ich zur Frage: Wie kann so ein CO2-Budget gestaltet werden? Es soll ja auch auf Gemeinden, auf Länder heruntergebrochen werden, auf einzelne Branchen. Wie kann man hier eine gute Aufteilung schaffen? Es sind ja die Gegebenheiten in den einzelnen Bundesländern ganz unterschiedlich, in manchen gibt es Industrie, in manchen nicht, auch von der geografischen Lage her. Wie kann man hier eine gute Aufteilung schaffen? – Danke schön.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Mein Dank gilt einmal zuerst den Experten, denn ihre Ansätze, die wir gehört haben, schauen zum Großteil sehr positiv aus, diesen Wechsel auch technologisch zu schaffen. Daher gleich meine konkrete Frage: Es gibt Technologien, da ist das eher leicht zu schaffen, es gibt Technologien und industrielle Bereiche, da wird das eher eine sehr zeitintensive und lange Aufgabe – damit meine ich Zeiträume von mehr als 20 oder 30 Jahren –, diesen Wechsel zu schaffen. Wie schaffen wir daher nicht nur in Österreich, sondern vor allem global in Bereichen wie der Grundstoffindustrie diesen Wechsel, und zwar in der angegebenen Zeit, ohne dass wir zum Beispiel Bereiche wie Europa oder Nordamerika deindustrialisieren oder nur einen Shift innerhalb der Länder zu machen, wo dann jedes Land sagen kann, ja, ich habe es geschafft, de facto ist aber die global produzierte Menge CO2 fast gleich geblieben?!

Wie können wir das wirklich schaffen – ich denke dabei an Bereiche der Grundstoffindustrie: Eisen und Stahl, Zement, Leichtmetalle, Buntmetalle, wo wir traditionell in Österreich gut und stark verfestigt sind –, ohne dabei Massenarbeitslosigkeit generieren zu wollen? – Danke.

Abgeordneter Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Grüne): Herr Vorsitzender! Liebe Initiatorinnen und Initiatoren! Vielen Dank auch an die Expertinnen und Experten für die Zeit, die Sie uns heute zur Verfügung stellen! Meine erste Frage schließt ein bisschen an die des Vorredners an, wenn auch aus einer anderen Richtung kommend, und richtet sich an meinen Doktorvater Prof. Kirchengast. Liebe Grüße nach Graz! Sie haben ja das CO2-Budget von dieser Pro-Kopf-Aufteilung des global verbleibenden CO2-Budgets abgeleitet.

Die Bundesregierung hat sich bezüglich eines CO2-Budgets kein konkretes Ziel gesetzt, allerdings gibt es das 2040-Ziel in Bezug auf die Klimaneutralität. Da gäbe es quasi noch eine gewisse Pfadfreiheit. Man könnte im Extremfall bis zum letzten Tag weitermachen wie bisher und dann auf null gehen. Was sagen Sie Leuten wie zum Beispiel meinem Kollegen, die sagen würden: Es gibt viele Bereiche, Elastizitäten im Verkehr, insbesondere auch die Grundstoffindustrie, Stahlproduktion und so weiter, da kann man in den nächsten zehn Jahren die Emissionen nicht massiv reduzieren?! Könnte der Pfad nicht eher so ausschauen und wir überschreiten das Budget? – Was kann man dem entgegenhalten?

Frau Prof. Stagl, Sie haben geschildert, dass Sie quasi den CO2-Preis bei einer entsprechenden Besteuerung oder Bepreisung an den Vermeidungskosten orientieren würden und haben 50 bis 160 Euro pro Tonne angegeben. Hätten Sie Kriterien, nach denen man bemessen könnte, ob man sich eher an den 50 oder an den 160 orientiert, oder sagen Sie, das ist sozusagen rein willkürlich, eine politische Entscheidung, eine Abwägungsfrage? Gibt es da irgendwelche objektiven Kriterien, an denen man das festmachen könnte?

Die dritte Frage geht an Prof. Kocher. Als Sprecher der Grünen für Budget und Steuern interessiert mich natürlich auch: Wie könnte eine mögliche konsistente Verschränkung eines CO2-Budgets mit dem regulären Haushalt aussehen? Sie haben auch grobe Linien einer möglichen Realisierungsvariante eines Klimarechnungshofes oder einer ähnlichen Institution vorgezeichnet. Könnten Sie dazu vielleicht noch ein bisschen etwas ausführen. – Vielen Dank.

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Ich glaube, dass diese Punkte des Klimavolksbegehrens die zentralen Elemente der Verantwortung der Politik ansprechen, und deswegen finde ich die Vorschläge auch sehr spannend. Die InitiatorInnen wissen, dass wir beim Klimarechnungshof gewisse Vorstellungsschwierigkeiten haben, aber da geht es einmal um die Ausgestaltung. Zentrale Elemente, über die wir nachdenken müssen, sind aus meiner Sicht einerseits tatsächlich das Treibhausgasbudget. Wir sind als Politiker einfach so gestrickt, dass wir in Budgets denken, und wenn uns das auch bei den Treibhausgasen gelingt, dann gelingt uns auch die Wende. Der zweite Punkt ist der Klimacheck, der ja auch im Regierungsprogramm versprochen ist, der aber – glaube ich – noch Fantasie ist und bei dem noch nicht klar ist, wie er genau ausschauen soll.

Wir NEOS glauben an die Evidenz und deswegen auch an die Wissenschaft. Das unterscheidet uns vielleicht auch von konservativen Regierungsparteien, die denken, dass sich jede Krise durch ein Gebet abwenden lässt. Deswegen hätte ich jetzt auch ganz konkrete Fragen an Herrn Prof. Kirchengast.

Einerseits zum Thema Klimacheck: Wir wissen, dass sich die Regierungsparteien ja derzeit damit beschäftigen, wie ein solcher Klimacheck ausschauen kann. Könnten Sie skizzieren, wie man so ein Tool einführen kann und welche Mindestkriterien es erfüllen muss?

Die zweite Frage, sozusagen ohne Sicherheitsnetz: Haben Sie sich das Klimaschutzgesetz im Wiener Regierungsabkommen angesehen? Welche Stärken oder Schwächen und Learnings sehen Sie – auch für den Bund – darin?

Die dritte Frage ist: Es ist zweifellos sehr schwierig, bei einzelnen gesetzlichen Maßnahmen oder auch Vorhaben, Verordnungen immer exakt einschätzen zu können, wie viele Emissionen damit verbunden sind. Was empfehlen Sie der Politik? Welche Werkzeuge braucht es, damit wir da zielgerichtet kalkulieren können? – Vielen Dank.

Erste Antwortrunde der ExpertInnen

Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher: Vielen Dank für die Fragen. Ich fange vielleicht bei den konkreten Fragen an. Die Verknüpfung des CO2-Budgets mit dem Budget an sich ist tatsächlich eine schwierige Aufgabe, die ja in ersten Forschungsprojekten am IHS schon angegangen wird, aber das Thema wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Ich glaube also, man darf nicht darauf hoffen, dass das so rasch so einfach funktioniert. Was aber schon geht – und das ist, glaube ich, auch ein Punkt, der im Klimavolksbegehren genannt wird –, ist der Klimacheck. Wir haben an sich einen Klimacheck in der wirkungsorientierten Folgenabschätzung. Da steht: umweltbezogene oder umweltpolitische Konsequenzen. Man könnte das ausbauen und sich bei konkreten, größeren Projekten noch stärker Gedanken machen, welche Klimafolgen denn diese größeren Projekte haben. Ich glaube, man muss sich auf die größeren Dinge konzentrieren, bei denen man am meisten Hebel hat, um Wirkung zu erzielen.

Ich habe gesagt, dass eine Institution wie der Fiskalrat, die wissenschaftlich unabhängig und durch Interessenvertretungen besetzt ist, vielleicht für den Klimabereich eine überlegenswerte Sache ist. Vielleicht sage ich ganz kurz zwei Sätze dazu: Der Fiskalrat ist zuständig für die Überwachung der Schulden- und Defizitregeln der Europäischen Union – so ähnlich, wie man sich das beim Klimaschutz mit den Zielen vorstellen könnte – und gleichzeitig überwacht er die österreichische Politik auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene, was das Fiskalische, die Budgets und die Schulden betrifft. So ähnlich kann man sich das vorstellen. Der Fiskalrat hat ein Büro mit im Moment, glaube ich, sechs Mitarbeitern und ist dann mit Interessenvertretungen, Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und den verschiedenen Betroffenen besetzt.

Wichtig, glaube ich, ist es auch, alle mitzunehmen. Es wurde in der Fragerunde schon angesprochen: Beim CO2-Budget stellt sich die Frage nach der Verteilung über Länder und Gemeinden und, ja, den Bund. Das wird, glaube ich, ganz wichtig sein. Da wird man sich einfach politisch einigen müssen. Man hat sich zum Beispiel schon über die fiskalischen Kosten geeinigt. Wenn es also zu Strafzahlungen kommt – also wenn wir Zertifikate kaufen müssten –, dann zahlen 80 Prozent der Bund und 20 Prozent die Länder. Darauf hat man sich im Stabilitätspakt schon geeinigt. Also kann man sich wahrscheinlich auch über CO2-Budgets einigen. Das wird aber sicher eines gewissen Aufwands bedürfen.

Ich komme zurück auf die Frage am Anfang: Wie schaffen wir das alles? Ich glaube, es geht nur, wenn wir wirklich relativ rasch starten und einen Maßnahmenmix setzen. Ich weiß, dass wir momentan keine einfache Zeit haben, weil es wirtschaftliche Herausforderungen abseits der Herausforderungen des Klimaschutzes gibt, aber es wird uns nicht helfen, wenn wir zu lange warten. – Vielen Dank.

Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl: Aufgrund der begrenzten Zeit fokussiere ich mich auf zwei Wortmeldungen, die eine Frage beinhaltet haben, von der ich mich angesprochen fühle. Einerseits betrifft das Herrn Deimek: Sie haben von technologischem Wandel gesprochen, und dass dieser manchmal sehr langfristig ist, und dass es natürlich nicht darum geht, eine Deindustrialisierungsstrategie für Österreich zu fahren. – Großbritannien hat das zu einem Teil in den letzten Jahrzehnten gemacht, hat damit auch geschafft, die Klimagase zu reduzieren. Das ist ihnen gelungen, weil sie auch bezüglich Klimapolitik einiges vorgelegt haben, aber nicht nur, sondern teilweise war es aufgrund einer Deindustrialisierungsstrategie. Das ist allerdings wirtschaftlich nicht sehr erfolgreich und wird derzeit teilweise zurückgenommen.

Andererseits würde ich meinen, dass es, gerade wenn es um kohlenstofffreien Stahl geht, durchaus sehr interessante Ansätze gibt, wenn ich bedenke, was man von der Voest hört und was ich aus Forschungsprojekten lese. Meine Erfahrung – aus der Automobilindustrie oder aus anderen Zweigen – zeigt Folgendes, wenn es um Luftschadstoffe geht: Wenn die Regulierungen klar sind, dann schaffen Techniker innerhalb von Unternehmen sehr viel. Ich glaube nicht, dass das unsere Begrenzung ist, sondern die Begrenzung ist derzeit, dass es keine klaren Signale gibt und die Planbarkeit innerhalb von Unternehmen nicht gegeben ist.

Der zweite Punkt kam von Herrn Schwarz: Vermeidungskostenansatz. Klar, das würde ich als Herangehensweise vorschlagen. Die 160 Euro sind das obere Ende des Einstiegspreises, der sich dann bis 2030 auf 130 beziehungsweise 400 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent erhöht. Das ist natürlich eine sehr große Range, und das ist deswegen so eine große Range, weil es darauf ankommt, welche sonstigen begleitenden Maßnahmen noch gesetzt werden. Je mehr begleitenden Maßnahmen gesetzt werden, desto weniger muss man an der Preisschraube drehen. Der Preis ist ein volkswirtschaftliches Instrument, von dem wir wissen, wie es funktioniert, das aber auch den Nachteil hat, dass es vor allem sozial benachteiligte Menschen übermäßig trifft.

Das heißt also: Die Kombination von anderen Maßnahmen mit Preissignalen gut hinzukriegen ist die Kunst des Regulativs. Je mehr begleitende Maßnahmen man setzt, desto weniger muss man eben den Preis in die Höhe schrauben. Bis 2030 auf 400 Euro hinaufzugehen, das wird sicher eine Herausforderung, es wäre aber nach dem Vermeidungskostenansatz eigentlich das, was wir brauchen.

Dipl.-Ing. Dr. Dietrich Wertz: Ich darf gleich bei Frau Prof. Stagl anknüpfen, nämlich bei dem Punkt, was mit technologischen Entwicklungen alles entfesselt werden kann. Ich möchte das mit einem konkreten Beispiel unterstreichen und damit auch die Frage nach Tempomachern und wie wir den Umstieg auf erneuerbare Energien schaffen, beantworten.

Die Grundvoraussetzung wird weitestgehend allgemein bekannt sein: Die Sonne liefert uns unendlich viel Energie, fast ungefähr 10 000 mal mehr Primärenergie, als die Menschheit überhaupt jedes Jahr braucht. Damit liegt sicher einer der Schlüsseln in diesem Bereich. Wir haben ja – nicht zuletzt dank des deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2004 – gesehen, wie in diesem technologischen Bereich durch technologisches Lernen die Kosten bei der Fotovoltaik um ungefähr den Faktor 10 gesunken sind. Das ist eine der wesentlichen Schlüsseltechnologien, und damit kann natürlich Österreich die Energiewende heute auf einem finanziell schon viel attraktiverem Niveau beginnen.

Ein zweiter Aspekt neben dem, dass durch die Stückzahlen auch die Kosten massiv gesunken sind, ist natürlich auch, dass mit diesem Schema des Erneuerbare-Energien-Gesetzes das Unternehmertum oder sozusagen die Innovationskraft jedes Einzelnen geweckt wird. Ich glaube, dass man dadurch, dass man die Leute mitnimmt, diese Kraft sehr gut aktivieren kann, und zwar schneller, also sich das manche heute vorstellen können.

Zum zweiten Punkt von Herrn Abgeordneten Deimek, zur Grundstoffindustrie: Da möchte ich das vielleicht schon so zusammenfassen, dass es tatsächlich eine massive Schieflage gibt, die eigentlich weder ökologisch noch ökonomisch einen Sinn hat, weil es eben einen ungleichen Wettbewerb zwischen, zum Beispiel, europäischen und fernöstlichen Industriebetrieben, die ganz anderen Regularien unterworfen sind, gibt. Hier stellt sich die Frage: Wie kann man diese Inländerdiskriminierung beenden? Aus meiner persönlich Sicht geht das am saubersten wahrscheinlich dadurch, dass man von der derzeit üblichen produktionsbezogenen Bilanzierungsmethode in der Klimagasbilanz zu einer konsumbezogenen Bilanzierungsmethode übergeht.

Das heißt: Letztlich würden damit – das muss man leider ehrlicherweise dazusagen – unsere Emissionen primär einmal sehr stark ansteigen – ungefähr von diesen bekannten 80 auf 120 Millionen Tonnen –, aber man hätte dann einen fairen Wettbewerb, weil beim Endkunde der fernöstliche Stahlträger sozusagen neben dem in Österreich produzierten im Regal liegen würde und der Endkunde in beiden Fälle auch den wirklichen Preis sehen würde, weil dann eben beide Stahlträger in diesem Sinne gleich behandelt würden. Dann könnte man auch für die heimische Industrie wieder faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Gottfried Kirchengast: Ich beziehe mich auf vier Punkte, die ich als an mich gerichtet wahrgenommen habe.

Erstens: Die Aufteilung zwischen Sektoren, Bundesländern und so weiter ist, denke ich, für die Budgetaufteilungsfrage, an der wir ja auch forschungsorientiert mitwirken, von der gesetzlichen Steuerung her sinnvoll. Für alle Ebenen darunter – das sind einerseits öffentliche Körperschaften wie Gemeinden und Städte, andererseits aber auch Firmen und so weiter – sollen solche – in der Sprache, die ich verwendet habe – Carbonmanagementansätze helfen. Das soll dazu beitragen, dass alle Akteurinnen und Akteure innerhalb der größeren Einrichtungen – wie eines Sektors oder Bundeslandes – ein erfolgreiches Management betreiben, damit die Ziele der Reduktionspfade erreicht werden.

Zweitens: Wie kann Österreich im globalen Kontext erfolgreich sein? Antwort: So wie der europäische Grüne Deal versucht, mit der Rahmengebung für einen Markt von 500 Millionen Menschen rund um Österreich etwas zu erreichen, so nimmt auch China das Thema ernst – ich bin dort Honorarprofessor an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften –, ebenso wie die USA. Die Antwort auf globaler Ebene ist: Selbstverständlich müssen große Märkte, wichtige Player, viele Menschen mitwirken. Sie wollen das aber auch – wir sehen hier durchaus Zeichen, dass in diesem Rahmen viele weltweit Teil der Lösungen sind.

Zu Dr. Schwarz, der übrigens eine ausgezeichnete Dissertation im Bereich Atmosphäre und Klima geschrieben hat – da haben Sie einen Experten im Parlament, den Sie auch fragen können –: Der Pfad in diesen wissenschaftsbasierten Szenarien ist deshalb so gewählt – als linear absteigender Richtpfad pro Jahrzehnt, der bis etwa 2030 linear absteigt und dann noch einmal weiter absteigt –, weil wir wissen, dass Abnahmeraten im Durchschnitt pro Jahr, die wesentlich über 10 Prozent hinausgingen, unrealistisch sind, wenn man eine Mischung aus langfristigen Prozessen und schnellen Maßnahmen in Betracht zieht. Wenn man sich das im Detail ansieht, ist es notwendig, schon sofort eine gewisse graduell sehr tiefgreifende Abnahmerate zu verfolgen, weil sonst später eine unrealistische Schnelligkeit erreicht werden müsste.

Mein vierter Punkt bezieht sich auf die Frage nach dem Klimacheck, dem Klimagesetz in Wien und so weiter. Tatsächlich würde ich für den Klimacheck auf die durchaus gute, fundierte Unterlage des Klimavolksbegehrens verweisen. Da gibt es gute Hinweise. Zu der Frage – ich glaube, sie kam vom Kollegen von den NEOS – zum Wiener Gesetz kann ich sagen: Ja, wir haben da den Wiener Klimarat – Prof. Karl Steininger ist ein Mitglied und, ich glaube, Prof. Sigrid Stagl ist auch dabei –, und da wird das gerade analysiert. Die Frage ist also gerade in Arbeit.

Letztlich noch ein Punkt zum Abschluss: Ich denke, auch hier stellt sich wieder die Frage, wie die konkreten Maßnahmen dann auf der Handlungsebene funktionieren. Da möchte ich wieder das Carbonmanagement als Beispiel nehmen. Wir als Universität Graz sind ungefähr 4 000 Leute und wir werden – das wurde ganz offiziell beschlossen – mit 2021 so ein Carbonmanagement für Unternehmen auch im eigenen Bereich starten. In diesem Sinne ist diese Aufgabe, auf der jeweiligen Handlungsebene – in öffentlichen Einrichtungen und auch in privaten Einrichtungen – für die Bedürfnisse, die es dort gibt, sozusagen notwendig. Wichtig ist es, diesen Lösungsbeitrag zu leisten.

Zweite Fragerunde der Abgeordneten

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Frau Ministerin! Wertes Initiatorenteam des Klimavolksbegehrens! Eingangs vielleicht einmal eine Antwort auf die Frage von Frau Rogenhofer: Ist uns Klimaschutz wichtig? – Da sage ich persönlich als Vater dreier Kinder ganz klar: Ja. Ich sage es auch in einer anderen, politischen Funktion, als Bürgermeister – und hier eint mich meine Funktion mit vielen anderen Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen, die in Klimabündnisgemeinden tätig sind, in e5-Gemeinden oder in anderen Funktionen schon über Jahre und Jahrzehnte Klimaschutzaktivitäten betreiben. Auch aus Sicht der Österreichischen Volkspartei kann man diese Frage mit Ja beantworten.

Kollegin Jeitler-Cincelli hat schon die ökosoziale Marktwirtschaft von Josef Riegler angesprochen: die drei Säulen, die adaptiert bedeuten würden, als Umweltschutz den Klimaschutz zu bezeichnen, den sozialen Ausgleich, und die Wirtschaft und das Wachstum in Einklang zu bringen – das sind so die drei Credos, die für uns gelten. Diese drei Säulen sind mit der Kostenwahrheit in Verbindung zu setzen und gleichzeitig sind Technik und Technologien in den Dienst des Umwelt- und des Klimaschutzes zu stellen. Besonders in dieser neuen Zeit ist vieles möglich, weil es hier ganz einfach neue Technologien gibt.

Herr Weiß-Fanzlau hat in seinem Eingangsstatement anerkannt, dass im Regierungsprogramm Teile des Volksbegehrens ja schon enthalten sind. Ich gehe jetzt noch kurz auf den Klimarechnungshof ein, weil auch im Regierungsprogramm im Kapitel 3 festgelegt ist, dass wir eine ebenenübergreifende Kontrolle für den Klimaschutz schaffen wollen. Es steht natürlich außer Frage, dass es eine Einhaltung des Zielpfades geben muss und dass dieser entsprechend gemonitort werden muss. Im Regierungsprogramm ist auch festgelegt, dass es ein innerösterreichisches Effort-Sharing-System und Steuerungsmaßnahmen geben soll. Zum Klimarechnungshof hat schon Prof. Kocher einiges gesagt.

Da die Experten hier jetzt unterschiedliche Zugänge haben und das Umweltbundesamt ja bereits 600 Experten hat, ist meine Frage: Was braucht es, um das Umweltbundesamt eventuell aufzurüsten, um da entsprechende Kompetenz zu haben oder ist es notwendig, da eine zusätzliche Organisation aufzustellen? In welcher Form sollten auch Sanktionen vorgesehen werden? Sind die, die hier im Volksbegehren enthalten sind, budgetärer Natur oder auch regulatorischer Natur? Was würde es bedeuten, wenn zum Beispiel ein Klimarechnungshofbericht eine negative Auswirkung auf einen Industriebetrieb hätte? Würde man den jetzt ohne ein juristisches Urteil staatlich temporär schließen müssen, beziehungsweise gibt es auch in anderen EU-Ländern entsprechende Instanzen?

Eine Frage noch ganz kurz an Herrn Prof. Kirchengast in Graz: Es gibt hinsichtlich des Humusaufbaus andere Meinungen – Herr Prof. Raggam aus unserer Region ist da sehr tätig. Hinsichtlich des Humusaufbaus ist meine Frage: Sie beziffern das mit 5 Prozent in Summe – gibt es hier die Möglichkeit, das auch schneller zu machen, beziehungsweise wie lange würde es dauern, um Maßnahmen auch CO2-mäßig niederschreiben zu können? – Danke.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Wir hatten hier jetzt eine sehr spannende Debatte zur Bepreisung der Klimagase. Wir wissen aber, dass die natürlich nicht für sich allein steht, sondern auch immer in Wechselwirkung mit anderen Maßnahmen – auch ordnungspolitischen Maßnahmen – gesehen werden muss. Ich möchte daher noch einmal nachfragen: Wenn man das Ganze jetzt aus Sicht von einkommensschwachen Haushalten betrachtet – wo ja durchaus bei einer CO2-Steuer die Gefahr besteht, dass diese übermäßig belastet werden –, was wären für andere weitere ergänzende ordnungspolitische Maßnahmen wichtig, um hier auf die soziale Gerechtigkeit einzugehen?

Zweitens habe ich noch eine kurze Frage. Ich weiß, dass Sie für die Beantwortung nur 2 Minuten Zeit haben, aber da es hier um die Einbindung der Wissenschaft bei einem zukünftigen Klimaschutzgesetz geht, möchte ich Folgendes wissen: Haben Sie konkrete Anliegen oder konkrete Vorschläge, wie denn eine möglichst gute Funktion aussehen könnte – vielleicht ergänzend oder anstatt oder erweiternd zu einem Klimarechnungshof? Das wäre, denke ich, sehr spannend.

Jetzt komme ich auch schon zum Abschluss. Das ist mein letzter Redebeitrag, dann ist es aus, daher wollte ich noch anmerken, dass ich hoffe, dass wir Druck machen werden – auch für alle, die von zu Hause zuschauen –, damit es hier nicht nur bei der Debatte bleibt, sondern damit es zur Umsetzung kommt. Wir haben beispielsweise den Klimacheck bereits im Frühjahr beschlossen. Dazu gibt es einen Vierparteienantrag. Das heißt, hier wäre der Beschluss sogar schon getätigt. Jetzt geht es wirklich um die Umsetzung.

Ich denke, alle Aktivisten und Aktivistinnen des Klimavolksbegehrens sind hoffentlich bereit – auch in Zusammenarbeit mit uns –, hier weiter Druck zu machen, denn das wird ganz einfach notwendig sein, beispielsweise auch beim Thema Klimaschutzgesetz. Das hätte schon seit März dieses Jahres vorliegen müssen. Wir sind da aber schon in Verzug, deshalb hoffe ich auf ganz viel gemeinsamen weiteren Druck und darf mich noch einmal bei den Experten und Expertinnen und den Aktivisten und Aktivistinnen bedanken. – Danke schön.

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Geschätzte Experten! Klimaschutz und Umweltschutz geht uns alle an. Trotzdem muss man wirklich festhalten: Ohne Landwirtschaft werden wir die hochgesteckten Ziele des Klimaschutzes nicht schaffen. Deswegen mein Appell oder meine Bitte: Anstatt über die Landwirtschaft zu reden, sollten wir endlich anfangen, mit den Bauern zu sprechen. Ideen gibt es genug. Bei den Bauern, auf den Bauernhöfen gibt es sehr viele Innovationen, sehr viele Ideen.

Auch im Ausschuss, in der Politik, gibt es genug Anträge von den Oppositionsparteien. Leider beweisen sich die Grünen und auch die Schwarzen nicht so als Tempomacher, sondern eher als Bremser.

Jetzt zu meinen Fragen: Warum braucht es zur Umsetzung des Klimaschutzes einen Klimarechnungshof beziehungsweise Klimaräte? Würde eine Schaffung eines Klimarechnungshofes oder von Klimaräten nicht zu weiteren Bürokratiemonstern führen? Wie würde sich das in den Abläufen auswirken? – Danke.

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Ich möchte mich ganz kurz dem CO2-Budget widmen und meine Frage an Prof. Dr. Kirchengast richten. Wir wissen ja, dass Tanktourismus auf der einen Seite beziehungsweise die Verlagerungen von Produktionen ins Ausland auf der anderen Seite dazu führen, die Inlandsbilanz zu verschlechtern – beim Tanktourismus – beziehungsweise zu verbessern.

Deswegen ist meine Frage: Welche Rolle muss, kann oder soll diese graue Energie in den Produktionsketten, in der CO2-Budgetrechnung spielen?

Abgeordneter Lukas Hammer (Grüne): Nun habe ich mich auch selbst noch für zwei Fragen zu Wort gemeldet. Die erste Frage geht an Dr. Kocher als Verhaltensökonomen: Wir wissen, dass wahrscheinlich der erhobene Zeigefinger nicht so sehr geeignet ist, um erwünschtes Verhalten, vor allem bei so wichtigen Fragen, zu provozieren. Aus Ihrer Sicht als Verhaltensökonom: Was wären und was sind die wichtigsten Maßnahmen mit den größten Lenkungswirkungen für mehr Klimaschutz – aus Sicht von Unternehmen, aber auch für Bürgerinnen und Bürger sowie Konsumentinnen und Konsumenten?

Die zweite Frage geht in Richtung Prof. Kirchengast zum Klimacheck. Wir diskutieren den Klimacheck auf zwei verschiedenen Ebenen: Einerseits wollen wir, wenn der Staat, wenn Länder Regelungsvorhaben haben, wenn wir Gesetze machen oder wenn wir ein Budget beschließen, einen Klimacheck einführen. Andererseits – diese Ebene ist ein bisschen zu kurz gekommen, auch wenn Prof. Kocher sie kurz erwähnt hat – geht es um größere Projekte.

Da ist die Frage: Prof. Kirchengast, wie sehen Sie das, wenn wir im Genehmigungsverfahren darüber nachdenken, dass ein Klimacheck zur Anwendung kommen soll, wenn zum Beispiel eine neue Autobahn gebaut werden soll, oder wenn ein Flughafen ausgebaut werden soll?

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Ich hoffe, Prof. Kirchengast kommt mit den 2 Minuten aus. Es wird, glaube ich, schon recht knapp. Ich hätte auch noch eine Frage an ihn, nämlich betreffend die jährlichen Emissionsstatistiken. Diese kommen derzeit immer erst nach einigen Jahren. Wie soll oder wie kann denn gewährleistet werden, dass der Klimarechnungshof – oder wie dieses Kontrollgremium auch heißen soll – Daten in Echtzeit zur Verfügung gestellt bekommt?

Die zweite Frage geht an alle Experten, die sich zur Beantwortung berufen fühlen: Was den Klimarechnungshof betrifft, herrscht, glaube ich, noch relativ viel Unklarheit darüber, wie denn dieser ausgestaltet werden kann, wie er ausgestaltet werden soll. Vielleicht kann da noch der eine oder andere Experte darauf eingehen, wie denn dieser Klimarechnungshof im Detail ausgestaltet werden soll, wie viel Personal ungefähr dafür zur Verfügung gestellt werden muss und so weiter.

Lassen Sie mich abschließend noch sagen: Wir haben heute drei sehr eindringliche Appelle von der Initiatorin und von den zwei stellvertretenden Bevollmächtigen des Volksbegehrens gehört, wir haben sehr einhellige Empfehlungen der Expertinnen und Experten gehört. Ich möchte noch einmal ganz eindringlich damit abschließen, dass wir es nicht dabei belassen können und sollen, sondern dass dieses Volksbegehren von der Politik größtmöglich und bestmöglich umgesetzt werden soll und muss, und dass auch Taten und nicht nur nette Worte folgen müssen.

Zweite Antwortrunde der ExpertInnen

Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher: Ich versuche, kurz auf die verschiedenen Fragen einzugehen. Ich gehe gleich auf Ihre Frage nach den wichtigsten Maßnahmen ein, Herr Hammer: Natürlich kann die Verhaltensökonomie das Verhalten nicht vollständig ändern, ohne dass es Preissignale gibt. Die wichtigsten Maßnahmen sind klarerweise weiterhin die Preise, sowohl für Unternehmen als auch für die Individuen, die Konsumentinnen und Konsumenten, aber man kann das klarerweise begleiten. Wichtig ist, dass die umweltschonenden Entscheidungen kognitiv einfach sind. Wichtig ist, dass man diese Entscheidungen unterstützt, dass die Information bereitgestellt wird, dass man vielleicht auch ein paar Dinge wie Gamification einsetzt. Es gibt eine Reihe von Ideen, die ich jetzt nicht ausführen kann, die wir aber als Verhaltensökonomen gerne einbringen – an der einen oder anderen Stelle machen wir das auch schon –, wie man eben die Entscheidungsarchitektur der Leute vereinfacht. Wenn das 5 Prozent Einsparung bringt, ist das schon sehr, sehr viel, weil die Kosten – die politischen aber auch die anderen Kosten – für solche Maßnahmen viel geringer sind als die für andere Maßnahmen, die wir auch brauchen.

Noch ein Satz zum CO2-Fußabdruck und zu einkommensschwachen Haushalten: Es ist tatsächlich so, dass diese meist einen geringeren CO2-Fußabdruck haben, allerdings natürlich relativ höher belastet werden – das stimmt. Das kann man aber bei einer CO2-Bepreisung zum Beispiel über eine Rückerstattung – über eine gleichmäßige Rückerstattung an die Haushalte – ausgleichen. Das lässt sich auch praktisch ganz gut mit Steuererleichterungen beziehungsweise Prämien umsetzen.

Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, nämlich die Frage bezüglich des Umweltbundesamtes. Da ist die Frage, wie unabhängig es agieren kann. Rein, was die Umweltsicht betrifft, glaube ich, kann das Umweltbundesamt sehr gut die Entwicklung der Treibhausgasemissionen monitoren. Die Frage ist, ob es nicht aus sozialwissenschaftlicher Sicht zusätzlich noch wirtschaftliche und andere gesellschaftliche Gesichtspunkte gibt, die auch berücksichtigt werden sollten.

Bei Sanktionen für Gebietskörperschaften, die die Ziele vielleicht nicht einhalten, kann man sich, glaube ich, wenn es einmal so weit ist, gut Kontrollkonten vorstellen. Da hat jeder sozusagen ein Konto, auf dem ein Plus oder ein Minus steht. Wenn ein Minus steht, muss man im nächsten Jahr etwas mehr tun – so wird das ja auch im fiskalischen Bereich gehandhabt. – Vielen Dank.

Univ.-Prof. Dr. Sigrid Stagl: Ich möchte nur eine kurze allgemeine Meldung zu den vorgeschlagenen Institutionen, den Klimaräten und dem Klimarechnungshof, abgeben – ich glaube, die Ausgestaltung als solche schaffen wir hier nicht –: Märkte sind eine Ansammlung von sozialen Institutionen. Das heißt, sie bestehen aus Regeln. Diese Regeln müssen einerseits klar sein, um den ökonomischen Akteuren die richtigen Signale zu senden, und sie müssen andererseits auch kontrolliert werden – nur dann funktionieren Märkte gut.

Dann habe ich noch zwei Punkte, die ich ansprechen möchte.

Erstens: Einkommensschwache Haushalte – Herr Kocher hat es schon gesagt – haben üblicherweise einen geringeren Fußabdruck. 1 Prozent der Weltbevölkerung verursacht beispielsweise 50 Prozent der Luftemissionen aus dem Flugverkehr. Das heißt, hier gibt es ganz klare Zuordnungen. Wenn man die Bepreisung über alle Funktionsarten und über alle Bevölkerungsgruppen gleichmäßig verteilt, kommt es zu einer ungleichen Belastung. Das kann man durch eine wohlfahrtssteigernde Ausgestaltung von CO2-Bepreisung, CO2-Besteuerung schaffen. Das ist nicht trivial, aber es ist machbar.

Eine simplere Maßnahme ist zum Beispiel ein Klimabonus: Weil derselbe Betrag pro Kopf an die gesamte Bevölkerung ausgeschüttet wird, wirkt das dann natürlich progressiv, weil es für die Einkommensschwächeren mehr bewirkt. Da muss man aber aufpassen, dass man dadurch nicht die gut ausgefeilten Mechanismen des Wohlfahrtstaates stört. Ansonsten bin ich sowieso der Meinung, dass Verbote, Gebote, die für alle gelten, manchmal die fairere Option sind. Die Bepreisung ist also ein wichtiges Instrument, sie ist ein Hygienefaktor – das müssen wir schaffen, um das Haus in Ordnung zu bringen –, aber sie muss auch mit den anderen Instrumenten klug kombiniert werden.

Zweitens würde ich noch gerne etwas zur Landwirtschaft sagen. Als auf einem Waldviertler Bauernhof Aufgewachsene und noch immer stolze Besitzerin eines Waldviertler Bauernhofes fühle ich mich da angesprochen: Natürlich muss man mit den Bauern reden! Es gibt sehr viele Innovationen innerhalb der österreichischen Landwirtschaft, es gibt aber auch noch immer sehr viele low-hanging fruits, die man noch immer ernten kann. Sehr viel Positives ist in der Farm to Fork Strategy auf europäischer Ebene festgeschrieben, leider ist es dann in der Budgetverteilung nicht als das Guiding Principle genommen worden. Da stehen ein paar Signale drin, aber das hätte man viel ernster nehmen können. Es gibt klare True Benefits von planetentauglicher, planetenschonender und gesunder Ernährung, womit man gleichzeitig die Gesundheit fördern und Klimaschutz betreiben kann. Da gibt es sehr viele Möglichkeiten.

Dipl.-Ing. Dr. Dietrich Wertz: Ich darf vielleicht bei Herrn Abgeordnetem Litschauer beginnen, der das Thema graue Energie aufgegriffen hat. Ich möchte dazu sagen: Im österreichischen Innenverhältnis ist es einfach so, dass man da eine starke Steuerungswirkung über die Raumplanung hätte. Es ist, glaube ich, bekannt, dass die Zersiedelung den Aufwand von grauer Energie in Infrastrukturen beflügelt. Da gibt es auch eine sehr schöne Publikation der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie, die ich Ihnen auch gerne übermittle.

Zum Außenverhältnis und zur Einbindung in den internationalen Handel, zu einer Art fairen, internationalen CO2-Bepreisung, gibt es in einem Grundsatzpapier, das Herr Präsident Norbert Hofer herausgegeben hat, sogar aus dem Jahr 2009 schon eine recht interessante Skizze, wie man dieses Problem sauber in den Griff bekommen könnte. Das kann ich Ihnen auch gerne übermitteln.

Zu Herrn Abgeordnetem Schmiedlechner: Die Landwirte sind ja, wie schon erwähnt, schon heute in sehr vielen Bereichen im Sinne des Klimaschutzes positiv unterwegs. Ich persönlich glaube, dass man den Landwirt natürlich weiterhin Landwirt sein lassen muss, dass man aber in vielen Fällen auch zusätzlich eine gewisse Funktion als Energiewirt definieren kann. Das geht beim Forstwirt sehr stark in den Bereich der Biomasse beziehungsweise des Bauholzes, aber es gibt auch innovative Ansätze, zum Beispiel aus Klima- und Energiemodellregionen, wo landwirtschaftliche Maschinen genutzt werden, um zum Beispiel im Fall eines Blackouts Versorgungssicherheit zu gewährleisten. All das spielt letztlich auch in die Weiterentwicklung unseres – dann hoffentlich – fortschrittlichen Energiesystems mit hinein.

Univ.-Prof. Mag. Dr. Gottfried Kirchengast: Ich habe fünf Fragen an mich wahrgenommen. Ich muss ganz schnell sein.

Erstens: Was kann man für die Herausforderungen der nächsten Jahre beim Umweltbundesamt verbessern? – Ich glaube, ein Kernpunkt wird sein: Das UBA ist ja die Agentur des Bundes, dort soll alles passieren, was den Bund und auch die Länder in der Umsetzung unterstützt. Das Unabhängige, Notwendige, das Kontrollierende, das Wissenschaftsbegleitende sollte in guter Komplementarität der Institutionen separat gemacht werden. Das muss man durchdenken und strategisch richtig aufstellen.

Zweitens habe ich hier das Thema Landwirtschaft. Ich bin ja sozusagen auch ein Bauernsohn. Ich bin auf einem kleinen Bauernhof in der Südoststeiermark aufgewachsen, ähnlich wie Frau Prof.in Stagl etwas nördlicher. Das ist ein ganz wichtiges Thema. Der Landwirt als Energiewirt wurde schon genannt. Wir sehen Landwirte eher auch als KlimaschutzwirtInnen.

Das Thema Bodenkohlenstoffspeicherung ist ein Beitrag. Warum geht das so langsam? Es war auch eine Hintergrundfrage, warum das nur etwa 5 Prozent über zehn, 20 Jahre sein können. Die Antwort ist, weil langfristige Speicherung sichergestellt werden muss. Wir haben derzeit eine eigene Dissertation zu dem Thema laufen, gemeinsam mit der Ökoregion Kaindorf, Boku und so weiter. Wir wollen ja den LandwirtInnen als KlimaschutzwirtInnen auch ökonomisch ein Standbein schaffen. Das heißt, den CO2-Preis, den Emittierende zahlen würden, würden Landwirtinnen und Landwirte als Klimaschutzwirtinnen und Klimaschutzwirte für jede verlässlich gebundene Tonne CO2 im Sinn der Bodenkohlenstoffspeicherung bezahlt bekommen. Das muss ordentlich zertifizierend aufgebaut werden.

Das Land Steiermark – durchaus von der Landesregierung unterstützt – möchte mit einem Modellprojekt ja auch vorangehen. Ich weiß, dass auch zum Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus durchaus gute Kontakte bestehen. Also ja, so ein Großprogramm Kohlenstoffspeicherung muss neben dem fossilen Emissionsabbau auch ein wichtiger Teil werden.

Drittens, ein Aspekt zur grauen Energie, jetzt anders interpretiert: Es wird wichtig sein, dass die konsumbezogene Emissionsaktivität gemeinsam mit der produktionsbezogenen Emission – Neudeutsch gesagt – gemonitort wird. Wir von der wissenschaftsbegleiteten Monitoringseite wollen das erstmals ab März 2021 online haben. Wir haben hier den Zugang, dass wir die Emissionen Österreichs sowohl konsum- als auch emissionsbasiert sehen, in Österreich sogar monatlich im Kontext der europäischen und der weltweiten Emissionen. Da wird etwas aufgebaut, da stehe ich auch persönlich dahinter. Es ist ganz wichtig, dass wir bei diesem Monitoring gute Transparenz haben.

Da nehme ich gleich die fünfte Frage noch dazu: Wie wird es sein, wenn das Umweltbundesamt formell im Sinne der UN- und europäischen Berichtspflichten diese jährlichen Monitorings ein, zwei Jahre später macht? Da kann ich berichten, dass es zwischen Wissenschaft und Umweltbundesamt durchaus konstruktive Gespräche gibt, damit das Umweltbundesamt seine Art, das zu tun, ein bisschen an das anpasst, was jetzt notwendig ist und was kommen wird. Von der Wissenschaftsseite – ich stehe da wieder persönlich stark dahinter – kann ich bestätigen: Wir sind dran, für Österreich wirklich ein monatliches Emissionsmonitoring mit einem gewissen prognostischen Akzent, so wie es das Wifo für Bruttoinlandsprodukte macht, vorzubereiten. Wir hoffen, das ab März 2021 ein bisschen ausrollen zu können. Selbstverständlich sollen Sie als politisch Handelnde vom Umweltbundesamt von der Wissenschaftsbegleitung her Unterstützung und gute Grundlagen haben.

Letzter Punkt – ich habe meine Zeit schon wieder verbraucht –: Klimacheck. Ich weiß gerade am Beispiel der Stadt Wien und auch der Stadt Graz, dass unsere ExpertInnengruppe im Forschungsbereich konkret dabei ist und auch Anfragen von diesen Gemeinden vorhanden sind. Das nehmen wir als Beispiel, und ich glaube, von so einer Good Practice oder Best Practice, wo man jetzt schon an der Umsetzung arbeitet, kann dann Input für eine bedachtsame und hilfreiche Gestaltung dieser Klimachecks für „alle“ – unter Anführungszeichen – kommen. – Danke schön.

Statement der Bundesministerin

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Die Stellungnahme wird tatsächlich sehr kurz, denn ich möchte dem Gesagten nicht mehr viel hinzufügen. Die Beiträge der Vertreterinnen und Vertreter des Volksbegehrens stehen für sich. Die Beiträge der Expertinnen und Experten, der Wissenschafterinnen und Wissenschafter stehen für sich. Ich glaube, es ist allen klar, es ist uns allen klar: Es ist Zeit, zu handeln, und es gibt viele, viele Menschen in Österreich, die nicht nur dahinterstehen, sondern das auch aktiv von uns einfordern.

Wir hatten heute ein sehr dichtes Programm, einen spannenden Austausch. Ich möchte mich wirklich einfach noch einmal bei allen bedanken, vor allem bei den Expertinnen und Experten, die heute ihr Fachwissen geteilt haben und ihre Expertise eingebracht haben. Ich glaube, es ist ganz entscheidend, dass wir Klimapolitik evidenzbasiert, wissenschaftsbasiert machen, die Stimme der Wissenschaft hören. Wir wollen auch im neuen Klimaschutzgesetz einen entsprechenden Rahmen dafür vorsehen.

Ich möchte mich bei Ihnen und euch noch einmal ganz herzlich bedanken, bei den Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens. Sich mit Engagement, mit Energie, mit Kraft, mit Motivation für das Klima einzusetzen, ist genau das, was wir alle jetzt brauchen, und es ist unglaublich wertvoll.

Ich möchte mich auch noch einmal beim Vorsitzenden bedanken. Dass wir diese Sitzung live übertragen können, ermöglicht eine breitere Teilhabe an dieser so wichtigen Diskussion für die Bevölkerung. Das ist auch genau das, was wir brauchen. Je mehr wir das diskutieren, je transparenter wir das diskutieren, desto breiter ist auch die Debatte, desto informierter können wir, können alle in Österreich Entscheidungen treffen. Das ist, glaube ich, essenziell dafür, dass wir unsere Ziele realisieren und dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Deswegen wirklich ganz herzlichen Dank für diese Premiere heute! – Danke sehr.

Statement der Vertreterin des Klimavolksbegehrens

Katharina Rogenhofer, MSc: Danke, dass Sie diese letzten 3,5 Stunden mit uns verbracht haben. Danke, dass Sie den Expertinnen und Experten zugehört haben, dass Sie uns das Wort erteilt haben. Danke auch noch einmal von mir für den Livestream. Ich glaube, gerade bei einem Volksbegehren ist es essenziell, die Menschen, die unterschrieben haben, die Menschen, die hinter dem Volksbegehren stehen, aber überhaupt alle Menschen in Österreich darüber aufzuklären, was in der Klimapolitik passiert, was mit ihrer Stimme passiert ist und wer hier zu Wort kommen darf, wo die Parteien stehen und wie es weitergeht.

Wir haben gehört, es braucht alle möglichen Maßnahmen. Heute geht es aber um die übergeordneten Rahmenbedingungen, die CO2-Besteuerung mit sozialem Ausgleich, die Verkehrswende, die eher hin zu einem öffentlichen und nachhaltigen Verkehr vonstattengehen muss, und eine Energiewende. Diese Themen kommen beim nächsten Mal am 13.1., deswegen werde ich mich jetzt noch einmal auf die ersten Forderungen konzentrieren.

Ich glaube, wir müssen klarstellen – Herr Gottfried Kirchengast hat es schon gesagt –: Wenn wir der Wissenschaft glauben – und das tun wir hier alle –, dann besteht für uns in Österreich ein begrenztes CO2-Budget: 700 Megatonnen sollten wir nicht überschreiten, die müssen auch festgeschrieben werden.

Frau Kollegin Jeitler-Cincelli hat vorhin die Planungssicherheit angesprochen. Ich glaube, Planungssicherheit ist in jedem Bereich der Gesellschaft ein ganz wichtiger Aspekt, sei es jetzt bei einer CO2-Besteuerung, dass wir wissen, wohin der Preis steigt, aber auch bei unseren Emissionen. Wenn wir einen klaren Plan vorzeichnen, wie Österreich bis 2040 klimaneutral wird, wie diese Zwischenziele ausschauen, dann gibt das auch Planungssicherheit für die Menschen und für die Wirtschaft. Wir brauchen aber auch ein Maßnahmenprogramm, das das auffüllt und erfüllt. Dazu wurden heute schon ganz, ganz viele Maßnahmen angesprochen.

Zur Frage: Wie schnell können wir sein? – Ich glaube, die Frage müssen wir umdrehen und fragen: Wie schnell müssen wir sein? – Wir müssen sehr, sehr schnell sein. 2040 klimaneutral zu werden, das ist eine Riesenherausforderung – das will ich überhaupt nicht leugnen –, aber wir müssen uns dieser Herausforderung stellen, weil wir sonst unglaubliche Folgen in der Land- und Forstwirtschaft zu verzeichnen haben werden, aber auch die ärmsten Menschen unserer Gesellschaft vermehrt betroffen sein werden. Vom globalen Süden fange ich gar nicht erst an zu reden, was das für Folgen für viele Menschen auf der ganzen Welt hätte.

Also: Wie schnell müssen wir sein? – Wir müssen sehr schnell sein, wir müssen sehr konzentriert vorgehen; das ist auch Ihre Aufgabe. Wir haben heute gezeigt, was wir mit dem Volksbegehren von Bürgerinnen- und Bürgerseite schaffen können, dass viele Menschen dahinterstehen. Es wird ja immer von der Politik gesagt, wir müssen die Menschen mitnehmen. – Wir waren diejenigen, die eine Kampagne aufgebaut haben, die versucht haben, die Menschen mitzunehmen. Ich bin so viel in Österreich herumgekommen, habe auch mit Landwirten und Landwirtinnen geredet, es geht darum, wirklich die Menschen mitzunehmen. Wir sind einen Schritt vorangegangen, Sie können jetzt mit wirklichen Maßnahmen und Taten nachziehen.

Ich glaube, wir müssen im Klimaschutz von Versprechen wegkommen, wir müssen im Klimaschutz vom Versprechen von Maßnahmen wegkommen, hin zu tatsächlichen Maßnahmen. Das obliegt nun Ihnen. Wir haben Ihnen quasi das Volksbegehren mit allen Lösungsvorschlägen übergeben. Ich freue mich auch schon auf die Debatte am 13. Jänner, aber – um an das von Herrn Shetty Gesagte anzuschließen –: Es geht hier auch um Beschlüsse. Wir können weiterhin nicht nur darüber debattieren, wie die Klimakrise ausschaut, was verschlimmert wird, welche möglichen Lösungsansätze am Tisch liegen. Die Lösungsansätze liegen am Tisch, vieles muss ausverhandelt werden, wie genau es vonstattengehen muss, aber es braucht jetzt Beschlüsse, um eben unsere Grund- und Menschenrechte in Zukunft zu schützen, um die Menschen in Österreich zu schützen und um die vielen Menschen ernst zu nehmen, die hinter dem Klimaschutz stehen. – Danke schön.

Obmann Lukas Hammer sagt, dass niemand mehr dazu zu Wort gemeldet ist.

Er bedankt sich bei all jenen, die am Klimavolksbegehren beteiligt waren, sich dafür eingesetzt haben und diese Debatte ermöglicht haben. Weiters bedankt er sich ganz herzlich bei der Parlamentsdirektion und bei allen MitarbeiterInnen für die Organisation. Ein ganz großes Danke für die technische Umsetzung, was den Livestream betrifft, der grandios funktioniert habe, gehe an Herrn Brunner von der Technik.

Außerdem bedankt sich der Obmann bei allen, die den Livestream verfolgt haben, bei allen ExpertInnen für ihr Kommen und dafür, dass sie die Debatte verfolgt haben, weiters bei den Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen für die wirklich sachliche Debatte. Das sei ein sehr gutes Beispiel dafür gewesen, wie man sich so wichtigen Themen im Umweltausschuss widmen könne. Man habe am heutigen Tag viel über Maßnahmen gehört, die man setzen sollte, müsste, könnte. Ihm habe die differenzierte Debatte sehr gut gefallen, nämlich dass es zum Beispiel beim Thema Grundrecht nicht nur Schwarz oder Weiß gebe, sondern dass diese Debatte sehr viel gebracht habe, weil man die Komplexität dieses Themas sehr gut sehen könne.

Obmann Hammer verkündet, dass man sich am 13. Jänner 2021 dem nächsten Themenblock der Forderungen des Klimavolksbegehrens widmen werde. Dabei gehe es um Kostenwahrheit und eine ökosoziale Steuerreform, den Abbau von klimaschädigen Subventionen, die flächendeckende Versorgung mit klimafreundlicher Mobilität und die garantierte Finanzierung der Energiewende. Das Hearing werde wieder mit wissenschaftlichen Expertinnen und Experten stattfinden, mit denen man sich gemeinsam beraten werde. Er hoffe, dass im Ausschuss ein fraktionsübergreifender Beschluss gefasst werden könne, mit dem möglichst viele der Forderungen dann auch umgesetzt werden.

Abstimmung über den Antrag, die Verhandlungen zum gegenständlichen Volksbegehren zu vertagen. – Einstimmige Annahme. Die Verhandlungen sind somit vertagt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abschließend wünscht der Obmann einen angenehmen Jahresausklang sowie einen gesunden Jahreswechsel und schließt die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 12.45 Uhr