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UmweltAusschuss

 


Auszugsweise Darstellung
verfasst von der Abteilung 1.4/2.4
– Stenographische Protokolle

 

12. Sitzung

Dienstag, 9. März 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

TOP 2

Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs (347 d.B.)

14.48 Uhr – 15.20 Uhr

Großer Redoutensaal

Beginn TOP 2: 14.48 Uhr

2. Punkt

Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs (347 d.B.)

Obmann Lukas Hammer leitet zu Tagesordnungspunkt 2 und der Wiederaufnahme der am 12. Jänner 2021 vertagten Verhandlungen über.

Der Obmann gibt bekannt, dass die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 GOG-NR öffentlich sei; dies bedeute, dass Ton- und Bildaufnahmen zulässig seien.

Über diese Debatte werde eine auszugsweise Darstellung verfasst.

Abstimmung darüber, die auszugsweise Darstellung zu veröffentlichen. – Einstimmige Annahme.

Obmann Hammer begrüßt den Bevollmächtigten des Volksbegehens Euratom-Ausstieg Österreichs, Herrn Mag. Robert Marschall, der gemäß § 37 Abs. 4 GOG-NR den Verhandlungen beizuziehen sei.

Sodann leitet der Obmann zur Debatte über.

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Vorsitzender! Frau Ministerin! Werter Initiator! Meine Damen und Herren! Solange das Verschwenden von Energie in Teilen der Gesellschaft noch immer als fortschrittlich gilt, ist eine konsequente Energiewende nichts anderes als Makulatur. Das Volksbegehren Euratom-Ausstieg hat bei der Eintragung mehr als 100 000 Unterstützerinnen und Unterstützer bekommen, was ein sehr respektables Ergebnis ist, und ist somit im Parlament zu behandeln.

Aus unserer Sicht ist der Euratom-Vertrag in einen Atomenergieausstiegsvertrag umzuwandeln und die Forschungsaktivitäten sind auf den Bereich des Strahlenschutzes und der Endlagerung zu fokussieren. Wir fordern daher auch ein Ende der staatlichen Förderungen für neue Atomkraftwerke. Das ist und bleibt unser Ziel. Staatliche Förderungen für AKWs sind zu streichen, und zwar kompromisslos!

Ob ein einseitiger Ausstieg Österreichs ohne einen gleichzeitigen EU-Austritt überhaupt möglich ist, gilt in juristischen Expertenkreisen als äußerst umstritten, unwahrscheinlich, ja eigentlich unmöglich. Schon ein Nachverhandeln des Euratom-Vertrages würde eine Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten voraussetzen. Das politische Ziel ist die Förderung des Atomkraftabbaus und ein europaweites schrittweises Abbauen der bestehenden Kernreaktoren.

Die Schließung der Atomkraftwerke und infolgedessen auch das Ende der Kernwaffen ist Vision, muss zur Vision für eine bessere Welt auf unserem Kontinent Europa werden. Das wäre ein wahrlich starkes, friedliches Zeichen aus Europa.

Meine Damen und Herren! An der Bewusstseinsbildung arbeiten, Strom verwenden statt verschwenden, das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Aspekt auch in der laufenden und kontinuierlichen politischen Debatte. Man braucht nur aus der Vogelperspektive auf unseren Globus zu blicken, um zu erkennen, in welchen Teilen der Erde Strom verwendet und in welchen Teilen der Erde Strom verschwendet wird.

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Herr Vorsitzender! Frau Minister! Herr Marschall! Werte Kollegen! Ja, die Energiewende ist eingeläutet und man sieht, dass sich international einiges bewegt. In Amerika werden Atomkraftwerke mittlerweile aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen, teilweise sehen wir das auch in Europa, und die Finanzierung von solchen Anlagen wird immer schwieriger. Das macht aber auch immer deutlicher, dass neue Projekte im Prinzip nur mehr mit staatlicher Unterstützung möglich sind. Das Beispiel Hinkley Point C demonstriert das, wenn ein Atomkraftbetreiber über einen Zeitraum von 50 Jahren – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: 50 Jahre Förderzusage! – mit Milliardenbeträgen eingedeckt wird, um ein Kraftwerk betreiben zu können. Das ist so gesehen ja schon wahnwitzig.

Insoweit kann ich ganz gut nachvollziehen, dass sehr viele sagen, dem müsse jetzt endlich ein Ende gesetzt werden. Auch die ganze Problematik des Atommülls, die immer noch ungelöst ist, beschäftigt uns in Österreich ganz intensiv. Jetzt haben wir zum Glück kein Atomkraftwerk, das wir betreiben, aber der Atommüll rückt teilweise immer wieder auch an unsere österreichischen Grenzen, und damit beschäftigt uns das natürlich auch ganz intensiv.

Deswegen hat es mich auch gefreut, dass sehr, sehr viele Österreicher, nämlich über 100 000, mit diesem Volksbegehren auf diese Problematik der Atomkraftnutzung hingewiesen haben. Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten ganz intensiv mit den Unterstützern des Volksbegehrens auseinandergesetzt und sehr viele NGO-Vertreter getroffen, sehr viele Bürger kontaktiert, die da Unterstützung geleistet haben.

Wenn man sie fragt, stellt sich heraus, der wesentliche Punkt dafür, dass sie das Volksbegehren unterstützt haben, ist, dass dieses System der Finanzierung, das System des Risikos beendet werden muss. Das war der wesentliche Antrieb, warum sie dieses Volksbegehren unterstützt haben, und ich glaube, das muss man auch sehen.

Ich bringe daher jetzt hier im Zusammenhang mit der Verhandlung des Tagesordnungspunktes Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs auch den Antrag gemäß § 27 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Abgeordneten Ing. Martin Litschauer, Johannes Schmuckenschlager, Julia Herr, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Euratom-Volksbegehren“ ein.

Es freut mich, dass wir hier gemeinsam – zumindest vier Fraktionen – ganz wesentliche Punkte erarbeitet haben, um ganz deutlich zu machen, wo die Position Österreichs ist, dass es da um die Problematik des Atommülls geht, dass es da um die Problematik der Finanzierungen geht, dass auch die Sicherheitsstandards angepasst werden müssen und dass wir da auch Mitsprache haben wollen. Das ist auch ein Punkt, der mir sehr stark zurückgemeldet worden ist.

Die Menschen in Österreich wünschen sich, dass wir bei diesen Fragen ganz stark auftreten. Jedes Mal, wenn wir dazu die Möglichkeit haben, wenn es um die Debatte geht, ob Atomkraft doch als klimarelevante Technologie anerkannt wird oder nicht, und Österreich das Veto einlegt und genau da den Fuß in die Tür stellt und sagt: Das geht so nicht, da stimmen wir nicht zu!, sind das ganz wesentliche Punkte, und wenn es um Sicherheitsfragen geht, dann sind das auch sehr wesentliche Punkte. Und dieses Mitspracherecht in diesen Punkten dürfen wir uns auch nicht nehmen lassen. Das ist ganz, ganz wichtig, und das ist sozusagen auch die Intention, die hinter diesem Antrag steht, weil es darum geht, nicht einfach zurückzutreten und zu sagen: Wir wollen mit dem Thema nichts zu tun haben!, sondern da ganz bewusst gegen diese Machenschaften einzutreten, wenn es um die Bildung eines eigenen Marktes geht.

Wir sind uns, glaube ich, relativ einig – auch, wenn wir auf Hinkley Point C schauen –: Wir wollen nicht, dass Atomenergie einen eigenen Status hat und in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht mit berücksichtigt werden muss. Alle anderen Wirtschaftsformen in der EU müssen sich dem beugen, nur die Atomenergie hat da einen Sonderstatus. Genau diesen Sonderstatus gilt es aufzubrechen, und da freut es mich, dass wir jetzt mit diesem Antrag in diesem Kreis doch eine breite Unterstützung für eine Vorgehensweise gefunden haben. Ich bedanke mich auch noch einmal bei allen, die das jetzt mit unterstützen.

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Frau Bundesminister! Herr Vorsitzender! Ich gratuliere auch Ihnen (in Richtung des Bevollmächtigten des Euratom-Volksbegehrens) zu diesem Erfolg, die 100 000-Marke überschritten zu haben, hier auch aktiv zu sein. Auch meinen höchsten Respekt und meine Anerkennung für die Leistungen, die Sie in diesem Bereich erbracht haben.

Ich beginne gleich da, wo Kollege Litschauer geendet hat, nämlich damit, warum es nur ein Vierparteienantrag ist: weil uns dieser Antrag zu wenig weit geht. Er geht uns deswegen zu wenig weit – ich kann Ihnen jetzt den Text vorlesen –: 

„Die Bundesregierung wird ersucht,

sich dafür einzusetzen, dass der EURATOM-Vertrag im Rahmen der Zukunftskonferenz thematisiert wird und dass der Vertrag im Lichte der Ergebnisse dieser Diskussion überarbeitet wird.“

Das ist für mich und für uns eher mehr ein Lippenbekenntnis und zu wenig weit greifend in diesem Bereich. Ich habe ja unter Tagesordnungspunkt 16 einen eigenen Antrag eingebracht, in dem wir den Ausstieg aus diesem Euratom-Vertrag fordern sowie alle rechtlichen Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, um aus diesem Vertrag herauszukommen. Das ist unser Ansatz in diesem Bereich.

Auch in Bezug auf die Energiewende, Frau Bundesminister, wird das ein intensives Thema sein, nicht nur österreichweit, sondern europaweit und weltweit. Wenn ich mich richtig entsinne, hat es ja gestern wieder eine Hiobsbotschaft aus Tschechien gegeben, dass dort wieder zwei neue Reaktoren gebaut werden und wieder auf Atomkraft gesetzt wird, und ich frage mich langsam: Was macht die Europäische Union, was macht die österreichische Bundesregierung in diesem Bereich? Wie setzen wir uns ein? Welche Mechanismen haben wir? Wie explizit propagieren Sie als Bundesministerin und auch der Herr Bundeskanzler im Europarat, dass es da zu einem Schulterschluss kommen muss?

Das zweite Beispiel: Krško steht auf einer Erdbebenlinie, und auch da gibt es keine Aktivitäten und Akzente, auch da gibt es Ausbaupläne. Nur immer die bilaterale Ebene und Gespräche – das ist alles nice to have, auf Neudeutsch, im Endeffekt aber kommen wir in diesem Bereich keinen Millimeter weiter.

Wenn wir jetzt diese Energiewende herbeiführen, in vielen Bereichen auf Elektromobilität, auf den Antrieb mit Strom setzen, werden wir betreffend die Energieform Strom einen intensiven Bedarf haben, schon auf Basis der Änderung auf erneuerbare Energien gedacht – dieses Engagement und auch das, was in den letzten Jahren in diesem Bereich passiert ist, möchte ich nicht kleinreden. Gleichzeitig aber werden wir, sollte sich die Mobilität in diese Richtung entwickeln – und es gibt ja schon internationale Konzerne, die sagen, sie produzieren keine fossil betriebenen Verbrennungsmotoren mehr, sondern setzen nur noch auf Elektromobilität –, einen massiven Bedarf haben. Ich hoffe nur, dass wir nicht das eine gegen das andere austauschen, diese Gefahr sehe ich aber; und ich höre in den Redebeiträgen auch ein bisschen mitschwingen, dass die Atomkraft eine der Säulen, oder zumindest die Sicherheitssäule, hinsichtlich Deckung des Energiebedarfs sein wird. So kommt es mir auf europäischer Ebene vor, aus diesem Grund gibt es da auch keine Gegenmaßnahmen oder zumindest nur Lippenbekenntnisse. Diese aber lehnen wir ab.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Abgeordnete! Werte Proponenten des Volksbegehrens! Ich denke, die Positionierung, die Ablehnung der Kernenergie eint Österreich über alle politischen Parteien hinweg, ist auch im Umweltausschuss unbestritten, es besteht inhaltliche Einigkeit. Ich glaube, das muss man nicht lang argumentieren, das ist völlig klar.

Klimaschutz gelingt nur ohne Kernenergie, gelingt auch ganz klar ohne Kernenergie. Das ist auch die Position, die wir auf europäischer Ebene deutlich und laut und immer wieder vertreten  nicht nur bilateral, Herr Rauch, sondern auf der europäischen Ebene. Im letzten Europäischen Rat, bei dem das neue Klimaziel beschlossen worden ist, ist es in der Nacht stundenlang nur um das Thema Behandlung der Atomenergie gegangen, und da haben Österreich und Luxemburg selbstverständlich Kurs gehalten. Die Ergebnisse unserer Arbeit spiegeln sich in diesen Ratsschlussfolgerungen vielleicht gerade mehr in dem, was darin nicht steht, denn manchmal geht es genau darum: zu verhindern, dass Atomenergie unter dem Deckmantel des Klimaschutzes plötzlich Raum greift.

In diesem Sinne begrüße ich es sehr, dass wir einen so breit getragenen Antrag haben. Es ist wirklich eine wertvolle Unterstützung, auch für die Arbeit auf europäischer Ebene, wenn der Nationalrat da Position bezieht. Es ist umso mehr ein wichtiges Signal, wie ich glaube, als wir in zwei Tagen, am 11. März, ja auch das zehnjährige Jubiläum der Reaktorkatastrophe von Fukushima – Jubiläum ist für dieses Ereignis ein falsches Wort  begehen.

Im Sinne der Entschließung – ich kürze jetzt radikal – kann ich nur noch einmal unterstreichen: Die Veränderung des Euratom-Vertrags ist ein enorm wichtiger Teil unserer Arbeit. Wie gesagt steht ein Austritt aus Euratom auch aus den in den letzten Debatten hier von den Experten und Expertinnen genannten Gründen nicht zur Diskussion, allerdings ist die Reformarbeit natürlich ganz oben auf der Agenda.

Deswegen wollen wir dieses Window of Opportunity, auf das auch der Antrag mit der Diskussion zur Zukunft Europas Bezug nimmt, auch nutzen. Das soll im Mai formell starten. Auch da wird es wieder darum gehen, sicherzustellen, dass etwas nicht im Zentrum der Diskussion rund um die Zukunft Europas steht, denn auch da gibt es natürlich Länder, die die Atomenergie weiter befürworten, die eine andere Position vertreten. Um unsere Arbeit argumentativ bestmöglich zu untermauern, haben wir schon ein Gutachten ausarbeiten lassen, das wir dann konsequent in die Debatte einbringen werden.

Ich kann auch da versichern: Die Europaministerin und ich sind dazu in bester Abstimmung und ziehen wirklich an einem Strang, denn die Position, die Sie im Nationalrat so geschlossen vertreten, vertreten wir natürlich konsequent und mit all unserer Energie auch auf europäischer Ebene. – In diesem Sinne: Danke.

Mag. Robert Marschall: Sehr geehrte Parteienvertreter und Parteienvertreterinnen! – Ich möchte bei diesem Wording bleiben, weil Sie ja tatsächlich keine Volksvertreter sind. Wenn Frau Bundesminister Gewessler gesagt hat, der Euratom-Ausstieg stehe bei den Rechtsvertretern nicht zur Diskussion, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das genau das Thema dieses Volksbegehrens ist: Wir wollen den Ausstieg Österreichs aus der europäischen Atomgemeinschaft, kurz: Wir wollen den Euratom-Ausstieg Österreichs.

Wer ist „wir“? – Das sind einmal die über 100 000 Unterstützerinnen und Unterstützer des Volksbegehrens, weiters – für die, die mich nicht kennen – ich, Robert Marschall, als Bevollmächtigter des Volksbegehrens, und drittens ist das Wir für Österreich, die als Betreiber des Volksbegehrens aufgetreten sind. Informationen dazu finden Sie unter www.wfoe.at – ich sage das deshalb dazu, weil möglicherweise ja einiges aus dem Video herausgeschnitten wird.

Warum wollen wir, dass Österreich aus Euratom aussteigt? Ich möchte das noch einmal kurz zusammenfassen: weil das österreichische Volk nie über den Beitritt zur EU-Atomgemeinschaft abgestimmt hat – insofern wurde das österreichische Volk bei der Volksabstimmung über den EU-Beitrittsvertrag 1994 heimlich mit dem Euratom-Beitritt überrumpelt, vielleicht ist die österreichische Mitgliedschaft bei Euratom daher sogar rechtswidrig –; weil die Atomkraft eine Hochrisikotechnologie ist – das beweisen die katastrophalen Reaktorunfälle 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima, das steht ja außer Streit, oder? –; weil wir nicht wollen, dass Österreich der Atomkraft noch Steuergeld hinterherwirft – für das Steuergeld gibt es wesentlich bessere Verwendungszwecke –; weil Österreich die letzten 25 Jahre bei Euratom nichts, absolut nichts, bewirkt hat – erst gestern wurden gerade wieder zwei Reaktorblöcke in Dukovany, 30 Kilometer nördlich von Niederösterreich in Tschechien, genehmigt. Weiterhin zuzuschauen ist daher für uns keine Option.

Jetzt komme ich zum Punkt: Wie kann der Euratom-Ausstieg rechtskonform abgewickelt werden?

Erstens durch Parlamentsbeschluss in Österreich – nicht im EU-Parlament, sondern hier im Hohen Haus –: Das ist aber äußerst unwahrscheinlich, da ja alle fünf Parlamentsparteien bis dato – man wird sehen, wie sich das jetzt weiterentwickelt – für die Mitgliedschaft Österreichs bei Euratom sind und damit die Atomkraftwerke in der EU subventionieren; das ist so, Frau Minister!

Zweitens durch eine Volksabstimmung: Dazu müsste es nach geltender Rechtslage aber erst einen Beschluss des Parlaments geben. Das ist ebenso unwahrscheinlich, da ja auch alle vier oder fünf Parlamentsparteien – man weiß nicht, wie sich das heute noch entwickelt – bis dato gegen eine Volksabstimmung zum Euratom-Ausstieg Österreichs sind. Das zeigt – mir zumindest – schon einigermaßen die Degeneriertheit der österreichischen Demokratie.

Obmann Lukas Hammer unterbricht Mag. Marschall und schaltet dessen Mikrofon ab. Er bittet den Redner, die Würde des Hauses zu wahren und die Abgeordneten nicht als Parteienvertreter, sondern als gewählte Volksvertreterinnen und gewählte Volksvertreter anzusprechen sowie auch nicht von einer degenerierten Demokratie zu sprechen. Marschall möge ihnen den Respekt erweisen, den sie auch ihm erwiesen.

Mag. Robert Marschall: Darf ich wieder sprechen? – Sehr fein.

Das war nicht irgendeine Bewertung meinerseits, das ist eine Analyse des Istzustands der österreichischen Demokratie. Wie komme ich dazu? – Weil das österreichische Volk nicht einmal eine Volksabstimmung selbst einleiten kann. Wie wollen Sie (in Richtung Obmann) das bezeichnen? Fortschrittlich ist das jedenfalls nicht.

Insofern brachten und bringen auch die 50 Volksbegehren in der Zweiten Republik nichts, die allesamt, wirklich alle, im Parlament abgewürgt wurden. Sie haben kein einziges Volksbegehren jemals zu einer Volksabstimmung erhoben, nicht ein einziges! Da ist es völlig wurscht, ob die ÖVP mit der SPÖ, die SPÖ mit der ÖVP, die ÖVP mit den Freiheitlichen, jetzt die ÖVP mit den Grünen in der Regierung ist. Vollkommen egal, welche Regierungskonstellationen es bisher gegeben hat, kein einziges Volksbegehren wurde zur Volksabstimmung erhoben. Wie bezeichnen Sie das, Herr Vorsitzender? – Okay, da fehlen ihm die Worte. Ich darf es ja nicht mehr wiederholen, aber Sie können daraus vielleicht erkennen, dass die österreichischen Demokratie schon sehr im Argen liegt.

Damit komme ich zu der Frage, die Herr Vorsitzender Hammer aufgeworfen hat: Sind die Parteienvertreter hier im Hohen Haus jetzt Parteienvertreter oder Volksvertreter, wie er es bezeichnet hat? – Aus meiner Sicht sind sie alle miteinander Parteienvertreter. (Ruf: Ich bin ein Volksvertreter!) – Wer sind Sie? Sie sind ein Volksvertreter?

Obmann Lukas Hammer betont, dass es das Ziel sei, im Umweltausschuss inhaltlich über das Thema des Volksbegehrens zu diskutieren, und auch der Bevollmächtigte, Herr Robert Marschall, habe genügend Raum dafür gehabt. Er bitte aber, so der Obmann, darum, bei der Sache zu bleiben und dem Ausschuss jenen Respekt entgegenzubringen, der vonseiten des Ausschusses auch dem Bevollmächtigten entgegengebracht werde.

Die Frage, ob es sich bei den Abgeordneten um gewählte VolksvertreterInnen handle oder nicht, beantworte die Bundesverfassung. Es stehe dem Bevollmächtigten frei, eine eigene Partei zu gründen, zur Wahl anzutreten und zu versuchen, seine politischen Inhalte durchzubringen. Diese via Livestream übertragene Debatte möge aber nicht für eine derartige Diskussion missbraucht werden.

Schließlich ersucht der Obmann den Bevollmächtigten darum, fortzufahren, aber zu den Inhalten zu sprechen und den Ausschuss nicht mehr respektlos zu behandeln.

Mag. Robert Marschall: Ich behandle Sie nicht respektlos, ich sage genau das, was Sache ist. Und inhaltlich haben Sie bisher noch bei keinem Argument irgendetwas dagegen sagen können.

So, jetzt komme ich zum Einwurf der Frau Abgeordneten Jeitler-Cincelli, wenn ich das richtig sehe. (Zwischenrufe.) – Nicht? Okay, weiß ich nicht. Es sind da ja so viele Wände (auf die Glaswände zwischen den Abgeordnetenplätzen weisend) dazwischen. Ich habe mir die Arbeit angetan und herausgesucht, wie viele Vorzugsstimmen die einzelnen Abgeordneten unter Ihnen bekommen haben. Das erstaunliche Ergebnis: Kein einziger Vertreter der ÖVP hat hier im Umweltausschuss bei der Nationalratswahl 2019 eine Vorzugsstimme auf Bundesebene erhalten. Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre! (Zwischenruf.) – Ich habe heute am Parlamentsserver nachgeschaut. (Weitere Zwischenrufe.)

Obmann Lukas Hammer kündigt an, dem Bevollmächtigten, wenn er weiter so verfahre, das Wort zu entziehen.

*****

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt 20 Jahre in diesem Haus und ich habe noch nie – und ich habe hier die Behandlung vieler Volksbegehren erlebt – vonseiten der Vertreter der Volksbegehren solch wirklich demütigende Fragen (Bevollmächtigter Marschall: Na ja, dann wird es Zeit!) an die Abgeordneten gehört wie heute. Ich versuche sehr, mich emotionell zurückzuhalten. Ich bin ein gewählter Vertreter des Volkes, und ich kann Ihnen eines sagen, mein lieber Herr: Sie haben 100 000 Unterschriften von acht Millionen Österreichern gekriegt. Sagen Sie mir, wie viel Prozent, gemessen an der Einwohnerzahl, Sie hier vertreten! Wir alle miteinander vertreten die acht Millionen Österreicher. Wie viele vertreten Sie?

Sollte der Sprecher des Volksbegehrens mit seinen Vorwürfen so weitermachen wie bisher, bitte ich Sie, die Sitzung zu unterbrechen, Herr Vorsitzender, damit wir uns in einer Stehpräsidiale über die weitere Vorgangsweise unterhalten können, denn so werde ich mit ihm nicht weitermachen; dann verlasse ich diese Sitzung. Ich lasse mir das nicht länger gefallen, mich hier von einem Menschen, der keine Ahnung hat, wie der parlamentarische Ablauf aussieht, und der von Demokratie nichts versteht, beschimpfen zu lassen! (Beifall.)

*****

Mag. Robert Marschall: Nein, Sie verstehen nichts. Na bitte, wer applaudiert? – Herr Laimer, der nämlich auch exakt null Vorzugsstimmen bekommen hat. (Zwischenrufe.) – Schauen Sie auf der Parlamentswebsite nach, da steht das alles drauf! (Ruf: Das interessiert hier keinen! – Weitere Zwischenrufe.) In Summe haben Sie alle zusammen - -

Obmann Lukas Hammer unterbricht die Sitzung.

*****

(Sitzungsunterbrechung: 15.16 Uhr bis 15.19 Uhr)

*****

Obmann Lukas Hammer nimmt die unterbrochene Sitzung wieder auf und entzieht dem Bevollmächtigten Mag. Robert Marschall gemäß § 41 Abs. 12 iVm §§ 101 Abs. 2 und 102 Abs. 2 das Wort.

Somit ist der öffentliche Teil zu diesem Tagesordnungspunkt beendet.

Schluss TOP 2: 15.20 Uhr