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UMWEltausschuss

 


Auszugsweise Darstellung
verfasst von der Abteilung 1.4/2.4
– Stenographische Protokolle

 

10. Sitzung

Dienstag, 12. Jänner 2021

 

XXVII. Gesetzgebungsperiode

 

TOP 1

Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs (347 d.B.)

10.02 Uhr – 12.35 Uhr

Großer Redoutensaal

Beginn der Sitzung: 10.02 Uhr

Obmann Lukas Hammer eröffnet die 10. Sitzung des Umweltausschusses und wünscht den Anwesenden ein frohes Neues Jahr.

1. Punkt

Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs (347 d.B.)

Obmann Lukas Hammer geht in die Tagesordnung ein und kommt sogleich zu Tagesordnungspunkt 1 und der Wiederaufnahme der am 11. November 2020 vertagten Verhandlungen.

Es sei vereinbart, ein öffentliches Hearing zum heutigen Tagesordnungspunkt abzuhalten, für das folgende Expertinnen und Experten nominiert seien:

Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer (Universität Innsbruck)

Mag. David Reinberger (Wiener Umweltanwaltschaft)

Dipl.-Ing. Johann Brecht (Technische Universität Graz)

Mag. Patricia Lorenz (Global 2000)

MMag. DDr. Markus P. Beham, LL.M. (Universität Passau)

*****

Einstimmige Annahme.

Der Obmann weist darauf hin, dass die heutige Sitzung des Umweltausschusses gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 der Geschäftsordnung öffentlich sei und somit auch Ton- und Bildaufnahmen während des Hearings zulässig seien. Die Sitzung werde wieder per Livestream übertragen.

Über das öffentliche Hearing werde eine auszugsweise Darstellung verfasst.

Abstimmung über die Veröffentlichung der auszugsweisen Darstellung. – Einstimmige Annahme.

Anschließend begrüßt Obmann Hammer ganz herzlich die Proponenten des Volksbegehrens, den Bevollmächtigten des Volksbegehrens, Herrn Mag. Robert Marschall, sowie die von ihm für diese Sitzung nominierten Stellvertreter, Herrn Dr. Klaus Lemberger und Herrn Franz Nöhammer, die gemäß § 37 Abs. 4 der Geschäftsordnung den Verhandlungen über das Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs beizuziehen seien.

Weiters begrüßt der Obmann die gemäß § 40 der Geschäftsordnung geladenen ExpertInnen, bedankt sich, dass diese der Einladung des Umweltausschusses gefolgt seien, und weist darauf hin, dass Herr Univ.-Prof. Obwexer online zugeschaltet werde.

Der Obmann begrüßt auch Herrn Staatssekretär Dr. Magnus Brunner, LL.M. und sagt, dass Frau Bundesministerin Leonore Gewessler, BA aus Termingründen später in den Ausschuss kommen werde.

Es folgen technische Mitteilungen betreffend die Redeordnung.

Obmann Hammer hält einleitend fest, dass das Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs hier behandelt werde, weil es mehr als 100 000 Stimmen, nämlich genau 100 482 Stimmen bekommen hat, also 100 482 Menschen dieses Volksbegehren unterzeichnet haben. Zu diesem Erfolg in solch schwierigen Zeiten gratuliere er Herrn Marschall ganz herzlich.

Man diskutiere das hier in einem Hohen Haus, in dem es eigentlich einen sehr breiten, historisch gewachsenen Antiatomkonsens gebe, der auf das Jahr 1978 zurückgehe, in dem die Abstimmung über die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorfs stattgefunden habe. Es gebe also ein Atomkraftwerk in Österreich, das nie in Betrieb genommen worden sei. Es bestehe ein seit 1999 verfassungsrechtlich verankertes Atomverbot, das zwar, rein begrifflich, etwas zu weit gefasst sei, aber man müsse sich zum Glück hier im Hohen Haus schon lange nicht mehr über Sinn oder Unsinn der Atomenergie unterhalten. Er halte diesen sehr starken, über alle im Parlament vertretenen Parteien gehenden Konsens zur Atompolitik Österreichs auch im europäischen und internationalen Kontext für eine sehr positive Sache.

Der Obmann macht darauf aufmerksam, dass sich in knapp zwei Monaten die Atomkatastrophe von Fukushima zum 10. Mal jähren werde, die uns daran erinnere, dass die Atomenergie nie sicher sein kann, auch nicht in einem der technisch hochentwickeltsten Länder dieser Welt wie Japan.

Dieses Volksbegehren, das heute mit vielen namhaften Expertinnen und Experten diskutiert werde, richtet sich mit einer sehr konkreten Forderung an dieses Hohe Haus, nämlich dass man aus dem Euratom-Vertrag aussteigen solle. Er freue sich, so der Obmann, dass heute die Möglichkeit bestehe, darüber mit den Expertinnen und Experten einen fachlichen Austausch zu führen, und dass auch die ProponentInnen und InitiatiorInnen des Volksbegehrens die Möglichkeit haben, ihre Beweggründe und Forderungen genau zu erläutern.

Erste Stellungnahme des Bevollmächtigten des Volksbegehrens Euratom-Ausstieg Österreichs

Mag. Robert Marschall: Sehr geehrte Parteienvertreter und Parteienvertreterinnen! Mein Name ist Robert Marschall. Ich bin der Bevollmächtige des Volksbegehrens Euratom-Ausstieg Österreichs. Wie der Name des Volksbegehrens eben schon sagt, sind wir für den Euratom-Ausstieg Österreichs.

1995 ist Österreich der Europäischen Atomgemeinschaft, kurz Euratom, beigetreten, darüber wurde das Volk aber nie befragt. Es gab nie eine Volksabstimmung zu Euratom. Deshalb gehe ich einmal davon aus, dass die Legitimation durch das Volk zumindest sehr fraglich ist, wenn nicht sogar bestritten werden kann.

Folgende offene Fragen müssen diskutiert werden – vielleicht können Sie mir ein paar Antworten dazu geben –: Wie oft gab es Euratom-Sitzungen? – Bisher hat man dazu nichts gehört. Wann war Österreich dort zuletzt vertreten? Was hat der Vertreter Österreichs dort in den letzten 25 Jahren für Österreich erreicht? Welche Vorteile und Gegenleistungen hat Österreich aus dem Euratom-Vertrag? Wo sind die Jahresberichte und Jahresabschlüsse von Euratom der letzten 25 Jahre? Wo bleibt die Transparenz? Wofür wird das Steuerzahlergeld bei Euratom verwendet? – Es gibt sehr viele offene Fragen. In den letzten 25 Jahre habe ich dazu nichts gehört.

Euratom will laut Vertrag den Fortschritt bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie fördern. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht den Fortschritt in der Kernenergie fördern, sondern wir wollen den Euratom-Ausstieg Österreichs. Die Atomenergie ist sehr riskant und kann extrem hohe Schäden verursachen. Das beweisen die schweren AKW-Unfälle weltweit. Die AKW-Unfälle werden nach der internationalen Ines-Skala bewertet. Sie teilt die Schwere der AKW-Unfälle von 0 bis 7 ein.

1957 passierte der Atomunfall in Kyschtym, Sowjetunion, Ines 6 von 7; ebenfalls 1957 der Atomunfall in Windscale, heute Sellafield, England, Ines 5 von 7. 1969 ging in Lucens in der Schweiz der Forschungsreaktor in die Luft, Ines 5 von 7; 1977 der Atomunfall in Bohunice, Slowakei, damals noch Tschechoslowakei, Ines 4 von 7. 1979: Three Mile Island in Harrisburg, USA, Ines 5 von 7; 1986: Tschernobyl, Ukraine, Ines 7 von 7 – das ist die höchste Stufe in dieser Bewertungsskala –; ein Jahr später, 1987: in Goiânia in Brasilien, Ines 5 von 7. Herr Vorsitzende Hammer hat es schon erwähnt: 2011 gab es in Fukushima, Japan, wieder einen Atomunfall, Ines 7 von 7, die höchstmögliche Stufe in dieser Bewertungsskala. 

Das heißt, die Gefahren einer Atomkatastrophe sind nicht abschätzbar und nicht beherrschbar. Falls ein großer Atomunfall passiert, dann sind gewaltige und irreparable Schäden die Folge. Diese Schäden reichen von Umweltzerstörung bis zu schweren Erkrankungen bei Mensch und Tier. Sie reichen von Krebsfällen der Anrainer bis zu schweren Missbildungen bei Neugeborenen. Wollen Sie das verantworten beziehungsweise diese Gefahren geringschätzen?

Das Vereinigte Königreich ist noch vor Österreich aus Euratom ausgestiegen. Wer hätte das gedacht? Österreich sollte sich ein Vorbild an Großbritannien nehmen und ebenfalls aus Euratom aussteigen. Da stellt sich natürlich die Frage: Kann man aus dem Euratom-Vertrag überhaupt aussteigen? – Ja, man kann aussteigen. Die EU ist nämlich kein einheitliches Gebilde. Überall gibt es Länderausnahmen, zum Beispiel bei der Eurowährung: Acht EU-Länder haben den Euro nicht als Währung. Das geht bis zum Schengenvertrag, nicht dabei sind da Kroatien, Bulgarien und Rumänien. Das gilt auch für die Dublin III-Verordnung. Aus jedem Vertrag kann man aussteigen, so auch aus dem Euratom-Vertrag.

Ich fordere eine baldige Volksabstimmung über die Euratom-Mitgliedschaft Österreichs. Das wäre nämlich die einzige demokratische Entscheidungsform. Demokratie heißt Volksherrschaft und zur Entscheidung des Volkes braucht es eben eine Volksabstimmung, sonst wird man den Wählerwillen ja nie ermitteln können. Das wäre das erste Volksbegehren in der Zweiten Republik Österreichs, das eine Volksabstimmung bewirkt hätte. Wenn Ihre Partei für Demokratie steht, dann stimmen Sie einer Volksabstimmung über den Euratom-Ausstieg zu! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Eingangsstatements der ExpertInnen

Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte ProponentInnen des Volksbegehrens! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen aus dem eiskalten Innsbruck in die Bundeshauptstadt der Republik Österreich! Es war mir terminlich leider nicht möglich, schon gestern nach Wien zu reisen, deshalb bin ich froh, dass ich online an diesem ExpertInnenhearing teilnehmen darf.

Herr Marschall hat schon eine ganze Reihe von Fragen genannt, die ich gerne beantworten würde, aber dafür reichen die mir zugestandenen 8 Minuten Redezeit derzeit leider nicht aus. Ich möchte nämlich gerne auch auf die EU-rechtlichen Grundlagen eingehen und der Frage nachgehen, ob es Österreich möglich ist, sofort aus Euratom auszusteigen. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels Powerpoint-Präsentation.)

Ich möchte mit der Ausgangslage beginnen, die auch Herr Marschall bereits angeschnitten hat. Österreich ist am 1. Jänner 1995 der Europäischen Union beigetreten. Die Europäische Union bestand damals aus der Europäischen Gemeinschaft, EG, und aus der Europäischen Atomgemeinschaft, Euratom, zwei internationalen Organisationen, die um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres ergänzt wurden. Die EU hatte damals keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern war auf diese beiden internationalen Organisationen, EG und EAG, gestützt.

Dem folgend konnte Österreich nur diesem Gebilde beitreten, musste also auch der Europäischen Atomgemeinschaft beitreten, und klarerweise – Herr Marschall hat es erwähnt – hat die Volksabstimmung des Jahres 1994 mit einer Zweidrittelmehrheit an Zustimmung auch den Beitritt zur Europäischen Atomgemeinschaft umfasst, weil diese damals zweifelsfrei Bestandteil der Europäischen Union, der Österreich beigetreten ist, war.

Diese Europäische Union ist dann – mit dem Mitgliedstaat Österreich – mehrfach reformiert worden: 1997/1999 durch den Vertrag von Amsterdam, 2001/2003 durch den Vertrag von Nizza und schließlich und endlich 2007/2009 durch den Vertrag von Lissabon. Dieser Vertrag von Lissabon hat die Europäische Union, der Österreich 1995 beigetreten ist, grundlegend geändert; ich nenne nur die wichtigsten Punkte.

Die Europäische Union erhielt eine eigene Rechtspersönlichkeit, wurde eine eigenständige internationale Organisation, ist der Europäischen Gemeinschaft nachgefolgt und hat sie zur Gänze mit all ihren Rechten und Pflichten übernommen. Die Europäische Gemeinschaft ist untergegangen. Die Europäische Atomgemeinschaft, die bislang Teil der EU war, ist eine eigenständige internationale Organisation geblieben, aber wurde aus der EU herausgenommen. Sie ist seither nicht mehr Teil der Europäischen Union, sondern eine eigenständige internationale Organisation, aber – ganz wichtig – nach wie vor eng an die Europäische Union gebunden; ich komme später noch darauf zurück.

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Euratom-Vertrag durch das Protokoll Nummer 2 in einer ganzen Reihe von Punkten geändert, unter anderem in folgenden: Das Vertragsänderungsverfahren für die EU, und zwar nur das ordentliche, wurde auch für die Europäische Atomgemeinschaft übernommen. Die Regelung über den Beitritt zur Union, Artikel 49, gilt auch für Euratom. Und jetzt kommt das Zentrale: Die Austrittsklausel, um die Europäische Union verlassen zu können, Artikel 50 EU-Vertrag, gilt auch für Euratom.

Hinzu kommt: Euratom hat seit dem Vertrag von Lissabon keine eigenen Organe mehr, sondern leiht sich jene der Europäischen Union aus. Der Rat, das Europäische Parlament, die Kommission, der Gerichtshof: Sie alle werden auch im Rahmen von Euratom tätig, aber als ausgeliehene Organe.

Weiters: Euratom hat seit dem Vertrag von Lissabon keinen eigenen Haushalt mehr, sondern die Einnahmen und die Ausgaben werden im Haushaltsplan der EU ausgewiesen; ausgenommen sind nur die Euratom-Versorgungsagentur und die gemeinsamen Unternehmen.

Schließlich und endlich: In der Erklärung Nummer 54 zum Vertrag von Lissabon haben fünf Mitgliedstaaten – Deutschland, Österreich, Irland, Schweden und Ungarn – damals akkordiert dargelegt, dass sie sich für eine Änderung des Euratom-Vertrages in einer eigenen Regierungskonferenz so rasch wie möglich aussprechen. Das war 2007, unterschrieben 2009, und begründet wurde dies damit, dass der Euratom-Vertrag, dessen Ziel darin besteht, die friedliche Nutzung der Kernenergie zu fördern, seit 1957 nie wesentlich geändert wurde und vor den neuen Herausforderungen einer Änderung bedürfte. Deswegen haben sich diese fünf Mitgliedstaaten für eine Regierungskonferenz zur Änderung des Vertrages so rasch wie möglich ausgesprochen.

Das ist die heute geltende Rechtslage. Was folgt daraus für das Volksbegehren? – Ein Austritt aus Euratom alleine ist, obwohl dort die Austrittsklausel genauso im Vertrag steht wie im EU-Vertrag, beim derzeitigen Stand des Unionsrechts und des Euratom-Rechts nicht möglich. Ein Mitgliedstaat kann nur, gestützt auf Artikel 50 EU-Vertrag und Artikel 106a Euratom-Vertrag, aus beiden Organisationen austreten. So ist auch Großbritannien sowohl aus der Union als auch aus Euratom ausgetreten – in Klammern: obwohl die Briten gerne in Euratom geblieben wären, sie mussten aber beide Organisationen verlassen.

Das hat damit zu tun, dass die Europäische Union und Euratom zwar zwei getrennte, eigenständige internationale Organisationen sind, aber ganz eng miteinander verbunden, und zwar insbesondere durch folgende Elemente: Ein Beitritt – Kroatien als letzter Fall – ist nur zu beiden Organisationen möglich, nicht zu einer alleine. Ein Austritt ist nur aus beiden möglich und nicht aus einer Organisation alleine. Die Organe der EAG werden von der EU ausgeliehen, und da die EU-Mitgliedstaaten auch in der Euratom-Gemeinschaft agieren, gibt es diese enge Verbindung. Die letzte Verbindung ist der Haushalt.

Aus alledem folgt – und das ist in der Europäischen Union unbestritten –, dass ein Austritt aus Euratom alleine nach derzeit geltender Rechtslage unionsrechtlich nicht möglich ist. Ich bin mir sicher, wenn die Frage an den Europäischen Gerichtshof herangetragen würde, würde er genau in diesem Sinne entscheiden.

Aus alledem folgt für das Euratom-Volksbegehren, dass ein sofortiger Ausstieg Österreichs – Kernforderung des Volksbegehrens – beim derzeitigen Stand des EU-Rechts und Euratom-Rechts nicht möglich ist. Sofern Österreich austreten wollte, müsste es sich für eine Regierungskonferenz einsetzen, die den Euratom-Vertrag so ändert, dass ein Austritt aus Euratom alleine möglich wäre. Das würde aber die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten mit der Ratifizierung des Änderungsvertrages durch alle nationalen Parlamente erfordern. – Vielen herzlichen Dank.

Obmann Lukas Hammer dankt für die sehr deutliche und fundierte Stellungnahme.

Mag. David Reinberger: Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Vertreter des Volksbegehrens! Einen schönen guten Tag! Ich danke Ihnen, zu dieser Debatte beitragen zu dürfen.

Nach den klaren Worten über die gegenwärtige rechtliche Situation des Euratom-Vertrages und des Verhältnisses zur Europäischen Union möchte ich ein bisschen auf das historische Wesen des Euratom-Vertrages eingehen, der auf das Jahr 1957 zurückdatiert. Er ist damit nicht der erste der Verträge, die in weiterer Folge zur Europäischen Union geführt haben, das war nämlich 1952 der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. An dem Aufbau dieses Vertrages orientiert sich der Euratom-Vertrag dann auch sehr stark in der Fassung, in der er 1957 beschlossen wurde. Ein wesentlicher Unterschied: Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl hatte ein Ablaufdatum, das das Ende für 2002 festsetzte, also nach einer 50-jährigen Laufzeit; dieser Ablauf ist auch eingetreten. Ein solcher ist bei der Europäischen Atomgemeinschaft nicht vorgesehen, sie besteht weiterhin.

Im Geiste der damaligen Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg ist es in erster Linie darum gegangen, in der wichtigen Frage der Energie und der Ressourcen in Europa eine Entwicklung einzuleiten, die in Zukunft Kriege um eben diese Ressourcen verhindern sollte. Das sehen wir auch, wenn wir den Euratom-Vertrag sehen. Die viel zitierte Präambel lautet so auch nicht unbedingt, Kernkraftwerke zu bauen, sondern lautet: „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“ – das heißt, es ist ein bisschen weniger, als Kernkraftwerke zu bauen.

Das findet sich dann eigentlich auch in den Bestimmungen und Ermächtigungen, in den Aufgaben der Europäischen Atomgemeinschaft wieder: Es geht darum, als mächtigstes Instrument die Ressource, den Kernbrennstoff gemeinschaftlich zu verwalten und den Mitgliedern zur Verfügung zu stellen. Was wir nicht finden, ist eine Verpflichtung der Mitglieder, Atomkraftwerke zu errichten beziehungsweise Atomkraft für die Erzeugung von Strom zu verwenden.

Österreich hat bei seinem Beitritt zur Europäischen Union und damit zur Europäischen Atomgemeinschaft in einem Extrapunkt noch einmal festgeschrieben, dass der Beitritt zur Europäischen Atomgemeinschaft nicht darin resultieren kann, einem Mitgliedstaat die Wahl der Energiequellen vorzuschreiben. Das heißt, der Euratom-Vertrag ist in diesem Sinn eine fakultative Möglichkeit der Förderung der Kernenergie, die den Mitgliedstaaten obliegt.

Diesen Vorbehalt Österreichs bei seinem Beitritt finden wir heute im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, unter Art. 194 Abs. 2, wieder, der dezidiert das Recht der Mitgliedstaaten auf die Wahl der eigenen Energieversorgung, die Wahl der Quellen festschreibt.

Wir finden im Euratom-Vertrag weiters Ermächtigungen, Vorschriften zu treffen, um die Gefahren der Atomenergie regulativ zu mindern, die Verpflichtung zur Zusammenarbeit, zum Informationsaustausch auf diesem Gebiet. Ich glaube, diesen Geist des Euratom-Vertrages darf man bei dieser Debatte nicht vergessen.

Der Euratom-Vertrag ist international gesehen auch eine Besonderheit, weil er Mitglieder mit einem breiten Spektrum hinsichtlich der Einstellung zur Verwendung von Nukleartechnologie in einer Gemeinschaft vereint. Wir haben Staaten innerhalb des Euratom-Vertrages, die Atomwaffen besitzen; wir haben Staaten, die aktiv den Weg der Kernenergie verfolgen; wir haben Staaten, die sich im Laufe der Geschichte entschieden haben, aus der Nutzung der Atomenergie wieder auszusteigen; wir haben Staaten wie Österreich, die eine aktive Position gegen die Verwendung der Atomenergie einnehmen.

Das führt letztlich zu dem Stand, den wir heute sehen. Betreffend den Euratom-Vertrag gab es die letzte wirklich große Änderung vielleicht 1965/1967 bei den Fusionsverträgen, die Zusammenlegung der Organe, der drei Säulen damals, und, wie bereits gesagt wurde, 2009 im Vertrag von Lissabon, als das Ausleihen der Organe der Europäischen Union für den Euratom-Vertrag kodifiziert worden ist und die Artikel 106 folgende des Euratom-Vertrages in die Verträge der Union gewandert sind.

Unter diesen Voraussetzungen ist es natürlich sehr schwierig, eine Änderung des Euratom-Vertrages herbeizuführen, wenn wir beachten, welche unterschiedlichen Interessenlagen es in der Europäischen Atomgemeinschaft gibt.

Zu der Finanzfrage, die angesprochen worden ist: Wir haben bereits gehört, dass es sich um einen gemeinsamen Haushalt der Europäischen Union und Euratom handelt. Es gibt im Rahmen von Euratom zwei große Finanzinstrumente – „groß“ ist im Vergleich zum EU-Budget natürlich unter Anführungszeichen zu stellen. Das ist einerseits das Programm der Europäischen Atomgemeinschaft für Forschung und Ausbildung; das aktuell anstehende Rahmenprogramm dafür sieht ungefähr 1,5 Milliarden Euro für die Periode bis 2025 vor. Andererseits sind das die Euratom-Anleihen, die seit 1977 bestehen; da ist ein Deckel von – damals – 4 Milliarden ECU gesetzt, der heute in 4 Milliarden Euro umgemünzt ist. Von diesen möglichen Anleihen, die Euratom in diesem Bereich verteilen kann, sind zurzeit noch 320 Millionen Euro frei verfügbar; diese könnten an Krediten vergeben werden. Das ist im Gegensatz zu dem, was 1977 beschlossen worden ist, durch die Ergänzung 1994 auch für Projekte in Drittstaaten, für Sicherheitsverbesserungen et cetera möglich.

Das Forschungs- und Ausbildungsprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft ist wie bereits gesagt mit ungefähr 1,5 Milliarden Euro für die Periode bis 2025 dotiert, wovon etwa die Hälfte – 43 Prozent – in die Fusion geht, das ist im Wesentlichen das Projekt Iter, und ein Viertel in Fragen von Kernspaltung, Sicherheit und Strahlenschutz. Das sind im Wesentlichen die Summen, über die wir sprechen.

Abschließend möchte ich noch sagen, weil es auch darum gegangen ist, was die Dinge sind, die Österreich aus Euratom ziehen kann und zieht: Aus der letzten Zeit kann man sicher die Abfallverordnung im Rahmen von Euratom nennen, die dazu geführt hat, dass im europäischen Kontext die Mitgliedstaaten erstmals dazu verpflichtet sind, sich ernsthaft Gedanken betreffend einen Zeitrahmen zu machen: Wie geht man mit den radioaktiven Abfällen, nicht nur aus Kernenergie, sondern auch aus allen anderen Bereichen der Nuklearforschung, um?

Zur Rolle Österreichs möchte ich noch sagen, weil Fukushima angesprochen worden ist: Auch die Stresstests, die letztlich auf eine Initiative Österreichs zurückgehen, sind unter dem Dach Euratom zu sehen, und das in einem Umfeld, in dem unser Land – so wichtig und so stolz wir in diesem Bereich sein können – 2 Prozent der Bevölkerung der Europäischen Union stellt und etwa 2,5 Prozent zum Budget der Europäischen Union und anteilsmäßig auch zum Budget von Euratom beiträgt.

Ich glaube, meine Redezeit ist zu Ende, und so möchte ich es dabei belassen.

Dipl.-Ing. Johann Precht: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Teilnehmer des Hearings und Gäste via Livestream! Wenn wir uns heute hier mit dem Volksbegehren gegen die Euratom-Mitgliedschaft Österreichs befassen, so ist dies nur ein kleiner Mosaikstein im komplexen Umfeld unserer Energie- und Klimazukunft. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Denken wir an das Jahr 1957, als die Römischen Verträge unterzeichnet wurden und gleichzeitig die Euratom gegründet wurde, weil damals alle daran glaubten, dass die Atomenergie die preisgünstige und sichere Energiequelle der Zukunft sei! Eine ähnliche Euphorie sehen wir heute im Hinblick auf die Wasserstofftechnologie.

Wenn nun, mehr als 60 Jahre später, ein Euratom-Austritt Österreichs gefordert wird, dann greift diese Forderung einfach zu kurz, denn die operative Umsetzung des Vertrages erfolgt auf mehreren anderen Ebenen, und Österreich ist überall offiziell als Mitglied involviert, zunächst in der Euratom-Versorgungsagentur, die dazu beiträgt, im Rahmen des Euratom-Vertrages die Versorgung der Europäischen Union mit spaltbarem Material sicherzustellen. Des Weiteren war Österreich ab 1999 Mitglied im European Fusion Development Agreement. Dieser Vertrag wurde 2013 aufgelöst und in das Europäische Konsortium zur Entwicklung der Fusionsenergie übergeführt, das im Auftrag des Euratom-Programms die vielfältigen Forschungsaktivitäten im Bereich der Kernfusion unterstützt und finanziert. Und last, but not least ist Österreich auch Mitglied in der politisch einflussreichen Nuclear Energy Agency der OECD. Aber wenden wir uns einem anderen heiklen Kapitel zu, nämlich den industriellen Fakten der europäischen Atomenergiewirtschaft. Die Statistik für 2018 zeigt, dass 55 Prozent der EU-Stromerzeugung in Kernkraftwerken in Frankreich stattfanden. Frankreich ist aber auch Marktführer und teilweise Monopolist in der begleitenden Atomindustrie, das heißt im Reaktorbau, in der Anreicherung und Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen und -elementen und in der Atomchemie. Frankreich ist daher der riesengroße Profiteur der Euratom-Politik.

Nach dem Boom des Reaktorbaus in den Siebziger- und Achtzigerjahren sind heute in Europa 83 Prozent der Kernkraftwerke älter als 30 Jahre. Die industrielle Bausubstanz zeigt vielfach gravierende Mängel, die Reaktordruckgefäße sind verschlissen und versprödet. Die steigende Zahl von Störungen ist alarmierend und die Leittechnik und die Sicherheitskonzepte sind veraltet.

Nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima wurden die Sicherheitsstandards für den Bau neuer Reaktoren verschärft. Drei Reaktoren des europäischen Standardtyps EPR, Europäischer Druckwasserreaktor, sind derzeit in Europa in Bau. In allen drei Fällen, in Finnland, Frankreich und Großbritannien, sprengen Kosten und Bauzeit die ursprünglichen Erwartungen um ein Vielfaches.

Was Frankreich betrifft, kann ich aus persönlicher Beobachtung berichten – ich war von 2006 bis 2015 Vorstand des Verbund-Joint-Ventures in Frankreich –: Der Bau des gemäß Sicherheitstechnik modernsten Kernkraftwerks in Flamanville, am Atlantik, in der Normandie, wurde 2007 begonnen. EDF, der Bauherr, prognostizierte damals eine Fertigstellung bis 2012 und Baukosten von 3,3 Milliarden Euro. Nach wiederholten Terminverschiebungen hofft man nun auf eine Fertigstellung bis Ende 2022, die aktuelle Baukostenschätzung liegt bei 12,4 Milliarden Euro.

Die Argumente für eine sichere und wirtschaftliche Kernenergie sind durch die industriellen Fakten klar widerlegt. Nichtsdestotrotz versuchen OECD und die Internationale Energieagentur im Rahmen ihrer Zukunftsszenarien die Betriebsverlängerung von Altanlagen auf bis zu 60 Jahre und den Neubau von Reaktoren als sichere, saubere und CO2-vermeidende Lösung zu propagieren. Aber nach IEA-eigenen Berechnungen könnten Kernkraftwerke selbst im Idealinvestitionsszenario weltweit nur eine CO2-Entlastung von rund 5 Prozent bewirken.

Oft und gerne wird auch das Argument der Energieautarkie zugunsten der europäischen Atomenergiewirtschaft zitiert. Ein kurzer Blick auf die aktuellen Statistiken der Euratom-Versorgungsagentur genügt aber, um das Gegenteil festzustellen: die Produktion von Natururan – weltweit außerhalb Europas verteilt. Außerdem erfolgt die Förderung leider vor allem in Ländern, die geopolitisch in Konkurrenz oder Konflikt mit Europa geraten könnten.

Die Anlagen zur Konversion in spaltbares Uran stehen nur zu 25 Prozent in Europa, natürlich monopolistisch in Frankreich. Und nicht viel günstiger sieht es bei den Anlagen zur Urananreicherung mit einem EU-Kapazitätsanteil von 30 Prozent aus. Also wäre es gerade unter dem Gesichtspunkt der Auslandsabhängigkeit sinnvoll, diese Abhängigkeit von der Kernenergie Schritt für Schritt durch Schließung der Altanlagen zu reduzieren.

Ich komme zur Conclusio: Im Volksbegehren wird gefordert, Österreich soll aus Euratom aussteigen. Ein Ausstieg ist in den Verträgen zwar nicht vorgesehen, es sei denn, Österreich verlässt die EU, aber der Vertrag ist veränderbar. Er wurde zuletzt durch den Beschluss des Rates vom 12. Februar 2008 durch wichtige Ergänzungen ausgestaltet.

Eine Chance auf neuerliche Veränderung und Anpassung im Sinne Österreichs sehe ich gerade gegenwärtig, und zwar im Rahmen des von der EU-Kommission propagierten Green Deals. Mit diesem Programm soll ja die Energie- und Klimazukunft Europas radikal umgestellt werden. Der darin enthaltene Investitionsplan für ein nachhaltiges Europa sieht einen Investitionsrahmen von 1 Billion Euro in den nächsten zehn Jahren vor.

Die Verteilung dieser 1 000 Milliarden Euro unterliegt den Entscheidungen der EU-Gremien unter österreichischer Mitbestimmung, und dieser Milliardenrahmen darf nicht zum Selbstbedienungsladen der Atomindustrie werden.

Österreich zählt zu den 14 Mitgliedsländern der EU, die aktuell auf die Nutzung der Kernenergie verzichten. Österreich ist also politisch nicht allein in der Überzeugung, dass die Förderung der Kernenergie keine nachhaltige Lösung für die Energiezukunft Europas darstellt. Suchen wir also die Allianz der europäischen Atomgegner! – Danke für die Aufmerksamkeit.

Obmann Lukas Hammer bedankt sich für die Auskünfte und auch den Appell von Herrn Dipl.-Ing. Precht und sagt, es sei auch immer Teil der österreichischen Europapolitik, auf europäischer Ebene klarzustellen, dass Atomenergie nichts mit Klimaschutz zu tun habe und auch nicht unter diesem Mäntelchen verkauft werden dürfe.

Mag. Patricia Lorenz: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich für die Einladung, hier zu sprechen, bedanken. Mit dem Thema Euratom befasse ich mich schon sehr lange. Ich bin im Jahr 2000 nach Brüssel gegangen, um auf europäischer Ebene eine Antiatomkampagne zu machen.

Ich glaube, wir haben die rechtlichen Rahmenbedingungen schon sehr umfassend gehört, und möchte darauf nicht noch einmal eingehen, sondern zurück zu dem Ziel des Volksbegehrens von Herrn Marschall kommen, weil ich glaube, dass das Ziel ja eigentlich ist, einen Ausstieg aus dieser Hochrisikotechnologie Atom zu erreichen und die Risiken möglichst zu reduzieren und auch einen weiteren Ausbau, der natürlich immer wieder angestrebt wird, wie wir auch bereits gehört haben, zu verhindern. Das heißt, für mich stellt sich eigentlich die Frage: Wie können wir das am ehesten erreichen? (Die Rednerin unterstützt in der Folge ihre Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Das Anliegen war ja, wie wir hören, der einseitige Ausstieg Österreichs. Ich denke, das könnte man sich kurz ansehen – das wird nämlich immer wieder diskutiert und verlangt, ist also in diesem Volksbegehren nicht ganz neu. Und dieser Logik nach ist der Ausstieg Österreichs die einzig richtige Maßnahme einer konsequenten Antiatompolitik.

Ich glaube zwar auch, dass das moralisch und ethisch vermutlich richtig ist, real und praktisch jedoch nicht, weil man weiterdenken muss: Was passiert eigentlich, wenn Österreich aus Euratom aussteigt? Was würde passieren, wenn das möglich wäre? Deswegen möchte ich noch einmal einen Blick darauf werfen, was durch Euratom alles beeinflusst wird, was da gestaltet wird.

Die Idee derer, die einseitig aussteigen wollen, war, es würde zu einer Art Dominoeffekt kommen und auch andere Staaten würden – einer nach dem anderen – austreten. – Also ich wage das zu bezweifeln. Was wahrscheinlich ist, ist die Bildung eines Kerneuropas, eines ungestörten Atomkerneuropas, das dann erst recht die Förderung ungestört umsetzen kann.

Immer im Auge behalten müssen wir ja auch, dass die EU natürlich nicht nur für sich selbst in diesem Bereich Regelungen hat, sondern dass diese weit über die EU hinausstrahlen. Die bereits genannten Stresstests zum Beispiel haben ja auch viele Nachbarländer der EU durchgeführt. Das heißt, da werden auch Regeln, Regelungen und Sicherheitsstandards übernommen und die Bedeutung ist weit über Euratom und die EU hinausgehend.

Wir hätten also eine Art Kerneuropa, das eine extrem atomförderliche Politik machen würde, auch in der Gesetzgebung, eben betreffend Sicherheit, Atommülllagerung, Atommüllentsorgung, und das würde von vielen anderen Ländern übernommen, die ja auch kooperieren. Man könnte sich vorstellen, es käme auch zu mehr Export, mehr technischer Hilfe, die in Wahrheit natürlich eine Förderung der Atomindustrie darstellt.

Ein Beispiel ist die Schweiz, die ja bekanntlich nicht EU-Mitglied ist, aber brav einzahlen darf, brav Regelungen übernehmen darf. Sie ist zum Beispiel an Iter beteiligt, hat aber keinerlei Mitspracherecht. Ich glaube, dass das nicht sinnvoll wäre.

Ich habe da auch dieses Stichwort im Auge behalten – ich befasse mich ja damit schon länger, jetzt sind es schon schockierende 20 Jahre, wie viele andere –, man sieht, es ist ja nicht statisch, wie es einem jetzt erscheinen möge, seit dem Jahr 1957 beziehungsweise den Änderungen im Lissabonvertrag, sondern die andere Seite ist ja sozusagen auch aktiv, wenn nicht noch aktiver. Es gibt immer Versuche, neue Kompetenzen einzuführen; also neben der Tatsache, dass auf der Rechtsgrundlage Euratom Richtlinien, die man auch möglichst gerne unbeobachtet vom Parlament haben möchte, eingeführt werden, kommen noch andere Kompetenzen dazu.

Im Auge zu behalten ist auch die Kreditfazilität für AKW-Neubauten, die bereits angesprochen wurde – zum Beispiel dieses verbliebene Geld, das noch da wäre. Wären da nicht Staaten wie Österreich, hätte man natürlich längst wieder auf die 4 Milliarden Euro aufstocken und diese auch vergeben können. Mit den jetzt genannten 320 Millionen Euro lässt sich halt sehr wenig machen, und da man nicht riskieren möchte, bei einer Anfrage im Rat abzustürzen, wird eben einmal gar nicht erhöht. Das muss man auch bedenken. Da geht es um konkrete Reaktorprojekte, zu denen Österreich meist umfangreiche Studien und Gutachten anfertigen lässt, um zum Beispiel auch die makroökonomische Unsinnigkeit mikroökonomisch darzustellen.

Es geht um diese Mitsprache, wie ich schon gesagt habe. Es gibt die indirekte Mitsprache – so eine Art Abschreckungswirkung. Das heißt, wenn zum Beispiel die Atommüllrichtlinie verhandelt wird – da war ich noch dabei –, dann ist schon klar, dass die nichtnuklearen Staaten – und unter ihnen Österreich recht laut! – natürlich auch etwas fordern werden und die Staaten mit den großen Atomprogrammen sie sich nicht ganz gefügig machen können. Das heißt, das würde ich als eine Art Zuckerl bezeichnen. Sie sind meist nicht riesig, aber gerade die Atommüllrichtlinie wäre anders gar nicht durchsetzbar gewesen. Auch wenn diese Richtlinie das Atommüllproblem sicherlich nicht lösen wird, finde ich, dass sie und die dazu eingereichten Berichte doch eine gute Darstellung der Unlösbarkeit sind, mit der sich dann ganz gut arbeiten lässt – bei uns zum Beispiel.

Ich glaube, dass in diese Richtung noch mehr drinnen ist – um es so auszudrücken. Eine Koalition mit anderen Staaten wird immer verlangt und ist auch das einzig Zielführende. Ich muss schon sagen, dass es den Umweltministern Österreichs zwar nicht unter Euratom, aber unter Espoo gelungen ist, Koalitionen zu bilden und schlussendlich auch einen großen Erfolg zu erringen: Die UVP für die Lebensdauerverlängerung von AKWs wurde in der internationalen Konvention über die UVP jetzt durchgesetzt. Dagegen haben sich die Staaten mit den großen Atomprogrammen und den Atomreaktoren stark gewehrt. Das heißt, das geht sehr wohl, und ich glaube, in diese Richtung muss die Antiatompolitik auch gehen.

Wie ich schon angedeutet habe: Es ist nicht statisch. Ausweitung verhindern: Was auch dadurch, dass es Staaten gibt, die das nicht wollen, verhindert wurde, ist die Ausweitung der Kompetenzen, aber auch der Kreditfazilität, konkret auf 10 Milliarden Euro. Ich weiß, dass da vorsichtig vorgefühlt wurde – die diversen Stakeholder wurden befragt, wie groß die Ablehnung sein könnte, und ja, sie war groß.

Es gab auch einen ganz starken Versuch, die Atomhaftung auf Euratom aufzubauen. Das wäre natürlich ziemlich fatal, wenn es überhaupt ginge. Österreich zum Beispiel hat ein eigenes Atomhaftungsgesetz, das uns nicht über die Kanalisierung und die internationalen Konventionen bindet und das zum Beispiel auch Luxemburg übernommen hat – auch Irland überlegt das immer wieder. Österreich hätte bei einem Atomunfall dann ganz andere Möglichkeiten einer Entschädigung, was für die Staaten mit Atomprogrammen natürlich eine große Gefahr und ein großes Problem darstellt. Das heißt, man muss einfach dabei sein – um es klar auszudrücken –, um diesen Versuch zu verhindern.

Das heißt, anzustreben ist auf jeden Fall eine Reform, auch eine Art Aushöhlung, und schlussendlich muss man schon sagen: Die Auflösung des Euratom-Vertrages in der einen oder anderen Art – eine wurde ja schon angesprochen – ist auf jeden Fall anzustreben.

Ich glaube, es herrscht auch Einigkeit darüber, dass die oft genannten benötigten Regelungen – zum Strahlenschutz, aber auch zur Nichtverbreitung von Nuklearmaterial, was in Europa unter Euratom fällt – sehr wohl in den AEUV verschoben werden könnten, wodurch automatisch auch Demokratiedefizite aufgehoben würden. Dafür müsste man sich nichts extra ausdenken.

Am Weg dorthin ist es auch hilfreich, würde ich sagen, wenn sich die nationalen Parlamente mehr einbringen – auch die einzelnen Abgeordneten und die Regierungen, weil das Ganze etwas ist, bei dem die EU-Kommission natürlich aufpassen möchte.

Es könnten auch, glaube ich, bei den Forschungsgeldern, die auch schon angesprochen wurden, noch Verschiebungen umgesetzt werden, spätestens beim nächsten Budget. Unter dem Deckmantel der Sicherheitsforschung, wo zum Beispiel, glaube ich, einiges an Brennstoffforschung gemacht wird, die nicht diese Sicherheit braucht, könnte sicherlich noch viel verschoben werden, und das würde ich mir wünschen.

Ich glaube, wir brauchen generell keinen stillen Abgang Österreichs aus Euratom, sondern eine europaweite Diskussion, die auch von hier angestoßen werden könnte, mit dem Ziel der Auflösung von Euratom. – Danke.

Obmann Lukas Hammer dankt für die Stellungnahme.

MMag. DDr. Markus P. Beham, LL.M.: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werter Herr Professor Obwexer in Innsbruck! Geschätzte Expertinnen und Experten im Saal! Zunächst darf ich mich herzlich für die Einladung bedanken, hier im Umweltausschuss des Nationalrates Auskunft zu geben. Kurz zu meiner Person: Ich bin Akademischer Rat am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht der Universität Passau. (Der Redner unterstützt in der Folge seine Ausführungen mittels einer Powerpoint-Präsentation.)

Konkret möchte ich zur Möglichkeit der einseitigen Kündigung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, in weiterer Folge EAGV genannt, aus völker- und unionsrechtlicher Perspektive Stellung nehmen. Dabei darf ich mich den Ausführungen von Professor Obwexer in Grundsätzen anschließen und darauf aufbauen. Die verfassungsrechtliche Perspektive möchte ich dabei außer Acht lassen, ebenso die damit zusammenhängende Frage der Änderung des EAGV, die sich aus rechtlicher Sicht unterschiedlich gestaltet, sich politisch aber ohnedies nur multilateral bewerkstelligen lässt.

Um die heutige Diskussion und die Möglichkeit eines separaten Austritts zu kontextualisieren, möchte ich nochmals das vielen bekannte Säulenmodell der Union in Erinnerung rufen, das mit dem Vertrag von Maastricht geschaffen wurde und die Zusammenführung der Europäischen Gemeinschaften mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen unter das Dach der Europäischen Union versinnbildlicht.

Dieser Zusammenhang wurde um eine Ebene der technischen Komplexität erweitert, als 2007 mit dem Vertrag von Lissabon und aufbauend auf dem Verfassungsreformprozess der Union die Europäische Gemeinschaft, nicht aber die Europäische Atomgemeinschaft – kurz: Euratom – mit der Europäischen Union zu einer internationalen Organisation fusioniert wurde. Euratom wurde in diesem Prozess vorerst nicht in die Europäische Union überführt. Obwohl es sich aus völkerrechtlicher Sicht daher klar um eine eigenständige internationale Organisation handelt, teilt sich diese seit 1967 bereits die Organe mit der Europäischen Union. Diese Verflechtung basiert bereits auf dem Fusionsvertrag vom 8. April 1965, mit dem die drei Europäischen Gemeinschaften institutionell zusammengeführt wurden.

Es kommt dadurch zu einem rechtstatsächlichen symbiotischen Zusammenwirken der Organe. Dass es sich dennoch um zwei getrennte Vertragswerke handelt, wurde gerade auch vor diesem Hintergrund als signifikant hervorgestrichen. Einer der Gründe für eine Beibehaltung dieser Trennung im Rahmen des Verfassungsreformprozesses soll die Möglichkeit gewesen sein, atomenergieskeptischen Mitgliedstaaten der Union einen Austritt zu ermöglichen.

Kommen wir nun zur völkerrechtlichen Perspektive: Die Regeln zur Beendigung völkerrechtlicher Verträge ergeben sich grundsätzlich und vorbehaltlich deren Rückwirkungsverbots aus der Wiener Vertragsrechtskonvention sowie, wo diese nicht zur Anwendung kommen kann, residual aus dem Völkergewohnheitsrecht. Nach Artikel 54 WVK erfolgt eine Kündigung nach Maßgabe der Vertragsbestimmungen, die sich, wie ich sogleich darstellen werde, seit dem Vertrag von Lissabon aus Artikel 106a EAGV in Verbindung mit Artikel 50 EUV ergeben.

Abseits dessen wäre aber jedenfalls auch von der Möglichkeit einer einvernehmlichen Kündigung auszugehen, also durch Zustimmung sämtlicher Mitgliedstaaten des EAGV. In einer Reihe von Gutachten vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon – also vor Aufnahme einer Austrittsklausel in den EUV und so auch in den EAGV – wurde die Kündigungsmöglichkeit aufgrund des Artikels 56 sowie des Artikels 62 WVK argumentiert. Die Möglichkeit nach Artikel 56 WVK ist allerdings seit dem Vertrag von Lissabon aufgrund der spezifischen Vertragsbestimmung im EAGV nicht mehr einschlägig.

Eine außerordentliche Kündigung wiederum käme bloß aufgrund einer Reihe von in der WVK abschließend gelisteten Gründen infrage, wozu eben auch die grundlegende Änderung der Umstände zählt. Es müsste also dafür ein Grund gefunden werden, der einerseits eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung zum Vertrag bildete, andererseits das Ausmaß der aufgrund des Vertrages noch zu erfüllenden Verpflichtungen tiefgreifend umgestalten würde. Die völkerrechtliche Spruchpraxis dazu ist allerdings dünn gesät. Die zusätzlich bestehende österreichische Praxis einer Obsoleterklärung des Vertrages dürfte mangels Nichtübung des EAGV nicht infrage kommen. Ich habe Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, an dieser Stelle zu Ihrer Ansicht auch die relevanten Normen der WVK auf den Folien zur Verfügung gestellt, werde in weiterer Folge aber nicht im Detail darauf eingehen, sondern möchte sogleich zur unionsrechtlichen Perspektive kommen.

Vorwegzuschicken ist, dass aus unionsrechtlicher Sicht wiederholt in Zweifel gezogen wurde, ob die allgemeinen Regeln des Völkerrechts überhaupt auf unionsrechtliche Fragestellungen angewendet werden können. Immerhin handle es sich um eine Rechtsordnung sui generis, also eigener Art. Wie stellt sich also die Frage aus Unionsrechtsperspektive dar?

Nach Artikel 106a EAGV ist Artikel 50 EUV über den Austritt aus der Union auch auf den EAGV anwendbar. Konsolidiert liest sich die Austrittsbestimmung entsprechend so: „Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Europäischen Atomgemeinschaft auszutreten.“ Damit steht der Wortlaut einem Austritt bloß aus dem EAGV auf den ersten Blick nicht entgegen.

Was sind also die Argumente für oder gegen die Möglichkeit einer einseitigen Kündigung des EAGV? Ich habe hierfür vier Pro- und sieben Kontraargumente in Literatur und Praxis identifizieren können. Wie wir hier auf der Proseite sehen, spricht zunächst der Vertragstext freilich dafür, der ordentliche Wortlaut von EUV und EAGV. Zweitens wird der jeweils getrennte, wenngleich zeitgleich durchgeführte Beitritt zur Europäischen Union und Euratom angeführt, was im Umkehrschluss auch die Möglichkeit eines getrennten Austritts bedinge. Es wird, drittens, die getrennte Rechtspersönlichkeit der beiden internationalen Organisationen als Möglichkeit, hier einseitig zu kündigen, untermauert, und viertens wird argumentiert, dass es sich um den Rechtsbestand des Acquis communautaire bei einem von Euratom-Recht getrennten handelt.

Sehen wir die Kontragründe, so ist dies einerseits natürlich die funktionale Verflechtung, auf die ich bereits hingewiesen habe. Diese ergibt sich aus dem Fusionsvertrag von 1965, aus der Personalunion zwischen den beiden internationalen Organisationen. Zweitens: Beide internationalen Organisationen verfügen über einen gemeinsamen Haushalt. Drittens: Das Argument der Fusionsverfassung greift auch die Vertragsdefinition nach der Wiener Vertragskonvention auf, wonach es nicht darauf ankommt, in wie vielen Dokumenten ein Vertrag enthalten ist, um in EUV, AEUV und EAGV ein einheitliches Vertragswerk zu sehen, das dem Projekt europäischer Integration dienen soll. Viertens: zusätzlich die Praxis vereinigter Rechtsakte. Einzelne Legislativakte beruhen oftmals auf den Kompetenzen der Union und zugleich auch von Euratom. Zusätzlich genau das Gegenargument zum vorher Gesagten, es handle sich um einen gemeinsamen Acquis, es bestehe eine implizite Weitergeltung der Dachstruktur und es sei eine gewohnheitsrechtliche Voraussetzung, dass in beiden Organisationen Mitgliedschaft bestehe.

Ich komme nun zu meiner abschließenden Würdigung: Während ein unilateraler Rücktritt vom EAGV zwar aus völkerrechtlicher Sicht und unionsrechtlicher Sicht bei entsprechender formaljuristischer Argumentationslinie möglich erschiene, ist die praktische Umsetzung aufgrund der Verflechtung zweifelhaft und im Hinblick auf die desintegrative Wirkung, die Gefährdung von Autonomie und Kohärenz der Unionsrechtsordnung und die mögliche Lähmung der Union in gemischten Kompetenzbereichen möglicherweise mit unvorhergesehen Konsequenzen verbunden.

Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit herzlich bedanken und stehe für weitere Rückfragen natürlich gerne zur Verfügung.

Erste Fragerunde der Abgeordneten

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Ich möchte es kurz machen, damit es auch die Gelegenheit gibt, Fragen zu stellen. Ich glaube aber, wir müssen auf zwei Stränge eingehen, wie wir es jetzt auch gehört haben. Das eine ist die juristische Frage, EU-Recht, Unionsrecht – das wurde sehr klar von Obwexer und Beham dargelegt –, und auf der anderen Seite, wie wir dieses Thema politisch führen. Ich glaube, das ist das Wesentliche.

Zu diesem gemeinsame Erarbeiten von Kriterien, wie wir mit Atomenergie in Europa umgehen, wie wir mit der ganzen Atommüllfrage umgehen: Da sind wir Betroffene; auch wenn wir das selbst nicht betreiben, sind wir Betroffene. Wir sind keine Verursacher, genau deswegen müssen wir uns aber einbringen, denn die Auswirkungen werden uns treffen, da sie an der nationalen Grenze nicht haltmachen. Das heißt, gerade bei Euratom ist es für die österreichische Politik politische Verantwortlichkeit und Verpflichtung, dabei zu sein, um auch entsprechend mitgestalten zu können. Ein Ausstieg würde uns schwächen, gerade unsere Antiatomintention in Europa schwächen, und das wäre ja genau auch die Intention des Volksbegehrens, sozusagen antiatom aufzutreten. Das ist ein Konsens in diesem Haus und die Verantwortlichkeit gerade gegenüber den Bürgern, nicht aus irgendwelchen Parteien heraus zu agieren.

Daher stellt sich für mich auch die Frage an den Experten Obwexer: Wie weit wäre Ihrer Einschätzung nach die Einflussnahme gefährdet, wenn wir aus Euratom austreten?

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Hoher Ausschuss! Ich schließe mich den Worten meines Vorredners an, dass wir, um eine aktive Antiatompolitik zu machen, in diesem Vertrag bleiben.

Es wurde das Window of Opportunity Fukushima angesprochen. Wir haben diese Stresstests damals initiiert und erstmals konnten unabhängige Experten Atomkraftwerke besichtigen, was von Nationalstaaten bisher nie zugelassen wurde. Der Fehler war, dass dann Europa und auch die Nationalstaaten diese Stresstests nicht mehr in den Schlussberichten weiterverfolgt und Konsequenzen eingefordert haben.

Der zweite Punkt, der angesprochen wurde: Wir haben seinerzeit mit Mitgliedstaaten, die frei von Atomkraft sind, Antiatomallianz gemacht. Das wurde leider auch nicht mehr weiterverfolgt. Wie Sie es angesprochen haben, wir müssen die Themen aktiv von innen betreiben, um vorzuzeigen, wie es anders geht. Mir hat damals, als es geheißen hat, wir wollen ein energieautarkes Österreich auf Basis erneuerbarer Energien, der englische Umweltminister gesagt, die Briten wollen das auch, sie haben das Öl und sie haben die Atomkraft. Also Energieautarkie wird durchaus unterschiedlich diskutiert, aber aktiv zu betreiben und vorzuzeigen, wie es geht, und einen Ausstieg zu machen, das macht Sinn. Und das sollten wir auch gerade als Österreich tun, im hohen Respekt vor den Menschen, die das Volksbegehren unterschreiben, die ja die Atomkraft nicht wollen, die wir hier auch nicht wollen. – Danke schön.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): „Atomkraft? Nein danke“, ein Motto, das wir alle kennen, hoffentlich teilen, und ein Motto, das auch das Motto dieses Hohen Hauses und des Nationalrates sein muss. „Atomkraft? Nein danke“, egal, von welchem Aspekt aus wir es betrachten, dem finanziellen, der Frage der Nachhaltigkeit. Atomkraft kann für uns keine sinnvolle Energiequelle sein, ist gefährlich auch für Mensch und Umwelt, und die Schäden sind irreparabel. Deshalb lehnen wir als SPÖ Atomkraft ab, dies seit Jahrzehnten, und setzen uns dafür ein, dass wir uns schnellstmöglich gemeinsam mit europäischen Bündnispartnern und Bündnispartnerinnen für eine Umgestaltung des Euratom-Vertrages hin zu einem Ausstiegsvertrag einsetzen.

Dieses Vorhaben, den Euratom-Vertrag weiterzuentwickeln, zu einem Ausstiegsvertrag zu machen, ist ja schon länger ein Vorhaben, das wir teilen. Die Vorgängerregierung hat die österreichische Ratspräsidentschaft dazu nutzen wollen, die Ergebnisse waren überschaubar. Und auch die derzeitige Regierung hat in Aussicht gestellt, die deutsche Ratspräsidentschaft zu nutzen. Eine Frage an den Regierungsvertreter: Herr Staatssekretär, gibt es hier schon aktuelle Ergebnisse?

Die Frage an die Experten und Expertinnen, bei denen ich mich auch nochmals für die Vorträge bedanke: Wurde hier Zeit liegen gelassen beziehungsweise was wären jetzt die unmittelbaren nächsten Schritte, die zu setzen sind, um auf EU-Ebene darauf einzuwirken, dass wir möglichst rasch ein EU-weites Nein zum Atomstrom hinbekommen? – Danke schön.

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Ich gratuliere zu diesem Volksbegehren.

Herr Vorsitzender! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Experten! Hoher Ausschuss! Das eine ist die rechtliche Komponente, die hier diskutiert wird, das andere ist die politische Komponente, und natürlich auch, was wir auf europäischer Ebene machen können und müssen. Hier gibt es einige Handschriften, die fehlen, und Sie, Herr Mag. Marschall, haben es auch sehr, sehr gut in Ihrem Eingangsstatement skizziert, auch die Fragen, die in den letzten 25 Jahren aufgetreten sind, wo die Protokolle liegen, wo da auch der Beitrag Österreichs war oder ist. Wer sind die Damen und Herren, die uns in diesem Beirat, in dieser ESA vertreten, und was passiert in diesem Beirat?

Hier auch eine konkrete Frage an Sie, Herr Staatssekretär Brunner: 2007 bis 2009 wollten ja die fünf Mitgliedstaaten – darunter auch Österreich –, die Unterstützer dieser Regierungskonferenz die Änderung des EAGV so rasch wie möglich umsetzen, ich glaube, unterschrieben unter dem damaligen Minister Berlakovich, vorbereitet unter Josef Pröll: Was haben wir in dieser Zeit gemacht? Was sollen die Änderungen sein und wie werden wir in Zukunft mit diesem Thema umgehen, mit dem Euratom-Vertrag, generell mit der Kernkraft, oder auch generell, wie werden wir uns auf europäischer Ebene verhalten? Denn eines ist schon konkret – und das war in den letzten Wochen sehr bezeichnend, Krško als Beispiel –: Solche Reaktorunfälle machen an der Staatsgrenze keinen Stopp, wie wir aus der Vergangenheit und aus der Geschichte wissen. Auch wenn sich dieser Reaktor Krško dann automatisch abschalten sollte oder abgeschaltet hat, heißt das nicht, die 30-Jahre-Frist dieses Atomkraftreaktors auf 60 Jahre zu verlängern und gleichzeitig einen Ausbau herbeizuführen, wofür der Antrag seit 2015 vorliegt. Einen Ausbau dieses Atomkraftreaktors, der auf einer Erdbebenlinie steht, finde ich einerseits sehr, sehr verwerflich, vermisse aber auch eine Stellungnahme oder ein energisches Auftreten seitens der österreichischen Bundesregierung.

Abgeordneter Ing. Martin Litschauer (Grüne): Der Kampf gegen die Atomkraft hat mich über zwei Jahrzehnte begleitet und bis in dieses Haus geführt. Ich kenne sehr viele, die dagegen unterschrieben haben. Ich möchte mich auch bei diesen vielen Unterstützern bedanken, die sich eindeutig gegen die Atomkraft ausgesprochen haben.

Was ist das Wesentliche daran? – Es geht darum, dass die Möglichkeiten für den Neubau von Atomkraftwerken eingeschränkt werden, und ich glaube, da sind wir grundsätzlich d’accord. Über die rechtlichen Möglichkeiten eines Ausstiegs haben wir uns schon unterhalten. Was ich, ehrlich gesagt, nicht will, ist, dass man einseitig aussteigt, sich am Budget für die Atomkraftwerke und an der Forschung nichts ändert, wir keine Mitsprache und keine Mitgestaltung mehr haben. Deswegen muss man sich schon über die Rahmenbedingungen unterhalten. Wir haben ganz am Anfang gehört, man würde einen Ausstiegsvertrag brauchen, wenn man das macht, damit man genau regelt, wie Atomaufsicht und ähnliche Dinge zu funktionieren haben.

Ich finde das grundsätzlich sehr spannend, würde aber die Frage an Herrn Prof. Obwexer auch noch einmal weitergeben: Wäre es nicht auch möglich, einen Vertrag gleich so zu gestalten, dass all diese Aufgaben generell in die EU übertragen werden und der Vertrag damit eigentlich aufgelöst werden kann? Wäre das nicht auch eine mögliche Komponente?

Und auch noch eine Frage an Patricia Lorenz: Wir haben sehr viele Herausforderungen. Für Atomkraftanlagen, bei denen es in der Vergangenheit teilweise nicht einmal UVPs gegeben hat, wurden Betriebsverlängerungen angekündigt oder angedroht, das Thema Atommülllagerung verfolgt uns, wir sind mit Standorten sehr nahe an der österreichische Grenze konfrontiert, wo immer noch nicht so ganz klar ist, wie unsere Mitsprache ausschauen könnte. Ich denke, da braucht es Regelungen, da braucht es Mitsprache. Wie könnte man das voranbringen, dass wir genau in diesen wesentlichen Punkten, bei denen es um die Sicherheit geht, mitreden können? Ich denke, ein Unfall in einem AKW oder in einer anderen Atomanlage könnte Europa durchaus in ein Chaos stürzen, und das würde ich gerne vermeiden

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Sehr geehrte Initiatoren des Volksbegehrens! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt nicht so politisch sein, da das hier ein Hearing ist, aber ich möchte schon ein Thema ansprechen, das irgendwie im Raum steht, aber keiner angesprochen hat. Wir sprechen über eine Initiative, die den Ausstieg aus Euratom möchte. Als Beispiel wird Großbritannien genannt, das aus der Europäischen Union ausgetreten ist, und die Initiatoren – wobei natürlich wichtig ist, dass man das Engagement hat – haben hier eine „Ja zum Öxit“-Maske auf oder kommen aus der EU-Austrittspartei. Das Anliegen der Initiative lehnen wir NEOS konsequent und ganz grundsätzlich ab. Das Anliegen ist aus meiner Sicht, die klare Linie gegen Atomkraft in Österreich für eine negative Grundstimmung gegen die Europäische Union auszunutzen, und das lehnen wir ganz, ganz konsequent ab.

Inhaltlich wollen wir natürlich auch Euratom zu einer Sicherheits- und Forschungsinitiative weiterentwickeln, die einen Ausstieg aus der Atomkraft leichter ermöglicht, und dort, wo Atomkraft verwendet wird, diese auch sicherer macht. Dazu habe ich drei ganz konkrete Fragen.

Die ersten beiden Fragen gehen an Herrn Dr. Beham: Sie haben ja ausgeführt, dass es im Moment praktisch schwierig ist, aus Euratom auszusteigen und in der Europäischen Union zu bleiben, wenn es auch technisch möglich ist. Welche Schritte müsste Österreich setzen, damit sich diese Schwierigkeit in Zukunft auflöst, dass also die europarechtlichen Bedingungen hergestellt werden, damit man sauber aus Euratom austreten und in der Union verbleiben kann?

Die zweite Frage an Sie, Herr Dr. Beham, lautet: Gehen wir einmal davon aus, dass wir nicht die gesetzliche Grundlage ändern, sondern sofort aus Euratom aussteigen wollen, was wären die ersten konkreten Schritte, die die Republik Österreich gehen müsste?

Und die letzte Frage, zur Sicherheit der Atomkraftwerke im Umland von Österreich, richte ich an Frau Lorenz: Welche Auswirkung hat Ihrer Einschätzung nach der Austritt aus Euratom für Österreich in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, um die Atomkraftwerke rund um Österreich herum sicherer zu machen? – Vielen Dank.

Erste Antwortrunde der ExpertInnen

Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer: Ich darf in aller Kürze zunächst stichwortartig auf die Frage des Herrn Abgeordneten Schmuckenschlager antworten: Ja, die Einflussnahme Österreichs in der EAG wäre nach einem Austritt massiv gefährdet. Österreich könnte dann nirgends mehr mitwirken und jene EU-Mitgliedstaaten, die auch in der EAG wären, würden dann alle Frage alleine entscheiden.

Herr Abgeordneter Berlakovich! Sowohl der AEU-Vertrag als auch der Euratom-Vertrag geben jedem Mitgliedstaat Autonomie bei der Wahl seiner Energieträger. Im Folgenden obliegt es Österreich, ob es keine Kernkraft hat und welche Energieträger es wählt, genauso wie den anderen EU-Mitgliedstaaten.

Frau Abgeordnete Herr! Zeit wurde für eine Reform der EAG zu einem Euratom-Ausstiegsvertrag keine verloren, allerdings weise ich darauf hin, dass es dazu Folgendes bräuchte: Erstens, einen Vorschlag, den Euratom-Vertrag zu ändern, dieser müsste an den Europäischen Rat gehen, und der müsste mit einfacher Mehrheit – das heißt 14 Mitgliedstaaten – die Einberufung einer Regierungskonferenz vorsehen, und die Regierungskonferenz, allenfalls ein Konvent vorgeschaltet, müsste dann einstimmig den Reformprozess verabschieden. Alle Parlamente der 27 Mitgliedstaaten müssten dem zustimmen und da fast die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für Atomenergie ist, ist das ein ganz schwieriges Unterfangen.

Zum Abgeordneten Rauch nur ein Satz: In der EAG gibt es die gleiche Transparenz wie in der EU, man müsste nur in den Ratsprotokollen und sonstigen Sitzungsprotokollen nachschauen, man kann fast alle Informationen finden.

Herr Abgeordneter Litschauer hat die Frage gestellt, ob es nicht möglich wäre, Regelungen aus dem EAG-Vertrag, allenfalls geändert, in die EU zu übernehmen, konkret in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. – Ja, das wäre mit einer Regierungskonferenz möglich. Das wurde aber schon in Lissabon bewusst nicht gemacht, da damals kein Konsens möglich erschien, und das ist heute wohl vergleichbar.

Zum Herrn Abgeordneten Bernhard nur noch ein Satz: Ich teile nicht ganz die Auffassung des Kollegen Beham, dass es rechtlich möglich wäre, allein aus der EAG auszutreten. Ich bin mir sicher, dass, wenn es dazu käme, der Gerichtshof der Europäischen Union das nicht akzeptieren würde, aus den auch von Beham genannten Gründen. Und wie könnte ein Austritt funktionieren? Der erste Schritt wäre eine sogenannte Mitteilung an den Europäischen Rat, die Absicht zu haben, aus der EAG austreten zu wollen, und dieser müsste dann die weiteren Schritte so wie im Falle des Brexits setzen. Aber wie gesagt, ich bin mir sicher, dass dies aus der EAG alleine unionsrechtlich nicht zulässig wäre. – Vielen herzlichen Dank.

Mag. David Reinberger: Den rechtlichen Ausführungen ist, glaube ich, nichts Wesentliches hinzuzufügen. Ich denke, wenn man auf eine Änderung des Euratom-Vertrages hinarbeitet, wären auf jeden Fall wichtige Punkte, sich damit zu beschäftigen, was eigentlich zurzeit in der Europäischen Union mit der Nuklearindustrie passiert. Auch wenn von einer Renaissance der Nuklearenergie die Rede ist, wie es bereits gesagt wurde, befinden sich fast alle Kernkraftwerke in Europa am Ende ihrer Lebensdauer. Es geht noch um Betriebszeitverlängerungen, um das etwas hinauszuzögern. Das heißt, das, was innerhalb Europas auf uns zukommt, ist, wie wir mit dem Erbe, das uns das Atomzeitalter hinterlassen wird, umgehen werden. Dazu braucht es ein Regelwerk, dazu braucht es Diskussionen, dazu braucht es Verantwortungsaufteilungen, und ich glaube, das ist die Richtung, in die sich der Euratom-Vertrag letztlich entwickeln muss, und auf die man hinarbeiten muss. Es ist für Euratom noch Arbeit in dieser Hinsicht zu tun, das aufzuräumen, was die letzten 60 Jahre hier verursacht worden ist.

Da immer wieder die Antiatompolitik Österreichs im Allgemeinen angesprochen worden ist, möchte ich noch ganz kurz darauf angehen: Letztlich ist der Standpunkt, den die einzelnen Staaten zur Kernenergie einnehmen, auch immer ein wirtschaftlich konnotierter, der nicht unbedingt damit zusammenhängt, dass Kernenergie heute völlig unwirtschaftlich ist, und keine wirtschaftlich rationale Entscheidung. Man muss das auch im Lichte der bereits getätigten Investitionen in den einzelnen Staaten sehen, und da werden in den nächsten Jahren große Finanzmittel notwendig sein, die nicht durch Europa und sicher nicht mit der Beihilfe Österreichs sicherzustellen wären.

Ich glaube, da muss Österreich und da müssen alle Akteure sehr, sehr achtsam sein, dass das nicht passiert. Es geht um große Finanzmittel im Rahmen des Quantils. Es geht um die Verteilung dieser Finanzmittel mit der Taxonomie-Verordnung, die ansteht – das ist zwar kein Euratom-Thema im engeren Sinn, aber da geht es letztlich um die Atomgemeinschaft –, und hier ist viel Arbeit, viel Engagement, viel Initiative gefordert und notwendig. – Danke.

Dipl.-Ing. Johann Precht: Ich darf mich hier gleich in die Argumentation einklinken. Letztendlich kann eine Veränderung der Atompolitik Europas nur erreicht werden, wenn wir zur Kostenwahrheit gelangen. Kostenwahrheit heißt Wirtschaftlichkeit und nicht Subventionitis. Und hier gibt es zwei Möglichkeiten, wie die EU und Euratom einwirken müssen – sie hat es in ähnlicher Weise zuvor für die konventionellen fossilen Wärmekraftwerke bereits getan. Erstens muss die Europäische Investitionsbank verpflichtet werden, dass sie ihre Mittel eben nicht wie vorher für die fossilen Kraftwerke jetzt in die Kernkraft hineininvestiert. Die EIB ist hier ein wichtiger Parkplatz für das europäische Energiekapital. Zweitens, Kostenwahrheit heißt, tatsächlich alle Kernkraftbetreiber zu verpflichten, jetzt schon Rücklagen zu bilden, aktiv Garantien in wirtschaftlicher Hinsicht für das Abwracken, für das Dismantling vorzusehen. Wenn diese Komponenten eingehalten werden, erstens keine Subventionen, zweitens Kostenwahrheit für die Spätkosten des Kernkraftbetriebs, dann, glaube ich, wird sich die Kernkraft selbst aus der Wirtschaftlichkeit hinausrevidieren.

Mag. Patricia Lorenz: Ich möchte noch auf die direkten Fragen eingehen, und zwar, welche Möglichkeiten ich für die Änderung des Euratom-Vertrages beziehungsweise die Atompolitik der EU in unserem Sinne sehe. Wie schon angedeutet, geht es um das Bilden von Koalitionen, das Miteinander-Reden, es gibt genug Staaten, die zumindest bei einigen Dingen sicher auch Probleme wie Österreich haben. Ich glaube, dass ganz konkret natürlich der Brexit, also der Ausstieg von Großbritannien aus der EU ein Window of Opportunity ist, da vor allem in letzter Zeit auch im Interesse von Hinkley Point C, dem Neubau, sehr stark pronukleare Politik betrieben wurde. Das ist jetzt weg und damit ist pronuklear nur noch Frankreich übrig, wo es natürlich auch, wie man merkt, immer wieder Versuche gibt, aus dieser enormen Abhängigkeit aus verschiedenen Gründen auszusteigen. Also ich glaube, auch zusammen mit der Konferenz zur Zukunft Europas kann man auf jeden Fall die Frage dieses Vertrages neu ansehen.

Dann war noch die Frage zu den Themen der Zukunft, wie wir mehr Sicherheit von AKWs beziehungsweise möglichst deren Abschaltung erreichen können. Ich glaube, wenn man sich zehn Jahre nach Fukushima und die Stresstests ansieht, die ja einiges an Defiziten bei den AKWs zutage gefördert haben, so wurde teilweise einfach gar nichts umgesetzt. Und das ist ziemlich untergegangen. Auch Frankreich, wo ja so gerne gesagt wird, wie hoch die Sicherheitsstandards seien, hat eigentlich die damals geplanten Sicherheitsmaßnahmen, die dringend notwendig wären, nicht umgesetzt. Das heißt, Österreich könnte sehr wohl auch bei der Europäischen Kommission und bei den anderen Mitgliedstaaten urgieren und fragen: Wie sieht das aus? Wieso wird das nicht umgesetzt? Das ist kein tragbarer Zustand. – Und generell kann man natürlich immer – es gibt ja jetzt eine Sicherheitsrichtlinie – eine Erhöhung verlangen. Das alles ist etwas, was einem Mitgliedstaat natürlich zusteht.

Angesprochen auf die umliegenden AKWs rund um Österreich: Da gilt natürlich das bereits vorhin Gesagte, aber natürlich würde sich unser Einfluss verringern, das ist ganz klar. Wenn Österreich nicht bei Euratom dabei ist und dann halt dieses oder jenes verlangt, ist es ganz klar, dass, wenn man da keinen Einfluss hat, auch nicht auf die Erhöhung der Richtlinienumsetzung, da wesentlich weniger gegenüber den Nachbarstaaten zu machen wäre.

MMag. DDr. Markus P. Beham, LL.M.: Da ich mich nach den Redebeiträgen der übrigen Damen und Herren Abgeordneten gerne den Ausführungen von Prof. Obwexer anschließen möchte, werde ich meine Zeit nutzen, konkret auf die beiden mir gestellten Fragen zu antworten und Stellung zu beziehen, und vielleicht zugleich zur ersten Frage, nämlich zur Möglichkeit des Austritts aus Euratom bei gleichzeitigem Verbleib in der Union, Prof. Obwexer korrigieren und klarstellen, wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte, dass ich hier für eine formaljuristische Austrittsmöglichkeit argumentiert hätte. Davon habe ich bewusst – wie Sie auch an der Darstellung der Argumentationslinien sehen – Abstand genommen. Ich möchte mir nicht anmaßen, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, sollte eine solche anstehen, vorwegzunehmen, sondern habe versucht, tatsächlich die im Raum stehenden Pro- und Kontraargumente, die sich im Wesentlichen auch aus der völker- und unionsrechtlichen Perspektive stellen, darzustellen.

Zur Frage Austritt und Verbleib in der Union hat sich die Frage bereits im Zusammenhang mit dem Brexit aus umgekehrten Vorzeichen heraus gestellt, wo nämlich ein Interesse der Atomenergieinteressenvertretung bestanden hätte, tatsächlich bei Euratom zu bleiben. Der Frage wurde aber aus dem Weg gegangen oder es wurde letztlich nicht beantwortet, ob da ein getrennter Austritt möglich sei, weil selbst im Lichte dieser Interessenlage die Regierung des Vereinigten Königreichs die Position eingenommen hat, dass gewünscht wird, aus beiden Organisationen zugleich auszutreten. Man muss aber hinzufügen, dass da rechtlich noch hinzukommt, dass es sich in der innerstaatlichen gesetzlichen Grundlage des Vereinigten Königreichs so darstellte, dass unter dem Begriff des Unionsrechts auch das Recht von Euratom mitumfasst war, sodass sich klar aus diesen Austrittserklärungen ergeben hatte, dass das Vereinigte Königreich eben aus beiden auszutreten gedenkt.

Wäre ein solcher möglich, muss man aber natürlich hinzufügen – und das ist ganz klar –, dass ein solcher einseitiger Vertragsaustritt – und das muss man im Lichte des Brexits nicht näher darstellen – als diplomatisch unfreundlicher Akt wahrgenommen werden würde. Das heißt, selbst wenn man von den derzeitigen Austrittsmöglichkeiten nach der formaljuristischen Argumentationslinie ausgeht, sind die Bedenken, die ich hier auf meiner vorletzten Folie dargestellt habe, zu berücksichtigen.

Zu der zweiten Frage, welche ersten Schritte denn hier überhaupt zu einem Austritt notwendig wären, so sind diese auch mittlerweile hinlänglich bekannt, denn das Verfahren stellt sich parallel zu jenem dar, das bereits im Zusammenhang mit dem Brexit losgelöst wurde, nämlich über Artikel 50 des EUV, der hier in Verbindung mit Artikel 106 EAGV eben zur Anwendung käme, sprich, es müsste eine Mitteilung über den Austritt erfolgen, woraufhin in weiterer Folge entweder ein Abkommen zu verhandeln wäre, oder, und da darf ich die Begriffe Hard oder No-Deal-Brexit hier in den Raum stellen, die dann schließlich nach zwei Jahren ohne ein solches Abkommen in Kraft treten würden. – Danke sehr.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Abgeordnete! Werte Initiatoren des Volksbegehrens! Bei den Fragen, die an mich in der ersten Runde gestellt wurden, ging es hauptsächlich darum, welche Initiativen es während der deutschen Ratspräsidentschaft gegeben hat und wie sich die österreichische Antiatompolitik gerade darstellt.

Ich möchte jetzt ein paar der Dinge in der gebotenen Kürze darstellen, denn eines ist vollkommen klar für Österreich und die österreichische Positionierung auf EU-Ebene: Atomkraft ist keine Lösung, wir lehnen sie ab, sie ist sicher keine Lösung für den Klimaschutz, und gleichzeitig ist Klimaschutz die größte Herausforderung unserer Zeit. Deswegen ist unsere Stimme im europäischen Konzert wirklich unverzichtbar, um immer wieder klarzustellen, dass Atomkraft keine Lösung für den Klimaschutz ist, aus ganz, ganz vielen Gründen: Sie ist unsicher, es gibt ungelöste Probleme, sie ist viel zu teuer – das wurde gerade erwähnt –, die Erneuerbaren sind mittlerweile wesentlich günstiger, wenn wir in Frankreich sehen, dass Frankreich betreffend Atomkraftwerke gerade eine Blackout-Debatte hat. Also das ist einfach schlicht und ergreifend keine Lösung.

Diese Stimme, dieser Einsatz Österreichs, das ist das, was für uns die zentrale Aufgabe in dieser Diskussion ist. Die hat sich im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft vielfach gestellt. Zentrales Thema der deutschen Ratspräsidentschaft war ja das Klimagesetz und damit zuerst die Schlussfolgerungen im Europäischen Rat, dann auch im UmweltministerInnenrat zum Klimagesetz, wo wir uns intensiv auch mit einer starken Achse zu unserem Kernverbündeten Luxemburg – zu den Allianzen komme ich noch – immer dafür stark gemacht haben, dass sowohl in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates als auch in den Schlussfolgerungen der Umweltministerinnen und -minister der Kernkraft keine Rolle zukommt.

Das Zweite ist auch diese Grundsatzdebatte, ob in der EU-Taxonomie, also in der einheitlichen Definition dessen, was in der Europäischen Union als nachhaltig gesehen wird, Kernkraft angerechnet wird oder nicht. Das ist die nächste große Battle, die nächste große Auseinandersetzung auf europäischer Ebene. Auch hier sind wir sehr, sehr aktiv mit Expertise, mit Input, mit Gutachten, mit Arbeit bei den Kommissarinnen und Kommissaren, die dafür zuständig sind, um das zu verhindern.

Diese Frage stellt sich aber in jedem einzelnen Dossier und daher ist zum Beispiel eine der letzten Fragen, die wir sehr intensiv diskutiert haben, die Wasserstoffnutzung in Europa. Wasserstoff wird für unseren zukünftigen Energiemix eine Rolle spielen. Aber das, was jetzt gerade passiert ist, ist der Versuch von Ländern wie Frankreich – auch das war zum Beispiel eine zentrale Diskussion beim Europäischen Rat –, unter dem Deckmantel Wasserstoff die Atomenergie zu forcieren und Wasserstoff aus Atomenergie zu positionieren. Und auch hier haben wir eine sehr starke Koalition geschmiedet, um allen Versuchen entgegenhalten zu können. Die Zukunft des Wasserstoffs in Europa muss grüner Wasserstoff sein, muss Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen sein, alles andere führt dazu, dass man schlussendlich unter dem Deckmantel Atomenergie fördert.

Daher hier auch eine Allianz – denn da gebe ich Frau Lorenz recht –, das wird unsere zentrale Frage, gerade auch dann mit Hinblick auf Euratom Allianzen zu schmieden. Wir haben zur deutschen Ratspräsidentschaft und ihrer Wasserstoffdeklaration dann mit einer starken Antiatomallianz aus Spanien, Dänemark, Portugal, Luxemburg und Österreich auch klargestellt, nein, auch wir unterzeichnen das nur in diesem Verständnis, Wasserstoff muss erneuerbar sein und darf kein Deckmantel für die Atomenergie werden.

Die Frage der Allianzen wird uns natürlich auch bei der Reform des Euratom-Vertrages weiter beschäftigen. Auch da haben wir natürlich Initiativen während der deutschen Ratspräsidentschaft gesetzt, insbesondere mit Blick auf das vorhin erwähnte Portugal. Portugal hat mit 1.1.2021 die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, ist in dieser Frage ein stabiler Verbündeter. Wir haben dazu Gespräche geführt und gemeinsam auch daran gearbeitet, wie wir das Thema Reform Euratom während der portugiesischen Ratspräsidentschaft im Kontext der Diskussion rund um die Zukunft der EU gemeinsam aufs Tapet bringen und voranbringen können. Da haben wir hoffentlich ein Window of Opportunity, denn für die Reform des Vertrages – und zum Euratom-Thema werde ich in meinem Schlussstatement dann noch mehr sagen – brauchen wir Verbündete, brauchen wir eine starke Allianz, und die müssen wir Schritt für Schritt auch in Europa schmieden. Mit der portugiesischen Ratspräsidentschaft haben wir gerade ein Window of Opportunity – Möglichkeitsfenster ist eine schlechte deutsche Übersetzung –, ein politisches Fenster, und das haben wir vorbereitet und das wollen wir jetzt bestmöglich nutzen.

Zweite Stellungnahme des Bevollmächtigten des Volksbegehrens Euratom-Ausstieg Österreichs

Mag. Robert Marschall: Das Volksbegehren hat sich nicht darauf gerichtet, den Euratom-Vertrag irgendwie abzuändern. Wir wollen den Euratom-Ausstieg Österreichs und ich glaube, das steht ja auch im Titel sehr eindeutig und sehr klar drinnen. Jetzt könnte man natürlich fragen: Wer ist denn da der Souverän? Ist das der EuGH oder ist das das österreichische Volk? Man kann doch nicht alle Fragen irgendwohin nach Europa in irgendwelche Gremien delegieren.

Das führt mich ja auch dazu, wenn ich mir die Stellungnahmen der Experten anhöre, insbesondere jene der Juristen, zu fragen: Ist jetzt der Euratom-Ausstieg möglich oder nicht? Einerseits sagen Sie: Nein, das geht nicht, da gibt es so viele Verträge! Andererseits wird argumentiert, mit dem Vertrag von Lissabon gehe das sehr wohl. – Das ist also die klassische Situation, dass man zwei Juristen fragt und drei Meinungen bekommt. Wie ist das bei den anderen Experten? Da gibt es auch viele Pro- und Kontraargumente.

Wie ist das bei Ihnen als Politiker? In Wirklichkeit sagen alle österreichischen Politiker, dass sie anti Atomkraft sind. Ich habe bis jetzt noch keinen gehört, der pro Atomkraft ist. Alle österreichischen Politiker sagen, sie sind anti Atomkraft. Und was machen Sie? – Sie wollen weiterhin bei Euratom bleiben. Das ist schon eine sehr widersprüchliche Einstellung.

Wie dem auch sei, ich bin der Meinung, dass das österreichische Volk entscheiden soll, weil das österreichische Volk nämlich der Souverän ist. Das Thema der Volksabstimmung zu Euratom haben Sie alle miteinander in Ihren Beiträgen geflissentlich übersehen. – Danke.

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Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Vorsitzender, es kann ja wohl nicht sein, dass auf die Fragen, die wir stellen, nicht eingegangen wird und darauf keine Antworten gegeben werden. Dann können wir es ja lassen, Ausschüsse zu machen. Abgeordneter Rauch stellt dem Herrn Staatssekretär eine konkrete Frage, und dieser sagt nicht einmal, dass er sie nicht beantworten kann oder will. Was sollen wir darunter verstehen? Wie soll das ablaufen?

Obmann Lukas Hammer: Ich habe signalisiert, dass ich Kollegen Rauch dann noch einmal das Wort erteile. (Abg. Rauch: Wir haben ja keine Redezeit mehr! Wir sind ja eingeteilt ...!) – Ich werde damit ein bisschen kulanter umgehen, damit Sie Ihre Frage noch einmal stellen können. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Ich schlage vor, dass wir die Regierungsmitglieder selbst entscheiden lassen, wer von den beiden antwortet. Ich glaube, die Bundesministerin ist für dieses Thema zuständig, und ich glaube, es ist auch in Ordnung, wenn sie antwortet. Sie können Ihre Frage noch einmal stellen, wenn Sie das Gefühl haben, dass sie noch nicht beantwortet wurde.

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Zweite Fragerunde der Abgeordneten

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP): Ich bin stolz darauf, dass sich Österreich gegen die Atomkraft entschieden hat, und auch darauf, dass wir hier im Parlament immer einhelliger Meinung sind, wenn es um dieses Thema geht. Ich lebe an der Grenze zu Tschechien und merke, dass wir trotzdem betroffen sind, denn die Atomenergie macht nicht an den Grenzen Halt. Wenn es jetzt um Temelín oder um die Endlagerstandorte geht, die größtenteils an unserer Grenze sind, so ist es mir und unserer Bevölkerung schon wichtig, dass da Sicherheit herrscht.

Ich bin daher der Meinung, dass wir bei Euratom bleiben sollen, denn nur dann können wir auch mitreden und mitbestimmen – anders als wenn wir draußen wären. Ich denke, das ist sinnvoll.

Daher meine Frage: Was können wir machen, damit wir mehr Sicherheit für die Zukunft erwirken können? Wie können wir den Euratom-Vertrag in diese Richtung reformieren und Seilschaften knüpfen, dass wir im Endeffekt europaweit aussteigen? Wie erhalten wir auch mehr Mitspracherechte bei UVP-Verfahren für Endlager? – Danke.

Abgeordneter Joachim Schnabel (ÖVP): Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Proponenten des Volksbegehrens! Es gibt nicht nur nahe der Grenze im Norden Österreichs Kernkraftwerke, sondern auch nahe der Grenze im Süden. Es gab um die Jahreswende ein Erdbeben in Petrinja in der Nähe von Zagreb mit der Stärke von 6,4, was zu einer Notabschaltung des Kernkraftwerks Krško geführt hat. Das ist ein Kernkraftwerk, das mittlerweile seit fast 40 Jahren in Betrieb ist und bei dem man nun vor einer Verlängerung der Betriebsdauer bis 2043 steht.

Aus Sicht der Steiermark ist es eine zentrale Forderung, dass dieses Kernkraftwerk zeitnah vom Netz geht. Deswegen auch meine Frage an Herrn Obwexer: Wie schaut es aus, wenn wir aus Euratom aussteigen würden? Wie ist dann unser Parteienrecht? Was ändert sich das Frühwarnsystem betreffend? Wie haben wir die Möglichkeit, wenn wir nicht mehr dabei sind, bei Euratom miteinzuwirken?

Abschließend möchte ich noch sagen, dass – Experte Reinberger hat vom Geist des Euratom-Vertrages gesprochen – die EU ein Friedensprojekt ist und der Euratom-Vertrag ein Teil davon ist. In Summe dessen muss man das auch sehen: Wir sind friedlich miteinander, und wenn wir mit am Tisch sitzen, dann können wir entsprechend mitagieren und mitverhandeln.

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Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Ausschussvorsitzender! Es lässt sich auch ganz kurz halten: Wir wollten nur ebenfalls anbringen, dass wir, wenn wir hier als Abgeordnete eine Frage an ein Regierungsmitglied richten – egal, ob das die Frau Ministerin oder ob das der Herr Staatssekretär ist –, davon ausgehen, dass die Frage beantwortet wird. Ich bin mir sicher, wir finden eine Lösung. Der Herr Ausschussvorsitzende hat schon gesagt, er wird kulant handeln. Aber für die Zukunft, denke ich, dass, wenn man eine Frage konkret adressiert, diese im besten Fall auch beantwortet werden sollte. – Danke schön.

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten schon respektieren, dass wir uns eine sehr knappe Redezeit gegeben haben, um auch externe Experten anhören zu können, die wir nicht oft in Ausschüssen haben. Noch dazu möchte ich anmerken, dass die Fragestellung zu dem Zeitpunkt erfolgt ist, als der Staatssekretär noch da war und die Frau Minister bereits eingetroffen ist. Das wird jetzt sicher aufgearbeitet, die Frage wird nicht unter den Tisch fallen.

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich muss sagen, es ist schon eine an eine Frechheit grenzende Vorgangsweise, die hier von der ÖVP – als Regierungsfraktion – an den Tag gelegt wird. Wir werden uns das nicht gefallen lassen und ich werde eine entsprechende schriftliche Anfrage einbringen. Herr Vorsitzender, wie Sie den Vorsitz hier führen, das geht so nicht! Wir werden uns das definitiv nicht gefallen lassen.

Obmann Lukas Hammer erklärt, da es keine weiteren Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung gibt, dass es aus seiner Sicht so sei, dass es im Klimaschutzministerium gewisse Zuständigkeiten gibt. Die Zuständigkeit, um die es hier gehe, liege bei der Frau Bundesministerin. Wenn sich der Herr Staatssekretär zu Wort melden möchte, dann könne er das tun. Er, Hammer, bitte darum, das auch zu respektieren. Man könne selbstverständlich schriftliche Anfragen stellen. Wenn am Ende der Diskussion Fragen offenblieben, könne man die Antworten vonseiten des Ministeriums wahrscheinlich auch informell schriftlich nachreichen.

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Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Vorsitzender! Zunächst Danke an die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Volksbegehrens, das uns die Möglichkeit gibt, über die österreichische und die europäische Atompolitik zu sprechen. Ich möchte beim Kollegen Schmuckenschlager anschließen, der über die internationale Endlagerfrage gesprochen hat. Ich möchte vor allen Dingen über die nationale Endlagerfrage sprechen. Wir alle wissen, dass wir auch in Österreich Atommüll produzieren und nach wie vor keine Endlagerlösung haben. Wir haben momentan eine Zwischenlagerlösung bei mir im Bezirk, im Forschungszentrum Seibersdorf.

Deshalb meine konkrete Frage an die Frau Ministerin: Ihre Amtsvorgängerin, Frau Minister Köstinger, hat 2018 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um eine rasche Lösung der Frage der Endlagerung von Atommüll voranzutreiben.

Deshalb meine konkrete Frage: Gibt es diese Arbeitsgruppe? Wer sitzt in dieser Arbeitsgruppe? Hat die Arbeitsgruppe überhaupt schon einmal getagt? Wann gibt es eine Lösung?

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Herr Vorsitzender! Grenznahe Atommülllager beschäftigen sehr viele Bürgerinnen und Bürger. Ich richte meine Frage an die Frau Ministerin, wiewohl an alle Experten – wer auch immer sie beantworten möchte –: Welche Möglichkeiten sehen Sie in der Abwehr grenznaher Atommüllendlager, deren Errichtung etwa aktuell gerade in Tschechien oder Bayern diskutiert werden? – Danke schön.

Obmann Lukas Hammer: Kollege Rauch, wollen Sie Ihre Frage noch einmal wiederholen? (Abg. Rauch: Wird schriftlich eingereicht!) – Passt.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich schicke meinem Redebeitrag voraus, dass ich hauptsächlich vorhabe, Chaos zu vermeiden – politisches Chaos, technisches Chaos, Chaos in der Stromversorgung, und, und, und. Wir haben drei Bereiche, das ist, glaube ich, bei den vorangehenden Redebeiträgen auch ein bisschen herausgekommen: Wir haben den juristischen Bereich, wir haben den politischen Bereich, der meiner Ansicht nach auch den Markt beinhaltet, und als Seitenthema die Endlagerung.

Vorangehend gehört aber auf jeden Fall einmal ein Statement, eine Willensbildung: Was wollen wir überhaupt, wenn wir sagen, wir behandeln dieses Volksbegehren? Es ist relativ klar, dass es diese österreichische Willensbildung gegen die Atomkraft als solche gibt. Wir haben aber nicht die Willensbildung über die Finanzierung der sogenannten friedlichen Nutzung der Atomkraft dabei. Wir haben nicht die Willensbildung bei der Frage der Endlagerung dabei.

Ich glaube, wenn dieser sogenannte Green Deal von der EU-Kommission kommt, wird es zuerst einmal den Ansatz der nationalstaatlichen Lösungen geben. Ich möchte daher als Erstes Frau Lorenz und Herrn Dipl.-Ing. Precht fragen: Wie schaut das wirklich mit dem Markt aus? Wenn wir sagen, wir subventionieren nicht, wird das auch wirklich durchgezogen werden? Wenn der Green Deal kommt, wird zumindest Frankreich auch weiterhin versuchen, das Thema Kernkraft gesundzurechnen. Wir haben dann auf der Seite der Erneuerbaren auch die Aussage, die ist Atomkraft billiger. Wird die auch ohne Subventionierungen billiger sein?

Wenn wir die Zeit bis dahin nutzen – die Frage an die Professoren Beham und Obwexer –, und man sagt, man hat eine Willensbildung im Sinne von Austritt, kann man vom Vertragswerk, zumindest mit dieser Ankündigung – so nenne ich es einmal, ich will es nicht Androhung nennen –, den Bereich der Finanzierung, den Bereich der Lagerung und, und, und – also all diese Missstände im Rechtswerk –, völkerrechtlich so sauber hinbringen, dass man keine nationalstaatlichen Alleingänge machen muss? – Danke.

Abgeordnete Dr. Astrid Rössler (Grüne): Herr Vorsitzender! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Expertinnen und Experten! Hohes Haus! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Ich möchte mit dem Dank an die Initiatoren beginnen, weil sie durch ihr Engagement wieder eine frische Diskussion zum Thema Atomausstieg ermöglicht haben. Aber so, wie wir über die Hintertür des Klimaschutzes keine Atomdebatte wollen, soll auch Ihre Initiative nicht dazu dienen, eine EU-Ausstiegsdebatte über die Hintertür aus Euratom zu führen. Ich möchte Sie bitten, dass wir da unterscheiden.

Das Thema Atomausstieg eint uns, darüber sind wir uns auch ganz klar einig. Österreich bekennt sich dazu, Österreich hat sich für einen anderen Weg entschieden. Österreich hat auch bisher darin eine glaubwürdige Position vertreten – gerade, weil wir Betroffene sind, weil wir es mitausbaden müssen. Österreich hängt bei jedem Reaktorunfall leider genauso mit drin wie andere Länder, die sich vielleicht auch zur Atomkraft bekannt haben.

Diese aktive Rolle Österreichs hat gerade im Jahr 2019 zu zwei wichtigen Impulsen geführt. Diese Rolle sollten wir auch stärken. Österreich hat gemeinsam mit einigen anderen Ländern gegen die Aufnahme der Atomenergie als nachhaltiges Investitionsinstrument gestimmt. Das war ein starkes Signal. Österreich hat mit Luxemburg das Euratom-Forschungsprogramm blockiert, eben wegen der engen Verknüpfung von Nuklearforschung mit Klimaneutralität.

Diesen Weg müssen wir unbedingt fortsetzen. Daher meine Frage, in dem Fall an Frau Lorenz: Wir brauchen starke Verbündete. Was kann und was sollte Österreich als Nächstes tun, um diese Allianzen mit Verbündeten zu stärken und da eine aktivere Rolle einzunehmen? Und wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf und die wichtigsten Aktionsfelder für Österreich? – Danke.

Abgeordneter Yannick Shetty (NEOS): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Werte Expertinnen und Experten! Werte Vertreter des Volksbegehrens! Ich möchte eingangs auch etwas zu dem sagen, was Sie, Herr Mag. Marschall, angesprochen haben – bei allem Respekt für Ihr Engagement und für Ihren Einsatz für dieses Volksbegehren –: Sie haben immer wieder in den Raum gestellt, dass der Souverän nicht entscheidet und dass eine Entscheidung von irgendjemand Übergeordnetem getroffen wird.

Der Souverän wird in Österreich durch den Nationalrat und durch den Bundesrat, durch das Parlament, vertreten. Und der Umweltausschuss ist ein Teil dieses demokratisch gewählten Parlaments. Wenn es hier, wie es scheint, eine Mehrheit gibt, die der Meinung der hier vertretenen Juristen folgt, dass ein Austritt aus Euratom nicht möglich und vielleicht auch nicht zielführend ist – ich komme dann auch gleich dazu –, dann ist das nichts Antidemokratisches, sondern ganz im Gegenteil.

Ich möchte eingangs noch kurz lobend anmerken, dass Sie, Herr Vorsitzender, festgestellt haben, dass es hier einen breiten Konsens gegen Atomkraft in Österreich gibt – entgegen dem, was unter anderem Mitglieder Ihrer Fraktion und auch anderer Fraktion öffentlich hier im Hohen Haus faktenwidrig behauptet haben. Ich freue mich, dass Sie hier festgestellt haben, dass es da einen Konsens gibt.

Meine erste Frage möchte ich gerne an Frau Lorenz richten: Es wurden die Ausgaben für Euratom angesprochen. Wir in Österreich geben ein Viertel des Betrages, den wir für Inserate und Werbung der Bundesregierung ausgeben, für Euratom aus – nur um das in Relation zu setzen. Was mich interessieren würde, ist, ob es denn möglich wäre, den Beitrag für Euratom auch innerhalb der Verwendung bei Euratom für bestimmte Projekte, zum Beispiel für Reaktorsicherheit, zweckzuwidmen.

Meine zweite Frage richtet sich an Herrn Dr. Beham: Gab es vergleichbare Versuche von EU-Mitgliedstaaten, insbesondere aus Euratom oder aber auch aus anderen Teilverträgen der Europäischen Union auszusteigen? – Wenn Ja: Wie sind diese Versuche gelaufen? – Vielen Dank.

Zweite Antwortrunde der ExpertInnen

Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer: Ich möchte mit Herrn Mag. Marschall beginnen: Ich habe es in meinem Kurzstatement ausgeführt, dass Österreich bei seinem Beitritt zur Europäischen Union mit der Volksabstimmung des Jahres 1994 auch dem Beitritt zu Euratom zugestimmt hat. Ich wiederhole nochmals in aller Kürze: Aus meiner Sicht, und das ist wohl die überwiegende Meinung der Lehre des Europarechts, ist in Europa ein Austritt aus Euratom alleine aus den genannten Gründen nicht möglich.

Da geht es aber um Unionsrecht und dem folgend hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Letztentscheidung. Es entscheidet nicht Luxemburg über Österreich, sondern Österreich hat die Entscheidung getroffen, auch der EAG beizutreten. Und wenn es um die Entscheidung der Frage geht, ob ein Austritt aus Euratom alleine möglich ist, dann entscheidet das letztlich der EuGH. Aus meiner Sicht, und da bin ich mir sehr sicher, würde der EuGH aber den Austritt aus Euratom alleine wohl nicht akzeptieren. Dem folgend wäre die Durchführung einer Volksabstimmung über einen Euratom-Austritt alleine eine Irreführung der Bevölkerung, weil man in Aussicht stellte, dass aus Euratom alleine ausgetreten werden könnte, obwohl das nicht möglich ist.

Zusammenfassend zu den Fragen der Abgeordneten Diesner-Wais und Schnabel: Würde Österreich Euratom verlassen, dann wäre Österreich im Rahmen von Euratom ein Drittstaat und hätte keine Einflussmöglichkeit mehr, so wie Japan, die USA oder andere Staaten in Europa, die keine EU-Mitgliedstaaten sind. Österreich könnte nicht einmal an Sicherheitsvorschriften für Euratom, für Atomanlagen, für Atommüll, für Endlager, für Nahrungsmittel und anderes mehr, für Forschung und, und, und, mitwirken. Und schon aus dem Grund alleine ist es rechtlich besser, in der EAG zu sein als außerhalb.

Zur Frage von Frau Abgeordneter Ecker, welche Möglichkeiten bestehen, um grenznahe Atommülllager zu verhindern, in aller Kürze: Da sind die rechtlichen Möglichkeiten sehr eingeschränkt, sie gehen sogar Richtung null. Vielmehr muss Österreich versuchen, über Euratom strenge Sicherheitsvorschriften in die Wege zu leiten und mit Verbündeten allenfalls auch durchzusetzen, um die Gefahren, die von Atommülllagern ausgehen, solange es sie noch gibt, möglichst geringzuhalten und allenfalls auch solche Atommülllager in Grenznähe zu vermeiden.

Zu Herrn Abgeordnetem Deimek: Was die Subventionen für Atomkraftwerke angeht, so ließe sich das Beihilfenregime für Atomkraftwerke schon ohne Vertragsänderung modifizieren. Hier könnte Österreich auch entsprechend tätig werden. Eine Austrittsentscheidung aus Euratom zu treffen, nur unter dem Blickwinkel, dann politischen Druck zu machen, um Missstände im EAG-Vertrag – wie Sie es nannten – zu beenden, halte ich aus rechtlicher Sicht nicht für sinnvoll, sondern hier ist es sicher besser, in Euratom zu bleiben und sich – auch im Sinne der Frau Bundesminister – für entsprechende Regelungen im Sinne Österreichs einzusetzen.

Mag. David Reinberger: Ich möchte auf den Punkt Kernenergieförderung noch ein bisschen näher eingehen. Zu dem, was bereits gesagt wurde: Österreich hat sicher im Rahmen der Mitgliedschaft, sowohl in der Europäischen Atomgemeinschaft als auch in der Europäischen Union, die Möglichkeit, darauf zu drängen und darauf zu achten, dass Fördermittel der Europäischen Union – das möchte ich unterstreichen: der Europäischen Union! – nicht für Zwecke der Kernenergie eingesetzt werden. Da gibt es mannigfaltige Möglichkeiten, die von einem gemeinsamen Abstimmungsverhalten mit anderen Mitgliedstaaten über Initiativen im Regelwerk, über zu tätigende nachhaltige Investitionen gehen. Da gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, die, natürlich, zu einem nicht geringen Teil an die Mitgliedschaft in den entsprechenden Verträgen gebunden sind. Wenn also Österreich nicht mehr Mitglied der Europäischen Atomgemeinschaft ist, können natürlich keine Entscheidungen dazu beeinflusst werden, wie die Mittel der Europäischen Atomgemeinschaft in Zukunft verwendet werden.

Der Austritt eines atomkritischen Staates wie Österreich würde natürlich die Mehrheit innerhalb des Euratom-Vertrages weiter hin zu den atomfreundlichen Staaten verschieben – und das zu einer Zeit, in der wir jetzt gerade durch den Austritt Großbritanniens, so bedauerlich er ist, einen starken Befürworter der Kernenergie in Europa nicht mehr innerhalb der Verträge haben.

Der zweite Punkt – da kommt es in der Diskussion manchmal zu einer Vermischung – ist: Wie sieht es mit einer nationalstaatlichen Förderung von Kernenergie aus, wie sie zum Beispiel England in Bezug auf Hinkley Point aus eigenen Mitteln angestrebt hat? Da sind wir im Wesentlichen an europäisches Recht gebunden. Da gibt es die Wettbewerbsrichtlinien zu diesem Thema, über die letztlich – wie wir es auch im Fall von Hinkley Point gesehen haben – der Europäische Gerichtshof entscheidet. – Danke.

Dipl.-Ing. Johann Precht: Ich darf im Zuge der Frage von vorhin noch einmal in einem kleinen Detail auf den Investitionsplan des Green Deals zurückkommen. Von diesen 1 000 Milliarden Euro werden 50 Prozent – also rund 500 Milliarden – direkt von der EU aus deren Budget in Klima- und Umweltprogramme eingesetzt. Es verbleiben 500 Milliarden für das Investieren auf nationalen Ebenen. Davon sollen circa knapp 300 Milliarden aus privaten und öffentlichen Investitionen stammen und die anderen 200 Milliarden gehen teils durch indirekte Investitionen der EU und teils durch die EIB-Group in Förderungen von allen zusätzlichen Investitionen in Entwicklung im Rahmen des Green Deals.

Das Wesentliche ist, dass bei diesen 100 Milliarden an indirekten EU-Förderungen  unter Umständen natürlich auch Förderungen für den Atomgiganten Frankreich denkbar sind – auch aus der EIB. Hier wissen wir natürlich aus Erfahrung, dass der Profiteur des Euratom-Vertrages von jeher Frankreich war. Vergessen wir nicht: Vor zwei Jahren war die Areva – der wichtigste Atomindustriebetrieb der Welt – praktisch bankrott und musste mit 2,5 Milliarden Euro von der EDF gerettet und übernommen werden.

In der Nachfolge wurde der Orano-Konzern mit diesen Aufgaben der Wiederaufbereitung, Anreicherung, Konversion und dergleichen betraut. Das ist ein Weltkonzern. Die Orano – Nachfolgerin der Areva – ist auch damit beschäftigt, Atommüll aus der ganzen Welt zu verwerten, wiederaufzubereiten, auch zwischenzulagern. Das heißt, hier geht es um einen Weltkonzern, der indirekt eventuell durch EU-Gelder gefördert wird. Das ist natürlich eine Aussicht auf den Green Deal, die uns nicht amüsieren kann.

Mag. Patricia Lorenz: Ganz kurz noch zu der ohnehin schon andiskutierten Frage zur Subventionierung von AKWs: Da muss ich mich dem anschließen, was gesagt wurde. Man sollte aber verstehen: Die Subventionen, zum Beispiel für Hinkley Point C, sind kein Geld, das aus der EU nach Großbritannien zur Errichtung eines AKW fließt, sondern das heißt eigentlich nur, dass den Briten erlaubt wird, dass sie sich selbst an diesem AKW ausbluten. Das muss man auch sagen: Es handelt sich um rein nationales Steuergeld, das hier verbrannt wird. Im Green Deal ist nach aktuellem Stand der Dinge keine Förderung für solche Projekte drinnen. Das heißt: Auch weiterhin bleibt es nationales Geld, das man da verbraten darf.

Zur Nutzerfrage von Frau Abgeordneter Rössler: Ja natürlich, Allianzen zu stärken – das wurde ohnehin schon besprochen – ist natürlich wichtig.

Die Frage zum Handlungsbedarf und wo ich da zurzeit den dringendsten sehe: Das ist auf jeden Fall die Sicherheit von AKWs. Wie ich schon gesagt habe: Der Atomunfall in Fukushima ist zehn Jahre her, da gab es wirklich erschütternde Erkenntnisse – sowohl theoretische als auch praktische –, was alles vernachlässigt wurde. Es wurden wirklich riesige Pläne, was nicht alles geschehen würde, geschmiedet. Das ist alles nicht eingetreten. Als Mitgliedstaat der EU sollte Österreich auf jeden Fall einfordern, dass das umgesetzt wird.

Das Thema Atommüllproblem ist auch öfter gefallen. Da gehört dazu, würde ich sagen, dass man noch einmal ganz klar anspricht, dass Neubauten nach wie vor ohne eine gelöste Atommüllfrage errichtet werden. Auch die Finanzierung wurde angesprochen. Es gibt zwar Fonds in allen Ländern, es gibt auch eine Richtlinie, aber man weiß, dass das nicht ausreicht.

Zur Frage der Grenznähe: Da wurde gesagt, wir hätten gar keine rechtlichen Möglichkeiten. – Das stimmt nicht! Es gibt die Aarhuskonvention, laut der es Bürgern, unabhängig der Staatsangehörigkeit, möglich ist, eine Beteiligung einzufordern. Wir haben schon öfter gesagt, dass das auch diesen Gemeinden in Grenznähe möglich ist – das sind ja teilweise 30, 40 Kilometer. Das heißt, das kann man sehr wohl einfordern und sich über diese Konvention beteiligen, denn es wird natürlich eine UVP für diese Endlagerstandorte geben, aber das ist teilweise erst in 30, 40 Jahren.

Abschließend noch zur Frage von Herrn Shetty von den NEOS bezüglich einer Zweckbindung des österreichischen Mitgliedsbeitrags für Euratom: Ich finde es eine gute Idee, aber beim Anteil des Mitgliedsbeitrages geht es ohnehin nicht, dass man bestimmt, dass dieser vor allem in die Administration geht. Allerdings kann man die Idee für den Budgetanteil übernehmen. Ich glaube aber, dass es auf jeden Fall sinnvoller ist, bei der Erstellung der Budgets – also der Aufteilung: geht das Geld in Sicherheit, neue Reaktoren, Brennelemente, Forschung? – aktiv zu werden, und zwar natürlich als Staat, aber ich muss an der Stelle auch sagen, dass das Europäische Parlament – und somit auch die Abgeordneten – ja beim Budget ein Mitspracherecht hat. Die Möglichkeit des Europäischen Parlaments, bei Euratom mitzureden, ist eben bei der Budgetgestaltung. Ich glaube, da war die Initiative der Abgeordneten nicht so groß.

Ich denke, da ist noch sehr, sehr viel Spielraum bei der nächsten Erstellung, zu sagen: Wir wollen keine neuen Reaktoren mehr, sondern wir wollen einen Ausstieg! Wir wollen Sicherheit! Wir wollen Behandlung des Themas Atommüll! – Danke.

MMag. DDr. Markus P. Beham, LL.M.: Vorweg zum Redebeitrag von Herrn Mag. Marschall und seiner Einschätzung der Qualität von juristischen Stellungnahmen: Hier möchte ich klarstellen, dass ich eingeladen worden bin, um dem Hohen Haus eine informierte Meinungsbildung zu ermöglichen, und so halte ich es für geboten, hier die Positionen differenziert darzustellen. Denn letztlich – und die Trennung ist ja schon mehrfach betont worden – ist die Frage eines einseitigen Austritts eine politische Fragestellung. Das heißt, zunächst käme der politische Entschluss, man möchte das, und anschließend müsste man sich Gedanken darüber machen, auf welchem rechtlichen Weg man das Ganze zuwege bringen könnte. Dass die Konsequenzen eines einseitigen Austritts nicht sonderlich vorteilhaft wären, habe ich, denke ich, auch hinlänglich dargestellt.

Ich komme nun kurz zu den einzelnen Fragen.

Zur Möglichkeit der Verhinderung von Atommülllagern an der Grenze: Zu dem bereits Ausgeführten darf ich vielleicht aus umweltvölkerrechtlicher und natürlich unionsrechtlicher Sicht noch hinzufügen, dass im Sinne des Vorsorge- und Vorbeugeprinzips die Möglichkeit besteht, auf Informations- und Konsultationspflichten der Nachbarstaaten zu bestehen. Die Frage, die sich hier natürlich, wie immer, stellt, ist jene der Durchsetzung, und ob dieser bilaterale oder multilaterale Weg jeweils zu bewerkstelligen wäre. Darüber hinaus besteht Konsens, dass bei Großprojekten natürlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig wäre.

Zur Frage des einseitigen Austritts als Möglichkeit, um Positionen durchzusetzen – sozusagen die Rute ins Fenster zu stellen –, möchte ich auch noch einmal auf die möglichen Konsequenzen und natürlich die Tatsache, dass das stets als diplomatisch unfreundlicher Akt wahrgenommen wird, hinweisen, und dahin gehend mein Caveat aussprechen.

Zuletzt zur Frage nach bisherigen Versuchen, da einseitig auszusteigen: Da hatte ich bereits das Brexit-Beispiel genannt. In diesem Zusammenhang wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass natürlich die Möglichkeit einer Mitwirkung an der Organisation als assoziierter Drittstaat besteht. Dann muss allerdings berücksichtigt werden, dass dabei in weiterer Folge erst verhandelt werden müsste, welche Position, welche Rechte und Pflichten zu übernehmen wären. Darüber hinaus gab es bereits im Verfassungsreformprozess der Union, insbesondere auch in Deutschland, eine breitere Diskussion.

Auf die Frage zu den Gutachten habe ich bereits in meiner ersten Stellungnahme Bezug genommen. – Herzlichen Dank.

Statement des Staatssekretärs

Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich möchte natürlich nicht den Anschein erwecken, dass Fragen nicht beantwortet werden. Das liegt mir, vor allem als ehemaliger Mandatar, fern – ich glaube, das wissen Sie, Herr Abgeordneter (in Richtung FPÖ), ganz gut. Es ist mir natürlich ein Anliegen, die Fragen auch zu beantworten. Ich bin nur davon ausgegangen – und das war auch so! –, dass die Frau Bundesministerin die Frage, die gestellt worden ist, nämlich über die Anstrengungen Österreichs auf internationaler Ebene, bereits beantwortet hat – zumindest was diese Bundesregierung betrifft. Ich hätte gedacht, dass es Ihnen sogar lieber ist, wenn die zuständige Ministerin antwortet als ich.

Aber nun zu diesen Anstrengungen: Ja, Österreich setzt sich auf allen Ebenen ein – das hat die Frau Bundesministerin bereits erwähnt –, auch in der Vergangenheit schon, wenn ich an die Klage gegen Hinkley Point von Bundesminister Mitterlehner denke. Auch Minister außer Dienst Berlakovich hat vorhin bereits die Anstrengungen, die unter seiner Ägide unternommen wurden, angesprochen. Weitere Initiativen von Amtsvorgängern – was da konkret passiert ist – können wir auch schriftlich nachreichen. Ich glaube, das ist kein großes Problem.

Die Taxonomie-Verordnung wurde von der Frau Ministerin angesprochen. Dieses Thema ist momentan sehr aktuell – nicht nur, was die Atomkraft betrifft, sondern auch auf der anderen Seite in Bezug auf die Wasserkraft. Da sind viele Initiativen auf allen Ebenen am Laufen.

Ich möchte prinzipiell allen – auch den Initiatoren – für Ihren Einsatz, gegen die Atomkraft aufzutreten, danken. Ich glaube, dass das sehr wichtig ist. Danke auch für die Experteninputs. Die rechtliche Situation scheint mir relativ klar zu sein. Danke auch für die Beantwortung der Fragen durch die Experten. In Österreich gibt es Gott sei Dank diesen breiten Konsens von allen Parteien im Parlament gegen die Atomkraft. Das eint uns seit vielen Jahren.

Wichtig ist, glaube ich – neben der rechtlichen Situation, die geschildert worden ist, die es nicht so einfach macht –, die Reform voranzutreiben. Deswegen muss Österreich auch – aus meiner Sicht zumindest – drinnen bleiben, um Allianzen bilden zu können, um mitgestalten zu können, und um ganz konsequent weiter gegen die Atomkraft auftreten zu können.

Die Reform des Euratom-Vertrages – Österreich hat dazu in der Vergangenheit bereits viele Initiativen gestartet – ist nicht so leicht. Das ist ein weiter Weg. Eine Primärrechtsänderung erfordert im europäischen Prozess doch auch einige Stufen, aber ich glaube, wir müssen da dranbleiben, und diesen Euratom-Vertrag von innen heraus – das ist meine persönliche und unsere Meinung – angehen.

Vielen Dank noch einmal an alle für den breiten Konsens in dieser Frage und danke auch an die Experten und Expertinnen für ihren Input.

Ich hoffe, dass die Frage jetzt besser beantwortet ist. Konkrete Maßnahmen der Vorgängerregierungen können wir gerne nachreichen.

Statement des Bevollmächtigten des Volksbegehrens Euratom-Ausstieg Österreichs

Mag. Robert Marschall: Wenn man sich das vergegenwärtigt, dass die Grünen gegen eine Volksabstimmung über Euratom sind: Das ist wohl der Witz der Geschichte! Die Grünen, die aus einer basisdemokratischen Bewegung entstanden sind, sind gegen eine Volksabstimmung zum Thema Euratom.

Sie haben gesagt, Sie wollen bei Euratom dabeibleiben, weil Sie dann so viel mitentscheiden können: Was haben Sie bis jetzt mitentschieden? Wie oft gab es Euratom-Sitzungen? Wann war Österreich dort zuletzt vertreten? Das waren meine Eingangsfragen! – Wurden nicht beantwortet. Was hat der Vertreter Österreichs dort in den letzten 25 Jahren für Österreich erreicht? Welche Vorteile und Gegenleistungen hat Österreich von Euratom? Wo sind die Jahresberichte und Jahresabschlüsse? – Das gibt es alles nicht! 25 Jahre haben Sie verschlafen!

Noch eine andere Bemerkung zum Thema Demokratie: Herr Shetty hat ja angesprochen, wie demokratisch er nicht sei . – Sie sind ein Parteienvertreter, Sie sind kein Volksvertreter. Das ist wirklich so! Wissen Sie, warum - - (Widerspruch bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS. – Abg. Prinz: Das hat eine Grenze!)

Obmann Lukas Hammer: Herr Marschall!

Mag. Robert Marschall: Wie viele Vorzugsstimmen haben Sie bei der letzten Wahl bekommen? 50? 100? Wir als Volksbegehreninitiatoren haben über 100 000 Unterschriften! Wir haben über 100 000 Unterschriften und somit mehr als jeder Abgeordnete, der hier sitzt! (Abg. Jeitler-Cincelli: Dann kandidieren Sie! – Zwischenrufe der Abgeordneten Kollross und Schmuckenschlager.) Also wer ist jetzt demokratischer – Sie als Vertreter, als Parteienvertreter oder wir mit dem Volksbegehren?

Es geht ja aber auch darum: Es ist ein sehr komplexes Thema – zweifelsohne! –, aber wer soll das jetzt entscheiden? Sollen das die Experten entscheiden, die gute Argumente dafür oder dagegen haben? Sollen das die Volksvertreter entscheiden, die sich so sehen, in Wirklichkeit aber eher als Sachwalter hier sitzen – oder? Sie sind in Wirklichkeit Sachwalter, Sie sind ja keine Volksvertreter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Herr, Kollross und Rössler.)

Wollen Sie das entscheiden oder wollen Sie das den Souverän – und das ist nun einmal das österreichische Volk! – entscheiden lassen? Es geht darum, ob Demokratie noch Volksherrschaft heißt oder ob Sie eigentlich ohnehin nur machen wollen, was Sie gerne machen und Ihnen das Volk eigentlich egal ist. Das ist in Wirklichkeit Ihre Ansicht, die dahintersteht.

Wir sind ganz klar dafür, das österreichische Volk soll entscheiden: Wenn es dafür abstimmt, dann ist es dafür, und wenn es dagegen abstimmt, dann ist es eben dagegen, aber eine Volksabstimmung hat ja auch immer eine sehr breite öffentliche Diskussion zur Folge. Die ist noch sehr viel breiter als der Umweltausschuss, in dem wir heute sitzen. – Danke.

Obmann Lukas Hammer nimmt zu dem Stellung, was Mag. Marschall gesagt hat, und meint, der Ausschuss habe sich sehr bemüht, dieses Volksbegehren mit aller Ernsthaftigkeit und Offenheit zu behandeln. Man habe sich Mühe gegeben, mit einem Livestream auch die Öffentlichkeit dieser Beratungen zu garantieren, hochrangige ExpertInnen hätten sich unentgeltlich Zeit genommen, dieses Thema hier zu diskutieren.

Der Obmann weist sowohl die Wortwahl von Mag. Marschall als auch dessen Botschaft auf das Schärfste zurück. Das Parlament sei das gesetzgebende Organ dieser Republik. Österreich sei eine repräsentative Demokratie mit direktdemokratischen Elementen, wie einem Volksbegehren. Von diesem direktdemokratischen Element hätten die InitiatorInnen des Volksbegehrens Gebrauch gemacht, die gerade um 482 Stimmen die Schwelle genommen haben, damit dieses Volksbegehren im Hohen Haus behandelt wird, wozu er, so der Obmann, Mag. Marschall auch zu Beginn der Sitzung gratuliert habe.

Obmann Hammer ist der Meinung, dass hier mit aller Ernsthaftigkeit diskutiert worden sei. Er finde es etwas bedauerlich, dass Mag. Marschall den Respekt gegenüber diesem Hohen Haus etwas vermissen habe lassen, worauf er auch nicht mehr näher eingehen wolle.

Statement der Bundesministerin

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich möchte noch mit einem Nachtrag zur vorherigen Frage beginnen.

Ich habe mich aufgrund der Fragestellung, was während der deutschen Ratspräsidentschaft passiert ist, sehr auf die europäische Ebene konzentriert. Ich möchte aber natürlich nachtragen, dass ein großer Teil unserer Bemühungen immer wieder sehr intensiv auf bilateraler Ebene passiert, und zwar geht es dabei um jedes Thema jeder Endlagerung, um jedes der grenznahen AKWs. Wir sind im laufenden Austausch mit den Behörden. Sie wissen, wir haben im Ministerium eine Abteilung, die sich hauptsächlich mit der Nuklearkoordination, Nuklearpolitik beschäftigt, und wir sind da wirklich intensiv und laufend beim Arbeiten.

Ich möchte Ihnen drei Beispiele von Themen nennen, die uns in letzter Zeit beschäftigt haben. Das ist natürlich ohne Zweifel Krško. Ich bin mit meinem Amtskollegen Vizjak in Slowenien auch laufend in Kontakt. Einerseits geht es um die Laufzeitverlängerung des bestehenden AKWs. Sie wissen, wir sind gegen Laufzeitverlängerungen, insbesondere gegen unbegrenzte, wie es schon in einigen Fällen passiert ist. Das heißt, wir haben eine UVP gefordert. Wir waren auch sehr intensiv bei den Verhandlungen dabei, und solche wird es auch für die Laufzeitverlängerung geben. Andererseits geht es darum, dass da ein Neubau geplant beziehungsweise ein solcher als Idee präsentiert wurde. Auch da gibt es intensive Verhandlungen darüber, dass bereits die Raumordnung, die man braucht, um den Neubau überhaupt einmal zu projektieren, einer UVP und damit auch einer grenzüberschreitenden UVP unterzogen wird. Das ist ein wichtiger Hebel für uns.

Dasselbe Thema ist Mochovce. Es gibt auch da intensiven Kontakt mit Kollegen Sulík, Sicherheitsbestimmungen einzuhalten und insbesondere auch den Sicherheitsüberprüfungsbericht der internationalen Kommission zu veröffentlichen. Antiatompolitik ist das Bohren dicker Bretter und eine Politik des Schritt für Schritt. Es ist gelungen, das wurde veröffentlicht – auch das ist ein Erfolg.

Es gab eine Frage betreffend Endlager. Hinsichtlich Tschechien ist das gerade intensiv in Diskussion, diese Frage haben wir aber natürlich rund um Österreich. Wir sind nach wie vor weiterhin mit derselben Energie gegen Endlager an der österreichischen Grenze. Tschechien hat nun vier Standorte in Prüfung und da bringen wir uns auch regelmäßig und intensiv ein. Es ist aber noch keine Entscheidung gefallen beziehungsweise auch noch nicht in Sicht.

Das führt mich zur Frage der Endlagerung in Österreich, die Sie gestellt haben. Ja, insbesondere aufgrund unserer prononcierten, exponierten und sehr deutlichen Positionierung auf europäischer Ebene haben wir auch die Verantwortung, dieses Thema in Österreich vorbildlich anzugehen – vollkommen klar. Das ist die letzten Jahre leider nicht mit Verve passiert. Wir haben es nun trotz Pandemie, trotz eines sicher anspruchsvollen Jahres für uns alle in Angriff genommen. Wir wollen in den nächsten Monaten damit auch in den Ministerrat, und zwar mit dem, woran gerade gearbeitet wird: Geschäftsordnung für die Kommission, Mandat für die Kommission, Frage der genauen Besetzung betreffend Experten, Zivilgesellschaft. (Abg. Kollross: Es ist jetzt nichts passiert!) Die Ministerien sind auf BeamtInnenebene quasi fertig. Wir arbeiten nun daran, dass es möglichst zeitnah in den Ministerrat kommt, dann haben wir auch den offiziellen Startschuss mit all dem Drumherum, das es dafür braucht.

Ich möchte noch kurz auf die Frage sozusagen des Anlasses des Volksbegehrens Euratom-Ausstieg Österreichs eingehen – ich habe das vorhin schon gestreift. Ich habe vorhin schon erwähnt, unsere Stimme in Kombination mit der Festlegung der Priorität für den Klimaschutz und mit der Festlegung, dass Atomkraft hierbei keine Rolle spielen darf, ist eine unverzichtbare Stimme in der Europäischen Union. Wir bringen diese selbstverständlich bei jeder Debatte ein, zum Beispiel gerade wieder beim Thema Forschungsausgaben, bei dem es auch darum geht, welche Euratom-relevanten Ausgaben von der Europäischen Gemeinschaft getätigt werden. Selbstverständlich sitzen wir da am Tisch und selbstverständlich bringen wir da unsere Position ein, und zwar bis zum Schluss. Eine meiner ersten Amtshandlungen als Ministerin war, dass wir Ratsschlussfolgerungen im Energiebereich wegen der Atomfrage blockiert haben, also wir bringen uns da in jedem Schritt wirklich sehr, sehr intensiv ein.

Für eines stehe ich aber nicht zur Verfügung, wie es Frau Abgeordnete Rössler auch so schön gesagt hat: Genauso wenig wie ich die Atomenergie über die Hintertür des Klimaschutzes diskutieren möchte, möchte ich auch nicht einen EU-Austritt über die Hintertür des Euratom-Vertrages diskutieren. Warum? – Es ist vollkommen klar, die Klimakrise ist eine große Aufgabe, ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die wir nur gemeinsam bewältigen werden. Dazu brauchen wir starke europäische Partner und Partnerinnen, deswegen ist ein Austritt aus der Europäischen Union sicher keine Option.

Die Rechtsdienste der Bundesregierung haben diesbezüglich auch eindeutig und bereits öfter geklärt, dass ein separater Austritt ohne den gleichzeitigen Austritt aus der EU nicht möglich ist. Daher verfolgen wir die Linie der Reform, weil es wichtig ist, dass gerade beim Thema Euratom Länder am Tisch sitzen, die prononciert, konsequent und auf Dauer bis zum Schluss eine andere Meinung vertreten. Aus dieser Sicht hätte ein Austritt sogar ein nuklearpolitisches Risiko, eine kontraproduktive Wirkung, weil er den Kernenergiebefürwortern in die Hände spielt, denn nur wenn wir mit am Tisch sitzen, können wir diese Position auch klar vertreten.

Was wir aber dringend brauchen – das habe ich vorhin schon gesagt –, ist eine Reform, und das ist ein langer Weg. Ich habe keine Illusion, dass das ein einfacher Weg wird, weil es für diese Reform des Primärrechts Einstimmigkeit braucht. Worauf wir aber hinarbeiten können und worauf wir uns derzeit konzentrieren, ist – ich habe es vorhin schon erwähnt –, im Rahmen der Diskussion rund um die Zukunft der Europäischen Union während der portugiesischen Ratspräsidentschaft dieses Window of Opportunity auch wirklich zu nützen und die Fragen auf den Tisch zu bringen, die wir bei Euratom brauchen.

Eine dieser Fragen wurde heute hier im Plenum bereits diskutiert, nämlich die Frage Zweckwidmung für bestimmte Budgetposten. Das ist momentan nicht möglich. Das wäre zum Beispiel eine der Fragen, die man diskutieren kann. Wir haben uns, um auf diese Diskussion bestmöglich vorbereitet zu sein, noch einmal von einer renommierten internationalen Rechtsanwältin ein Gutachten ausarbeiten lassen – das ist zurzeit in der Finalisierung –, um die Reformideen und vor allem auch die juristischen Hebel, die wir dafür zur Verfügung haben und die wir dafür nutzen können, auf den Punkt zu bringen.

Die Notwendigkeiten sind, glaube ich, klar. Wir müssen einen Förderzweck einführen, vor allem die immateriellen Begünstigungen beseitigen, die Sicherheitsbestimmungen ausbauen und Entscheidungsprozesse demokratisieren. Es gibt da also viel zu tun. Wir haben sehr unterschiedliche Ausgangslagen. Die Diskussion ist nicht mit einem Mal vorbei, sondern sie wird weitergehen, sie wird sich bei jeder einzelnen Frage stellen. Wir werden uns bei jeder einzelnen Frage einschließlich aller Euratom-Fragen immer und konsequent gegen die Atomenergie stellen.

Ich möchte mit einem Danke für das zivilgesellschaftliche Engagement gegen die Atomkraft schließen. Ganz egal, von welcher Richtung man es angeht, es ist eine gemeinsame Aufgabe. Ich möchte allen Organisationen ein Danke sagen, die sich in Österreich seit Jahren und Jahrzehnten gegen die Atomenergie einsetzen, von den Müttern gegen Atomgefahr, die, wann immer es möglich ist – nicht in Zeiten der Pandemie –, jeden Freitag Unterschriften sammeln, bis hin zu den auch grenzüberschreitend tätigen Organisationen wie Global 2000, die heute hier vertreten sind.

Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft. Wir brauchen ein starkes Backing, insbesondere auch in unseren Nachbarstaaten, damit wir dieser Stimme auch im europäischen Konzert noch mehr Gehör und ein größeres Gewicht geben können, als wir es jetzt schon bei jeder Gelegenheit nutzen. Deswegen schließe ich mit einem Danke an das langjährige intensive zivilgesellschaftliche Engagement in Österreich gegen die Nuklearenergie. Darauf bauen wir auf, damit arbeiten wir auch in diesem Hohen Haus weiter, in einem, glaube ich, sehr breit getragenen Schulterschluss für eine zukunftsfähige Energiepolitik auf der Basis der erneuerbaren Energien und gegen eine Energiepolitik aus dem letzten Jahrtausend auf Basis der Nuklearenergie.

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Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Ich möchte eigentlich nur etwas zur Geschäftsordnung sagen.

Frau Ministerin, ich habe Ihnen konkrete Fragen gestellt und hätte mir eigentlich auch konkrete Antworten erwartet. Deshalb noch einmal: Gibt es diese Kommission, die Frau Köstinger 2018 angekündigt hat? – Das kann man mit Ja oder Nein beantworten. Wer sitzt in dieser Kommission? – Da kann man aufzählen, wer dort drinnen sitzt. Hat die Kommission schon einmal getagt? – Da kann man auch mit Ja oder Nein antworten.

Ich möchte nicht hören, dass man sich da irgendwann im Ministerrat damit beschäftigt, sondern ich möchte Antworten auf die Fragen: Gibt es die Kommission, ja oder nein? Hat sie schon getagt, ja oder nein? Wer sitzt drinnen? – Bitte aufzählen!

Obmann Lukas Hammer merkt an, dass es sich, wenn die Abgeordneten mit der inhaltlichen Beantwortung ihrer Fragen nicht zufrieden sind, nicht um ein Thema der Geschäftsordnung, sondern um eine politische Frage handle. Es sei aber natürlich legitim, nachzufragen, weswegen er die Frau Bundesministerin bitte, noch näher auf die gestellten Fragen einzugehen.

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Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Ich habe mich der Frage sehr intensiv gewidmet, aber offensichtlich nicht deutlich genug. Wir arbeiten gerade mit allen Ministerien, die das mitbetrifft, an der Finalisierung des Mandats, an der Finalisierung der Geschäftsordnung und an der Finalisierung der TeilnehmerInnen. Das ist auf BeamtInnenebene in den finalen Zügen, das heißt, es braucht noch den Beschluss im Ministerrat, damit diese Kommission auch fachlich mit Mandat, mit Geschäftsordnung ihre Arbeit aufnehmen kann, also: noch nicht, kommt in Kürze.

Obmann Lukas Hammer erklärt, dass niemand mehr zu Wort gemeldet ist, und bedankt sich bei den Abgeordneten für die großteils sachliche Diskussion. Des Weiteren bedanke er sich auch bei den Expertinnen und Experten dafür, dass sie sich Zeit genommen haben. Ihre Expertise, so Obmann Hammer, sei sehr wertvoll gewesen und habe dem Ausschuss einen sehr differenzierten und sachlichen Blick auf die Thematik bieten können.

Er führt ferner aus, so wie die Diskussion gelaufen sei, sehe eine Mehrheit dieses Hauses und dieses Ausschusses nicht wirklich, dass ein Euratom-Ausstieg politisch sinnvoll und rechtlich möglich sei, es aber noch immer einen sehr, sehr starken Konsens betreffend die österreichische Antiatompolitik gebe.

Man sollte diese Diskussion über das Volksbegehren zum Anlass nehmen, um an einer parlamentarischen Initiative zu arbeiten. Er habe, so der Obmann, vernommen, dass es unter den Umweltsprecherinnen und Umweltsprechern der Fraktionen schon erste Gespräche diesbezüglich gegeben habe, seiner Meinung nach sei die heutige Diskussion eine gute Grundlage für einen gemeinsamen Antrag.

Abstimmung über den Antrag, die Verhandlungen zum gegenständlichen Volksbegehren zu vertagen. – Einstimmige Annahme. Die Verhandlungen sind somit vertagt.

Abschlussstatement des Bevollmächtigten des Volksbegehren Euratom-Ausstieg Österreichs

Mag. Robert Marschall: Wenn ich mir anschaue, wie das in der Zweiten Republik mit den Volksabstimmungen gelaufen ist, dann sieht man ja, es ist kein Thema von Euratom, sondern Sie wollen insgesamt keine Volksabstimmungen. Seit 26 Jahren, seit dem EU-Beitritt Österreichs, hat es keine einzige Volksabstimmung mehr gegeben. Sie wollen dieses direktdemokratische Mittel ja gar nicht in Anspruch nehmen.

Demokratie heißt Volksherrschaft, aber Sie wollen in Wirklichkeit die Demokratie in diesem Sinne nicht, Sie wollen nur Ihre eigene Parteimeinung vertreten, oder? Das ist der Punkt der Sache. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Kollross. – Obmann Hammer gibt das Glockenzeichen.)

Obmann Lukas Hammer sagt, Mag. Marschall habe die Möglichkeit gehabt, sich zu äußern, und er möchte noch einmal darauf aufmerksam machen, dieser sitze hier im Umweltausschuss des Nationalrates im Hohen Haus und es habe hier eine wirklich inhaltliche, sachliche Debatte über das von ihm initiierte Volksbegehren gegeben. Man habe ihm, Marschall, den notwendigen Respekt entgegengebracht, den er, so Obmann Hammer, von dessen Seite den Abgeordneten gegenüber als gewählte Volksvertreter und Volksvertreterinnen dieser Republik etwas vermissen habe lassen.

Die Tagesordnung sei erschöpft.

Abschließend wünscht der Obmann allen einen schönen Nachmittag und schließt die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 12.35 Uhr