735 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1301/A der Abgeordneten Christoph Zarits, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden

sowie

über den Antrag 800/A(E) der Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der Regelungen für Homeoffice/Telearbeit

Antrag 1301/A

Die Abgeordneten Christoph Zarits, Mag. Markus Koza, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 24. Februar 2021im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Mit dem vorliegenden Entwurf werden arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen betreffend Arbeiten im Homeoffice geschaffen.

Im Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) sind die arbeitsvertragsrechtlichen Bestimmungen zum Homeoffice enthalten. Wesentlich ist die Vorgabe, dass Homeoffice nur im Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragsparteien begründet werden kann.

Bei Homeoffice erbringen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung unter Verwendung von Informationstechnologien in ihrer Privatwohnung, diese gilt als auswärtige Arbeitsstelle gemäß § 2 Abs. 3 letzter Satz ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG). Die meisten Bestimmungen des ASchG samt Verordnungen, wie beispielsweise die Regelungen zur Arbeitsplatzevaluierung, Information und Unterweisung und Präventivdienstbetreuung, kommen auch bei Homeoffice zur Anwendung. Arbeitsstättenbezogene Arbeitsschutzvorschriften gelten hingegen nicht für Arbeiten im Privathaushalt. Trotzdem sind Themen wie z.B. Belichtung und Raumtemperatur in der Arbeitsplatzevaluierung zu berücksichtigen.

Für Homeoffice kommen das Arbeitszeitgesetz (AZG) und das Arbeitsruhegesetz (ARG) uneingeschränkt zur Anwendung. In § 2 Abs. 2 AZG wird auch ausdrücklich festgehalten, dass eine Beschäftigung eines Arbeitnehmers ‚in seiner eigenen Wohnung oder sonst außerhalb des Betriebs‘ als Arbeitszeit gilt.

Die gesetzlichen Neuregelungen sollen bis Ende 2022 evaluiert werden, um Verbesserungspotentiale so rasch wie möglich erkennen und gegebenenfalls umsetzen zu können.

Bedingt durch die COVID-19-Krise hat das berufliche Arbeiten von zu Hause aus (im Homeoffice) zugenommen. Eine gesetzliche Regelung der Arbeit im Homeoffice soll im Arbeitsrecht insbesondere im Lichte dieser Erfahrungen umgesetzt werden.

Die stetige technologische Weiterentwicklung im Bereich der Digitalisierung, insbesondere in der Kommunikations- und Informationstechnologie, beeinflusst die heutige Arbeitswelt in starkem Ausmaß und ermöglicht für eine große Zahl von Arbeitnehmern ein flexibleres Arbeiten. Insbesondere wird damit auch das Arbeiten von zuhause aus vereinfacht, sodass ein berufliches Tätigwerden für den Arbeitgeber nicht immer eine physische Präsenz in den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten notwendig macht. Die Praxis der letzten Jahre hat gezeigt, dass berufliches Arbeiten im Homeoffice zugenommen hat. Durch die COVID-19-Krise wird dieser Trend verstärkt werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG (‚Arbeitsrecht‘ und ‚Sozialversicherungswesen‘).

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes):

Im § 2h Abs. 1 wird als strukturierende Vorgabe für die Neuregelung eine Definition von Arbeit im Homeoffice vorgenommen. Der Begriff Arbeit im Homeoffice umfasst die Erbringung von Arbeitsleistungen in der Privatwohnung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, aber nicht etwa in einem öffentlichen Coworking Space. Der Begriff umfasst auch ein Wohnhaus und schließt auch eine Wohnung (Wohnhaus) in einem Nebenwohnsitz oder die Wohnung eines nahen Angehörigen oder Lebensgefährten ein. Arbeit im Homeoffice bedeutet nicht nur die Erbringung der Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik, sondern umfasst auch die Erbringung von Arbeitsleistungen mit anderen Mitteln im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wie zB die Bearbeitung von Papierunterlagen.

Um Homeoffice begründen zu können, bedarf es jedenfalls einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber, da die Verlagerung des Ortes der Erbringung der Arbeitsleistung regelmäßig eine grundlegende Abweichung von der bisherigen arbeitsvertragsrechtlichen Vereinbarung ist. Die Vereinbarung eines einseitigen Weisungsvorbehalts des Arbeitgebers, ob überhaupt Homeoffice ausgeübt wird, ist nicht zulässig, da dies dem Grundsatz widerspricht, dass Arbeiten im Homeoffice grundsätzlich einvernehmlich festzulegen ist. Das Fehlen der Schriftlichkeit führt nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung. Es bedarf auch keiner Unterschrift in der Vereinbarung, diese auch kann im elektronischen Weg (betriebliche IT-Tools, Handy-Signatur, E-Mail) zustande kommen.

Grundsätzlich ist die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber zur Bereitstellung von gegebenenfalls erforderlichen digitalen Arbeitsmitteln im Zusammenhang mit regelmäßigem Arbeiten im Homeoffice verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht dann nicht, wenn die Ausübung von Homeoffice lediglich im Anlassfall (‚Eintagsfliege‘) erfolgt ist, ohne dass von den Arbeitsvertragsparteien weitere regelmäßige Einsätze im Homeoffice beabsichtigt wären. Werden ausnahmsweise digitale Arbeitsmittel von der oder dem Beschäftigten bereitgestellt, hat die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber einen angemessenen und erforderlichen Kostenersatz zu leisten. Unter digitalen Arbeitsmitteln sind die erforderliche IT-Hardware und Software, die tatsächlich notwendige Datenverbindung und erforderlichenfalls ein Diensthandy zu verstehen. Unter einer abweichenden Vereinbarung im Sinne des § 2h Abs. 3 ist sowohl eine Einzelvereinbarung als auch eine Betriebsvereinbarung zu verstehen.

Wesentlich ist, dass Homeoffice als grundlegende Abweichung von der im Arbeitsvertrag festgelegten Art der Erbringung der Arbeitsleistung einer Änderung des Arbeitsvertrages bedarf. Dementsprechend kann Homeoffice nur im Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart werden. Weder soll Homeoffice einseitig durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber angeordnet werden können, noch soll die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Homeoffice haben. Homeoffice soll freiwillig und im Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragspartnern festgelegt und gestaltet werden. Die Vereinbarung hat im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien schriftlich zu erfolgen, siehe dazu oben.

Im Homeoffice gelten die gleichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen wie im Büro (insbesondere DSGVO und DSG). In der Vereinbarung können folgende datenschutzrechtliche Fragestellungen berücksichtigt werden:

-       Festlegung der datenschutzrechtlichen Verantwortung für die Datenverarbeitung und die Datensicherheit im Homeoffice, insbesondere, wenn mit digitalen Arbeitsmitteln des Arbeitnehmers gearbeitet wird;

-       Auflagen zur sicheren Verwahrung von Zugangsdaten und Passwörtern zu digitalen Geräten im Homeoffice;

-       Vorgaben für die sichere Verwahrung des digitalen Gerätes sowie von Datenträgern und Ausdrucken;

-       Sichere Löschung von personenbezogenen Daten auf den digitalen Geräten des Arbeitnehmers;

-       Verwendung von externen Datenträgern und deren Absicherung (zB Verschlüsselung);

-       Hinweise auf die ebenso im Homeoffice geltende Meldepflicht für Datenschutzverletzungen (Data Breach) sowie die Haftung für Schäden durch Datenschutzverletzungen.

§ 2h Abs. 4 sieht eine vorzeitige Auflösungsmöglichkeit für die Vereinbarung aus wichtigem Grund vor. Dieser kann etwa in wesentlichen Veränderungen der betrieblichen Erfordernisse oder wesentlichen Veränderungen der Wohnsituation der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers gelegen sein, die die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice nicht mehr erlauben. Darüber hinaus können in der Vereinbarung Befristungen oder Kündigungsregelungen enthalten sein.

Zu Art. 2 (Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes):

Derzeit gibt es im Arbeitsverfassungsgesetz keinen eigenen Betriebsvereinbarungstatbestand zum Thema Homeoffice. Sofern Homeoffice Betriebsvereinbarungstatbestände des Arbeitsverfassungsgesetzes berührt, können bzw. müssen Regelungen zum Homeoffice durch Betriebsvereinbarung getroffen werden: Eine Arbeitszeitbetriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs. 1 Z 2 ArbVG kann Sonderregelungen für Homeoffice enthalten; Regelungen zur Kostentragung im Zusammenhang mit Homeoffice können unter dem Tatbestand des § 97 Abs. 1 Z 12 ArbVG getroffen werden; Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, bedürfen einer Betriebsvereinbarung iSd § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG oder der Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer/innen gemäß § 10 Abs. 1 AVRAG; der Einsatz von technischen Systemen zur Erfassung von Arbeitnehmer/innen/daten unterliegt der Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 96a Abs. 1 ArbVG.

Darüber hinaus können allgemeine Rahmenbedingungen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, wenn durch Kollektivvertrag die Möglichkeit einer Betriebsvereinbarung eröffnet wurde.

Durch die vorliegende Regelung soll ein eigener Betriebsvereinbarungstatbestand unabhängig von einer etwaigen kollektivvertraglichen Regelung und somit für sämtliche Branchen geschaffen werden. Mit dieser Betriebsvereinbarung ist eine Regelung von Homeoffice auf betrieblicher Ebene möglich; dazu gehören auch jene Aspekte, die sonst unter andere freiwillige Betriebsvereinbarungstatbestände fallen, wie die Regelung des (pauschalen) Kostenersatzes.

Unter dem Begriff ‚Rahmenbedingungen‘ sind insbesondere folgende Regelungsgegenstände zu verstehen: Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren private Nutzung, das Rückkehrrecht vom Homeoffice und Regelungen zum (pauschalen) Kostenersatz.

Unberührt bleibt eine allfällig notwendige Betriebsvereinbarung gemäß § 96 bzw. § 96a ArbVG. Auch im Zusammenhang mit Homeoffice ist für Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich. Wird durch Homeoffice ein System zur automationsunterstützten Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers iSd § 96a Abs. 1 Z 1 ArbVG eingeführt, so bedarf dies der ersetzbaren Zustimmung des Betriebsrates.

Homeoffice ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu vereinbaren. Die Betriebsvereinbarung über Homeoffice soll die zu regelnden Rahmenbedingungen auf betrieblicher Ebene festlegen und somit eine Grundlage für die Einzelvereinbarung gemäß § 2h AVRAG bilden können.

Bereits abgeschlossene Betriebsvereinbarungen, die sich auf bisherige Tatbestände des ArbVG beziehen, werden durch die nunmehrige Änderung nicht berührt.

Zu Art. 3 (Änderung des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes):

Das DHG gilt bereits jetzt für durch die Dienstnehmerin oder den Dienstnehmer begangene Verletzungen der Aufsichtspflicht gegenüber (unmündigen) Kindern und Haustieren, die Schäden an den im Homeoffice verwendeten digitalen Arbeitsmitteln oder abgespeicherten Arbeitsergebnissen (zB. Bauplänen) verursachen. Mit der Neuregelung sollen vom DHG auch Beschädigungen dieser Arbeitsmittel und Arbeitsergebnisse erfasst werden, die haushaltsangehörige Personen herbeigeführt haben.

Zu Art. 4 (Änderung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993):

Im Rahmen des Homeoffice-Maßnahmenpakets ist man übereingekommen, im ArbIG ausdrücklich zu normieren, dass das Arbeitsinspektorat kein Betretungsrecht für Wohnungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Homeoffice besitzt.

Ein Betreten mit Zustimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist weiterhin zulässig. Arbeitsinspektionsorgane dürfen daher auf Verlangen einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers einen Homeoffice-Arbeitsplatz vor Ort besichtigen. Eine Einschränkung dieses Rechts der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würde den verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten der in den Privathaushalten lebenden Personen widersprechen (Recht der Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 7 der Charta der Grundrechte der europäischen Union, und die Unverletzlichkeit des Hausrechts, Art. 9 des Staatsgrundgesetzes).

Die Einschränkung des Betretungsrechts kommt nur in Zusammenhang mit Homeoffice zur Anwendung. Es gilt insbesondere nicht, wenn eine Wohnung gewerblich genützt wird, ebenso nicht, wenn es sich um einen Wohnraum oder eine Unterkunft nach § 4 Abs. 1 handelt oder wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Unternehmen andere Arbeiten als Homeoffice in Wohnungen durchführen (z.B. Bauarbeiten).

Zu den Art. 5 und 6 (§§ 49 Abs. 3 Z 31, 175 Abs. 1a und 1b sowie § 734 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz; § 90 Abs. 1a und 1b sowie § 257 Abs. 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz):

Zu Art. 5 Z 1:

Für berufliche Tätigkeiten im Homeoffice sollen mit Wirkung vom 1. Jänner 2021 steuerrechtliche Sonderregelungen Platz greifen. So wird u. a. normiert, dass der Wert der den Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten digitalen Arbeitsmittel sowie ein Homeoffice-Pauschale steuerfrei sind.

Dieser ‚Wert‘ und dieses Pauschale sollen ab demselben Zeitpunkt und – bezüglich des Pauschales – bis zur selben Höhe auch beitragsfrei gestellt werden.

Zu Art. 5 Z 2 bis 4 sowie zu Art. 6:

Durch die vorgeschlagenen Bestimmungen sollen die durch das 3. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 23/2020, im ASVG und im B-KUVG vorgesehenen unfallversicherungsrechtlichen Sonderregelungen zum Thema Homeoffice ins Dauerrecht übergeführt und somit weiterhin eine unfallversicherungsrechtliche Gleichbehandlung des Homeoffice mit der Beschäftigung direkt in der Arbeits- oder Ausbildungsstätte sichergestellt werden. Es soll hierbei allerdings die Definition des Homeoffice im § 2h Abs. 1 AVRAG übernommen werden, wonach Arbeit im Homeoffice dann vorliegt, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer Arbeitsleistungen in der Wohnung übernimmt. Der Begriff umfasst auch ein Wohnhaus und schließt ebenso eine Wohnung (Wohnhaus) in einem Nebenwohnsitz oder die Wohnung eines nahen Angehörigen oder eines Lebensgefährten ein.

Darüber hinaus wird ein redaktionelles Versehen im Zusammenhang mit den jeweils im ASVG bzw. im B-KUVG anzuwendenden Tatbeständen rückwirkend berichtigt und im § 90 Abs. 1a B-KUVG der bisher bestehende Begriff ‚Arbeitsunfall‘ an die im B‑KUVG übliche Diktion ‚Dienstunfall‘ angepasst.

Hingewiesen wird darauf, dass die Bezeichnung ‚Homeoffice‘ nicht ausschließt, dass Tätigkeiten aufgrund inhaltlich vergleichbar gestalteter Regelungen (vgl. zB das Bundesdienstrecht - § 36a des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 133/1979, in dem die Möglichkeit der Telearbeit geregelt wird) verrichtet werden und daher vom Schutzbereich der Norm des § 90 Abs. 1a und 1b B-KUVG mitumfasst sind. Auch ist es für die unfallversicherungsrechtliche Absicherung nicht erforderlich, dass die Arbeitsleistungen regelmäßig im Homeoffice erbracht werden.

Zu § 175 Abs. 1b iVm Abs. 2 Z 7 ASVG bzw. § 90 Abs. 1b iVm Abs. 2 Z 6 B-KUVG ist anzumerken, dass dadurch – wie auch bei der Arbeitsleistung am Betriebsort – jene Wege eines Dienstnehmers oder einer Dienstnehmerin geschützt werden, die zur Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisses in der Nähe der Wohnung dienen, sowie auch die Befriedigung dieser Bedürfnisse selbst. Es ist folglich gerechtfertigt, dass Einkäufe zum Mittagessen im Supermarkt bzw. der Besuch eines Gasthauses unfallversicherungsrechtlich auch dann geschützt werden, wenn diese vom Homeoffice (und nicht von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte) aus angetreten werden. Nicht vom Schutzbereich der Norm sind daher – entsprechend der allgemeinen Regel – solche Unfälle umfasst, die sich erst nach Beendigung der Arbeit bzw. in den Arbeitspausen etwa bei der Erledigung des Tages- oder Wocheneinkaufs für die folgenden Tage ereignen.

Zu den §§ 175 Abs. 1b iVm Abs. 2 Z 10 ASVG bzw. 257 Abs. 1b iVm Abs. 2 Z 9 B-KUVG wird angemerkt, dass Wege zur oder von der Kinderbetreuungseinrichtung, Tagesbetreuung oder Schule selbstverständlich auch dann geschützt sind, wenn sie vom Homeoffice aus angetreten werden oder wieder dorthin zurückführen. Die Klarstellung ist erforderlich, da der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. September 1994, 10 ObS 199/94, den Unfallversicherungsschutz für eine solchen Weg verneint hat, weil im konkreten Fall Arbeitsort und Betriebsstätte identisch waren.

Auf Grund der Übernahme ins Dauerrecht sind die in den § 734 Abs. 2 ASVG bzw. § 257 Abs. 2 B‑KUVG enthaltenen Verordnungsermächtigungen des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz als gegenstandslos aufzuheben.“

Entschließungsantrag 800/A(E)

Die Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 9. Juli 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Corona-Krise hat die Arbeitswelt der ÖsterreicherInnen massiv verändert: angesichts der Empfehlung der österreichischen Bundesregierung, so viele Beschäftigte wie möglich von zu Hause aus arbeiten zu lassen, um das Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 am betrieblichen Arbeitsplatz zu reduzieren, stieg der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice stark an. Eine im Auftrag der Arbeiterkammer Wien durchgeführte Befragung im April 2020 kommt in diesem Zeitraum auf einen Anteil von 42 %. Der deutliche Anstieg zeigt sich im Vergleich mit einer Erhebung von Eurostat. Demzufolge arbeiteten im Jahr 2018 rund 5,2% der Beschäftigten in Europa üblicherweise im Homeoffice; für Österreich weist diese Erhebung einen Anteil von 10% aus. Der Anteil jener, die manchmal von zuhause aus arbeiten stieg in der EU von 5,8% 2008 auf 8,3% im Jahr 2018.

Umfragen und Medienberichten zufolge hat sich ein hoher Anteil der ArbeitnehmerInnen mit dem unerwarteten Homeoffice gut arrangiert und könnte sich auch für die Zukunft eine Mischung aus Arbeitszeit im Büro und zu Hause vorstellen. Eine Studie von IFES im Auftrag der Arbeiterkammer Wien vom Frühjahr 2020 untermauert diesen Befund. Eine Umfrage von karriere.at (Quelle Kurier vom 18.6.2020) ergibt, dass 72 % der Arbeitnehmer nicht jeden Tag im Homeoffice sein wollen, aber zumindest hin und wieder wählen können wollen.

Homeoffice heißt jedoch nicht, dass man sich an keine Regeln halten muss, auch im Homeoffice oder bei der Telearbeit gilt das Arbeitsrecht. Jedoch zeigt der Befund der Corona-Krise, dass es im österreichische Arbeitsrecht einen Präzisierungsbedarf gibt, wonach auch am heimischen Schreibtisch ebenso wie im Büro die Arbeitnehmerschutzrechte berücksichtigt werden müssen. Sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit der ArbeitnehmerInnen muss erhalten werden. Das ist nicht nur im Sinne der Betroffenen, sondern auch der ArbeitgeberInnen und des Gesundheitssystems.

Die Arbeitsbedingungen müssen menschengerecht sein, die Vorteile des Homeoffice sollen genutzt werden, um durch mehr Autonomie auch mehr Zufriedenheit auszulösen. Damit das funktionieren kann, bedarf es grundlegender Schutznormen, auch zum Schutz vor Selbstausbeutung. Die Arbeitszeitregeln aus AZG und Kollektivverträgen oder auch die technische Arbeitssicherheit und der Datenschutz müssen im Interesse aller auch im Homeoffice tatsächlich zur Anwendung kommen.

Die Spielregeln und die Umstände, unter denen im Homeoffice gearbeitet wird, müssen denen im Betrieb entsprechen und zu den wechselseitigen Bedürfnissen passen. Daher sind branchenspezifische und betriebsangepasste Lösungen in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen richtig und wichtig, um die Spielregeln zu definieren und den Arbeitsvertragsparteien Rechtssicherheit zu geben. Immerhin gab mehr als die Hälfte der von IFES befragten ArbeitnehmerInnen (Quelle AK, 2020) an, dass Homeoffice bei ihrer Arbeit grundsätzlich gar nicht möglich sei, weil die Arbeit nicht aus dem Homeoffice erledigt werden könne. Bei der Einführung von Homeoffice über die Krisensituation hinaus muss auch die betriebliche Kultur so gestaltet werden, dass sie gesundes Arbeiten bis zur Pension ermöglicht. Themen wie Kommunikation, Karriereplanung, Gesundheit, klare Abgrenzung von Privatleben und Beruf sowie Schutz vor Selbstausbeutung müssen deutlich kommuniziert und gelebt werden. Homeoffice und die gleichzeitige Betreuung von Kindern funktionieren schlecht – auch das ist eine Lehre aus der Corona­Krise.

Damit Homeoffice/Teleworking zu einer wirklichen Alternative für die Zukunft wird und zu guten Arbeitsbedingungen führt, sind einige Rahmenbedingungen nötig:

-       Generell muss geregelt werden, welche Fragestellungen und Regelungen in Betriebsvereinbarung festgelegt werden sollen, um den rechtlichen und sozialen Herausforderungen der Arbeit im Homeoffice passend zur Betriebskultur und den Bedürfnissen der AN gerecht zu werden – die Schaffung eines eigenen Betriebsvereinbarungstatbestands in § 97 Abs. 1 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) wird angestrebt, der einer Schlichtung gem. Abs. 2 zugänglich sein soll, sofern sie nicht Angelegenheiten der §§ 96 und 96a ArbVG betreffen

-       Um Arbeitnehmerschutz auch bei Homeoffice-Arbeitsplätze sicher zu stellen, soll eine verpflichtende Belehrung durch den Dienstgeber stattfinden müssen, vergleichbar mit der Belehrungspflicht bei der Arbeit mit gefährlichen Stoffen.

-       Es bedarf eines Gleichbehandlungsgebots zwischen ArbeitnehmerInnen, sodass es einen gleichen Zugang zu Homeoffice/Telearbeit gibt. Insbesondere soll dies auch hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten, der betrieblichen Weiterbildung und der gleitenden Arbeitszeit. Im Streitfall soll der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin beweisen müssen, dass eine Benachteiligung nicht wegen der Ausübung der Arbeitstätigkeit an einer auswärtigen Arbeitsstelle erfolgte.

-       Die gesetzliche Regelung des § 1157 Abs. 1 ABGB (Fürsorgepflicht des Dienstgebers) ist derzeit abdingbar. Die Regelung soll explizit für Arbeitsverhältnisse gelten und unabdingbar werden. Auch regelmäßige Beiträge für die Infrastruktur wie z.B. Mietkosten, Strom, Internetkosten müssen vom Betrieb ersetzt werden. Pauschale Abgeltungen oder genauere Festlegungen sollen mit Betriebsvereinbarung festgelegt werden können.

-       Die bis 31.12.2020 befristete Klarstellung des Unfallversicherungsschutzes (derzeit § 175 Abs. 1a und 1b ASVG) für die Arbeit im Homeoffice/in Telearbeit sollte unbefristet verlängert werden.

Auch hinsichtlich Datensicherheit im Homeoffice sind einige Fragen zu präzisieren. Datensicherheit ist für alle Parteien im Arbeitsverhältnis gefordert, die technische Absicherung muss die Arbeitgeberin organisieren. Datensicherheit darf aber nicht als Feigenblatt dienen, um in eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der ArbeitnehmerInnen auszuarten. Die Privatsphäre der AN im Homeoffice, also in ihren privaten Räumlichkeiten, muss sichergestellt sein.

-       Klargestellt muss werden, dass die ArbeitgeberIn alle Betriebsmittel wie z.B. Diensthandy, Computer, VPN-Netzwerke stellt und auch für die technische Datensicherheit sorgen muss.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Entschließungsantrag 800/A(E) in seiner Sitzung am 26. November 2020 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Christian Drobits die Abgeordneten Mag. Ernst Gödl, Mag. Gerald Loacker, Mag. Markus Koza sowie die damalige Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend Mag. (FH) Christine Aschbacher. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

In seiner Sitzung am 11. Februar 2021 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Entschließungsantrag 800/A(E) erneut in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Christian Drobits, Mag. Gerald Loacker, Mag. Markus Koza, Rebecca Kirchbaumer, Mag. Verena Nussbaum, Dr. Dagmar Belakowitsch, August Wöginger sowie der Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch. Die Verhandlungen wurden vertagt.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Initiativantrag 1301/A in seiner Sitzung am 17. März 2021 erstmalig sowie den Entschließungsantrag 800/A(E) erneut in Verhandlung genommen. Als Berichterstatterin zum Initiativantrag 1301/A fungierte die Abgeordnete Bettina Zopf. In der Debatte meldeten sich die Abgeordneten Bettina Zopf, Mag. Christian Drobits, Mag. Gerald Loacker, Dr. Dagmar Belakowitsch, Mag. Klaus Fürlinger, MMMag. Gertraud Salzmann, Mag. Markus Koza, Mag. Verena Nussbaum sowie der Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, F, G, dagegen: N) beschlossen.

 

Der Entschließungsantrag 800/A(E) gilt als miterledigt.

 

Ein von der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm im Zuge der Debatte gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR eingebrachter selbständiger Antrag auf Beschlussfassung einer Entschließung betreffend Rolle des Arbeitsministeriums in der Causa „Hygiene Austria“ fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, dagegen: V, G, N).

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 03 17

                                   Bettina Zopf                                                                   Josef Muchitsch

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann