749 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Kulturausschusses

über den Antrag 287/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Verhinderung von Machtmissbrauch und sexueller Gewalt in Kulturinstitutionen

Die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 22. Jänner 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In den letzten Jahren hat sich rund um die #metoo-Bewegung, den Fall Werdenigg oder die Festspiele Erl verdeutlicht, dass der Sport-und Kulturbereich für Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt offensichtlich besonders anfällig ist.

In einem umfassenden Artikel behandelte die Washington Post vom 26. Juli 2018 zahlreiche Fälle in der Musikbranche, in der Machtverhältnisse ausgenutzt wurden und sexuelle Übergriffe stattfanden, sowie wie damit umgegangen wurde. So seien Künstlerinnen mitunter der Ansicht, dass dieses massive Fehlverhalten "normal" sei, weil ihnen dies offensichtlich so vermittelt wird bzw. wurde.[1]

Bereits im Jahr 2015 hat eine Befragung der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ergeben, dass Musikerinnen deutlich häufiger mit sexueller Belästigung konfrontiert sind als andere Berufsgruppen. Das betrifft auch bereits die Ausbildung.[2]

Am Beispiel der Festspiele Erl hat sich gezeigt, dass mit Vorwürfen von Machtmissbrauch und sexuellem Missbrauch sehr zögerlich umgegangen wird. Monate sind vergangen, bevor es Konsequenzen gab und auch diese waren nur halbherzig.

Ähnlich geartete Beispiele wie am Amsterdamer Concertgebouw Orchester, das seinen Chefdirigenten nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung im Sommer 2018 sofort entlassen hatte oder die New Yorker Metropolitan Oper, die sich nach Missbrauchsvorwürfen im März aufgrund von Vorwürfen von ihrem Dirigenten trennte oder im Jänner das Royal Philharmonie Orchestra London, zeigen, dass es auch anders geht.[3],[4]

Daraus sind entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Dringend notwendig ist nun eine umfassende Aufklärung und Aufarbeitung dieser Fälle; Schutz, Hilfe und Unterstützung für die Opfer sowie Präventionsmaßnahmen, damit so etwas nie wieder passiert.

Ein offensiver Umgang mit der Thematik ist notwendig. Gewalt, sexueller Missbrauch und Machtmissbrauch dürfen nicht verharmlost werden. Die angestoßene öffentliche Debatte darf nicht im Sand verlaufen.

Im Sinne der Aufklärung, der Aufarbeitung, des Opferschutzes und der Prävention bei Machtmissbrauch, sexueller Belästigung und sexueller Gewalt in Kulturinstitutionen und kulturellen Ausbildungseinrichtungen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden Entschließungsantrag“

 

Der Kulturausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 17. März 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Thomas Drozda die Abgeordneten Mag. Agnes Sirkka Prammer, Maria Großbauer, Rosa Ecker, MBA und Ing. Mag. Volker Reifenberger sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Mag. Andrea Mayer.

 

Ein Antrag, den Präsidenten des Nationalrates zu ersuchen, den gegenständlichen Verhandlungsgegenstand dem Justizausschuss zuzuweisen, fand keine Mehrheit (für den Antrag: F, dagegen: V, S, G, N).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Maria Großbauer, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Thomas Drozda, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Vertrauensstelle Machtmissbrauch eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Fälle von Machtmissbrauch im Österreichischen Kunst-, Kultur- und Sportbetrieb haben in den letzten Jahren immer wieder negative Schlagzeilen gemacht. Sexualisierte Übergriffe auf die Ex-Skifahrerin Nicola Werdenigg, die Causa Gustav Kuhn bei den Festspielen in Erl, der Fall des zu einer Haftstrafe verurteilten Ex-Rektors des Mozarteums und letztlich auch die Zustände in der Ballettschule der Wiener Staatsoper haben gezeigt, wie autoritäre bzw. patriarchale Strukturen in Kunst, Kultur und Sport zu Missbrauchsfällen führen können. Die Parallelen sind dabei nicht zu übersehen: Sowohl in der Kunst und Kultur als auch im Sport wird intensiv und isoliert geprobt und trainiert, es herrschen oft ausgeprägte Hierarchien und existenzielle Abhängigkeiten von übergeordneten Entscheidungsträger*innen.

Die Einrichtung einer Vertrauensstelle gegen Machtmissbrauch im Kunst-, Kultur- und Sportbereich ist deshalb dringend notwendig. Bei dieser neu zu bildenden Institution soll bewusst über sexualisierte Gewalt hinaus Machtmissbrauch im Allgemeinen als Anknüpfungspunkt dienen. Nicht immer ist der Missbrauch von Macht unmittelbar oder initial ein sexualisierter, auch kann er in emotionaler oder auch physischer Gewalt seinen Ausdruck finden. Die Vertrauensstelle soll als erster Anlaufpunkt für Betroffene fungieren und gleichzeitig die bestehenden Angebote nutzen und gegebenenfalls zu diesen weiterleiten. Vor allem soll sie auch an die Fördergeber*innen Bericht erstatten, um über eine mögliche wirkungsvolle, generalpräventive Sanktionsbedrohung verfügen zu können sowie proaktiv in der Präventionsarbeit Bewusstsein stiften.“

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 287/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.     diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 287/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.     die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 03 17

              Hermann Weratschnig, MBA MSc                                         Mag. Eva Blimlinger

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau



[1] https :/Iwww.washingtonpost.com/entertainment/music/assauIts-in-dressing-rooms-groping-during-lessons­classical-musicians-reveal-a-profession-rife-with-harassment/2018/07 /2S/f4 7617 dO-36c8-11e8-acdS-35eac230e514 story.htm/?utm term=.decd40068603

[2] https://wien.orf.at/news/stories/2701538/

[3] https://www.wienerzeitung.at/themen_channel/musik/klassik_oper/980519_Amsterdamer-Concertgebouw-entlaesst-Chefdirigent-Gatti.html

[4] https ://www.swr.de/swr2/musik/washington-post -dokumentiert-sexuelle-belaestigung –im-klassikbetrieb/­lid=661124/did=22165778/nid=661124/1j47tf/index.html