Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Bundesfinanzgerichtsgesetz geändert werden

 

Vereinfachte wirkungsorientierte Folgenabschätzung

 

Einbringende Stelle:

Bundesministerium für Justiz

Vorhabensart:

Bundesgesetz

Laufendes Finanzjahr:

2021

 

Inkrafttreten/

Wirksamwerden:

2021

 

Vorblatt

 

Problemanalyse

In folgenden Angelegenheiten der Gerichtsorganisation hat sich legistischer Handlungsbedarf ergeben:

- Justizbedienstete sehen sich in zunehmendem Maße übergriffigem oder gar bedrohendem Verhalten ausgesetzt. Die geltende Sicherheitsrichtlinie des Bundesministeriums für Justiz regelt zwar bereits die – von Justizbediensteten auszuübende – Funktion der Sicherheitsbeauftragten, jedoch fehlt bislang eine gesetzliche Verankerung dieser Funktion. Ebenso fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die Einrichtung von zentralen Anlaufstellen in Bedrohungsfällen, die künftig wichtige Aufgaben im Bereich des Bedrohungsmanagements wahrnehmen sollen.

- Die bereits seit einigen Jahren bei mehreren Gerichten und Staatsanwaltschaften eingerichteten Justiz-Servicecenter (JSc) sind erste Anlaufstellen der rechtsuchenden Bevölkerung und ein bewährtes Instrument eines zeitgemäßen und effektiven Bürgerservice. Derzeit ist die Zuständigkeit der einzelnen JSc jedoch auf jene Dienststelle oder Dienststellen beschränkt, für die es errichtet ist. Mit der Einrichtung zentraler JSc, die unabhängig vom Standort alle Gerichte und Staatsanwaltschaften betreuen, könnte das Bürgerservice noch weiter verbessert werden.

 

Darüber hinaus haben sich in der gerichtlichen Praxis folgende weitere anpassungsbedürftige Punkte ergeben, die keine grundsätzlichen Aspekte der Gerichtsorganisation betreffen:

- Die Sicherheitsrichlinie der Bundesministerin oder des Bundesministers für Justiz ist derzeit noch nicht im Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) verankert.

- § 32 Abs. 5 GOG zielt darauf ab, dass mit Strafverfahren, die Sexualdelikte zum Gegenstand haben, gebündelt speziell geschulte Richterinnen und Richter befasst werden, die über besondere Kenntnisse und ausreichende Erfahrung im Umgang mit den Opfern solcher Straftaten verfügen sollen. Die Bestimmung umfasst bislang keine Verfahren nach § 107b Abs. 3a Z 3 StGB, wobei es sich, wie vom Obersten Gerichtshof aufgezeigt, um eine nachträglich eingetretene planwidrige Lücke handelt.

- Gem. § 78b Abs. 2 GOG können zur Unterstützung der Visitatorin oder des Visitators nur Richterinnen und Richter der Landesgerichte mit Aufgaben der inneren Revision betraut werden. In der Praxis wird aber auch die Einbeziehung erfahrener Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte gewünscht, die über alltägliche Praxiserfahrung in speziellen Gebieten, wie etwa dem Erwachsenenschutzverfahren und Exekutionsverfahren, verfügen.

- § 80 Abs. 2 und 3 GOG regelt, dass die Führung der Register und der sonstigen Geschäftsbehelfe nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten mit Hilfe der Verfahrensautomation Justiz (VJ) zu erfolgen hat und die Bezug habenden Regelungen im VJ-Online-Handbuch oder in sonstigen Erlässen zu regeln sind. Diese Regelungen sind im Hinblick auf die technisch außerhalb der VJ geführten Register und die sonstigen IKT-Anwendungen im System eJustiz anpassungsbedürftig.

- Die in § 82 GOG geregelten Wahrnehmungsberichte haben insbesondere aufgrund anderer (im Erlassweg) geregelter Berichtspflichten weitgehend ihre Bedeutung verloren. Auch was die Anregungen an die Gesetzgebung betrifft, erscheint die verpflichtende Erstattung von Wahrnehmungsberichten nicht erforderlich.

- Gem. § 89l GOG kann jedermann beim Bezirksgericht seines Wohnsitzes eine Registerauskunft über seine anhängigen zivilgerichtlichen Verfahren beantragen. Die Zuständigkeit für Ansuchen von Antragstellerinnen und Antragsteller aus dem Ausland ist mangels entsprechender Regelung jedoch unklar.

- Die in § 9 Abs. 7a Bundesfinangerichtsgesetze (BFGG) vorgesehene Möglichkeit zur Fassung von Beschlüssen eines Geschäftsverteilungsausschusses im Umlaufweg bzw. unter Verwendung geeigneter technischer Hilfsmittel beim Bundesfinanzgericht ist am 31. Dezember 2020 ausgelaufen, obwohl weiterhin Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erforderlich sind.

 

Ziel(e)

Mit der Novelle sollen die erforderlichen legistischen Anpassungen zu den angeführten Punkten im Sinne der Anforderungen der gerichtlichen Praxis vorgenommen werden. Vorrangige Ziele sind dabei:

- die Verwirklichung eines adäquaten Sicherheits- und Bedrohungsmanagements bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, um Justizangehörige sowie deren Familienmitglieder, die sich mit Angriffen, Bedrohungen oder Übergriffen, die sich aus der dienstlichen Tätigkeit ergeben, konfrontiert sehen, ausreichend zu schützen und zu unterstützen;

- Verbesserungen im Bereich des Bürgerservice;

- sonstige legistische Anpassungen, um bestehende Regelungen an die sich in der Praxis ergebenden Änderungsbedarfe anzugleichen, wodurch aber keine grundsätzlichen Aspekte der Gerichtsorganisation berührt werden sollen.

 

Inhalt

Das Vorhaben umfasst hauptsächlich folgende Maßnahme(n):

- die gesetzliche Verankerung der in der Praxis bereits bewährten Funktion der Sicherheitsbeauftragten sowie die Schaffung einer Grundlage für die Einrichtung zentraler Anlaufstellen in Bedrohungsfällen;

- die Schaffung einer Grundlage für die Einrichtung zentraler Justiz-Servicecenter.

Darüber hinaus sollen eine Reihe weiterer Anpassungen vorgenommen werden, die keine grundsätzlichen Aspekte der Gerichtsorganisation berühren:

- eine Anpassung der Vorgaben für die Geschäftsverteilung hinsichtlich Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (Ergänzung im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung);

- die Möglichkeit, auch Richterinnen und Richter der Bezirksgerichte mit Aufgaben der inneren Revision zu betrauen;

- die Anpassung der Regelung zur (elektronischen) Führung der Register und sonstigen Geschäftsbehelfe sowie die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für Regelungen zu IKT-Anwendungen der Justiz im Rahmen des Systems eJustiz (eJ) im eJ-Online-Handbuch und sonstigen Erlässen;

- die Beseitigung der Verpflichtung zur Erstattung von Wahrnehmungsberichten durch die Landes- und Oberlandesgerichte;

- eine Anpassung der Zuständigkeit zur Erteilung von Registerauskünften, so dass künftig jedermann bei jedem Bezirksgericht eine Registerauskunft über die zivilgerichtlichen Verfahren verlangen kann, in denen sie oder er Partei ist.

- Verlängerung der Möglichkeit zur Fassung von Beschlüssen eines Geschäftsverteilungsausschusses im Umlaufweg bzw. unter Verwendung geeigneter technischer Hilfsmittel beim Bundesfinanzgericht bis 31. Dezember 2021.

 

Finanzielle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und andere öffentliche Haushalte

Mit dem Vorhaben sind keine bedeutenden finanziellen Auswirkungen verbunden:

-       Die Schaffung von zentralen Anlaufstellen in Bedrohungsfällen zieht lediglich insoweit einen Mehraufwand nach sich, als dem Bund Ausbildungskosten für Bedienstete des Innenressorts entstehen, die künftig die besondere Analyse von Bedrohungsfällen (Gefahrenanalyse) übernehmen sollen. Es fallen nach derzeitigem Stand für bundesweit 16 Bedienstete Vortragskosten iHv 3.227 Euro sowie Kosten für die Unterbringung, Tagesgebühren und Seminarräumlichkeiten von 150 Euro pro Tag und Bediensteter oder Bedienstetem an.

-       Die Schaffung von zentralen JSc verfolgt das Ziel, einerseits das Bürgerservice noch mehr als bisher bei professionellen Einheiten zu konzentrieren und damit eine Qualitätssteigerung zu erreichen sowie andererseits den Zugang der rechtsuchenden Bevölkerung zur Justiz noch weiter zu erleichtern. Ein personeller Mehrbedarf ist mit der Schaffung zentraler JSc nicht verbunden, weil in diesem Zusammenhang nicht von einer Aufgabenvermehrung, sondern allenfalls von einer Anfallsverschiebung bei den Gerichten auszugehen ist (etwa von Kanzleien in Gerichten ohne JSc zu zentralen JSc). Bauliche Maßnahmen sind aus derzeitiger Sicht nicht erforderlich, zumal die bereits jetzt vielfach bei größeren Dienststellen/Justizzentren eingerichteten (einfachen) JSc künftig zum Teil als zentrale JSc fungieren können.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die vorgesehenen Regelungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.

 

Diese Folgenabschätzung wurde mit der Version 5.8 des WFA – Tools erstellt (Hash-ID: 175956494).