878 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über den Antrag 1656/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, Sabine Schatz, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und

über den Antrag 1159/A(E) der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abstimmung des NAP Rechtsextremismus und des NAP Antisemitismus

Antrag 1656/A(E)

Die Abgeordneten Karl Mahrer, Sabine Schatz, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. Mai 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Rechtsextremismus, verbunden mit einem völkischen Weltbild und damit einhergehender rassistischer, antisemitischer, antiziganistischer, antimuslimischer, anti-feministischer, homo- und transfeindlicher Agitation, welche zunehmend sowohl im digitalen als auch analogen Raum stattfindet, muss mit aller Entschlossenheit nachhaltig entgegengetreten werden. Menschenverachtenden Ideologien muss sich eine wehrhafte Demokratie entgegenstellen. Um dies zu gewährleisten, bedarf es in Übereinstimmung mit dem Regierungsprogramm einer koordinierten nationalen Gesamtstrategie. Der Komplexität des Rechtsextremismus muss auf sämtlichen gesellschaftlichen Ebenen begegnet werden. Dazu ist es notwendig, eine umfassende Strategie zu entwickeln, wie dies bereits mit der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus erfolgt ist.

Eine wesentliche Herausforderung ist die zunehmende Ausdifferenzierung des rechtsradikalen und -extremen sowie (neo)faschistischen und (neo)nationalsozialistischen Spektrums, bei einer gleichzeitigen Bündelung ihrer Kräfte. Dies führt zu einer besonderen Dynamisierung rechtsextremer Bedrohungsallianzen und somit zu einer steigenden Gefährdungslage. So bietet das Internet beispielsweise für rechtsterroristische Täterinnen und Täter sowie Gruppen die Möglichkeit, sich überregional zu vernetzen, zu finanzieren und geheime transnationale Vereinigungen und Netzwerke zu bilden.

Rechtsradikale Bedrohungen sind – wie alle Formen des Extremismus – nicht nur eine konkrete Gefahr für die innere Sicherheit, sondern auch für die rechtliche, politische, ökonomische und soziale Ordnung des Staates, weil die Beseitigung der Demokratie und des Rechtstaates als strategisches Ziel angestrebt wird. Aus diesem Grund muss der Nationale Aktionsplan gegen Rechtsextremismus auf diese Bedrohungsszenarien umfassend Antwort geben.

Zusätzlich zum organisierten Rechtsextremismus erleben wir eine allgemeine Verschärfung der Kommunikations- und Debattenkultur, beginnend im Internet und mit einem fließenden Übergang in den analogen Raum. Virtuell praktizierter Hass zieht demnach häufig eine Fortsetzung von Drohungen und physischer Gewalt nach sich. In diesem Zusammenhang sei unter anderem auf die Vereinnahmung von Demonstrationen in Zusammenhang mit der COVID‑19‑Pandemie durch rechtsextreme Personen und Gruppierungen hinzuweisen.

Insbesondere in Zeiten existentieller Krisen, wie der COVID-19-Pandemie, aber auch der Klima- und Wirtschaftskrise, ist ein Aktionsplan gegen Rechtsextremismus für eine wehrhafte demokratische Gesellschaft und die Sicherheit aller in Österreich lebender Menschen ausschlaggebend. Die Geschichte hat gezeigt, dass nationalsozialistische und rechtsextreme Strömungen während krisenhafter Perioden an Stärke gewinnen und unsichere Phasen entsprechend ausgenützt werden.

Eine besondere Herausforderung ist die derzeitige Pandemie, weil sich alle Menschen sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene mit kurz-, mittel- und langfristigen Veränderungen konfrontiert sehen. Strukturell tiefgreifender und zeitlich weitreichender Wandel geht in der Regel für Menschen mit der persönlichen Erfahrung von Unübersichtlichkeit der eigenen Biographie, Kontrollverlusten und Existenz- und Desintegrationsängsten einher. Diese Aspekte gelten als zentrale Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Verschwörungsmythen und völkischen Ideologien.

Aus dem aktuellen Bericht der Antisemitismus-Meldestelle geht z.B. hervor, dass mehr als ein Drittel aller antisemitischen Vorfälle dem rechtsextremen Lager zuzuordnen sind. Darüber hinaus zeigt die im Auftrag des österreichischen Parlaments erarbeitete aktuelle österreichrepräsentative Erhebung betreffend Antisemitismus, dass stark ausgeprägte antisemitische Einstellungen mit einer hohen Neigung zu Verschwörungsmythen Hand in Hand gehen. So stimmten 59 % der Befragten folgender Aussage zu: ‚Eine mächtige und einflussreiche Elite (z.B. ‚Soros, Rothschild, Zuckerberg‘) nutzt die Corona‑Pandemie, um ihren Reichtum und den politischen Einfluss weiter auszubauen‘.

Die Annahme, dass ausschließlich symptomatische, reaktive und repressive Instrumente ausreichen, greift jedenfalls zu kurz. Es ist nötig, bisherige Kontrollparadigma zu ergänzen und verstärkt das Entstehungsparadigma in den Fokus zu rücken, um durch vorbeugende Maßnahmen präventiv tätig zu werden. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, Erkenntnisse der Rechtsextremismusforschung als Grundlage des Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus heranzuziehen, um Ziele und Maßnahmen ableiten zu können.

Verschiebungen von demokratischen Einstellungsmustern zu demokratiefeindlichen Anschauungen müssen frühzeitig erkannt werden, um ihnen rechtzeitig entgegenzuwirken, ehe sie von rechtsextremen Kräften instrumentalisiert werden können. Neben einer langfristigen Rechtsextremismusforschung muss es ein zentrales Anliegen sein, entsprechende Schlüsse aus den Forschungsergebnissen zu ziehen und diese in geeignetem Wege in die Gesellschaft zu transferieren. Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sollen zudem wirksame und umfassende Maßnahmen auf allen zivilgesellschaftlichen und staatlichen Ebenen gesetzt werden.“

 

Antrag 1159/A(E)

Die Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 10. Dezember 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Antisemitismus ist kein Phänomen, das mit dem Ende des Nationalsozialismus verschwand – er bedroht Jüdinnen und Juden bis heute – auch in Österreich. Die jährliche Zahl antisemitischer Vorfälle führt uns dies schmerzlich vor Augen. Für das Jahr 2019 wurden dem Forum gegen Antisemitismus und der Israelitische Kultusgemeinde insgesamt 550 antisemitische Vorfälle gemeldet. Gegenüber dem Jahr 2019 entspricht dies einen traurigen Anstieg um 9,5 Prozent binnen zwei Jahren. Zu diesen 550 Vorfällen zählen sechs physische Angriffe, 18 Bedrohungen, 78 Sachbeschädigungen, 209 antisemitische Massenzuschriften und 239 Fälle von verletzendem Verhalten. Solche Übergriffe passieren auf der Straße, am Heimweg, in öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie passieren jüdischen Kindern und Jugendlichen, Frauen und Männern. Sie finden als antisemitische E-Mails, als Anruf, postalisch und in den sozialen Medien statt. Leider ist nicht davon auszugehen, dass mit dem Jahr 2020 eine Trendumkehr gelingt. Die Angriffe auf die Grazer Synagoge und Elie Rosen, der Terroranschlag im November 2020, der vor dem Stadttempel seinen Lauf nahm, aber auch die neue Welle an antisemitischen Verschwörungstheorien, die durch die Corona-Krise ihre Verbreitung finden – sind wohl nur die Spitze des antisemitischen Eisbergs in unserer Gesellschaft.

Am 25. August 2020 gab die Europaministerin Karoline Edtstadler als Reaktion auf die antisemitischen Attacken in Graz, bekannt, dass es im Herbst einen Nationalen Aktionsplan gegen Antisemitismus mit rund 30 Maßnahmen geben werde. Zudem werde, so hieß es in der Ankündigung weiter, eine eigene Stabstelle im Bundeskanzleramt eingerichtet, die mit der Umsetzung dieses Maßnahmenkataloges betreut werden soll.

Der Bericht des Forums gegen Antisemitismus und der IKG analysiert den ideologischen Hintergrund der Übergriffe – eine wichtige Grundlage, um treffgenaue Strategien gegen Antisemitismus umzusetzen.
Von 550 antisemitischen Übergriffen konnten 226 nicht ideologisch kontextualisiert werden. 268 konnten als eindeutig rechtsextrem kategorisiert werden. Der Kampf gegen Antisemitismus und die notwendigen Maßnahmen, die sich daraus ergeben, darf diesen Umstand nicht ignorieren. Denn Rechtsextremismus und Antisemitismus stellen uns in Österreich vor große demokratiepolitische Herausforderungen. Ein zielgerichtetes und effektives Handeln ist daher dringend notwendig, um Entwicklungen im rechtsextremen und antisemitischen Spektrum wahrzunehmen und effektiv dagegen vorzugehen. Dazu ist auch eine Verschränkung des NAP gegen Rechtsextremismus mit dem NAP gegen Antisemitismus dringend geboten.“

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den Entschließungsantrag 1159/A(E) in seiner Sitzung am 16. März 2021 erstmals in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Sabine Schatz die Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger, Mag. ErnstGödl, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff und der Ausschussobmann Abgeordneter Karl Mahrer. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Der Ausschuss für Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den Entschließungsantrag 1656/A(E) in seiner Sitzung am 2. Juni 2021 erstmalig sowie den Entschließungsantrag 1159/A(E) erneut in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter zum Entschließungsantrag 1656/A(E) fungierte Abgeordneter David Stögmüller. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten David Stögmüller die Abgeordneten Sabine Schatz, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Mag. Ernst Gödl sowie Douglas Hoyos-Trauttmansdorff.

 

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag 1656/A(E) der Abgeordneten Karl Mahrer, Sabine Schatz, Mag. Eva Blimlinger, Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen.

 

Der Entschließungsantrag 1159/A(E) gilt als miterledigt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 06 02

                               David Stögmüller                                                                 Karl Mahrer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann