896 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Gleichbehandlungsausschusses

über den Antrag 1594/A(E) der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen

Die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 19. Mai 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche erleben in vielen Staaten weltweit medizinisch nicht-notwendige Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen, ohne vorherige, voll-informierte und höchstpersönliche Einwilligung. Die physischen und psychischen Belastungen, die mit diesen Menschenrechtsverletzungen einhergehen, verfolgen die Betroffenen mitunter ein Leben lang.

Anfang 2020 forderte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Österreich auf, nicht-notwendige und nicht-konsensuelle medizinische Eingriffe und Behandlungen an Kindern zu verbieten. Er hielt explizit fest, dass es sich dabei um eine "schädliche Praxis" handle und verwies auf die Ausführungen des UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) aus dem Jahre 2015.[1] Bereits 2015 wurde Österreich vom CAT für derartige Praktiken gerügt. Der CAT stufte diese Eingriffe als grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen im Sinne der UN-Antifolterkonvention ein.[2]

Im Sinne des persönlichen Selbstbestimmungsrechts müssen geschlechtsverändernde Maßnahmen, die inhärent die höchstpersönliche Sphäre eines Menschen betreffen, auch immer die persönliche Entscheidung der betroffenen Person sein.

Die medizinische Praxis hat sich in Österreich dahingehend geändert, dass im Kindesalter Entscheidungen ob wann und wie medizinische Maßnahmen durchgeführt werden, möglichst zurückhaltend getroffen werden, unter intensiver Aufklärung der Eltern und in Abstimmung mit interdisziplinären Teams und unter wesentlicher Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte. Oberstes Ziel muss dabei die Erhaltung bzw. Ermöglichung der sexuellen Empfindsamkeit und der Fortpflanzungsfähigkeit sein. Im Rahmen der Staatenprüfung durch die Vereinten Nationen (Universal Periodic Review) hat Österreich im Jänner 2021 die Empfehlungen zum Beenden nicht-konsensueller und medizinisch nicht notwendiger Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen angenommen. Nun gilt es weitere Maßnahmen zum Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen zu setzen und mögliche Rechtslücken zu schließen.“

 

Der Gleichbehandlungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 9. Juni 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic die Abgeordneten Mario Lindner, Mag. Yannick Shetty, Nico Marchetti und Rosa Ecker, MBA.

 

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten
Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gleichbehandlungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 06 09

                         Dr. Ewa Ernst-Dziedzic                                                Gabriele Heinisch-Hosek

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau



[1] Der UN-Ausschuss fordert Österreich in UN. Dok. CRC/C/AUT/CO/5-6 (Jänner2020), Abs. 27 auf: “Prohibit the performance of unnecessary medical or surgical treatment on intersex children where those procedures may be safely deferred until children are able to provide their informed consent”.

[2] UN Dok. CAT/C/AUT/CO/6, Abs. 45; vgl. auch FRA, The Fundamental Rights Situation of Intersex People (04/2015), abrufbar auf  https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2015-focus-04-intersex_en.pdf und Europarat, Issue Paper Human Rights and Intersex People,  2015/2017, https://rm.coe.int/16806da5d4.