Erläuterungen

Artikel 1 (21. FSG-Novelle)

Allgemeiner Teil

Ausschlaggebender Punkt für diese Novelle des Führerscheingesetzes sind die Verschärfungen für die Sanktionierung von Schnellfahren. Die Entziehungszeiten der Lenkberechtigung für Schnellfahren werden deutlich erhöht und der Beobachtungszeitraum, nach dessen Verstreichen ein Delikt wieder als Erstdelikt gilt, wird verlängert. Geschwindigkeitsüberschreitungen ab 80 km/h innerorts und 90 km/h außerorts (statt bisher 90/100) gelten jedenfalls als „unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ begangen. Unerlaubte Straßenrennen werden in die Aufzählung der „besonders gefährlichen Verhältnisse“ aufgenommen und in diesen Fällen soll generell (nicht nur bei unerlaubten Straßenrennen) die Absolvierung einer Nachschulung jedenfalls vorgeschrieben werden und im Wiederholungsfall innerhalb von vier Jahren auch ein amtsärztliches Gutachten samt verkehrspsychologischer Untersuchung. Weiters wird in dieser Novelle eine Nachfolgeregelung für die Ausnahme der Gewichtsbeschränkung von Klasse B (3500 kg) für Elektrofahrzeuge geschaffen, die am 1. März 2022 außer Kraft treten wird.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich diese Novelle auf Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG („Kraftfahrwesen“).

II. Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 2 Abs. 1a):

§ 2 Abs. 1a in der derzeit geltenden Form tritt mit 1.3.2022 außer Kraft. Somit ist eine Nachfolgeregelung für die von der EU-Kommission 2016 in bilateralen Kontakt zugestandene Sonderberechtigung zu schaffen. Da zwischenzeitlich im Rahmen der Richtlinie 2018/645 eine derartige Sonderberechtigung in optionaler Form für alle Mitgliedstaaten geschaffen wurde, ist diese umzusetzen, um die Berechtigung weiterhin beibehalten zu können. Die Vorgaben der Richtinie 2018/645 unterscheiden sich jedoch in einigen Punkte von der derzeit geltenden Regelung des § 2 Abs. 1a. Es können nunmehr alle Formen von alternativen Antrieben erfasst werden (nicht nur Elektrofahrzeuge). Eine besondere Ausbildung des Lenkers ist nicht mehr erforderlich, dafür wurde eine sehr komplexe Einschränkung auf solche Fahrzeuge geschaffen, deren zusätzliches (das 3 500 kg übersteigende) Gewicht ausschließlich auf das alternative Antriebssystem zurückzuführen ist. Fahrzeuge, die aus anderen Gründen ein höheres Gewicht als 3 500 kg aufweisen (oder auch eine höhere Nutzlast aufweisen) fallen nicht unter die Begünstigung. Der Lenker muss nunmehr zumindest zwei Jahre im Besitz der Lenkberechtigungsklasse B sein.

Zu Z 2 (§ 7 Abs. 3):

Der Bereich der Geschwindigkeitsübertretungen, ab dem dieses Delikt als „besonders gefährliche Verhältnisse“ gilt, wird von 90/100 km/h auf 80/90 km/h (innerorts/außerorts) herabgesetzt. Daher gelten bereits ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 80/90 km/h alle bisherigen und nunmehr neu geschaffenen Rechtsfolgen für „besonders gefährliche Verhältnisse“.

Weiters werden aufgrund mehrerer Anlassfälle in die demonstrative Aufzählung der „besonders gefährlichen Verhältnisse“ unerlaubte Straßenrennen ausdrücklich aufgenommen. Damit gelten für diese hochgradig riskanten und gefährlichen Aktivitäten per se strengere Sanktionen und die Behörde muss in diesen Fällen nicht gesondert begründen, ob diese Fahrten im konkreten Fall zu besonders gefährlichen Verhältnissen geführt haben. Nicht nur die unmittelbare Teilnahme, sondern auch Beteiligung in Form von Unterstützung als Lenker eines anderen Fahrzeuges zum Abschirmen der eigentlichen Teilnehmer fällt unter diese Regelung und wird damit gleich sanktioniert. Allerdings existiert keine Legaldefinition des Begriffes des „unerlaubten Straßenrennens“ weshalb es der Beurteilung der Behörde obliegt, im konkreten Fall festzustellen, ob es sich um ein solches unerlaubtes Straßenrennen gehandelt hat. Somit ist der Frage der Beweisbarkeit des Vorliegens eines solchen Rennens im Einzelfall besondere Bedeutung beizumessen. Folgende Arten von unerlaubten Straßenrennen können auftreten:

- Vorab geplante und organisierte Rennen ohne behördliche Bewilligung, gegebenenfalls auch mittels Hilfestellung durch andere beteiligte Personen als die Kontrahenten

- spontanes Aufeinandertreffen von zwei oder mehreren „Kontrahenten“, das sind Rennen ohne andere Beteiligte als die Kontrahenten; dabei wird die Einstufung als Straßenrennen durch die Behörde im Einzelfall von der Beweisbarkeit abhängen, insbesondere von der Nachweisbarkeit der unten angeführten Verhaltensweisen.

- „Rennen gegen die Uhr“ eines einzelnen Lenkers, auch dabei gibt es Probleme hinsichtlich der Beweisbarkeit und wird wohl nur in seltenen Fällen als „unerlaubtes Straßenrennen“ einzustufen sein, nämlich dann, wenn der betreffende Lenker dies selbst oder eine mitfahrende Person eingesteht. In allen anderen Fällen ist das Delikt nicht als unerlaubtes Straßenrennen zu qualifizeren, kann aber bei Vorliegen der unten angeführten Verhaltensweisen im Einzelfall zum Vorliegen von besonders gefährlichen Verhältnissen oder besonderer Rücksichtslosigkeit und damit zu den gleichen Sanktionen führen

Folgende Verhaltensweisen, die typisch bei Straßenrennen sind, sind bei der behördlichen Beurteilung des Vorfalles besonders zu beachten:

- Erreichen möglichst hoher Geschwindigkeiten, wobei diese im Einzelfall auch nur geringfügig über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegen können; wird die erlaubte Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten, so kann ein unerlaubtes Straßenrennen nur dann vorliegen, wenn eine oder mehrere andere Übertretungen begangen wurden (arg: „durch Übertretung von Verkehrsvorschriften“ in § 7 Abs. 3 Z 3 FSG)

- sehr dichtes Auffahren auf die davor fahrenden Fahrzeuge

- geringe Bremsbereitschaft

- mehrfaches gegenseitiges Überholen oder Überholversuche

- auf Autobahnen: permanente Spurwechsel

- das Provozieren von Driften oder schnelles Kreisenlassen des Fahrzeugs am Stand („Doughnut“ bzw. „Donut“) sind für sich alleine genommen nicht als unerlaubte Straßenrennen zu qualifizieren können aber im Zuge einer Einzelfallbeurteilung als Fahrweise mit besonderer Gefährlichkeit oder Rücksichtslosigkeit eingestuft werden.

Um die mittlerweile recht lange Z 3 übersichtlich zu gliedern, werden die einzelnen explizit aufgezählten Deliktsgruppen in literae zusammengefasst.

Zu Z 3 (§ 24 Abs. 3 Z 1a):

Wird ein Verkehrsdelikt unter „besonders gefährlichen Verhältnissen oder unter besonderer Rücksichtslosigkeit begangen“ ist künftig jedenfalls, d.h. auch bei einem Erstdelikt, die Absolvierung einer Nachschulung obligatorisch.

Zu den Z 4, 6, 7 und 9 (§ 24 Abs. 3 Z 2, § 26 Abs. 2a und § 26 Abs. 3 zweiter Satz und dritter Satz):

Derzeit ist der Beobachtungszeitraum, nach dessen Ablauf ein neuerliches gleichartiges Delikt als Erstdelikt gilt (und demnach weniger streng sanktioniert wird) mit zwei Jahren festgelegt. Diese Frist wird nun auf vier Jahre verdoppelt, weshalb nunmehr vier Jahre verstreichen müssen, bis ein Lenker in die Privilegierung eines Erstdeliktes kommen kann.

Zu Z 5 (§ 24 Abs. 3 fünfter Satz):

Werden Delikte „unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ innerhalb des vierjährigen Beobachtungszeitraumes wiederholt (d.h. zweimal oder öfters) begangen, so ist außer der Nachschulung auch ein amtsärztliches Gutachten inklusive einer verkehrspsychologischen Untersuchung (VPU) beizubringen. Da die VPU als diagnostische Maßnahme als ein Teil der gesundheitlichen Eignung anzusehen ist, kann diese nur als Hilfsgutachten im Rahmen eines amtsärztlichen Gutachtens vorgeschrieben werden, was in § 24 Abs. 3 erster Satz FSG auch so vorgesehen ist. Bei derartig exorbitanten Geschwindigkeitsübertretungen, die nicht nur einmal, sondern wiederholt begangen wurden, liegt der Verdacht nahe, dass bei der betreffenden Person eine psychische Erkrankung im Sinne einer persönlichkeitsbedingten Störung des Urteilsvermögens, des Verhaltens und der Anpassung (wie dies in § 13 Abs. 2 Z 4 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung definiert ist) vorliegt. Die VPU kann sich dabei auf die Feststellung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung beschränken. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann aber auch eine volle VPU angeordnet werden. Die bisherige Regelung hinsichtlich des Alkoholdeliktes von 1,6 Promille oder mehr bleibt unverändert, d.h. dass diesfalls das amtsärztliche Gutachten bereits bei einem Erstdelikt anzuordnen ist und dazu eine volle VPU. Unverändert bleibt auch die Möglichkeit für die Behörde, gemäß § 24 Abs. 4 ein Verfahren zur Überprüfung der Bereitschaft der Verkehrsanpassung auch bei erstmaliger Begehung einzuleiten, wenn jemand innerhalb kürzester Zeit (zB auf einer Fahrt) mehrere gravierende Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.

Zu den Z 7 und 8 (§ 26 Abs. 3 Z 1 bis 3 und § 26 Abs. 3 zweiter Satz):

In dieser Bestimmung wird eine maßgebliche Anhebung der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung für Geschwindigkeitsdelikte vorgesehen, nämlich von zwei Wochen auf ein Monat und von sechs Wochen auf mindestens drei Monate. Die Z 3 (Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung 80/90 km/h) entfällt und wird statt dessen gemäß § 7 Abs. 3 Z 3 als „besonders gefährliche Verhältnisse“ definiert.

Zu Z 10 (§ 41 Abs. 14):

Übergangsbestimmungen sind für beide in dieser Novelle enthaltenen Regelungsbereiche erforderlich. Hinsichtlich der Verschärfungen für Schnellfahrer wird klargestellt, dass die Verschärfungen für Geschwindigkeitsdelikte nur in jenen Fällen gelten, in denen das Delikt nach Inkrafttreten am 1. September 2021 begangen wurde. Für davor begangene Delikte gilt die bisherige Rechtslage. Die neue vierjährige Frist nach der ein neuerliches Delikt wieder als Erstdelikt gilt, beginnt ebenfalls erst nach dem Inkrafttreten der neuen Regelung, d.h. findet nur in jenen Fällen Anwendung, in denen das Erstdelikt nach dem Inkrafttreten der Neuregelung begangen wurde. Damit wird sichergestellt, dass bereits früher begangene Delikte nicht rückwirkend strenger behandelt werden.

Hinsichtlich der Regelung betreffend Elektromobilität ist festzuhalten, dass die neue (der RL 2018/645 entsprechenden Regelung) in § 2 Abs. 1a Z 4 und 5 einige den Berechtigungumfang einschränkende Kriterien enthält, die in der Vorgängerregelung nicht enthalten sind. Aus diesem Grund ist klarzustellen, dass auch nach Inkrafttreten der Neuregelung Altberechtigungen im ursprünglichen Umfang aufrecht bleiben. Dies soll auch in jenen Fällen gelten, in denen ein Duplikatführerschein ausgestellt wird, in den ein Code 120 nicht mehr eingetragen wird. Somit gilt für diese vereinzelten Altfälle ein etwas größerer Berechtigungsumfang entsprechend der früheren Regelung. Praktische Probleme sind nicht zu erwarten, da seit Bestehen dieser Regelung bis Ende April 2021 insgesamt nur 6 Führerscheine mit Code 120 bundesweit ausgestellt wurden!

Zu Z 11 (§ 43 Abs. 32):

Die Neuregelungen der Sanktionen bei Schnellfahren und illegalen Straßenrennen treten am 1.9.2021 in Kraft. Die Regelung betreffend die Ausnahme von der Gewichtsbeschränkung für Klasse B für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb soll die derzeit bestehende Regelung des § 2 Abs. 1a ablösen und tritt konsequenterweise nach dem Außerkrafttreten der derzeit geltenden Regelung am 1.3.2022 in Kraft. Da der § 41 Abs. 14 Übergangsbestimmungen für beide Regelungsbereiche enthält, ist auch die Inkrafttretensregelung entsprechend aufzusplitten.

Artikel 2 (Änderung der Straßenverkehrsordnung 1960)

Allgemeiner Teil

Als Teil des Maßnahmenpaketes gegen Schnellfahrer werden die Geldstrafen für Schnellfahrer deutlich erhöht.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich diese Novelle auf Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG („Straßenpolizei“).

Besonderer Teil

Zu den Z 1 und 2 (§ 99 Abs. 2d und 2e):

Da sich in letzter Zeit Fälle von extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen häufen, sollen die Strafandrohungen deutlich erhöht werden. Es wird daher die bisher in diesen Bestimmungen vorgesehene Mindeststrafe auf 150 bzw. 300 und die Höchststrafe jeweils auf 5000 Euro erhöht.

 

Zu Z 3 (§ 103 Abs. 24):

Im Einklang mit den Bestimmungen des Führerscheingesetzes wird das Inkrafttreten der Änderungen mit 1.9.2021 festgelegt.