1257 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (1178 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 und das KommAustria-Gesetz geändert werden (Urheberrechts-Novelle 2021 – Urh-Nov 2021)

Hauptgesichtspunkte des Gesetzesvorschlags

1. Die Richtlinie (EU) 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (im Folgenden kurz „Richtlinie 2019/790“) wurde am 17.5.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 130/92) veröffentlicht. Sie modernisiert das europäische Urheberrecht, um es fit für den digitalen Binnenmarkt zu machen. Zu diesem Zweck passt sie Ausnahmen und Beschränkungen an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld an (Titel II), verbessert die Lizenzierungspraxis, gewährleistet einen breiteren Zugang zu Inhalten (Titel III) und schafft einen funktionsfähigen Markt für den Urheberrechtsschutz (Titel IV). Die Richtlinie (EU) 2019/789 vom 17. April 2019 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und zur Änderung der Richtlinie 93/83/EWG (im Folgenden kurz „Richtlinie 2019/789“) wurde am selben Tag im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. L 130/82) veröffentlicht. Diese Richtlinie soll die grenzüberschreitende Verfügbarkeit europäischer Hörfunk- und Rundfunksendungen fördern. Beide Richtlinien wären bis 7. Juni 2021 in österreichisches Recht umzusetzen gewesen.

2. Mit der Richtlinie 2019/790 werden ein europaweit harmonisiertes Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt, die urheberrechtliche Verantwortung großer Plattformen für den Upload geschützter Werke durch ihre Nutzer sowie einige urhebervertragsrechtliche Fragen harmonisiert.

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger orientiert sich inhaltlich – insbesondere in der Ausgestaltung des Schutzes kleiner Teile und der Beteiligung der Journalisten – am deutschen Vorbild. Presseverlegern wird das Vervielfältigungsrecht und das Recht der interaktiven öffentlichen Wiedergabe für die kommerzielle Online-Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen für die Dauer von zwei Jahren eingeräumt.

Art. 17 rechnet den Upload und damit die öffentliche Wiedergabe durch Plattformnutzer als urheberrechtliche Nutzungshandlung auch der Plattform zu und hält fest, dass die Plattform dafür die Erlaubnis der Rechteinhaber benötigt, mangels derer sie sich dafür verantwortlich macht. Die Richtlinie konkretisiert die Sorgfaltsmaßnahmen für diese Verantwortlichkeit und trifft Vorkehrungen zum Schutz der Plattformnutzer.

In ihrem urhebervertragsrechtlichen Teil harmonisiert die Richtlinie ausgehend vom Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung (Art. 18) die Transparenzpflicht (Art. 19), den Vertragsanpassungsmechanismus (Art. 20) und die Alternative Streitbeilegung (Art. 21), um so eine faire Vergütung in Verwertungsverträgen mit Urhebern sicher zu stellen. Das in Art. 22 harmonisierte Widerrufsrecht ist bereits durch §§ 29, 30 und § 68 Abs. 4 UrhG umgesetzt.

Darüber hinaus enthält diese Richtlinie diverse weitere Regelungen:

-       Sie harmonisiert Ausnahmen und Beschränkungen urheberrechtlicher Verwertungsrechte für Text- und Data-Mining, die Verwendung von Werken für digitale Unterrichts- und Lehrtätigkeiten und den Erhalt des kulturellen Erbes.

-       Sie verbietet den Schutz von nicht-kreativen Abbildungen gemeinfreier Werke.

-       Sie erleichtert die Nutzung vergriffener Werke durch Kulturerbeeinrichtungen.

-       Sie ermöglicht unter Wahrung der gebotenen Kautelen die kollektive Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften auch für Außenseiter.

-       Sie fördert die Verfügbarkeit audiovisueller Werke auf Video-on-Demand-Plattformen.

-       Sie ermöglicht die Aufteilung von Ausgleichsansprüchen für die Privatkopie zwischen Verlegern und Urhebern.

3. Die Richtlinie 2019/789 enthält Lizenzierungserleichterungen im Online-Bereich durch Einführung des Ursprungslandprinzips, eine erweiterte Verwertungsgesellschaftenpflicht für die Weiterverbreitung von Sendungen und Regelungen zur Direkteinspeisung.

4. Der Großteil der Vorgaben der beiden Richtlinien ist im Urheberrechtsgesetz umzusetzen. Die erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung für vergriffene Werke sowie die allgemeine Regelung der erweiterten kollektiven Rechtewahrnehmung werden in das Verwertungsgesellschaftengesetz aufgenommen.

Vorarbeiten

Das Bundesministerium für Justiz hat die Umsetzung der beiden Richtlinien in drei großen Sitzungen mit allen betroffenen Stakeholdern besprochen. Da in Aussicht genommene weitere textbasierte Besprechungen wegen der Covid-19-Krise nicht mehr möglich waren, hat das Justizressort in der Folge Textmodule zu Ausnahmen/Beschränkungen, zu vergriffenen Werken, zum Leistungsschutzrecht der Hersteller von Presseveröffentlichungen, zur Verantwortlichkeit von Plattformen und zum Urhebervertragsrecht an die Mitglieder der Arbeitsgruppe mit der Bitte um schriftliche Stellungnahmen versandt. Die dazu ergangenen Stellungnahmen sind bei der Erarbeitung des Anfang September zur allgemeinen Begutachtung versendeten Ministerialentwurfs berücksichtigt worden.

Inhalte des Gesetzesvorschlags

Zur Umsetzung der Richtlinie 2019/790 und des Regierungsprogramms 2020 – 2024

1. Ausnahmen und Beschränkungen (Art. 3 bis 7, 14, 17 Abs. 7)

Die Richtlinie 2019/790 sieht in den Art. 3 bis 7, 14, 17 Abs. 7 zwingende Ausnahmen bzw. Beschränkungen von den durch mehrere Richtlinien harmonisierten Verwertungsrechten zugunsten des wissenschaftlichen Text- und Data-Mining (Art. 3), des über das wissenschaftliche Text- und Datamining hinausgehenden Text- und Data-Mining (Art. 4), des Bildungsgebrauchs (Art. 5) und der Sicherungsarchivierung (Art. 6) sowie gemeinsame Bestimmungen für diese Ausnahmen und Beschränkungen vor (Art. 7). Darüber hinaus dürfen die Mitgliedstaaten für Vervielfältigungen gemeinfreier Werke der bildenden Kunst keinen eigenen Schutz vorsehen (Art. 14). Im Zusammenhang mit dem Upload von Schutzgegenständen auf Plattformen haben die Mitgliedstaaten eine Ausnahme bzw. Beschränkung für Zitate, Kritiken und Rezensionen sowie für die Nutzung zum Zweck von Karikaturen, Parodien oder Pastiches einzuführen (Art. 17 Abs. 7).

Der Gesetzesvorschlag setzt die Vorgaben der Art. 3 und 4 in § 42h UrhG, des Art. 5 in § 42g UrhG und des Art. 6 in § 42 Abs. 7 UrhG sowie durch die Ergänzung der Verweisungsbestimmungen der verwandten Schutzrechte (§ 71 Abs. 6, § 74 Abs. 7, § 76 Abs. 6, § 76a Abs. 5 und § 76d Abs. 5 UrhG) um. Der durch Artikel 7 Abs. 1 vorgegebene zwingende Charakter der Ausnahmen und Beschränkungen wird in den genannten Bestimmungen mitgeregelt; die durch Art. 7 Abs. 3 vorgegebene Durchsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen gegen technische Schutzmaßnahmen durch eine Ergänzung des § 90c Abs. 6 UrhG. Die Beschränkung des Schutzes gemeinfreier Werke der bildenden Kunst (Art. 14) soll durch eine Einschränkung des verwandten Schutzrechts des Lichtbildherstellers in § 74 Abs. 1 UrhG umgesetzt werden. Die durch Art. 17 Abs. 7 vorgegebene Ausnahme bzw. Beschränkung für nutzergenerierte Inhalte auf Online-Plattformen im Rahmen von Zitaten, Kritiken und Rezensionen oder Karikaturen, Parodien oder Pastiches wird durch eine Ergänzung des § 42f berücksichtigt.

2. Vergriffene Werke (Art. 8 bis 11)

Art. 8 bis 11 sollen die nicht-kommerzielle Nutzung von „vergriffenen“ Werken und sonstigen Schutzgegenständen aus dem Bestand von Einrichtungen des Kulturerbes durch eine erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung erleichtern. Dies soll durch einen neuen § 25a VerwGesG 2016 umgesetzt werden. Wenn Verwertungsgesellschaften nicht zur Verfügung stehen, die die Voraussetzungen für die erweiterte kollektive Rechtewahrnehmung erfüllen, soll dies durch eine Ausnahme oder Beschränkung geschehen; der Umsetzung dieser Verpflichtung dienen der vorgeschlagene § 56f UrhG und die Ergänzung der Verweisungsbestimmungen.

3. Kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung (Art. 12)

Art. 12 der Richtlinie 2019/790 gestattet es den Mitgliedstaaten, über die Lizenzierung vergriffener Werke hinaus von der erweiterten kollektiven Rechtewahrnehmung Gebrauch zu machen; dies allerdings nur, sofern es die Nutzung in ihrem Hoheitsgebiet betrifft. Der Gesetzesvorschlag schlägt vor, von dieser Möglichkeit mit einem neuen § 25b VerwGesG 2016 Gebrauch zu machen.

4. Verhandlungsmechanismus

Gemäß Art. 13 haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass Parteien, die mit Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Rechten konfrontiert sind, wenn sie den Abschluss einer Vereinbarung für die Zwecke der Zugänglichmachung audiovisueller Werke über Videoabrufdienste beabsichtigen, sich an eine unparteiische Instanz oder Mediatoren wenden können. Diese Verpflichtung soll durch die Vertragshilfe durch den Schlichtungsausschuss umgesetzt werden (§ 24b UrhG).

5. Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Presseverleger weisen schon seit längerem darauf hin, dass Suchmaschinen und Newsaggregatoren durch die kommerzielle (Zweit-)Verwertung der Webauftritte der Zeitungen beträchtliche Einnahmen lukrieren, an denen die Verleger selbst nicht teilhaben. Sie können die mit erheblichen Investitionen der Presseverleger einhergehenden Leistungen mühelos und zu einem Bruchteil der Kosten übernehmen, indem sie die Inhalte nicht nur verlinken, sondern auslesen und neu aggregieren. Dies unterläuft die Refinanzierung der Presseerzeugnisse und mindert den Anreiz für qualitativ hochwertigen Journalismus.

Art. 15 der Richtlinie greift dieses Anliegen mit einem neuen Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf. Dieses betrifft kommerzielle Anbieter von Online-Diensten; rein private oder nicht-kommerzielle Nutzungen werden dadurch nicht erfasst. Es beschränkt sich auf die Rechte der Vervielfältigung und interaktiven öffentlichen Zurverfügungstellung; die Schutzdauer beträgt zwei Jahre. Journalisten sollen einen angemessenen Anteil der Einnahmen aus dem neuen Leistungsschutzrecht erhalten.

In Umsetzung der Richtlinie soll daher ein neues Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen in das österreichische Urheberrechtsgesetz eingeführt werden (s. § 76f UrhG).

6. Ansprüche auf einen gerechten Ausgleich (Verlegerbeteiligung)

Art. 16 der Richtlinie 2019/790 soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, Verleger – wie es in Österreich seit jeher der Fall war – an den Einnahmen aus den Vergütungen für die Privatkopie (Reprographie- und Speichermedienvergütung) zu beteiligen. Auch wenn im Anwendungsbereich des Urheberrechtsgesetzes davon ausgegangen werden kann, dass Urheber Verlegern Vergütungsansprüche vertraglich übertragen werden und Verleger diese in Verwertungsgesellschaften einbringen können, greift der Gesetzesvorschlag den von der Richtlinie fakultativ vorgegebenen Beteiligungsanspruch in § 57a UrhG auf.

7. Verantwortlichkeit der Anbieter großer Online-Plattformen

a) Richtlinienvorgaben

Art. 17 der Richtlinie 2019/790 hat die urheberrechtliche Verantwortlichkeit großer Internetplattformen zum Gegenstand.

Internetplattformen, deren Geschäftsmodell darauf angelegt ist, dass ihre Nutzer große Mengen urheberrechtlich geschützten Materials auf ihre Plattformen uploaden, sollen (auch) selbst für diese Uploads urheberrechtlich verantwortlich sein. Die öffentliche Wiedergabe, die der Nutzer der Plattform durch den Upload eines Werkes vornimmt, wird auch der Plattform zugerechnet, soweit sie Inhalte organisiert und bewirbt, um damit Gewinne zu erzielen (Abs. 1 Unterabs.1).

Eine solche Plattform kann sich nicht auf die Haftungsprivilegien der E-Commerce-Richtlinie berufen und soll sich um Lizenzvereinbarungen bemühen (Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3).

Die der Plattform erteilten Lizenzen erlauben auch den Upload durch die Nutzer selbst. Nutzer müssen sich nur dann um eine eigene Lizenz bemühen, wenn sie selbst kommerziell handeln (Abs. 2).

Soweit eine Erlaubnis nicht erteilt wird, haben die Plattformen alle zumutbaren und verhältnismäßigen Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass bestimmte Werke und sonstige Schutzgegenstände auf der Plattform nicht verfügbar sind. Urheber und Leistungsschutzberechtigte trifft aber eine Mitwirkungsobliegenheit; sie haben den Plattformen die Werke und Schutzgegenstände zu nennen, die sie geschützt haben wollen, und die dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen (Abs. 4 und 5).

Kleine Start-up Unternehmen (unter 10 Millionen Euro Jahresumsatz, unter 5 Millionen Nutzer/Monat) sind die ersten drei Jahre nach Gründung nur verpflichtet, sich um Genehmigungen zu bemühen und illegale Inhalte zu entfernen, wenn sie über diese verständigt werden (Abs. 6).

Maßnahmen der Plattformen sollen nicht dazu führen, dass erlaubte Nutzungen unterbunden werden. Die Richtlinie sieht vor, dass Mitgliedstaaten jedenfalls Zitate, Kritik, Rezensionen, Karikaturen, Parodien oder Pastiches („user generated content“-Ausnahme) erlauben müssen (Abs. 7).

Plattformen haben Beschwerdemechanismen gegen die Sperre von Werken einzurichten. Darüber hinaus haben Mitgliedstaaten außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren anzubieten und zu gewährleisten, dass Nutzer die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme einer Ausnahme oder Beschränkung vor einem Gericht geltend machen können (Abs. 9).

Das Funktionieren des Art. 17 in der Praxis soll durch von der Kommission moderierte Dialoge der Interessensträger begleitet und gefördert werden (Abs. 10).

Am 4. Juni 2021 hat die Kommission die in Art. 17 Abs. 10 vorgesehenen Leitlinien (Mitteilung der Kommission, Leitlinien zu Artikel 17 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, COM (2021)288 final) angenommen. Erklärter Zweck dieser Leitlinien ist es zum einen, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Art. 17 zu unterstützen, und zum anderen, den Marktteilnehmern in der praktischen Umsetzung zur Hand zu gehen. Die Leitlinien enthalten zahlreiche ins Detail gehende Empfehlungen an die Umsetzungsgesetzgeber, denen dieser Gesetzesvorschlag zum weit überwiegenden Teil nachkommt.

Von besonderem Interesse ist vor dem Hintergrund des von Polen angestrengten Nichtigkeitsverfahrens gegen Art. 17 Abs. 4 und 5 (C-401/19) die Frage, wie die Mitgliedstaaten Abs. 7 umzusetzen haben, nach dem Maßnahmen der Plattformen nicht dazu führen sollen, dass erlaubte Nutzungen unterbunden werden, zumal diese Bestimmung auch dem Schutz des Zitatrechts und von Nutzungen für Karikaturen, Parodien oder Pastiches und damit der Meinungsäußerungsfreiheit dient. Die Kommission verweist in ihren Leitlinien auf EG 70 der Richtlinie 2019/790, der unter anderem die besondere Bedeutung des Gleichgewichts zwischen den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechten, insbesondere dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Freiheit der Kunst, und dem Eigentumsrecht, auch betreffend das geistige Eigentum, betont.

Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass eine automatische Sperre von Uploads grundsätzlich auf offensichtlich rechtsverletzende Uploads beschränkt sein muss.

b) Umsetzung

Umsetzungsbedarf ergibt sich daher für die Verwertungsrechte nach §§ 17 und 18a in einem neuen § 18c, im Urhebervertragsrecht (§ 24a), für die freien Werknutzungen (§ 42f Abs. 2) und insbesondere für die Sorgfaltsanforderungen an einen Plattformanbieter (§ 89a) und den Auskunftsanspruch (§ 87b Abs. 5). Der Beschwerdemechanismus, die außergerichtliche Streitbeilegung und Rechtsbehelfe der Nutzer werden im Anschluss an die Sorgfaltsanforderungen an Plattformanbieter geregelt (§ 89b). § 89c regelt im Zusammenhalt mit den einem Aufsichtsverfahren vorgelagerten Aufgaben der Beschwerdestelle die Überwachung der Einhaltung der Anforderungen an den Beschwerdemechanismus gegen Overblocking, die Aufsicht gegen überbordende Maßnahmen sowie die Kontrolle der Transparenzbestimmung (§ 89b Abs. 2) durch die KommAustria.

Den von der Richtlinie vorgegebenen Schutz der Nutzer gegen überbordende Maßnahmen setzt der Gesetzesvorschlag unter Berücksichtigung der Ansätze, die die Kommission in ihren Leitlinien gefunden hat, durch mehrere wichtige Maßnahmen um:

Uploads, die umfangmäßig bestimmte Kriterien nicht überschreiten, sollen grundsätzlich nicht automatisch gesperrt werden dürfen; dies vor dem Hintergrund, dass für diese eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass es sich hier um erlaubte Nutzungen handelt. Diensteanbieter sollen aber verpflichtet sein, solche Nutzungen zu identifizieren und den Rechteinhabern zu berichten. Diesen steht es in der Folge frei, ein Notice-and-Stay-Down nach § 89a Abs. 1 Z 3 zu verlangen. Ausnahmsweise und vorübergehend soll der Anbieter einer großen Online-Plattform automationsunterstützte Maßnahmen auch gegen die Verfügbarkeit kleiner Ausschnitte anwenden dürfen, wenn ohne solche Maßnahmen die Gefahr bestünde, dass durch die Nutzung kleiner Ausschnitte die wirtschaftliche Verwertung des Werkes erheblich beeinträchtigt wird, und auf andere Art und Weise Vorsorge dafür getroffen wird, dass erlaubte Nutzungen nicht verhindert werden (§ 89b Abs. 3).

Außerdem soll es den Nutzern auch möglich sein, schon beim Upload vorzubringen, dass sie ein Werk erlaubterweise nutzen wollen. Auch in diesem Fall hat der Anbieter einer großen Online-Plattform die betroffenen Inhalte zugänglich zu machen und den Rechtinhaber über die Nutzung zu informieren, damit dieser vom Anbieter Maßnahmen nach § 89a Abs. 1 Z 3 verlangen kann, und zwar auch dann wenn die Größenkriterien des Uploads die Kriterien für kleine Ausschnitte überschreiten (§ 89b Abs. 4).

Ferner soll hintangehalten werden, dass ein Anbieter überbordende Schutzmaßnahmen vornimmt, wofür bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 89c ebenfalls ein eigenes Aufsichtsverfahren durch die KommAustria geführt werden und allenfalls auch eine Geldstrafe verhängt werden kann. Genauso ist die Aufsichtsbehörde in letzter Konsequenz für die Erteilung eines behördlichen Auftrags zuständig, wenn der von der Richtlinie den Plattformen vorgegebene Beschwerdemechanismus nicht möglichst nutzerfreundlich ausgestaltet ist (§ 89b Abs. 5 und 6). Dabei ist es keinesfalls Aufgabe der Aufsichtsbehörde, in die einzelnen zwischen Nutzern und Plattformen geführten Beschwerdeverfahren über die Sperre des Zugangs zu den von den Nutzern hochgeladenen Werken oder sonstigen Schutzgegenständen oder über die Entfernung der von diesen hochgeladenen Werken oder sonstigen Schutzgegenständen zu entscheiden. Die KommAustria hat keine Zuständigkeit, über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Nutzung oder Sperrung abzusprechen.

Schließlich sollen Nutzerorganisationen und Nutzer Zugang zu angemessenen, von den Diensteanbietern bereitgestellten Informationen über die Funktionsweise ihrer Maßnahmen haben und sich dadurch dauerhaft in den Dialog mit den Plattformen über die zu treffenden Maßnahmen einbringen aber auch Schritte gegen überbordende Maßnahmen in die Wege leiten können. Auch dies dient dem effektiven Schutz der Nutzer gegenüber den Plattformen und stellt Transparenz her (§ 89b Abs. 2).

8. Urhebervertragsrecht (Art. 18 bis 23 der Richtlinie 2019/790, Regierungsprogramm 2020 – 2024)

Die Richtlinie 2019/790 enthält in ihren Art. 18 bis 23 eine Reihe urhebervertragsrechtlicher Bestimmungen. Der Grundsatz der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung (Art. 18, s. § 37b), die Transparenzpflicht (Art. 19, s. § 37d), der Vertragsanpassungsmechanismus (Art. 20, s. § 37c) und die Alternative Streitbeilegung (Art. 21, s. §37e) verfolgen insgesamt den Zweck, eine faire Vergütung in Verwertungsverträgen mit Urhebern sicher zu stellen. Der Gesetzesvorschlag schlägt vor, diese Bestimmungen in einem neuen Va. Abschnitt des Urheberrechtsgesetzes (§§ 37b bis 37g) umzusetzen. Auf Verträge mit ausübenden Künstlern sollen diese Bestimmungen durch eine Ergänzung der Verweisungsbestimmung in § 68 Abs. 4 UrhG zur Anwendung kommen. Keiner Umsetzung bedarf Art. 22 über das Widerrufsrecht wegen mangelnder Verwertung, weil dieser Bestimmung bereits völlig durch die Regelungen über die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses in den §§ 29, 30 und § 68 Abs. 4 UrhG entsprochen wird.

Das Regierungsprogramm 2020 – 2024 widmet sich unter der Überschrift „Zeitgenössische Kunst und Kultur stärken“ der Einführung eines Urhebervertragsrechts. Ein modernes Urheberrecht beinhaltet demnach ein Vertragsrecht, das unfaire Knebelverträge verhindert und die Künstlerinnen und Künstler gegenüber den Produktions- und Vertriebsgesellschaften stärkt. Der Gesetzesvorschlag schlägt daher in Umsetzung des Regierungsprogramms und in Umsetzung des in der Richtlinie enthaltenen Grundsatzes der angemessenen und verhältnismäßigen Vergütung in Anlehnung an die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urhebervertragsrechts die Aufnahme solcher Bestimmungen in das UrhG vor, die die Verhandlungsposition des Urhebers bzw. ausübenden Künstlers stärken, ihn vor allzu pauschalen Rechteeinräumungen schützen und ihm die Möglichkeit geben, langfristige Bindungen zu beenden. Dazu gehören die Übernahme des sog. Zweckübertragungsgrundsatzes (§ 24c Abs. 1), Regelungen zur Einräumung von Rechten an unbekannten Verwertungsarten (§ 24c Abs. 2) und das Recht zur anderweitigen Verwertung bei langer Vertragsdauer (§ 31a).

Zur Umsetzung der Richtlinie 2019/789

Die Richtlinie 2019/789 erweitert das für Satellitensendungen in der Kabel- und SatellitenRL 93/83/EG vorgesehene Ursprungslandprinzip auf bestimmte sendungsbegleitende Online-Dienste, ordnet die Anwendung der für die Kabelweitersendung nach der Kabel- und SatellitenRL vorgesehenen Verwertungsgesellschaftenpflicht auch auf andere Formen der Weitersendung an und regelt die so genannte Direkteinspeisung. Die Umsetzung dieser Richtlinie führt zu einer Ergänzung des § 17 um einen Abs. 4, nach dem in den Fällen der Direkteinspeisung eine einheitliche Nutzungshandlung mit zwei Beteiligten (Rundfunkunternehmer und Signalverteiler) stattfindet. Darüber hinaus werden ein neuer, dem Ursprungslandprinzip für Satellitensendungen in § 17b nachempfundener § 18b über das Ursprungslandprinzip für sendungsbegleitende Online-Dienste eingefügt sowie die Bestimmungen über die Verwertungsgesellschaftenpflicht für die Weitersendung mittels Leitungen in den §§ 59a und 59b überarbeitet.

Ausnahmen vom Senderecht

Letztlich greift der Gesetzesvorschlag auch die langjährige Kritik an den in § 17 Abs. 3 UrhG geregelten Ausnahmen für die Übermittlung von Rundfunksendungen über bestimmte Antennenanlagen und Rundfunkvermittlungsanlagen vom Senderecht als richtlinien- und konventionswidrig auf, zumal neuere Entscheidungen des EuGH und des OGH die Bedenken bestätigt haben. Die Ausnahme für die Weitersendung von Rundfunksendungen des ORF soll aber aufrecht erhalten bleiben.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 7. Dezember 2021 in Verhandlung genommen. Im Anschluss an die Berichterstattung durch Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger beschloss der Ausschuss vor Eingang in die Debatte gemäß § 40 Abs. 1 GOG einstimmig, Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Thomas Lohninger, Dr. Franz Medwenitsch und Eva Spreitzhofer als Auskunftspersonen beizuziehen. Nach den Statements der Auskunftspersonen beteiligten sich an der Debatte außer der Berichterstatterin die Abgeordneten Mag. Johanna Jachs, Mag. Wolfgang Gerstl, Katharina Kucharowits, Mag. Harald Stefan, Dr. Johannes Margreiter und Mag. Selma Yildirim sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Eva Blimlinger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Art. 1 Z 1:

Diese Änderung dient der Berichtigung eines Redaktionsversehens. Nach den Erläuterungen soll nur die Nutzung von neueren Werken der Filmkunst mit bis zu zehn Prozent des Werkes beschränkt sein. Mit der Formulierung „…deren Erstaufführung … vor mindestens zwei Jahren stattgefunden hat“ würden aber nur ältere Werke der Filmkunst der Beschränkung unterworfen. Das Wort „mindestens“ ist daher durch das Wort „höchstens“ zu ersetzen.

Zu Art. 1 Z 2:

§ 89b legt den Anbietern großer Online-Plattformen zum Schutz ihrer Nutzer eine Reihe von Verpflichtungen auf, deren Verletzung gemäß § 89c in bestimmten Fällen zu Geldstrafen bis zu 1 Million Euro führen kann. Aus diesem Grund soll diesen Plattformen nach dem Vorbild von § 14 des Kommunikationsplattformen-Gesetzes eine Legisvakanz zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben eingeräumt werden. Die Inkrafttretensbestimmung bei den von der KommAustria (als Aufsichtsbehörde) und der RTR (als Beschwerdestelle) zu vollziehenden Regelungen trifft dafür Vorsorge, dass für die notwendigen administrativen und personellen Umstellungen in der KommAustria und der RTR-GmbH zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Systems eine angemessene Vorbereitungszeit eingeräumt wird.

Zu Art. 1 Z 3:

Die Regierungsvorlage ergänzt § 86 Abs. 1 um Eingriffe in das neue Leistungsschutzrecht der Hersteller von Presseveröffentlichungen und sieht daher auch für solche Eingriffe den Anspruch auf ein verschuldensunabhängiges angemessenes Entgelt vor. Über den Verweis auf § 86 Abs. 1 wird damit aber auch der Straftatbestand des § 91 Abs. 1 erweitert. Dies könnte dazu führen, dass bisher rechtmäßig erbrachte Dienste eingestellt werden müssen, weil die betroffenen Diensteanbieter keine Zeit für die Einholung der Erlaubnisse haben, die sie benötigen, um sich nicht strafbar zu machen. Aus diesem Grund soll auch für die Strafbarkeit wegen eines Eingriffs in das neue Leistungsschutzrecht eine Legisvakanz von etwa drei Monaten vorgesehen werden.

Zu Art. 3:

Für die notwendigen administrativen, organisatorischen und personellen Umstellungen in der KommAustria (zB auch die Änderung der Geschäftsverteilung sowie allenfalls der Geschäftsordnung) und in der RTR ist eine angemessene Vorbereitungszeit unabdingbar.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Mag. Eva Blimlinger mit Stimmenmehrheit (dafür: V, G, dagegen: S, F, N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 12 07

                            Mag. Eva Blimlinger                                                  Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau